Beiträge von Teresa

    Nach Wikipedia soll zumindest in der DDR bereits 1950 das Volljährigkeitsalter auf die Vollendung des 18. Lebensjahres herabgesetzt worden sein. Könnte es sein, dass MLF ihre Wurzeln in der damalige DDR hatte, vielleicht dort aufgewachsen ist und daher die dortigen Verhältnis automatisch auf das übrige Deutschland übertragen hat?

    Nach der vorzüglichen Beschreibung von Miss Kazumi, der ich vollkommen zustimmen kann, noch ergänzend einige eigene Eindrücke zu diesem historischen Roman.


    "Unterm Strich ist Das gelbe Hurentuch ein unterhaltsamer Roman mit sympathischen Hauptfiguren und viel Lokalkolorit. Die Krimihandlung fällt kleiner aus als erwartet und ist eher Beigabe als Hauptaspekt", heißt es diesbezüglich auf der Histo-Couch. Dieses Fazit ist mehr als zutreffend: "Das gelbe Hurentuch" ist eindeutig ein historischer Roman und als solcher sogar sehr gelungen.


    Der eine oder andere historische Faktenfehler, der mir aufgefallen ist, hat mich nicht weitergestört, handelt es sich dabei um wirklich unwichtige Kleinigkeiten, die den gelungenen Gesamteindruck absolut nicht beeinträchtigen. So war z. B. die Jakobskirche in Innsbruck, die in einem Satz Erwähnung findet, im 14. Jahrhundert noch kein Dom, und die irisch-schottischen Mönche, denen das Wiener Schottenstift seinen Namen verdankt, längst durch Benediktinermönche ersetzt und Geschichte. Doch die spannende Schilderung einer Reise von Lucca nach Wien oder des Hochzeitszuges wird dadurch nicht wirklich beeinträchtigt.


    Einige weitere kleinere Ungenauigkeiten (um Gräfin Margarete Maultasch, das Interdikt und ihre "bairische" Familie) dürften von der Autorin im Rahmen einer "glaubwürdigen" Figurencharakteristik und "historischer Alltagsschilderung" beabsichtigt sein, werden sie doch als Aussage von Figuren rübergebracht. Für mich ist es gut vorstellbar, dass die damaligen Menschen über tatsächlichen Verhältnisse gar nicht so genau Bescheid wissen konnten bzw. hier tatsächlich nicht selbst differenziert haben. (Faktenfreaks werden zwar daran Anstoß nehmen, und wohl auch der Autorin zum Vorwurf machen, dass es kein Nachwort gibt, aber für mich war es durchaus im Rahmen dessen, was ich bei einem historischen Roman akzeptieren kann.)


    Da ich selbst nicht viel von Nachwörtern halte, die in erster Linie ohnehin dem Marketing dienen, hat mich das Fehlen eines Nachwortes nicht weiter gestört. Hinzu kommt, dass solche Extras vom Verlag abhängig sind. Anna Fuchs dürfte wahrscheinlich ganz glücklich gewesen sein, dass ein Verlag ihr Buch zu publizieren bereit war, und als Debütantin wohl kaum in der Position eines Autoren/innen-Stars, dem/der noch Extra-Zuckerl wie Nachwort, Zeittabelle etc. fordern durfte. Insofern ist wohl auch die unglückliche Vermarktung des Romans als historischen Kriminalroman bzw. Whodunit nicht ihr, sondern den Marketing des Verlages anzulasten.


    Insgesamt handelt es sich bei dem "Gelben Hurentuch" um einen historischen Unterhaltungsroman, der mit viel Lokalkolorit, einer abwechslungsreichen Handlungen und gelungenen Figuren punktet. Gerade einige fiktive Nebenfiguren wie z. B. Yrmel, Ewald (bei dem wohl der Dichter und Adelige Oswald von Wolkenstein als Vorbild anzunehmen ist) oder auch historische Figuren wie die Herzogin Beatrix oder die Äbtissin Katharina sind sehr gelungen, ebenso die meisten Hauptfiguren. Einzige Ausnahmen sind wohl das fiktive Liebespaar, aber als Prototyp einer Verfolgten Unschuld und eines "braven" Helden, der allerdings noch einiges zu lernen hat (was die Figur dann doch wieder als solche rettet), fügen sich beide doch in das Figurenrepertoire des Romans bestens ein.


    Die heimliche Heldin bzw. der heimliche Held des Romans ist ohnehin der Schauplatz, die Stadt Wien des 14. Jahrhunderts (die im Wesentlichem vom Areal damals dem entsprach, was wir heute als 1. Bezirk kennen). Diese ist mit viel historischen Lokalkolorit und Alltagsdetails liebevoll in Szene gesetzt. Sehr gelungen sind auch jene Teile, wenn Figuren von auswärts nach Wien reisen und dabei ihren persönlichen Eindruck von der Stadt Wien vermitteln. (Die Autorin hat sich offensichtlich auch die Mühe gemacht, historische Stadtansichten anzusehen.) Dass sie dabei auch sehr geschickt, Fachwissen auf unterhaltsame Art eingebaut hat, ist ein weiteres Schmankerl. So z. B. in der Szene, als der (historisch belegte) Patriarch von Aquileja mit seinem Neffen und dessen Begleiter (beide fiktive Figuren) sich der Stadt nähert und den jungen Leuten genau erläutert, welche Bauwerke da gerade sichtbar sind. Diese Beschreibung, die viel Fachwissen enthält, wirkt dennoch nicht aufgesetzt oder oberlehrerhaft, da der lehrerhafte Aspekt in den Roman integriert ist. Der Patriarch liefert die Fakten, seine beiden Zuhörer sind davon verwirrt oder auch gelangweilt.


    Die Historizität ist insgesamt ausgezeichnet, sehr schön ist auch, dass auf viele (unhistorische) Mittelalterklischees hier dankenswerterweise einmal verzichtet wurde, offensichtlich hat die Autorin eine Vorstellung von den tatsächlichen gesellschaftlichen Gegebenheiten einer Ständegesellschaft, und auch den Mut, diese in ihrem Buch zu zeigen.


    Wer sich auf das Buch einlässt, der bekommt einen vorzüglichen und sehr unterhaltsamen historischen Roman geboten. Neben ein wenig fiktiven Abenteuer- und Hintertreppentouch, der aber den Unterhaltungswert zugute kommt, vermittelt der Roman ein lebhaftes Bild vom Alltagsleben im mittelalterlichen Wien, von dem ich gerne zu glauben bereit bin, dass es so tatsächlich gewesen sein könnte. Das Wien-Bild ist tatsächlich einmal eine gelungene Umsetzung dessen, was in einschlägiger Fachliteratur, die auf historischen Zeitquellen aufbaut und die gewöhnlich ohnehin niemand liest, beschrieben wird. (Wer also Historisches auf unterhaltsamen Weg kennen lernen möchte, wird hier gut bedient, und vielleicht sogar als Folge zum Lesen von Fachbüchern ermutigt.)


