Beiträge von Teresa

    Nun, ich vermute, Sly ist hier nur ein Beispiel.


    Allerdings muss ich zugeben, dass die Mitleidmasche bei mir nicht genügt.


    Entweder muss die Autorin oder der Autor das auch so beschreiben, dass es mich berührt bzw. dass der "Leidensbeginn" eine gewisse Glaubwürdigkeit hat.


    Oder wenn alles eigentlich unglaubwürdig ist, muss Autorin bzw. Autor es schaffen, dass ich bereit bin zu glauben, dass zumindest dieser Hauptfigur diese schlimme Dinge passiert sind.



    Im Film funktioniert es auch nur wirklich, wenn die Leidensstory auch zur Hauptfigur oder zum Schauspieler bzw. zur Schauspielerin passt.

    Ich hatte übrigens vor längerer Zeit bei einer Lesung eine interessante Erfahrung. Die Geschichte, die dort ein nicht gänzlich unbekannter Autor aus seiner neuen Anthologie las, war sehr unterhaltsam, und so hätte ich mir fast sein Buch gekauft. Allerdings habe ich es dann unterlassen, da ich gerade wieder einmal einen finanziellen Engpass hatte und ich Bücher lieber zuerst einmal ausleihe, ehe ich entscheide, ob ich sie haben will. (Oder wenn das nicht möglich ist, gerne ohnehin einige Tage zuwarte, um so zu testen, ob ich das Buch wirklich will.)


    Zwei Tage später habe ich mich mit jemanden unterhalten, der dieses Buch gekauft hatte. Der war der Meinung, dass dieser Kauf ein richtiger Flop für ihn war. Zumindest war er der Meinung, dass die Geschichte, die der Autor vorgelesen hatte, die einzige gute Geschichte in diesem Buch gewesen wäre.


    Leider ist mir nicht bekannt, wie gut sich dieses Buch inzwischen verkauft.

    Nun, mir hat es wieder gut gefallen, dass sie versucht haben, an die früheren Filme anzuknüpfen statt gänzlich neues Personal einzuführen. Sonst hätten sie doch gleich ein gänzlich neues Star Wars drehen können.


    Davon abgesehen, habe ich nicht gefunden, dass Kylo Ren ein Abziehbild von Darth Vader ist, sondern eher ein junger Mann, der sein Vorbild, das er für großartig hält, kopiert, was nicht unglaubwürdig ist.


    Enkels großes Vorbild ist der Opa, den er für großartig hält. Weil er genauso toll sein will wie Opa, versucht er diesen zu bewusst zu kopieren, indem er seine Klamotten trägt etc. Was natürlich nicht wirklich funktionieren kann - Kylo Ren ist nicht Darth Vader / Anakin Skywalker. Die "schlechte" Kopie ist das Ergebnis. Allerdings für eine Schurken, der offensichtlich noch in Entwicklung ist, ist die Idee mit dem falschen Vorbild, das er zu kopieren versucht, doch eigentlich eine durchaus glaubwürdige Sache.

    Ich hatte keineswegs den Eindruck, dass Kylo Ren der Ersatz für Darth Vader sein soll und dass er als Darth Vader Light rüberkommt, machte für mich schon Sinn.


    Ein Unterschied ist bereits die Verwendung der Maske. Darth Vader konnte ohne sie nicht mehr existieren, er war auf sie angewiesen. Kylo Ren dagegen hat eine Maske nicht notwendig.


    Aber Darth Vader ist sein großes Vorbild, und er will genauso toll wie dieser sein, und um das zu erreichen, versucht er diesen in Kleidung, Aussehen und Habitus zu imitieren. Also trägt er auch die Maske ...


    Die Pointe fand ich ganz gut, hier knüpft der Film (mein Eindruck) durchaus gelungen an den früheren Film an, und die Figur Kylo Ren könnte in einer Fortsetzung noch ganz interessant werden. Jedenfalls hätte Kylo Ren als Schurke durchwegs Potenzial. Ob es in Folgefilmen genutzt wird, ist freilich eine andere Frage.

    Zitat

    Original von kero-chan


    ja, das stimmt. An so einen Satz kann ich mich auch noch erinnern. :-)


    Nur eine kleine Anmerkung:
    Dieser Satz ist zumindest in der Ausgabe von "Ruhe unsanft", die ich gelesen habe, nicht aus dem Verspoem "The Lady of Shalott" (von Alfred Tennyson), sondern aus der Tragödie "Die Herzogin von Amalfi" / "The Duchess of Malfi (von John Webster), was auch mit Blick auf die Handlung dieses Bühnenstücks besser zum Mordfall von "Ruhe unsanft" passt.

    Zitat

    Original von Buchdoktor


    Die Synonym-Suche nach Rede-Verben wird größtenteils überflüssig, wenn deine Charakterbögen differenziert sind und deine Figuren wie auf einer Bühne agieren. Es gibt Texte, in denen frage ich mich, war nun Claudia die Hauptfigur und Cornelia die jüngere Schwester - oder umgekehrt - , weil beide farblos und austauschbar sind. In anderen Büchern wiederum schaffen Auftreten und Dialog ein Bild davon, wer Herr und Knecht, Lehrer und Schüler, ältere Schwester und jüngere Schwester ist. Ich vermute jetzt mal ins Blaue, dass gute Texte von erfahrenen Autoren ein "flötete sie, tirillierte er" nicht nötig haben.


    Was mich nachdenklich macht, ist allerdings, dass keines der Bücher vom deutschen Buchmarkt (die auch von deutschsprachigen Autorinnen und Autoren) geschrieben wurden, sich mir aufgrund der großartigen Sprache eingeprägt hat, aber mich gleichzeitig auch als Gesamtwerk restlos überzeugen oder sogar begeistern konnte.


    Wenn ich dagegen Bücher aus dem 19. und 20. Jahrhundert lese, finde ich oft auch unter denen, die damals nur als (gehobene) Unterhaltungsliteratur galten, solche, die mich aufgrund von Handlung und Charakteren überzeugen und zudem über eine sehr schöne und oft sogar großartige Sprache verfügen.


    Damals war es aber durchaus Standard, dass ein Dialog in einem Roman bzw. Prosawerk durch die Verwendung von Verben und Beschreibung des Sprachduktus gestaltet wird und eben nicht nur aufgrund der Sätze, die gesprochen werden.


