Versuch einer Analyse
(Wertungen sind nicht beabsichtigt, die User/innen des Forums werden daher ausdrücklich von mir gebeten, diese auch nicht von sich aus in meine Analyse hineinzuinterpretieren.)
Ich habe den Eindruck, dass beide Bücher sehr verschieden ist, auch wenn die Geschehnisse um den "Raub" der Stephanskrone in beiden Büchern eine Rolle spielen, und es dürfte sicher nicht uninteressant sein, zu sehen, wie die rumänische Autorin Figuren wie Königin Elisabeth, König / Herzog Albrecht oder auch die Kottannerin agieren lässt.
Nach den Rezensionen zu Malys "Raub der Stephanskrone" (dieses Buch habe ich im Unterschied zum "Dunklen Herz der Welt" noch nicht selbst gelesen) dürften beide Bücher auf eine unterschiedliche Leserschaft abzielen.
"Das dunkle Herz der Welt" (Rezensionen hier im Forum siehe den folgenden Link) ist wohl in erster Linie etwas für Leser/innen sein, die mehr über die Geschichte des damaligen Königreichs der Ungarn erfahren möchten und die sich nicht nur für die historische Figur von Vlad Tepes (dem angeblichen Vorbild für Graf Dracula) interessieren, sondern auch für sein geographisches / politisches Umfeld und die Zeit, in der er gelebt hat.
Der Roman erzählt die Geschichte von Männern (beide historisch belegt, beide Zeitgenossen, beide Väter von Söhnen, die im Vergleich zu ihnen (gerade am deutschen Buchmarkt) bekannter sind:
- Vlad Dracul war der Vater von Vlad Tepes
- Janos Hunyady (im Buch sein "Gegenpart") der Vater des späteren Ungarnkönigs Matthias Corvinus. (Die Karriere dieser Familie Hunyady ist übrigens für das 15. Jahrhundert ungewöhnlich. Offensichtlich eine Familie von nicht gerade bedeutender Herkunft, von den Vorfahren ist nur der Vater als walachischer Adeliger gesichert, dennoch gelang Janos der Aufstieg in den Hochadel und zum "Gouverneur" des Königreiches Ungarn, sein jüngerer Sohn Matthias konnte sich schließlich als König behaupten, auch wenn es ihm letztlich nicht gelungen ist, eine eigene Königsdynastie zu begründen.)
Dass Janos im Roman von Le Hingrat in Wirklichkeit ein natürlicher Sohn von König / Kaiser Sigmund (Haus Luxemburg) und somit ein Halbbruder von jener Königin Elisabeth, um die es auch in Malys Roman geht, ist nicht belegt. Für die Dramaturgie der Geschichte wird diese Idee von Le Hingra bestens genutzt.)
Indem die rumänische Autorin zwischen Janos Hunyady und Vlad Dracul eine Beziehung aufbaut, sie sind zunächst Freunde, bis einer der beiden diese Freundschaft beendet, schafft sie den dramaturgischen Angelpunkt, durch den sie ihre Handlungsstränge bestens verknüpfen kann. (Insgesamt habe ich den Eindruck, dass "Der dunkle Herz der Welt" der komplexere der beiden Romane sein dürfte, und wohl auch mit grausigeren Details arbeitet.)
Liliana Le Hingrat ist nach den biographischen Angaben auf dem Buchcover eine Rumänin, daher ist es zumindest naheliegend, dass sie diesem Buch am deutschen Buchmarkt auch die Geschichte ihres Heimatlandes ein wenig präsentieren möchte.
"Das dunkle Herz der Welt" ist angeblich ihr Debütroman, sicher ist es zurzeit der einzige Roman von ihr, den ich über Goggle gefunden habe, und sie soll angeblich einige Jahre dafür recherchiert haben. Ob diese Angaben nun zutreffen oder nur Behauptung (des Verlags?) sind, auf jeden Fall ergibt sich daraus, dass sie als eine Autorin vermarktet wird, die nicht nur schreibt, um Geld zu machen oder (durch einen Verlag) publiziert zu werden, sondern mit ihrem Schreiben auch Ambitionen verbindet.
Beate Maly ist Österreicherin, lebt in Wien, das auch oft Schauplatz ihrer Bücher ist, und hat mehrere Bücher als Ebook und in wenigen Jahren über einen Verlag auf den Markt gebracht, was zumindest auf eine Vielschreiberin hindeutet. (Der Begriff Vielschreiberin ist grundsätzlich nicht abwertend, sondern meint lediglich eine/n Autor/in, die in kurzer Zeit Mengen von Büchern verfasst. Das dies allerdings auf die Qualität der Bücher Einfluss haben kann, kommt vor.)