    Fazit: kein historischer Krimi oder Whodunit, aber dafür ein wirklich unterhaltsamer und gelungener historischer Roman.


    Hoffentlich findet das Buch trotz der etwas unglücklichen Vermarktung als Whodunit und des irreführenden Untertitels "Hannerl ermittelt" seine Leserschaft.


    PS:
    Die Kritik am Titel, die mir in manchen Rezensionen untergekommen ist, kann ich nicht nachvollziehen. Sicher ist "Das gelbe Hurentuch" nicht der perfekte Titel, aber vollkommen unpassend ist er nicht. Zudem spielt das gelbe Requisit im Geschehen sehr wohl eine wichtige Rolle. Assoziationen mit der "Wanderhure" und ihren Nachfolgeromanen sind zwar vielleicht beabsichtigt, aber in dem Buch spielen nun einmal Huren eine wichtige Rolle, und insgesamt werden ihre Lebensumstände und Möglichkeiten hier auch wesentlich realistischer gezeichnet, als dies in "Der Wanderhure" der Fall ist.

    Zitat

    Original von Vandam
    ...
    Von einem Krimi-Debüt war in der Werbung die Rede.
    ...


    Das mit dem Krimi-Debüt ist eindeutig ein "Marketing-Schmäh", bereits die beiden "Donauprinzessin-Romane" von Beate Maly, von denen der eine schon länger am Buchmarkt ist, sind historische Kriminalromane, wobei zumindest der erste, den zweiten werde ich mir freiwillig sicher nicht antun, als Kriminalroman jedenfalls noch eher überzeugt hat, denn als historischer Roman.

    ACHTUNG SPOILER


    Anna Laminit (um 1480, Augsburg / damals freie Reichsstadt, heute Dtschld. - 1518, Freiburg im Üechtland / damals freie Reichsstadt, heute Schweiz), die Protagonistin des Romans "Das Heiligenspiel" von Ursula Niehaus, hat tatsächlich gelebt und geriet während ihres Lebens mehrmals mit den Obrigkeiten in Konflikt. Allerdings scheint sie mit Blick auf die damaligen Rechtsverhältnisse auch immer wieder Fürsprecher/innen gehabt zu haben, die für sie interveniert haben dürften. Bekannt wurde sie vor allem als vorgebliche (Hunger-)Heilige. Nach ihrer Ausweisung aus Augsburg ließ sie sich in Freiburg im Üechtland nieder, wo sie schließlich hingerichtet wurde.


    Auf den ersten Blick handelt es sich um einen historischen Stoff, der für einen historischen Roman des 21. Jahrhunderts, wie er zurzeit am Buchmarkt reüssieren kann, eher ungeeignet ist. Als Betrügerin, die offensichtlich in eigener Sache tätig war, entspricht Anna nicht der typischen Romanheldin, ihrer Geschichte fehlt zudem das obligatorische Happyend. Hinzu kommt, dass Anna auch nicht eine der beiden "Frauen-Stereotypen" erfüllt, bei denen diese "Mängel" in Kauf genommen werden können. Zumindest die historische Anna war wohl doch kein unschuldiges Opfer wie dies z. B. bei einer Katharina Stadellmennin ("Die Hexe von Freiburg") der Fall ist und sie kämpfte auch nicht für eine bessere Welt oder eine große Idee oder Ähnliches wie z. B. eine Jeanne d'Arc.


    Insofern ist die Entscheidung von Niehaus für diesen Stoff mutig. Allerdings, ohne Rücksicht auf den Buchmarkt, bietet der Stoff auch eine Menge Möglichkeiten. Möglich gewesen wäre z. B. eine Sittengeschichte oder Roman über das Leben in einer Reichsstadt zu Beginn des 16. Jahrhundert, ein Schelminnenroman oder eine Tragikomödie, woei der Umstand, dass Anna historischen Persönlichkeiten wie Kaiser Maximilian, Anton Welser und sogar Martin Luther begegnet ist, zudem noch die Möglichkeit bietet, historische Persönlichkeiten aus einer etwas fragwürdigen (eventuell sogar lustigen Perspektive zu zeigen).


    Der Roman selber hat solche Möglichkeiten genutzt. Anna ist hier keine negative Figur, sondern zu Beginn ein braves, tüchtiges Mädchen, dass Opfer einer falschen Freundin wird und dafür schwer büssen muss. Zum Glück gibt es mit der (fiktiven?) Figur der Oda jemanden, der sich um sie annimmt und ihr zu einem Neuanfang verhilft. Die Rolle als Hungerheilige wird Anna eher aufgedrängt, ihre Entlarvung geschieht aus fragwürdigen, wenn gleich nachvollziehbaren Gründen und dass sie letztlich wegen Augsburg verlassen muss, hängt auch mit der Liebesbeziehung zusammen, die sie im Roman mit Anton Welser hat. Auch der Betrug, wegen dem Anna letztlich hingerichtet wird, als sie sich gerade in Freiburg ein neues Leben aufgebaut hat, ist im Roman kein Betrug, sondern das Ergebnis einiger Missverständnisse, die Personen, die Anna feindlich gesinnt sind, nützen, um sie auszuschalten, wobei sich Niehaus noch etwas hat einfallen lassen, um sich dem aktuellen Buchmarkt obligatorischen Happyend doch noch anzunähern.


    Auch die historische Anna wurde an den Pranger stellt, ausgepeitscht und daraufhin aus der Stadt ausgewiesen, durfte aber einige Zeit später wieder zurückkehren und fand in einer seriösen Einrichtung Aufnahme. Das ist mit Blick auf das historische Zeit ungewöhnlich und wenn diese Darstellung tatsächlich auf Fakten beruht und nicht etwa von Chronisten und späteren Zeitgenossen erfunden oder ausgeschmückt wurde, kann davon ausgegangen werden, dass da vielleicht wirklich etwas nicht gestimmt hat und Anna offensichtlich das Glück hatte, jemanden zu haben, der ihr diese zweite Chance vermitteln konnte.


    Als Ausgangspunkt habe ich die Idee, dass Anna zunächst einmal selbst Unrecht angetan wird, nebenbei, dramaturgisch betrachtet, gut gefunden, ich vermute aber, dass es für das Buch selbst besser gewesen wäre, Anna in der Folge etwas mehr zur zielstrebigen Täterin werden zu lassen, die eben aus dieser Erfahrung auch negative Lehren gezogen hat.


    Dass Anna immerhin auch von ihrer Umgebung zu dem Heiligenspiel verführt wird, hat mir als Idee allerdings gut gefallen, und in dieses auch einige weitere Figuren als Mitwisser verwickelt sind, ist zumindest eine überzeugende Erklärung dafür, dass dieser historisch belegte Betrug tatsächlich nicht gleich aufgeflogen ist.


    Was mir insgesamt gut gefallen hat, war, dass die meisten Figuren, wenn gleich nicht gerade vielschichtig, erstaunlich "normal" sein durften.