    Nachdenklich stimmt mich jedenfalls, dass die deutschsprachigen Bücher (die keine Übersetzungen sind) sprachlich zurzeit doch relativ einfach und anspruchslos sind, selbst wenn ich berücksichtige, dass es bei ihnen gewöhnlich nur um (im besten Fall) gehobene Unterhaltungsliteratur handelt. Doch selbst die hatte im 19. und vor allem im 20. Jahrhundert sprachlich ein höheres Level.


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    Allerdings fällt mir auch auf, dass bei den seltenen Neuerscheinungen am Buchmarkt, in denen tatsächlich Synonyme (und dies nicht nur bei Rede-Verben) eingesetzt sind, diese gewöhnlich sehr unbeholfen und wenig sinnvoll angewendet werden. Meistens habe ich den Eindruck, dass da jemand einfach nur variiert hat, ohne sich um den Sinn und die feine Abstufung bei Synonymen (kein Wort lässt sich 1:1 durch ein anderes ersetzen) kümmern.


    Das habe ich in meiner Schulzeit zunächst so gemacht, aber hier war es Teil eines Lernprozesses:
    Schritt 1: Erweitern des eigenen Sprachschatzes - Schritt 2: formelle Anwendung verschiedener Worte und Variationen - Schritt 3: überlegte, sinn- und zielgerichtete Anwendung, um eine Szene packender, plastischer etc. zu gestalten.


    Könnte es nicht auch sein, dass der zur Gänze auf Sätze reduzierte Dialog und die Behauptung, er könne für sich selbst bestehen, vielleicht doch nur eine Notlösung ist, da die Gegenwartsautorinnen und -Autoren diese Sprachtechniken einfach nicht mehr so anwenden können (oder beherrschen), dass sie auch funktionieren?
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    Davon aber abgesehen, in einem Dialog zwischen zwei Personen, die mit einander reden, kann es funktionieren, aber selbst da sind zumindest Absätze nötig.


    Und wenn in einer Szene mehrere Figuren miteinander reden, werde ich ohne Verwendung von Redewerbungen nicht auskommen, da die Szene übersichtlich bleiben muss (auch wenn Chaos entsteht, muss zumindest die Leserin oder der Leser den Überblick behalten) und es muss auch klar sein, dass die Szene nicht zwischen zwei Personen stattfindet.


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    Ein Beispiel dazu, wenn gleich noch mit recht wenigen Figuren:


    Ausgangssituation der folgenden Textstelle:
    Die alte Frau Hahn ist bei einem jungen Ehepaarauf Besuch. Beide haben einen kleinen Sohn, der ebenfalls anwesend ist. Zusammen mit einem weiteren Ehepaar, das eine kleine Tochter hat, sitzen alle auf der Veranda beim Kaffee. Es wird geplaudert, und schließlich ergibt es sich, dass Frau Hahn beginnt, eine Sage zu erzählen.


    Textausschnitt 1:
    Es gibt nämlich eine Sage, die damals noch jeder im Dorf gekannt hat. Auf dem Tanzhügel wächst kein Gras, weil dort eine Kirche steht, eine romanisch-frühgotische Kirche, die in jener Zeit erbaut wurde, als die Menschen Gott nahe sein wollten und ihre Kirchtürme in den Himmel ragen ließen.
    „Machen sie das heute nicht auch?“, fragt meine kleine Tochter und der Sohn von Astrid und Leo zählt sofort einige Hochhäuser auf, die in den letzten Jahren gebaut wurden.
    „Das ist etwas ganz Anderes“, versetzt die alte Frau Hahn missmutig. Sie mag es nicht, wenn sie erzählt und dabei unterbrochen wird.
    Astrid schickt die Kinder in den Garten. Ihr Sohn soll meiner Tochter die neue Schaukel zeigen. Dann kommt Leo mit einer Kanne frisch gebrühtem Kaffee und die alte Frau Hahn erzählt weiter:
    "In der Nähe des Tanzhügels lebte damals ein Mann, der aus dem fernen Osten hierhergezogen ..."


    Textausschnitt 2 (hier sind die Rede-Verben weggelassen, Auslassungen gekennzeichnet):
    Es gibt nämlich eine Sage, die damals noch jeder im Dorf gekannt hat. Auf dem Tanzhügel wächst kein Gras, weil dort eine Kirche steht, eine romanisch-frühgotische Kirche, die in jener Zeit erbaut wurde, als die Menschen Gott nahe sein wollten und ihre Kirchtürme in den Himmel ragen ließen.
    „Machen sie das heute nicht auch?“ [...]
    Der Sohn von Astrid und Leo zählt sofort einige Hochhäuser auf, die in den letzten Jahren gebaut wurden.
    „Das ist etwas ganz Anderes" [...]. [Frau Hahn] mag es nicht, wenn sie erzählt und dabei unterbrochen wird.
    Astrid schickt die Kinder in den Garten. Ihr Sohn soll meiner Tochter die neue Schaukel zeigen. Dann kommt Leo mit einer Kanne frisch gebrühtem Kaffee
    [...]
    "In der Nähe des Tanzhügels lebte damals ein Mann, der aus dem fernen Osten hierhergezogen ..."

    Ganz ehrlich, ich habe es gar nicht ungern, wenn in den Dialog auch einmal eine Beschreibung des Rededuktus einer Figur, ein Verb oder Ähnliches eingebaut ist und die Sätze nicht nur aneinander gereiht und auf ihre Aussage beschränkt, für sich stehen. Schließlich ist ein Roman kein Drama.


    Mein Problem ist außerdem, dass ein Dialog, in dem nur die Worte aneinandergereiht sind und sei er noch so aussagekräftig, nur dann funktioniert, wenn er lediglich zwischen zwei Personen stattfindet.


    Aber was mache ich, wenn ich nun einmal drei und vier Personen miteinander in einer Szene reden lasse (bzw. reden lassen muss)?


    Natürlich kann ich versuchen, das Problem zu lösen, in dem ich für jede Person eine eigene Sprachart wählte. Allerdings sollte das auch Sinn ergeben.


    Eine gute Lösung ist sicher nicht, dass ich drei Mundart und einen Hochdeutsch reden lasse, wenn zum Beispiel alle aus Bayern und aus der unteren Schicht sind.


    Was kann ich da machen, wenn ich nicht Verben wie sagte, sprach, meinte etc. verwenden darf?