Nach den Angaben auf ihrer Website ist Maly (noch?) keine Berufsschriftstellerin, sondern hat einen Brotberuf, neben dem sie schreibt. Der Hinweis, dass sie sich dank eines Stipendiums (das ihr von einer staatlichen Institution gewährt wurde und somit aus Mitteln der österreichischen Steuern finanziert war) vorübergehend einige Monate für ihr erstes Buch eine berufliche Auszeit nehmen durfte, berechtigt zu der Annahme, dass sie langfristig als Berufsschriftstellerin reüssieren möchte. Um das zu schaffen, ist sicher eine marktorientierte Buchproduktion ihrerseits notwendig, wobei offenbleibt, wie sie das selbst erlebt - ist sie davn selbst überzeugt oder ist es eine Notwendigkeit, die sie hingenommen muss. (Jedenfalls ist sie offensichtlich nicht in der sozialen Notlage, schreiben zu müssen, um damit ihre Lebenskosten und die ihrer Familie zu decken.)
Bei Malys bisherigen Büchern dominieren eindeutig die historischen "-in-Bücher", da gibt es bereits eine "Hebamme von Wien" (zu der es schon die Fortsetzung gibt) und eine "Zeichenkünstlerin von Wien" und außerdem eine "Donauprinzessin". (Letzteres Buch hätte ich aufgrund von Titel und Cover für einen Heimatroman á la 1950er-Jahre gehalten und keineswegs für einen historischen Kriminalroman, der um 1530 spielt, wie der Klappentext verrät.) Die Buchcover haben einen einheitlichen "Look", egal ob die Handlung im 14., 15. oder 17. Jahrhundert spielt, offensichtlich wird beim Marketing (durch den Verlag oder die Literaturagentur?) mehr Wert auf den Widererkennungseffekt gelegt, als auf eine Abstimmung mit den Buchinhalten.
Bei den bisherigen Rezensionen bei Amazon zum "Raub der Stephanskrone" fällt auf, dass der Titel als irreführend gesehen wird. Was lässt sich daraus schließen? Offensichtlich wurde das Buch von allen bisherigen Rezensenten/innen nicht gelesen, weil sie das historische Geschehnis, auf das der Titel hinweist, interessiert. Nach den Rezensionen dürften die meisten Leser/innen einen Kriminalroman vor mittelalterlicher Kulisse (um eine weibliche Hauptfigur?) erwartet habe. Dazu passt auch, dass sich ein solcher Roman von Maly bereits mit ihrer "Donauprinzessin" am Buchmarkt findet. (Die Ähnlichkeit der Buchcover der "Donauprinzessin" und der "Stephanskrone" ist vielleicht beabsichtigt.)
In den meisten Rezensionen findet sich außerdem der Hinweis, dass Renzensent/in schon das eine oder andere Bücher von Beate Maly gelesen hat, für den Kauf bzw. das Lesen der "Stephanskrone" ist also auch eine bisher positive Erfahrung mit Malys früheren Büchern ausschlaggebend.
Die ausschließlich positiven, auf den ersten Blick jedenfalls auch hilfreichen Rezensionen sind ein weiteres Indiz dafür, dass "Der Raub der Stephanskrone" bisher nur von jenen Leser/innen rezensiert wurde, für die er auch geschrieben wurde.
("Auf den ersten Blick jedenfalls auch hilfreich" ist von mir nicht als Abwertung gemeint. Aber da ich das Buch bisher nicht gelesen habe, kann ich natürlich noch nicht beurteilen, ob ich die Rezensionen danach noch hilfreich finden würde. Nach meinen bisherigen Erfahrungen ist es schon öfter vorgekommen, dass ich leider feststellen musste, dass sich Rezensionen als wenig hilfreich herausstellten, nachdem ich das Buch gelesen hatte und danach feststellen musste, dass ich die Meinung in einer Rezension, nachdem ich das Buch kannte, nicht wenigstens nachvollziehen konnte.)
Wahrscheinlich würde Malys Roman ein Titel wie z. B. "Die Kammerfrau", "Die Gehilfin des Kronenräubers" oder "Die Beschützerin der Stephanskrone" gerechter werden, geht es in dem Buch offensichtlich weniger um die Beschaffung der Stephanskrone aus der Plintenburg für eine Krönung, sondern um die Geschichte der Frau, die diese Aktion mit Helfern durchgeführt hat. (Ergänzung am 10. Juli 2017: Nach dem Lesen hatte ich den Eindruck, dass der "Kronenraub" bei Maly, politisch betrachtet, vollkommen unnötig ist, eine unsinnige Maßnahme, deren vermeintliche Notwendigkeit sich eine machtgeile, dümmliche "Tussi", das ist die Königin Elisabeth bei Maly nämlich, und ihr Liebhaber, dem sie aus der "Hand frisst", halt einbilden.)
Offensichtlich ist der Roman etwas für Leser/innen, denen Bücher wie zum Beispiel "Die Wanderhure", "Die Vergolderin" oder "Die Reliquienjägerin" gefallen haben. Auch solche Bücher haben manchmal eine weibliche Hauptfigur, die auch historisch belegt ist. Beispiele neben dem "Raub der Stephanskrone" wären z. B. "Die Hexe von Freiburg" (von Astrid Fritz) oder "Die Königsdame" (von Sabine Weigand).