    Weniger überzeugend fand ich dagegen Annas Beziehung mit Anton Welser, und dass sie natürlich auch eine Kräuterkundige ist und weitere Talente hat, dass sie nett zu gesellschaftlichen Außenseitern wie eben dem Henker ist und Ähnliches, war mir persönlich etwas zu viel des Guten.


    Die Missverständnisse, die Annas Hinrichtung zur Folge hatten, haben mich allerdings nicht überzeugt. Hier wäre wohl eine tatsächliche betrügerische Handlung, die Anna diesmal tatsächlich auf den Kopf fällt, vielleicht abgemildert durch soziale Umstände, überzeugender gewesen.


    Das tatsächliche Ende, dass Anna hier findet,

    , hat mich dagegen eigentlich nicht gestört, vermutlich, weil es irgendwie zur Romanhandlung gepasst hat.


    FAZIT:
    Muss man nicht gelesen haben, aber insgesamt ein recht unterhaltsames Buch, auch wenn mich nicht alles überzeugt hat.
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    Für Chiclana - wenn du dich noch ein wenig über dieses Buch mit mir austauschen möchtest (allerdings sind 7 Jahre doch eine sehr lange Zeit), ich habe es gelesen und ich habe im Moment Urlaub und damit auch ein paar freie zeitlichen Kapazitäten.

    Relativ spät zwar noch meine Rezension:
    In der Leserunde habe ich mich vor allem über das Buch selbst bereits ausführlich geäußert, hier also nur mehr einige Beobachtungen, die anderen vielleicht bei der Beantwortung der Frage helfen können, ob sie das Buch lesen möchten.


    Mein persönlicher Eindruck war insgesamt positiver als der von Lesebiene. Jedenfalls hat mich der Umstand, dass Sayyida mit den überlieferten Fakten über Caterina von Siena frei umgegangen ist und sich historisch da einige Abweichungen bzw. Umstellungen, was den Ablauf betrifft, erlaubt hat, nicht wirklich gestört, sicher auch, weil die Autorin nicht mit dem Anspruch aufgetreten ist, eine akribische Biographie über Caterina geschrieben zu haben. Ich fand es daher auch in Ordnung, dass Caterinas Werdegang nach dem Weggang von Zuhause beziehungsweise ihre Zeit "hinter Klostermauern" wesentlich verkürzt und hinter die Kulissen verlegt wurden. Einiges aus dieser Zeit, wie z. B. die Beschuldigung eine Ketzerin zu sein, auf das die Autorin nicht verzichten wollte, kommt dann zu einem späteren Zeitpunkt. Mich persönlich hat es nicht gestört.


    Die Idee dürfte sicher nicht unbedingt den Zeitgeist entsprechen, zudem Religion gewöhnlich in historischen Mittelalterromanen des 21. Jahrhunderts zurzeit offensichtlich "verboten" ist und nur negativ konnotiert sein darf. In diesem Punkt hat mir das Buch gut gefallen. Zwar sind Monica und Stefano wohl als Figuren für den Buchmarkt kreiiert worden, und manches ist etwas zu dick aufgetragen (siehe die Leserunde), aber auch hier ist es letztlich recht gut gelungen, die beiden mit Blick auf den historischen Hintergrund noch glaubwürdig sein zu lassen.


    Zu zwei der Kritikpunkte bei SiCollier:


    Problematischer dürfte mit Blick auf die geschilderte Zeit gewesen sein, dass beide Sex vor dem Altar haben und danach nicht einmal Reue empfinden, aber so, wie diese Szene von Sayyida geschildert wurde, war ich bereit, es ihren Figuren abzunehmen.



    Berücksichtigen wir allerdings, dass historische Romane heute gewöhnlich wie auch andere Romane ein Happyend haben müssen, steckt hinter diesem Hinweis vielleicht etwas anderes. Sayyida versucht in ihrem Roman (mein Eindruck) einen Kompromiss zwischen dem, was sie erzählen will und den aktuellen Vorgaben des Buchmarktes zu finden, und daher dürfte sie den Tod ihrer Heldin Monica (vielleicht im Kindbett, was für die damalige Zeit durchaus glaubwürdig ist) nicht mehr gezeigt, aber so angedeutet haben.


    In diesem Fall hätte der Roman zwar vordergründig ein sehr perfektes Happyend:
    - Die "bösen" Figuren haben ihre "gerechte" Strafe bekommen.
    - Caterina gründet ihr Kloster und hat mit der Rückkehr des Papstes nach Rom den ersten Schritt in Richtung Rettung der katholischen Kirche verwirklicht, auch wenn es mit dem Beginn des Schismas bereits einen ersten schweren Rückschlag gibt.
    - Monica wird Purpurfärberin, ist mit ihrem geliebten Stefano verheiratet und sieht der Geburt ihres ersten Kindes entgegen.


    Im Nachwort erfahren wir dann, dass Caterina nur wenige Jahre später gestorben ist, und mit der Information, dass Stefano später in einen Orden eintrat, teilt sie uns noch mit, dass Monica ebenfalls nicht lange gelebt hat, vielleicht sogar bereits bei der Geburt dieses Kindes verstorben sein könnte.


    Mit Blick darauf, dass die historische Heldin Caterina wenige Jahre nach Ende des Romans stirbt, würde es auch inhaltlich schlüssig sein, dass die fiktive Heldin Monica, die einen "traditionellen" Lebensweg hat, ebenfalls als Folge von diesem stirbt.


    Persönliches Fazit:
    Das Buch hat mich in einigen Details nicht überzeugt, bei einigen Figuren wäre mehr drin gewesen, und es gibt sprachliche und stilistische Mängel und Unbeholfenheiten. (siehe dazu unsere Leserunde). Als Versuch, Buchmarkt und eigene Ambitionen in eine Form zu bringen, ist es nicht hundertprozentig gelungen.


    Aber das Buch auch eine ganze Menge Qualitäten, die letztlich doch die Schwachstellen überwogen haben. Die Geschichte war interessant und als Ganzes durchaus überzeugend. Viele Details wirkten authentisch, mehrere Figuren (darunter auch ein paar Randfiguren, wie der Mann, der Monica nach Florenz bringt) waren sehr gelungen, die Handlung insgesamt durchaus spannend, und bei der Motivation war vieles normal und zu Abwechslung nicht übermotiviert. Schön fand ich auch, dass Wissen wie "Tourismusinformationen" in die Handlung selbst eingebaut waren, und dies in einer Form, die für mich auch glaubwürdig war.


    Wer beim Lesen nicht unbedingt auf die "perfekte Konfektionsware" oder gelungene Schreibtechnik erpicht ist, wer originelle Ideen und Abwechslung schätzt, ihm oder ihr könnte dieses Buch gefallen.


    Da die Schwächen durchaus im Rahmen dessen sind, was verbessert werden kann, werde ich weiteren Büchern von Christine Neumeyer sicher eine Chance geben.

    Dass die Minnesänger damals alle irgendwie Hallodris waren, kann ich nicht ganz nachvollziehen? Daher meine Frage: Woher weißt du das?