    Nun, noch einige Tipps:


    1.)
    Geschrieben zwischen den 1970er und den 1990er Jahren und somit längst veraltet, aber ich finde, dass die Cadfael-Serie von Ellis Peters (alias Edith Pargeter) es mit dem, was heute am Buchmarkt zu finden ist, noch immer aufnehmen kann. Die einzelnen Bücher sind in sich abgeschlossen, im Mittelpunkt stehen Bruder Cadfael und sein Umfeld, die Verbrechen sind meistens als Whodunits aufgebaut, fast immer gibt es auch so etwas wie eine Liebesgeschichte.


    Wie in vielen Serien, sind die Bücher allerdings qualitativ unterschiedlich, es ist bessere und schwächere Bücher, allerdings ist auch das Niveau bei den schlechteren Büchern auf einem akzeptablen Level. Bei einigen der letzten Bücher ist ldier zu merken, dass der Autorin allmählich die Ideen ausgingen. (Am wenigsten gelungen, vielleicht "Bruder Cadfael und die schwarze Keltin", wo es eigentlich um eine Liebesgeschichte geht und die Geschichte vielleicht ohne Bruder Cadfael besser funktioniert hätte.)
    Aber Achtung: Bücher wie zum Beispiel "Der fromme Dieb" oder "Bruder Cafaels Sühne" beweisen, dass selbst unter den späteren Büchern noch bestes "Lesefutter" zu finden ist.


    Lesen in chronologischer Reihenfolge ist zwar für das Verständnis nicht zwingend erforderlich, lohnt sich allerdings, da spätere Bücher oft auf frühere Bücher Bezug nehmen) und der geschichtliche Hintergrund (der Krieg um die englische Krone zwischen Mathilda und Stephen) so etwas wie einen roten Faden innerhalb der Buchserie bildet und von Buch zu Buch fortschreitet. (Allerdings bildet er eher etwas wie eine Hintergrundkulisse, historische Figuren kommen kaum und nur sporadisch vor.)


    Zumindest bei den ersten drei Büchern empfiehlt sich, mein Eindruck, das Lesen in chronologischer Reihenfolge.
    Bd. 1: "Im Namen der Heiligen"
    Ist zwar etwas langweilig, als Test, ob einem die Cadfael-Serie zusagt, eher ungeeignet, aber die Auflösung ist für spätere Bücher noch wichtig.


    Bd. 2: "Ein Leichnam zu viel"
    Die Erstbekanntschaft mit einer Figur, die der Buchserie als wichtige Nebenfigur erhalten bleibt - das Buch gewinnt beim Lesen an Spannung, wenn Leserin oder Leser noch nicht weiß, wie sie diese Figur einschätzen müssen, was nach den anderen Büchern klar ist.
    "Ein Leichnam zu viel" ist außerdem der ideale Einstieg in die Serie und auch als Test dafür, ob die Cadfael-Serie einen anspricht, sehr geeignet


    Bd. 3: "Bruder Cadfael und das Mönchskraut"
    Dem Abt Herbert droht die Absetzung. Wird der unsympathische Prior Robert sein Nachfolger? Wie bei Buch 2 also ein zusätzliches Spannungselement, denn ab Buch 4 ist diese Frage beantwortet.



    Ab Bd. 4: "Der Aufstand auf dem Jahrmarkt", ist die Reihenfolge weniger wichtig.


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    Empfehlungen finden sich auch unter Historische Krimis ?Historische Krimis

    Die Reliquie von Buchhorn
    (publ. 2011)


    Fortsetzung von "Die Herren von Buchhorn" und "Die Gauklerin von Buchhorn"


    Zur Handlung lt. Klappentext bzw. Amazon:

    Zitat

    Buchhorn am Bodensee, im 10. Jahrhundert. Als der Imker Dietger ermordet wird, gerät seine Frau Isentrud unter Verdacht. Wulfhard, ihr heimlicher Geliebter, bittet den St. Gallener Benediktinermönch Eckhard um Hilfe. Dabei plagen diesen bereits andere Sorgen: Ein Ordensbruder, der Reliquien für das Michaelskloster auf dem Heidelberger Heiligenberg erwerben sollte, ist auf seiner Reise verschwunden. Seine Spur verliert sich in Bregenz.Eckhard macht sich zunächst auf die Suche nach dem verschollenen Mönch. In Bregenz findet er jedoch heraus, dass es eine Verbindung zwischen den beiden Fällen gibt …


    Das Autorenduo (Information lt. Angabe bei Amazon)

    Zitat

    "Birgit Erwin", geboren 1974, hat Anglistik und Germanistik in Heidelberg und Southhampton studiert und lebt heute als Gymnasiallehrerin in Karlsruhe. Sie hat mehrere Romane sowie zahlreiche Kurzgeschichten unterschiedlicher Genres veröffentlicht.


    Zitat

    "Ulrich Buchhorn", Jahrgang 1961, lebt in Heidelberg. Der Althistoriker unterrichtet Latein und ist Autor von Kriminalkurzgeschichten, die in verschiedenen Anthologien erschienen sind...


    Persönlicher erster Eindruck:


    Der dritte und letzte Teil der Buchhorn-Triologie verbindet die Vorzuge von Buch 1 und Buch 2 zu einer spannenden und unterhaltsamen Handlung, die mit Rücksicht auf historischen Fakten ein vorläufiges Ende der Romanserie bedeutet (die Wege der Hauptfiguren trennen sich), das aber als würdiger Abschluss ist. Persönlich habe ich dieses Buch noch besser als die beiden Vorgängerbände gefunden.

    Die Gauklerin von Buchhorn
    (publ. 2010)


    Fortsetzung von "Die Herren von Buchhorn"


    Zur Handlung lt. Klappentext bzw. Amazon:

    Zitat

    Nach jahrelanger Gefangenschaft bei den Ungarn hofft Graf Udalrich von Buchhorn auf ein friedlicheres Leben mit seiner Frau Wendelgard am Bodensee. Doch als sie im September 919 dem Ruf des neu gekrönten Königs, Heinrich dem Vogeler, nach Konstanz folgen, um dort die Strapazen der Vergangenheit zu vergessen, ereilt sie neues Ungemach: Während einer Jagdpartie ersticht ein Meuchelmörder einen Beamten des königlichen Hofs. Kurz darauf wird auch ihr eigener Burgverwalter in Buchhorn ermordet. Weder Eckhard, Sekretär des Bischofs von Konstanz, noch Gerald, treuer Schmied der Grafenfamilie, glauben an einen Zufall. Gemeinsam machen sie sich auf die Suche nach den Mördern. Die Spur führt sie zu einer Gruppe Fremder, die im Wald um Buchhorn lagern. Unter ihnen befindet sich die ebenso attraktive wie geheimnisvolle Gauklerin Kunigunde …


    Das Autorenduo (Information lt. Angabe bei Amazon)

    Zitat

    "Birgit Erwin", geboren 1974, hat Anglistik und Germanistik in Heidelberg und Southhampton studiert und lebt heute als Gymnasiallehrerin in Karlsruhe. Sie hat mehrere Romane sowie zahlreiche Kurzgeschichten unterschiedlicher Genres veröffentlicht.