    Zumindest nach den belegbaren Fakten, die überliefert sind, zu schließen, wissen wir über die meisten Minnesänger eigentlich überhaupt nichts, wir kenne nur die Werke, die sie hinterlassen haben bzw. die ihnen zugeschrieben werden.


    Privat kenne ich inzwischen genug Autoren und Autorinnen, die ganz anders sind, als ihre fiktiven Buchhelden und Buchheldinnen, warum soll das im Mittelalter ganz anders gewesen sein?


    Abgesehen davon hat in dem Roman der andere Minnesänger, mit dem Walther befreundet ist, das, was gewöhnlich als feste Beziehung bezeichnet wird, er ist glücklich verlobt und später glücklich verheiratet.

    Direkte Vorbilder für meine fiktiven Figuren gibt es gewöhnlich nicht, wobei ich nicht ausschließen kann (ich lese sehr viel), dass das ohne oder andere Detail ein Vorbild hat, das ich unabsichtlich übernommen habe.


    Eigentlich habe ich gewöhnlich den ungefähren Ablauf einer Szene vor Augen und meine Figur, die in dieser zeigen werde, und diese Vorstellung versuche ich dann auf dem Papier sozusagen in Schriftform zu bringen, wobei es gewöhnlich vorkommt, dass mit dem Fortschreiten der Handlung oder der Überarbeitung weitere Details oder Änderungen notwendig sind oder sich mir sogar aufdrängen.


    Was mir sehr persönlich wichtig ist, zumindest bei meinen Hauptfiguren und wichtigen Nebenfiguren, ich versuche ihren Charakter vor allem indirekt zu zeigen, also in dem ich sie handeln, reden oder denken lasse. Einen auktorialen Erzähler verwende ich allerdings nur sehr selten.


    Bei Beschreibung und Urteilen verwende ich gerne den indirekten Weg. Figuren (gerade historische Figuren oder Figuren mit einer bestimmten "Rolle") versuche ich aus der Sicht anderer Figuren darzustellen, was zusätzliche Möglichkeiten eröffnet.

    Zitat

    Original von Lesebiene
    ...
    Also inhaltlich bisher:
    Zu Beginn habe ich erfahren, wie der Autor überhaupt zu Büchern kam: Er hatte sich mit 14 eine Ader verletzt und musste wochenlang das Bett hüten. Er musste still liegen und durfte nur mit einem leichten Bettuch zugedeckt werden. Also las er alles was ihm gebracht wurde. Auch Edward kam zu den Büchern weil er sich selber überrlassen war. Der Lehrer kümmerte sich nicht sonderlich und er las sich durch die Bibliothek des Onkels
    ...


    Nur eine Anregung mit Blick auf die Entstehungszeit:


    In "The Bride of Lammermoore" (dt. Titel: "Die Braut von Lammermoor", "Das Leid von Lammermoor") von Walter Scott liest die Heldin viele Romane, was hier durchaus kritisch gesehen wird. Als die männliche Hauptfigur dieses Romans (Edgar) in ihr Leben tritt, wirkt er auf sie wie eine Figur, die dieser Romanwelt entstiegen ist.


    Jane Austen wiederum macht sich über das Lesen von Romanen und deren "unreflektierte" Übertragung ins "Reallife" in "Northanger Abbey" lustig, wobei es sich hier allerdings um einen Erfahrungsprozess für ihre weibliche Hauptfigur Catherine handelt.


    Der Held Edward in "Waverley" ist zwar im Unterschied zu Catherine ein Mann, aber erstens doch recht jung

    , aber der Umstand, dass er viel (und offensichtlich wahllos) gelesen hat, lässt sich auch als Parallele zum Leseverhalten einer Lucia bzw. Catherine sehen.
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    Entschuldigung, dass ich mich da schon wieder eingemischt habe, wahrscheinlich sollte ich endlich damit aufhören, bei Eurer Leserunde (wenn gleich aus Interesse mitzulesen. :wave

    Zitat

    Original von LauraJane
    ...
    Edward lebt teilweise bei seinem Vater Richard Waverley und teilweise bei seinem Onkel Sir Everard Waverley. Richard und Sir Everald waren lange zerstritten und haben unterschiedliche politische Ansichten. Der eine ist Whigs und Jakobiner, der andere Tory und Hannoveraner. Was das genau bedeutet habe ich bis jetzt nicht verstanden, es scheint aber ein großes Problem zu sein.
    ...


    Dass der eine ein Whig und Jakobiner (eigentlich Jakobite) ist, der andere aber Tory und Hannoveraner, ist für den Roman wichtig.


    Warum ist das für den Roman wichtig: (Spoiler?)


    Was sind Whigs / Jakobiten und Tories / Hanoveraner:


    Zur Zeit der Handlung des Romans sind die Whigs / Jakobiten Anhänger bzw. Sympathisanten der (katholischen) Königsfamilie der Stuarts, die 1688/89 (mit König Jakob oder James II.) endgültig aus England und Schottland vertrieben wurden.
    Beide Länder hatten sie seit König Jakob (James) I. (das ist der Sohn der Maria (Mary) Stuart und der Nachfolger von ihr und Königin Elizabeth I.), mit einer Unterbrechung (Republik unter Oliver Cromwell) als Personalunion regiert. Im Königreich Schottland hatten Jakob II., sein Sohn aus seiner zweiten Ehe und dessen Enkel Anhängerschaft, was einige Versuche, zumindest die schottische Krone, zurückzugewinnen zur Folge hatte.


    Jakobiten / Whigs sind also Anhänger bzw. Sympathisanten jener Dynastie, die zum Zeitpunkt der Handlung nicht mehr an der Macht ist, aber noch auf deren Rückgewinnung hofft.


    Nach der Absetzung von Jakob II. traten seine Nachfolge zunächst seine beiden Töchter aus seiner 1. Ehe bzw. deren Ehemänner (alle protestantisch) an, mit ihnen starb dieser (protestantische) Familienzweig aus.


    Daraufhin wurde die Nachfolge den nächsten Verwandten angeboten, der protestantisch war, und das war Herzog Georg von Hannover, der als George I. König von England und Schottland wurde.
    Dieses Haus Hannover (das später in Windsor umbenannt wurde) regiert noch heute über Großbritannien.


    Die Hannoveraner / Tories sind Sympathisanten / Anhänger der Dynastie, die zurzeit offiziell an der Macht ist.


    Ich hoffe, dass beantwortet deine Frage, obwohl ich alles etwas vereinfacht beschrieben habe. :wave
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    Kurze Entschuldigung für meine kleine Einmischung, da ich mich nicht bei der Lese-Runde angemeldet habe, da ich im Moment kaum Zeit für regelmäßiges Mitlesen habe. :wave

    Bei aller Rücksichtnahme auf die individuelle Wünsche, die in Euren Beiträgen hier immer wieder hervorgehoben werden, offensichtlich wird am Buchmarkt selbst sehr wohl davon ausgegangen, dass die Leserschaft und Käuferschaft gezielt beeinflusst werden kann.