    Zitat

    "Ulrich Buchhorn", Jahrgang 1961, lebt in Heidelberg. Der Althistoriker unterrichtet Latein und ist Autor von Kriminalkurzgeschichten, die in verschiedenen Anthologien erschienen sind...


    Persönlicher erster Eindruck:
    ACHTUNG: SPOILER zu BUCH 1


    Der Titel ist unglücklich gewählt, weil er einerseits zu viel verrät (die Gauklerin Kunigunde ist für die Handlung selbst eine Schlüsselfigur), andererseits aber falsche Erwartungen weckt (sie ist keineswegs das Zentrum des Romans, wo die Fäden zusammenlaufen).


    Abgesehen davon wird die Fortsetzung dem ersten Band gerecht, ich finde sie sogar noch gelungener, da sich die Figuren weiterentwickeln und da hier im Vergleich zum ersten Buch die Figuren hier wesentlich abgründiger sind. Der "plot" der Fortsetzung ist aus dem Vorgängerbuch schlüssig entwickelt und schließt an dieses fließend an. Das ist umso auffallender, als das Vorgängerbuch in sich abgeschlossen wirkte.


    Bischof Salomon weiß, dass er nicht mehr lange zu leben hat, und das tut ihm leid, denn gerade jetzt zeichnet sich ab, dass der neue König Heinrich I. seinen Aufgaben gewachsen ist und sich somit bessere Zeiten ankündigen. Der Bischof hat sein Versprechen gehalten, Wendelgard durfte die Inklusen verlassen und ist wieder mit ihrem geliebten Udalrich vereint. Nichtsdestoweniger ist Udalrich durch seine harte Gefangenschaft bei den Ungarn und persönlichen Verluste (er weiß ganz gut, dass er diese Zeit ohne seinen treuen Diener Adalbert nie überstanden hätte) traumatisiert und Wendelgard von den Strapazen des Inklusenlebens gezeichnet. Das wirkt sich keineswegs auf ihr eheliches Zusammenleben aus, wird aber in der Geschichte selbst immer wieder gezeigt und macht die beiden als Figuren umso glaubwürdiger. (Im Unterschied zu anderen Romanen, wo so etwas überhaupt weggelassen wird oder nur Teil einer typischen "Helden/innen-Laufbahn" ist und somit ein Scheinproblem, das sich am Ende schemagerecht heilen lässt.)


    Doch auch Geralds Ehe mit Friedrun ist keineswegs problemlos, wie Friedrun selbst feststellt: eine Schankmagd zu sein war für sie leichter als die Rolle der Ehefrau zu erfüllen. Dabei sieht sie diese Ehe als großes Glück an, mit dem sie gar nicht rechnen konnte. Dennoch ist es nicht der übliche Ehekonflikt, sondern es wird glaubwürdig gezeigt, dass eine gute Ehe nicht nur auf Liebe und Achtung aufbaut, sondern auch auf der Bewältigung des Alltags und des Zusammenlebens. Dazu muss Gerald noch den Tod seiner Eltern bewältigen, und da gibt es einige Versuchungen. Reicht es ihm, dass der Mann, der wesentliche Verantwortung für ihren Tod trägt, am Folgetag hingerichtet wird oder soll das noch möglichst qualvoll sein? Gerald ist beauftragt, das Schwert bereit zu machen, und vorübergehend trägt er sich mit dem Gedanken, sogar selbst als Henker zu walten. Als dann die Hinrichtung nicht stattfinden kann, muss Gerald für sich eine Entscheidung treffen ...


    Ob es freilich in Ordnung ist, wie das Dorf Buchhorn diesen Mann Wulfhard behandelt und misshandelt, der nicht nur der Hinrichtung entgegen sieht, sondern ihnen völlig wehrlos ausgeliefert ist ... Auch wenn das Autorenduo dies wohl eher beschreibt, um es uns Leserinnen und Lesern leichter zu machen, nun doch Sympathien für Wulfhard zu entwickeln, stimmt das Ganze nachdenklich, die Leute aus Buchhorn sind im Roman schließlich "normale" Menschen und eben nicht die bösen Wichte.


    Dass dann ausgerechnet der Verwalter, der das Henkersamt hätte ausüben sollen, ermordet wurde, hat nicht nur zur Folge, dass die Hinrichtung zunächst nicht stattfinden kann. Obwohl ziemlich klar ist, dass Wulfhard jedenfalls nicht diesen Mord begangen hat, droht ihm nun, gelyncht zu werden, worauf er nach Konstanz geschafft wird, da es auch unter den Leuten von Buchhorn einige gibt, die so etwas nicht verantworten wollen. Dort nimmt dann die Geschichte eine weitere eher unerwartete, aber nicht gänzlich unglaubwürdige Wende ...


    Im Unterschied zum ersten Band wird Eckhard vom Bischof diesmal schon relativ früh mit den Ermittlungen der Morde in Buchhorn (nach dem Mord an dem Verwalter hat es noch einen weiteren Mord gegeben) beauftragt, der Bischof vermutet einen Zusammenhang mit einem weiteren Mordanschlag in Konstanz ... Dennoch ist "Die Gauklerin von Buchhorn" weniger ein Kriminalroman als ein historischer Roman. Die besten und auch eindringlichsten Momente hat das Buch aber, wenn es um die Einwohnerschaft von Buchhorn und ihr Zusammenleben geht.


    FAZIT:
    Wem das erste Buch gefallen hat, der sollte sich die Fortsetzung nicht entgehen lassen. Abgesehen davon ist die Gauklerin ein gelungener historischer Roman, der die meisten Hardcover-Romane in diesem Genre übertrifft bzw. es mit ihnen durchaus aufnehmen kann. Von meiner Seite eine uneingeschränkte Leseempfehlung.