    Es wird zumindest einen Grund haben, warum (am Markt erfolgreiche) Autorinnen und Autoren in ihren Schreibwerkstätten immer wieder behaupten, dass Sympathie-Träger-Figuren für einen beim Publikum erfolgreichen Roman notwendig sind.


    Immer wieder wird interessierten Schreibenden, die nicht nur für die Schublade schreiben wollen, gesagt, dass sie ohne solche Figuren mit ihren Büchern am deutschen Buchmarkt zumindest keine Chance haben werden.


    Warum gibt es inzwischen überhaupt "Baukasten" und "Anleitungen" dazu, wie so eine Figur zu schreiben ist und welche Eigenschaften eine Figur haben muss bzw. nicht haben darf: Man nehme zwei gute und eine schlechte Eigenschaft ...


    Ich würde sehr gerne glauben, dass hier nur ein zusätzlicher Zweig einer Buchmarktindustrie Verdienstmöglichkeiten sucht und daher solche Vorstellungen verbreitet, aber wenn ich mir dann Buch-Rezensionen und Lese-Runden durchsehe, werden diese Vorstellungen von den meisten bestätigt.


    Letztlich läuft es darauf heraus? Was ist eine symapthische Figur überhauptb bzw. was ist für die Leserinnen und Leser im 21. Jahrhundert wichtig, dass sie eine Figur als sympathisch wahrnehmen? Oder überspitzt formuliert? Wie differenziert darf eine Figur gestaltet sein, dass Leserinnen und Leser des 21. Jahrhunderts sie noch sympathisch finden?

    Wann ist eine Romanfigur überhaupt sympathisch und warum wird sie überhaupt als sympathisch empfunden?


    Die Beantwortung der hier gestellten Frage ist dazu noch vom Zeitgeist abhängig. Wenn ich erfolgreiche Unterhaltungsromane aus dem 20. Jahrhundert z. B. mit solchen aus dem 21. Jahrhundert vergleiche, fällt mir immer wieder auf, dass viele Romanfiguren, die zu ihrer Zeit als Sympathieträger/innen wahrgenommen wurden, das heute nicht mehr sein könnten. Auf der anderen Seite aber hätten die heutigen als Sympathieträger/innen konzipierten Figuren wahrscheinlich früher keineswegs es als solche geschafft, das Buch zum "Seller" oder sogar "Bestseller" zu machen.


    Dazu ein Beispiel:
    Ich habe vor einiger Zeit einen historischen Roman gelesen (geschrieben vor etwa 80 Jahren), nach heutigen Kriterien wäre er eindeutig eine "Biofic". In einer Rezension bei Amazon heißt es dazu in etwa: "Ich habe noch nie so um eine Hauptfigur gebangt."


    Im 20. Jahrhundert vermute ich, dass diese Figur aufgrund ihres Charaktersprofils (obwohl die Autorin hier sicher historische Fakten berücksichtigen musste) tatsächlich als Sympathieträger rübergekommen ist, was auch die Meinung der Rezensentin widerspiegelt, eine Hauptfigur, um die sich Leserin sorgen macht und bei sie hofft, dass sich letztlich doch noch alles zum Guten wendet.


    Heute aber im 21. Jahrhundert bin ich mir dagegen sehr sicher, dass diese Figur für die meisten Bücher-Eulen hier kein Sympathieträger wäre, und das aus folgenden Gründen.


    Ein komplexer, "innerlich zerrissener" Charakter, was die Helden/innen der zurzeit beliebten Bücher und Buchserien nicht mehr sind und wohl auch gar nicht sein dürfen, wenn sie am Buchmarkt ankommen sollen, wie mir viele Rezensionen und auch Interviews mit Autoren/innen zeigen.


    Außerdem hat die Hauptfigur noch einen "schweren" Fehler aus heutiger Sicht. Sympathische Figuren sind heute immer "aktiv. Zwar gilt es als notwendig, eine sympathische Hauptfigur erst einmal (vordergründig) sehr leiden zu lassen und zwar in Masse (ein Ratschlag, der mir bisher noch in jeder Schreibwerkstatt / in jedem Kurs untergekommen ist), aber vordergründig ist eine "sympathische" Figur (noch dazu eine männliche) nie passiv und duldet das einfach nur oder fügt sich in ihr Schicksal.


    Weiter ist wichtig, dass Hauptfiguren am Schluss "Sieger" und am Leben sind. (Die wenigen Bücher, in denen das nicht der Fall ist, lassen sich an den Fingern abzählen und selbst da ist es interessant zu beobachten, wie immer versucht wird, doch noch so etwas wie ein wenig "Happyend" reinzukriegen.)


    Auch in diesem Punkt ist diese Hauptfigur aus dem 20. Jahrhundert aus heutiger Sicht problematisch. Zwar gehört sie letztlich nicht zu den Verlierern, aber sie endet eben nicht als der "strahlende Sieger".

    Danke, Elsa, für deinen Beitrag. Es geht tatsächlich nur darum, dass ich keine positiven Rezensionen mehr hier poste zu Büchern, die mir gefallen haben. Ich würde sie gerne weiter empfehlen, aber ich kann hier nicht das Risiko eingehen, dass diese Autoren/innen, gerade, wenn sie noch unbekannt, "Newcomer/innen" oder am Buchmarkt nicht etabliert sind, von einigen Eulen hier schlecht gemacht werden, nur um mich als Rezensentin zu fertig zu machen. Ich gehöre nun einmal zu den Lesern/innen, die sich mit ihrer Meinung keineswegs zurückhalten, und das ist bei vielen hier nicht gerne gesehen.


    Bei einem/r bekannten, fremdsprachige/n Buchautor/in ist das etwas anderes, für die spielt es sicher keine Rolle mehr, was über sie in einem Forum wie der Büchereule geschrieben wird, bei einem/r deutschsprachigen Autor/in, die seit vielen Jahren am Buchmarkt etabliert ist oder längst nicht mehr am Leben ist es wohl dasselbe. Anders aber bei jemanden, der gerade auf dem Buchmarkt Fuß fasst, was ohnehin für Autoren/innen, die nicht mit der Masse schwimmen, schwierig genug ist.


    Ich hatte da vor einiger Zeit eine recht negative Erfahrung, die mir eine Lehre war, auch wenn ich hoffe, dass das Ganze letztlich im Forum untergegangen sein dürfte und sich der Schaden somit in Grenzen halten dürfte. Das Problem war für die beiden Eulen, die über ein von mir positiv bewertetes Buch abfällig gepostet haben. Der Grund für ihre Postings klar. Sie wollten mich so fertig machen. Dass sie allerdings über ein von mir positiv bewertetes Buch so gepostet haben, lag daran, weil sie keine Bücher von mir kennen und diese schlecht oder lächerlich hätten machen können. Also musste es halt jemand anderer sein, mit dem sie eigentlich mich fertig machen wollten, was in diesem Fall allerdings auf dessen Kosten geschehen ist.