    Edit: Autorennamen im Threadtitel ergänzt. LG JaneDoe

    Zitat

    Original von Jenks
    Sorry, aber das kann ich so nicht :write


    Ja, ich freue mich, wenn in Büchern erklärende Nachworte stehen oder mehr Einzelheiten zu Personen. Auch über Landkarten freue ich mich gerade in historischen Romanen.
    Aber ich für meinen Teil bewerte immer nur das Buch an sich, den Inhalt der Geschichte, den Stil usw. Die "Extras" spielen bei meiner Bewertung keine Rolle, jedenfalls würde ich niemals einem Buch nur deswegen nicht die volle Punktzahl geben, wenn es mich ansonsten überzeugt hat.
    Ein interessantes Nachwort ist da höchstens dann ein Pluspunkt, ein Bonus sozusagen.


    Hi Jenks,


    da sind wir uns also einig. Gegen ein nettes Nachwort oder ein Nachwort, das wirklich interessant ist, habe ich auch nichts einzuwenden (auch wenn ein gutes Buch mich ohne solche Extras überzeugen muss). Allerdings hatte ich inzwischen zu oft Nachwörter, die zur Faktverfälschung missbraucht wurden, was ich nicht gutheißen kann.


    Ein weiteres Problem ist, dass viele Buchautorinnen und Buchautoren den Extras mehr Wert zu messen, als dem eigentlichen Buch. Oft genug fällt mir auf, dass der Widerspruch zwischen dem Niveau und der Qualität des Buchinhaltes im Vergleich zur Biographie (wissenschaftliches KnowHow offensichtlich Voraussetzung) und dem Foto (gutes Aussehen etwa notwendig?) der Autorin oder des Autors und den Extras wie das schöne Cover, die herrliche Landkarte, der fabelhafte Stammbaum erschreckend divergiert.


    Trivialroman in aufwändiger, edler Hardcover-Verpackung von Autor/in mit wissenschaftlichem Background - da stimmt doch wohl etwas nicht.

    Der blaue Liebesknoten: Hannerl ermittelt
    (von Anna Fuchs)


    Inhaltsangabe laut Klappentext bei Amazon:

    Zitat

    Wien 1384. Der Klosterköchin Johanna hat man den Wein weggesoffen, den sie dringend für ihren Essig benötigt. Ihr Grant verschlimmert sich, als ihr die Meisterin Nachhilfe in Frömmigkeit aufs Aug’ drückt. Wie unpassend, dass just jener Mönch, der sie unterrichtet, tot in der Küche liegt! Doch der Anschlag auf die Herzogsfamilie bringt das Fass zum Überlaufen - Hannerl wird als Giftmischerin zum Tode verurteilt! Helfen kann da nur mehr ein Wunder, von denen es in Wien ja Gott sei Dank genug gibt.


    Information zur Autorin laut Buchausgabe bei Amazon:

    Zitat

    Anna Fuchs wurde 1965 in St. Pölten, in Niederösterreich geboren. Ihre Jugendzeit verbrachte sie in Wien. Parallel zu ihrem Studium der Vergleichenden Literaturwissenschaft und Romanistik arbeitete sie im Tourismus. Auch heute verteilt sie ihre Energien gleichmäßig: Hauptberuflich als Bibliothekarin und nebenbei als Fremdenführerin. Die Autorin lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Wien.


    Persönlicher Eindruck zu diesem Buch:
    (Achtung: SPOILER)
    Das Buch ist die Fortsetzung zu "Das gelbe Hurentuch" und hat mir als Ganzes sogar besser gefallen als der erste Band. Wem "Das gelbe Hurentuch" gefallen hat, der bzw. die sollte der Fortsetzung eine Lesechance geben. Trotz einiger Anspielungen auf das erste Buch dürfte "Der blaue Liebesknoten" aber auch etwas für Leserinnen und Leser sein, die das erste Buch nicht gelesen haben.


    Im Gegensatz zum "Gelben Hurentuch" ist das Buch geschlossener, es fehlen z. B. nicht sehr geschickte gelöste Zeitsprünge. Die Handlung wirkt insgesamt stringenter. Allerdings gibt es Einschübe, denn wie im ersten Buch werden auch hier Gedanken einer Täterfigur präsentiert, wobei es sich dieses Mal um Rückblenden handelt.


    Außerdem gibt es einen Prolog, der viele Jahre früher spielt, und die Beisetzung von Kaiser Karl IV. zeigt. Hier wird ein Schlaglicht auf eine historische Figur geworfen, die im Roman so etwas wie das passive Zentrum gewisser machtpolitischer Intrigen ist.

    Die ambivalente Darstellung dieser Figur hat mir sehr gut gefallen. Anna Fuchs verzichtet auf die Deutungshoheit und wagt stattdessen eine subtile Annäherung. Ihre Leserinnen und Leser dürfen selbst entscheiden, was von diesem Herrn zu halten ist.


    Ein weiterer Prolog setzt (gräßliche) Akzente für die weitere Handlung, denn hier wird das Leben eines jungen Mannes zerstört, der mit seinem Bruder einen Mächtigen in die Quere gekommen ist. Gleichzeitig zeigt diese Szene auch, dass es nicht nur die unteren Schichten sind, die "Freiwild" sind. Interessant ist jedoch die Form, mit der Anna Fuchs hier die Gewalt zeigt, die dem Opfer (der junge Mann wird sich davon auch nicht mehr erholen, wie seine späteren Auftritte im Buch zeigen) angetan wurde. Alles geschieht hinter der Szene, Details werden nicht gezeigt, das Geschehen erfahren wir, die Leserinnen und Leser, nur durch den Dialog zwischen dem Bruder und einem anderen Gefangenen, doch auch in diesem wird das, was da geschieht, nicht direkt angesprochen. Die Folgen freilich, die werden dann so nebenbei gezeigt, und dies durchaus eindringlich. Sie betreffen nicht nur das Opfer, sondern auch den Vater und den Bruder, wobei es nicht nur um die Betreuung, sondern auch um Schuldgefühle geht. Dass der Bruder indirekte Racheversuche an einem früheren Freund seines Vaters wagt, gegen den er aber nicht wirklich etwas ausrichten kann, erweist sich als verhängnisvoll. Als er dann eine junge, hübsche Bademagd kennenlernt und mit dieser eine Beziehung hat, scheint es, dass ihm endlich einmal auch etwas Gutes zustößt ...