    FAZIT: Eine Autorin konnte also dafür büßen, dass ich mich über sie positiv geäußert hatte. Sie selbst hatte mich nie um eine positive Stellungnahme gebeten, ich kenne nur das Buch von ihr, und ich kenne sie nicht einmal persönlich.


    Gegen Angriffe hier lässt sich nichts machen, es ist das Beste, sie zu ignorieren und denen nach Möglichkeit nicht in Quere zu kommen bzw. hier auszuweichen, die solches Verhalten zeigen.
    Allerdings sind Angriffe gegen die eigene Person eine Sache, aber wenn sie letztlich andere treffen, ist das etwas, was ich jedenfalls ziemlich schlimm finde und was ich nicht zu lassen kann.


    Daher habe ich mich dazu entschieden, hier über Bücher von unbekannten oder nicht etablierten Autoren/innen, die mir gefallen haben, nichts mehr zu posten, und das auf keinem Fall mehr in Rezensionsthreads, damit sie eben nicht wegen mir irgendwelche Nachteile kriegen.

    Ich weiß nicht, ob eine Zusammenarbeit mit einer Bibliothek wirklich viel bringt. Ich kenne genug Leute, die gar nicht in eine Bibliothek oder Bücherei gehen, sondern die Bücher werden gekauft oder ausgetauscht untereinander. Außerdem sind richtige Bibliotheken und Büchereien auf bestimmte Orte beschränkt, ich habe auch Bekannte, die eine richtige Reise machen müssten, um die nächste Bücherei / Bibliothek nützen zu können.


    Einen weiteren Fall, den ich schon einige Male erlebt habe, gerade bei kleinen Verlagen funktioniert es oft nicht mit dem Verkauf über das Internet bzw. Internet-Bookshops.


    Was das Bewerben von Büchern betrifft, die mir z. B. gefallen haben, halte ich mich mit dem Empfehlen inzwischen sehr zürück. Gerade in der Bücher-Eule schreibe ich inzwischen (abgesehen von der einen oder anderen Ausnahme) fast nur mehr negative Rezensionen, da mir das Risiko bei relativ unbekannten Autoren/innen zu hoch ist, dass ich ihnen hier mit einer positiven Rezension Schaden zufügen könnte.

    Zitat

    Original von Beatrix
    Aber mir fehlte ganz deutlich ein Nachwort des Verfassers, wo er den Leser hätte aufklären können, was an der Geschichte nun fiktiv und was doch historisch belegter Hintergrund ist. Und Wikipedia hat mir da nicht so sehr weiterhelfen können. In diesem Fall gibt es daher für mich einen deutlichen Punktabzug.


    Ich wiederum bin dem Autor sehr dankbar, dass er auf dieses Nachwort verzichtet und stattdessen zwei weitere unterhaltsame Bücher geschrieben hat. Denn davon habe ich mehr.


    Ein Nachwort, das deine Forderungen angemessen erfüllt, hätte die Buchlänge des "Erlkönig-Mannövers" eindeutig verdoppelt. (Da ist für Löhr sicher mehr zu gewinnen, wenn er gleich ein eigenes Sachbuch zu seinem "Erlkönig-Mannöver" verfasst hat.)


    Abgesehen davon, ist die Frage, was an einer wirklich guten Geschichte nun fiktiv und was doch historisch belegter Hintergrund ist, sehr schwer zu beantworten. Diese säuberliche Trennung ist nur bei Rahmen-Fakten (z. B. Daten, Jahreszahlen) möglich, und selbst dann nur, wenn diese tatsächlich so belegt sind, dass ihre Richtigkeit wirklich nicht angezweifelt werden kann.


    Bei Löhr kommt noch hinzu, dass vieles nicht historisch belegt, aber durch die Werke der Schriftsteller/innen, um die es hier geht, angeregt ist.


    Aber was Wikipedia betrifft - gibt es bei dir in der Nähe denn keine Büchereien oder Bibliotheken, wo du dir selbst Werke von Kleist, Goethe, Schiller etc. sowie literaturgeschichtliche Überblickswerke ausleihen kannst? (Abgesehen davon ist vieles, was auf Wikipedia zu finden ist, mit Vorsicht betrachten. Die kochen halt auch nur mit Wasser.)

    Eines vorweg - bitte missverstehe meine Bemerkung hier nicht als einen Angriff auf deine Rezension, die übrigens recht interessant ist.


    Aber würde das Buch nicht eigentlich in die Rubrik Klassiker gehören oder vielleicht auch Belletristik?


    Denn mit Blick auf die Entstehungszeit ist es eindeutig kein historischer Roman, sondern ein Zeitroman. Wharton versucht hier nicht etwas, was zu ihrer Lebenszeit bereits Geschichte war, zu beschreiben, und es handelt sich auch um keinen jener historischen Roman, in dem Autor/in mit Absicht unter Zuhilfenahme eines historischen Stoffes präsentiert.

    Einige Beobachtungen, durch die im Rezensionsthread zu diesem Buch angeregt wurde. (Aus diesem sind auch die Zitate)


    Zitat

    Original von PMelittaM
    Der Autor hat gut recherchiert und wie es sich für einen guten historischen Roman gehört, finden sich auch hier Karten, Stammbäume und ein Personenregister (in dem aber leider nicht kenntlich gemacht wurde, wer historisch belegte und wer fiktive Person ist), zudem hat Conn Iggulden ein umfangreiches Nachwort geschrieben, in dem er auf Fakten und Fiktion eingeht und auch auf seine Gründe, warum er hin und wieder von den Fakten abgewichen ist.



    Also löblich, alles heute wohl auch der Standard, der von einem/r Autor/in gefordert wird, wobei wir nicht übersehen dürfen, dass letztlich der Verlag entscheidet, ob Autor/in diese Extras zugestanden werden. Leider aber schon wieder ein Nachwort, das ich für bedenklich halte, denn was die historischen Fakten betrifft, so wird auch dieses Nachwort nur genutzt (oder ist der Ausdruck "missbraucht" hier zutreffender), um in Wirklichkeit die eigene Fiktion zur einzig "wahren" Geschichte zu erklären.

    Dazu ein Beispiel:


    Die Heirat von Henry VI. mit Margaret wird im Roman als Coup dargestellt, um Henrys problematische Friedenspläne doch verwirklichen zu können. Im Nachwort werden vom Autor die (historischen) Hintergrunde für diese Idee verraten. Nach ihm ist das Zustandekommen dieser Heirat ein historisch "weißer" Fleck, hinter dem eine perfekte Vermittlung stecken muss, der es gelang, für Henry doch noch eine Ehe mit französischen Prinzessin zu arrangieren. Wie im Roman wird auch im Nachwort behauptet, dass eine Heirat mit einer Tochter des französischen Königs nicht möglich war, da dieser es aus politischen Gründen nicht wollte. Dieses Problem konnte durch die Heirat mit einer unwichtigen Nichte, die aber durch zweifelhafte Umstände den Rang einer Königstochter hatte, sozusagen gelöst werden.