    Auch in der weiteren Handlung fällt auf, dass tatsächliche Gewalt nicht direkt gezeigt wird. Der Blick auf die Tat selbst wird uns Leserinnen und Lesern verwehrt. Was dafür gezeigt wird, sind die Auswirkungen für die Opfer, die davon dauerhaft gezeichnet bleiben, selbst wenn sie es schaffen, mit dem, was war, weiterzuleben oder es verdrängen bzw. sich zurecht biegen.


    Hinzu kommt auch noch die Reaktionen der Umwelt.


    In diesen Szenen scheint sich dann doch einmal zu bestätigen, dass sich die Menschen trotz unterschiedlicher Gesellschaften nicht geändert haben, ist doch das Mittelalter, das Anna Fuchs zeigt, zur Abwechslung kein "Gegenwart-Mittelalter".


    Allerdings ist eine solche subtile Beschreibung von Gewalt, Leid und Verbrechen für den Buchmarkt des 21. Jahrhunderts eher unüblich. Das mittelalterliche Wien der Anna Fuchs ist keine heile Welt, wo die taffe Heldin zwar eine Menge Gewalt (darunter mindestens eine Vergewaltigung) erleiden muss (die auch ausführlich gezeigt wird), aber dafür am Schluss doch für ihr Leiden Belohnung erfährt und trotz schlimmer Erfahrungen als schöne, heile Frau in die glückliche Zukunft schreitet. (Bis mit der Fortsetzung diese ein wenig aufgeschoben wird.)


    Im "blauen Liebesknoten" dagegen gibt es nur den einen oder anderen tröstlichen Lichtblick und vielleicht auch die eine oder andere menschliche Beziehung, die sich letztlich als wirkliche Freundschaft erweist. Dabei gibt sich das Buch, das in den Szene um Hannerl und vor allem, wenn es um die unteren Schichten geht (hier wird in den Dialogen auch ein zum Teil recht derber Dialekt eingesetzt), lustig und oft sehr deftig. Aber Lachen ist hier auch der einzige Ausweg.


    Hannerl bildet zwar im Buch so etwas wie das Zentrum, worauf auch das Personenverzeichnis Bezug nimmt, gezeigt wird allerdings ein sehr vielschichtiges Stadtpanoptikum, das von Landesfürsten, denen nicht zu trauen ist, auch wenn sie ganz leutselig sein können, intriganten Hofbeamten und solche, die doch nicht ganz so schlimm sind, Händlern und Apothekern, freien Töchter der Stadt Wien (Huren) (einer von ihnen ist immerhin der Aufstieg zur "Hurenwirtin" gelungen) sowie Bauhütte und Universität besiedelt wird. Dazu kommen noch Figuren von außen, die es in die Stadt verschlägt, ein Student, der sich mit Humor und scheinbarem Gleichmut durchschlägt, ein dicker Mönch, der in seiner Malerei aufgeht und nebenbei ganz naiv, einem Hund zweimal rettet und ein junger Baumeister, der eigentlich nichts dafür kann, dass er als Sohn vom Parler, einem anderen, der den Wettbewerb gewonnen hat, die Arbeit wegnimmt. Und auch im gar nicht so fernen Prag werden die Intrigen gesponnen, die manchmal allerdings auch ein groteske Ende nehmen.
    Bei aller Komik und Derbheit ist dieser Roman insgesamt düsterer als "Das gelbe Hurentuch" und wohl auch ambitionierter.



    Was mich auch sehr beeindruckt hat, war der Umstand, dass hier nicht nur die Datumsangaben nach den Heiligen erfolgen, was inzwischen in vielen Büchern, die im Mittelalter oder in der früheren Neuzeit spielen, üblich ist, sondern "Der blaue Liebesknoten" ist auch das erste Buch, bei dem für mich nachvollziehbar war, dass diese Heiligen den Menschen damals auch so etwas wie eine zeitliche Orientierung gaben.


    Weiter beeindruckend ist der Aufbau des Buches, der unaufdringlich, aber gekonnt mit Symbolik arbeitet, und dadurch eine bemerkenswerte und eindringliche Dichte hat, etwas, das seit dem 20. Jahrhundert und gerade im 21. Jahrhundert leider am Buchmarkt kaum mehr zu finden ist. Der Handlungszeitraum, der sich über ein Jahr erstreckt, die Platzierung der entscheidenden Wendepunkte und verschiedene weitere Motive geben dem Buch eine schöne und wirkungsvolle Struktur.


    Dazu zwei Beispiele:
    Achtung SPOILER
    - die Weinmetapher:


    - Die Idylle, die im Frühjahr in der Küche von St. Hieronymus um den Priester Lenz (Wenzeslaus) entstehen kann,


    Ob der Klappentext zu viel verrät, hängt wohl von der Leserin oder vom Leser ab. Für mich hat er selbst war er durchaus akzeptabel, da ich beim Lesen mit diesem Vorwissen, eine ganz andere Art der Spannung erlebt habe: es ging mir z. B. nicht um die Frage, ob Hannerl überlebt

    , sondern die Spannung lag auf dem wie: Wie ist sie in diese Lage geraten, wie ist die Rettung ...


    Wer historische Romane in erster Linie nur liest, um sich zu bilden, bekommt hier als Zuckerl übrigens einige nette Extras: eine Skizze mit den wichtigsten Orten, einige Anmerkungen zum historischen Hintergrund und eine Liste mit ausgezeichneter Fachliteratur.

    Für Leser/innen, die sich für die Stadt Wien im Mittelalter interessieren, und einen Roman lesen wollen, in dem die Stadt für Romanverhältnisse sehr authentisch beschrieben wird, könnten vielleicht die beiden Historischen Romane interessant sein:


    "Das gelbe Hurentuch" (von Anna Fuchs)
    ein Historischer Wien-Roman aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts
    mehr dazu unter dem Link


    "Der blaue Liebesknoten" (von Anna Fuchs)
    Fortsetzung von "Das gelbe Hurentuch"
    mehr dazu unter dem Link


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    Eine Warnung allerdings:
    Beide Romane werden zwar als historische Kriminalromane vermarktet, sind aber (obwohl es hier viele Elemente des Kriminalromans vorkommen) keineswegs das, was zurzeit als historischer Kriminalroman am Buchmarkt üblich ist. (Tatsächlich dürfte die Zuordnung zu einem Genre hier sehr schwierig sein, was mir allerdings schon bei vielen guten Büchern aufgefallen ist.)