    Zur Durchführung wird im Roman mit Derry Brewer eine fiktive Figur geschaffen, die sozusagen genial im Hintergrund die Fäden ziehen darf.


    Nach Igguldens Nachwort ist dieser Coup Faktum, bei dem aber die Drahtzieher nicht überliefert sind, womit Iggulden gleich die Verwendung einer von ihm erfundenen Figur dazu rechtfertigt.


    Nun, bereits in Shakespeares Trilogie "Henry VIII." (16. Jh.) findet sich eine etwas andere Version. Hier ist es der Herzog von Gloster, der für seinen Neffen Henry den Frieden mit Frankreich durch eine als äußerst vorteilhaft beschriebene Eheschließung mit einer französischen Prinzessin (Verwandtschaft mit den Valois-Königen, hohes Ansehen dieser Familie - Garantie zum Erhalt des Friedens, gute Mitgift) in die Wege geleitet hat. Die von Iggulden behauptete Notwendigkeit, dass für ein solches Projekt nur eine Königstochter in Frage kommt, findet sich bei Shakespeare nicht.


    Dann aber lernt der Graf von Suffolk Margaret kennen, in die er sich sofort verliebt. Da er verheiratet ist und sie daher nicht selbst heiraten kann, und aus egoistisch-machtpolitischen Erwägungen verleitet er Henry VI. dazu, sie zu heiraten und vereitelt Glosters Pläne, die bei Shakespeare positiv besetzt sind. Suffolk will über Margaret, die er zu seiner Geliebten macht, über Henry und somit auch England herrschen.
    Anzumerken ist, dass anders als bei Iggulden Margaret und Suffolk bei Shakespeare negative Figuren sind, denen er allerdings Format zugesteht.


    Der französische König hat bei Shakespeare mit dieser Eheanbahnung nichts zu tun, während er bei Iggulden diese indirekt notwendig macht. (Nur weil er die Ehe mit einer seiner Töchter ablehnt, muss sozusagen mit der armen, unbedeutenden Nichte, die immerhin auch "Königstochter" ist, die "Ersatzbraut" für Henry gefunden werden.)


    Jedenfalls wären die Pläne, die Igguldens Henry hat, bei Shakespeare problemlos mit einer anderen Heirat aus dem Umfeld des französischen Königs durchführbar, es besteht keineswegs die Notwendigkeit, dafür eine Königstochter zu nehmen.


    Sowohl bei Shakespeare als auch bei Iggulden wird Margaret, die letztlich mit Henry verheiratet wird, als zweifelhafte Partie gezeigt. Bei beiden ist die Ehe politisch ein schwerer Fehler, wenn gleich bei Iggulden dieses Manko durch die positiv besetzte Persönlichkeit seiner Margaret letztlich gemildert ist.


    Als Vergleich nun noch ein Blick auf einen weiteren Roman, dessen Darstellung dieser Eheschließung von Shakespeare und Iggulden eindeutig abweicht. Für diesen Roman dürfte die Autorin, obwohl sie keine Französin war, vermutlich eher französische Quellen oder Sekundärliteratur als britische verwendet haben. Bei Shakespeare und Iggulden können wir davon ausgehen, dass sie beide wohl britische Quellen (bzw. Iggulden britische Sekundärliteratur) genutzt haben.


    "Wald der Erwartung" (publ. um 1957), ein Roman der niederländische Schriftstellerin Hella S. Haasse (1918-2011) erzählt die Lebensgeschichte des Dichters und Fürsten Charles d'Orléans. Die Heirat zwischen Henry und Margaret wird hier kurz erwähnt, da sie in der erzählten Zeit geschah. Für die Haupthandlung selbst ist diese Heirat dramaturgisch nicht relevant, daraus folgt, dass Haase im Unterschied zu Shakespeare oder Iggulden keinen (dramaturgischen) Grund hatte, hier Fakten zu bearbeiten oder zu verändern, da die Details für ihre eigenen Geschichte eben nicht wichtig sind.


    Auch bei Haasse findet sich, wie eben bei Shakespeare, eine für Henry geplante Ehe mit einer Verwandten des französischen Königs aus dem Lager von dessen Gegnern. Allerdings ist es in ihrem Roman dann der französische König persönlich, der dafür sorgt, dass letztlich nicht dieser Eheplan verwirklicht wird, sondern Henry Margaret heiratet. Ausschlaggebend für sein Handeln ist, dass es sich bei Margarets Vater um seinen eigenen Schwager und, was wohl noch wichtiger ist, einen seiner loyalen Verbündeten handelt.


    Wie bei Shakespeare ist es somit auch bei Haasse keineswegs der französische König, der mit der Ehe Henry - Margaret ausgetrickst wird. Bei beiden findet sich aber auch das Motiv, dass für Henry ursprünglich eine Ehe mit einer Verwandten des französischen Königs geplant ist, die zum Lager der Gegner dieses französischen Königs gehört. Bei Haasse ist Margaret übrigens keine zweifelhafte oder fragwürdige Partie, sondern sie ist eine für Henry in jeder Hinsicht angemessene Partie und auch über die Figur ihres Vaters erfahren wir nichts, was gegen ihn sprechen würde.


    Ganz anders da Iggulden, der seine Margaret in einem wahren Lotterhaushalt (falls es diesen Ausdruck im 16. Jahrhundert schon gegeben hat) hausen lässt, wo die Pfandleiher täglich ein- und ausgehen und das Mobilar wegschaffen, wo es kein eigenes Frauenzimmer, wie damals an Höfen üblich, gibt, so dass sie von ihren Brüdern nach Lust und Laune misshandelt werden kann, der Vater durch fragwürdige Abwesenheiten glänzt und die Mutter offensichtlich nicht imstande ist, sich irgendwie Autorität zu verschaffen. (Das passt übrigens keineswegs zu den historischen Fakten, die über die Mutter bekannt sind, musste die Dame doch immer wieder für ihren Mann die Stellung halten, wenn er wieder einmal in Gefangenschaft geraten war, und dies gelang ihr offensichtlich recht erfolgreich.)


    Margarets Vater ist bei Iggulden nicht nur ein Bankrotteur und Schuldenmacher, der ständig in fragwürdige Pläne verwickelt ist, sondern auch noch übler Antisemit und Judenfeind. (In diesem Zusammenhang wäre natürlich auch interessant, einmal zu überprüfen, inwieweit die Darstellung von Igguldens René d'Anjou und seines Hofes, die ich mit Blick auf mir bekannte historische Fakten für eine Verfälschung halte, ein Ergebnis der Zeitgeist-Mode des 21. Jahrhunderts ist. Oder haben wir es hier nur mit einer parteiischen, da nationalen englischen Geschichtssicht zu tun.)