    Beide Bücher sind zwar sehr gelungene Romane in Bezug auf die Historizität, den Schauplatz Wien und das Lokalkolorit, aber wer sich hier nur einen weiteren historischen Kriminalroman / Whodunit nach dem "Vorbild" von Andrea Schacht / Begine Almut, Petra Schier / Apothekerin Adelina oder Astrid Fritz / Begine bzw. Arztgattin Serafina, um nur ein paar hier bekannte Autorinnen bzw. Autoren zu nennen, erwartet, könnte vielleicht enttäuscht sein. Die Bücher von Anna Fuchs zeigen trotz der Verwendung einiger zurzeit beliebter Figurenkonstellationen und einem Schuss "Hintertreppe" ein ganz anderes Mittelalteralterbild und eine Mittelalterwelt, die so beschaffen ist, dass der typische Whodunit selbst bei Eingrenzung auf das in einem Roman Übliche gar nicht glaubwürdig wäre.

    Wäre Maly aus Deutschland (z. B. München, Nürnberg oder auch Berlin) hätte ich dem Buch doch 2 Sterne gegeben, denn ich habe selbst erlebt, dass es sehr schwierig ist, Fachliteratur über die Fernleihe anzufordern, und ich habe vollstes Verständnis dafür, dass sich nicht jede/r Autor/in eine Recherche vor Ort leisten kann, in diesem Fall eine Reise nach Wien, inklusive längerer Aufenthalt.


    Ausschlaggebend für nur 1 Stern ist, dass Beate Maly in Wien lebt und somit ideale Möglichkeiten für eine gute Recherche für historische Hintergrundinformationen zur Geschichte der Stadt Wien, zur historischen Helene Kottanner und dem historischen "Raub der Stephanskrone" gehabt hätte. So gibt es z. B. zu den "Denkwürdigkeiten der Helene Kottanner", zu ihr als Person und zu ihrer Zeit einige sehr gelungene Diplomarbeiten aus den 1990er-Jahren.
    Ein Exemplar von jeder an einer österreichischen Universität entstandenen Diplomarbeit / Dissertation findet sich gewöhnlich an der Österreichischen Nationalbibliothek. Die Benutzung von Wiener Bibliotheken (Universitätsbibliotheken, Nationalbibliothek) ist z. B. auch für Externe (Nicht-Studenten, -Lehrkräfte, Universitätslehrkräfte und -angestellte) möglich, die Gebühr für die Jahreskarte ist recht moderat (zudem sie Berufsschriftsteller/innen auch steuerlich geltend machen können), das gilt auch für die Büchereien in Wien.
    In den Büchereien gibt es eine ganze Reihe informative Bücher zur Teilgebieten der Geschichte Wiens, z. B. die Arbeiten von Richard Perger, und mit dem mehrbändigen Stadtlexikon von Felix Czeike (inzwischen Hauptquelle für das WienWiki) und im ersten Band der mehrteiligen Fachbuchserie "Wien. Geschichte einer Stadt". Hrsg. von Ferdinand Opll und Peter Csendes, 2001-2003, 3 Bde. + 1 Sonderbd. wird ein lebhaftes und sehr interessantes, vielfältiges Bild des mittelalterlichen Wiens gezeichnet, das auf modernen wissenschaftlichen Forschungsmethoden aufgebaut ist. Hinzu kommen noch zahlreiche Museen in Wien, neben dem bekannten Wien Museum z. B. 23 Heimatmuseum (in Wien Bezirksmuseen genannt), wahre Fundgruben für Lokalhistoriker/innen.


    Wirklich schade, dass Maly diese Möglichkeiten nicht genützt haben dürfte (oder wenn sie das doch getan hat, schade, dass davon nichts in dem Roman zu finden oder zu spüren ist), es wäre sicher eine Bereicherung für den Buchmarkt gewesen, da der historische Stoff und die Stadt Wien im Spätmittelalter durchaus Originalität gehabt hätten.

    Die Herren von Buchhorn
    (publ. 2008, 2. Aufl. 2013)


    Zur Handlung lt. Klappentext bzw. Amazon:
    Anfang des 10. Jahrhunderts beherrschen die Grafen von Buchhorn weite Gebiete des Bodenseeraums. Ihr Sitz befindet sich in Buchhorn, dem heutigen Friedrichshafen. Ihre Geschichte ist geprägt von Kriegen und Machtkämpfen.Vor vier Jahren ist Wendelgard, Gräfin von Buchhorn, in das Kloster St. Gallen eingetreten, nachdem ihr Ehemann auf dem Schlachtfeld für tot erklärt worden war. Doch der grausame Mord an ihrem ehemaligen Diener lässt ihren gerade gewonnenen Seelenfrieden wie ein Kartenhaus zusammenstürzen. Und offenbar gibt es Mächte, die ganz und gar nicht davon begeistert sind, dass die junge Frau in ihre alte Heimat Buchhorn zurückkehren möchte.Auch Gerald, der Sohn des Ermordeten, wird gezwungen sich mit seiner Vergangenheit auseinanderzusetzen. Als Schmied hat er sich im fernen Bregenz eine Existenz aufgebaut, nun sieht er sich in die Geschicke der Mächtigen hineingerissen. Eine wertvolle Brosche, ein weiser Bischof und eine blonde Magd lenken sein Schicksal in eine neue Richtung.


    Das Autorenduo (Information lt. Angabe bei Amazon)
    "Birgit Erwin", geboren 1974, hat Anglistik und Germanistik in Heidelberg und Southhampton studiert und lebt heute als Gymnasiallehrerin in Karlsruhe. Sie hat mehrere Romane sowie zahlreiche Kurzgeschichten unterschiedlicher Genres veröffentlicht. "Ulrich Buchhorn", Jahrgang 1961, lebt in Heidelberg. Der Althistoriker unterrichtet Latein und ist Autor von Kriminalkurzgeschichten, die in verschiedenen Anthologien erschienen sind...