    Was den tatsächlichen Wert von Margaret auf dem damaligen "Heiratsmarkt" betrifft:
    Dazu habe ich vor einiger Zeit zufällig in einer ungedruckten Dissertation eine Information zur historischen Margaret entdeckt. Sie gehörte angeblich zu den Ehekandidatinnen, die für Kaiser Friedrich III. (HRR) in Betracht gezogen wurden. Zwar scheint es sich keineswegs um ein Heiratsprojekt zu handeln, das sehr weit fortgeschritten war, als es doch nicht zustande gekommen ist, doch zeigt diese Information jedenfalls, dass die historische Margaret einen recht guten "Marktwert" auf dem "Heiratsmarkt" gehabt haben muss und sie keineswegs der "Notnagel" war, wie Iggulden es uns weismachen will.


    Werfen wir noch einen Blick auf die Töchter des französischen Königs Charles VII. des Siegreichen, von denen er lt. Iggulden keine mit Henry VI. verheiraten wollte. Von seinen Töchtern überlebten mindestens 6 das Kleinkindalter. So scheint es auch auf den ersten Blick, dass Iggulden mit seiner Idee, dass er keine mit Henry VI. verheiraten wollte, recht haben könnte.


    Sehr wir uns aber einmal die Lage etwas genauer an. Die Ehe zwischen Henry VI. und Margaret wurde 1444 vertraglich vereinbart und 1445 tatsächlich geschlossen. Wie war es zu diesem Zeitpunkt um heiratsfähige Töchter von Charles VII. tatsächlich bestellt?


    Zu diesem Zeitpunkt waren nur zwei seiner Töchter im Heiratsalter, eine gerade erst geboren, bei drei weiteren hätte Henry noch mehrere Jahre warten müssen, bis eine Heirat mit Ehevollzug möglich gewesen wäre. Die beiden heiratsfährigen Töchter des französischen Königs waren beide zu diesem Zeitpunkt aber bereits verlobt, und zwar schon seit mehreren Jahren.


    Nicht übersehen werden darf, dass die Auflösung einer Verlobung im Spätmittelalter keineswegs ein Kavalierdelikt war, und dies vor allem dann nicht, wenn sie schon seit Jahren eine beschlossene Sache war. Eine wieder aufgelöste Verlobung galt für die Braut bzw. den Bräutigam und deren Familie als Schande. Es gibt einige Fälle, wo verstoßene Bräute in der Folge nicht mehr verheiratet werden konnten. Andererseits konnte es auch ziemlich teuer werden, wenn eine Verlobung gelöst wurde. So musste z. B. im ersten Drittel des 15. Jahrhunderts das Haus Württemburg einem Herzog von Bayern Entschädigung zahlen, weil die für ihn vorgesehene Verlobte mit einem anderen Mann durchgebrannt war.


    Es ist also davon auszugehen, dass Verlobungen gewöhnlich nur dann gelöst wurden, wenn die neue Verlobung einfach wirklich umso vieles vorteilhafter war, dass es sich lohnte, Schwierigkeiten mit der anderen Familie in Kauf zu nehmen oder wenn man mächtig genug war, so dass man es sich leisten konnte, die andere Familie vor den Kopf zu stoßen.


    Katharina (1428-1446), die eine der beiden um 1444 heiratsfähigen Töchter, war mit Herzog Karl den Kühnen von Burgund, den sie auch heiratete, verlobt. Dieses Eheprojekt war im Zusammenhang mit dem Vertrag ausgehandelt worden, als die Herzöge von Burgund gegen Ende des Hundertjährigen Krieges (in den 1430er Jahren) die englische Seite verließen und mit dem Charles VII. Frieden schlossen, womit sie ihn auch als französischen König anerkannten. Da scheint es doch recht unrealistisch und es wäre politisch höchst unklug gewesen, wenn Charles VII., selbst wenn er persönlich diesen Henry VI. gerne als Schwiegersohn gehabt hätte, dafür eine neuerliche Auseinandersetzung mit den Herzögen von Burgund riskiert hätte.


    Ähnlich verhält es sich auch mit der anderen Tochter. Radegunde (um 1427 - 1445) war mit einem deutschen Reichsfürsten verlobt. Auch hier gibt es eindeutige Indizien dafür, dass Charles VII. sich einiges von diesem Eheprojekt versprochen hat. Nach dem die Ehe durch den Tod seiner Tochter nicht zustandekam, war er es, der ihrem Verlobten eine andere Braut vermittelte.)


    Ob nun Charles VII. eine eheliche Verbindung zwischen seinem Neffen Henry VI. und einer seiner Töchter ablehnte (was zumindest nach dem Roman von Haasse nicht der Fall gewesen sein dürfte) oder nicht, Fakt ist jedenfalls, dass er zum Zeitpunkt der Eheverhandlungen von Henry VI. und Margaret über keine eigene Tochter "verfügte", die er mit Henry VI. hätte sofort verheiraten können.


    Fazit dieser Beobachtungen: Die Idee, die Iggulden in seinem Roman gestaltet hat, ist wohl Erfindung von ihm und nicht historisch belegt.
    Ähnlich verhält es sich wohl auch mit seiner Geschichte, dass Henry VI. nicht zur Hochzeit persönlich gereist ist, weil die Franzosen nicht wissen durften, dass er schwachsinnig war. Auch hier habe ich den Eindruck, dass das eine eigene Erfindung von Iggulden ist, obwohl er es im Nachwort zur Tatsache macht. Denn auffallend ist schon, dass solche "Stellvertreter"-Ehen vor Ort, bei denen die tatsächliche Eheschließung erst am Hof des Bräutigams stattfand, vom 13. bis zu Anfang des 19. Jahrhunderts üblich waren, und zwar auch in Fällen, wo der Bräutigam einen wesentlich kürzeren Weg zurückzulegen hatte, als dies bei Henry VI. der Fall gewesen wäre, der immerhin dazu den Ärmelkanal hätte überqueren müssen. (Den Tunnel gab es damals noch nicht.)


    Es ist auch nichts dagegen einzuwenden (meine Meinung), wenn Fakten wesentlich verändert werden, solange das eine gute Geschichte ergibt (die sich nicht besser macht, als sie tatsächlich ist) und wenn das nicht schnell noch im Nachwort als wahre (oder sogar die einzig wahre) Auslegung der historischen Fakten "verkauft" wird. Zumindest das Letztere ist bei Conn Iggulden und seinem Nachwort eindeutig der Fall.


    Und was ergibt sich daraus: dass er, der britische "Star-Autor" wohl auch nur ein "Märchenonkel" ist, der mehr sein will. (Aber da sind mir halt doch "Märchentanten" und "Märchenonkel" lieber, die auch dazu stehen können.)


    Und da Nachwörter (wie auch andere Extras) inzwischen nicht nur bei der Bewertung eines Romans einbezogen werden (kein Nachwort und auch keine Extras führt bei Rezensenten/innen heute dazu, dass bei einem Buch Punkte abgezogen werden), sondern sogar als notwendige Ergänzung zum Roman zwingend gefordert und von Lesern/innen als seriöse Information gewertet werden, kann es im 21. Jahrhundert wohl nicht mehr gelten, dass Autoren/innen im Nachwort Dinge zu historischen Fakten machen, die unrichtig sind oder überhaupt nicht stimmen.