    Persönlicher erster Eindruck (eher spoilerfrei):
    Eigentlich ist der Gmeiner-Verlag einer jener Verlage, deren Buchsortiment sich zwar durch Quantität auszeichnet, aber die meisten Bücher, die dort erschienen sind, erfüllen leider nicht einmal die Mindestansprüche, die ich an einen guten Trivial- oder Schundroman stelle. Auf gelungene Unterhaltungsromane darf da gar nicht mehr gehofft werden.


    Umso größer die Überraschung und auch die Freude, wenn dort plötzlich durch Zufall ein Buch oder sogar mehrere Bücher auftauchen, die gelungen sind und bei denen das Lesen wirklich wieder einmal Spaß macht. Wobei es mich nachdenklich stimmt, dass ich auf solche Bücher immer nur durch Zufall stoße und dass diese Bücher kaum Beachtung finden.


    Die "Herren von Buchhorn" entführen also in das Jahr 919 und an den Bodensee. Schwimmen kann kaum jemand, Friedrichshafen ist noch Buchhorn und außer dem Bischof von Konstanz, der sein eigenes Boot hat, was er durchaus zu seinem Vorteil einzusetzen weiß, und ein paar Fischern, sind die übrigen Figuren, wenn sie von Buchhorn nach Konstanz wollen, gezwungen, den Weg über Bregenz zu nehmen, einer der wenigen Orte, die es damals schon gab. Gut, einen Wagen oder ein Pferd zu haben. Hinzu kommen noch Bedrohungen, einerseits durch die Ungarn im Osten, gegen die eher erfolglos Krieg geführt wird, und andererseits durch die politischen Verhältnissen, die zurzeit instabil sind. Heinrich der Vogler ist zwar schon zum westfränkischen König gewählt worden, aber dass er einmal als Heinrich I. die Dynastie der Ottonen begründen wird und sein Sohn Otto I. den Beinamen der Große bekommt, das können unsere Protagonisten, selbst der historisch belegte Bischof Salomon von Konstanz noch nicht wissen.


    Die Welt ist recht einfach, es gibt nicht allzu viele Berufe, in Buchhorn kennt jeder jeden, wenn jemand dort Ärger kriegt, reicht es, sich in das für die damalige Zeit noch "ferne" Bregenz abzusetzen, wo es zumindest schon eine etwas reichhaltigere "Infrastruktur" wie eben mehrere Wirtshäuser und ein Badehaus gibt. In Buchhorn dagegen gibt es nur ein Wirtshaus ..., insgesamt wirkt diese "frühmittelalterliche" Welt um den Bodensee, die das Autorenduo mit viel Liebe und plastischen Details gestaltet, sehr authentisch.


    Die Handlung ist durch eine Chronik, die über diese Zeit berichtet, aber erst später verfasst wurde, angeregt, wobei der Kriminalplot durchaus schlüssig in die überlieferten Fakten der Quelle eingebaut ist und aus diesen eine Geschichte entwickelt wurde, von der vorstellbar ist, dass sie sich so mehr oder weniger abgespielt haben könnte. Diese Geschichte hat wiederum alles, was einen guten Roman ausmacht:
    - glaubwürdige Figuren, ob historisch belegt oder fiktiv, ist da nicht mehr wichtig,
    - eine spannende Handlung, wobei der Kriminalfall letztlich einen ganzen Strang krimineller Aktionen bündelt.


    Schon der Beginn hat mich positiv überrascht, wenn sich das Autorenduo erst einmal die Zeit nimmt, uns den Schmied in Buchhorn und seine Ehefrau (die Eltern von dem im Klappentext erwähnten Gerald) näher vorzustellen, in dem einige Alltagsszenen geschildert werden, ehe es nach Bregenz geht und wir, Leserinnen und Leser, so das seit vielen Jahren glücklich verheiratete alte Paar näher kennen lernen dürfen. Und umso verstörender ist es, wenn beide noch im Anfangskapitel umgebracht werden, so dass einem der Tod der beiden sympathisch gezeichneten Figuren, die wir doch eben kennen lernen durften, tatsächlich nahe geht. So mag es uns sogar ein großes Anliegen sein, dass ihr Tod aufgeklärt und natürlich gerächt wird, und es fällt auch nicht schwer, sich mit Gerald, dem Sohn des Paares, zu identifizieren. Aber einfach wird es uns nicht gemacht, nicht nur, weil der Kriminalfall kompliziert ist, sondern auch, weil die Schuldfrage nach der Verantwortung dieses Verbrechens letztlich kompliziert ist, was sich noch auf die beiden Fortsetzungen auswirkt.
    SPOILER ACHTUNG!


    Und Gerald ist noch eine Figur, die eine Menge zu lernen und zu bewältigen hat, aber gerade das macht ihn zu einem interessanten Protagonisten.


    Überhaupt sind die meisten Figuren mit viel Liebe gezeichnet, und sie wirken erfrischend normal. Ein gutes Beispiel dafür ist die blonde Magd, Friedrun, die nicht nur auf bessere Verhältnisse hofft, als sie von Bregenz nach Buchhorn aufbricht, um beim dortigen Wirt Hannes Arbeit zu finden, sondern wohl auch durch persönliches Interesse an Gerald dazu motiviert ist. Friedrun mag (zumindest für Wulfhard in den Folgebüchern) eine herzensgute Person sein, dennoch ist sie weder Heilige, Hebamme oder (Wander-)Hure, sondern einfach nur eine bodenständige und tatkräftige junge Frau, die seit frühster Jugend gezwungen war, sich selbst durchzubringen. Ihre medizinischen Kenntnisse sind nicht außergewöhnlich, aber notwendig in einer Zeit, wo eben der Arzt noch nicht zur Dorf- bzw. Stadtgesellschaft gehört hat.


    Der Kriminalfall hat es zwar in sich, doch ist die typische Form eines Mittelalterkrimis hier nur ansatzweise vorhanden, wobei allerdings auch den damaligen Begebenheiten Rechnung getragen wird. Dass Gerald den Tod seiner Eltern aufklären will, ist nachvollziehbar, aber das ist seine private Sache. Erst spät wird ein Ermittler ganz offiziell mit der Aufklärung beauftragt, und dies wird als eine Ausnahmesituation vorgeführt.


    Zur Authenzität der beschriebenen Zeit trägt auch bei, dass Kirche und Religion hier nicht weggelassen oder negativ besetzt sind. Der Bischof, der sich doch sehr für weltliche Dinge interessiert, allerdings ist er eben nicht nur Geistlicher, sondern als Fürstbischof auch in einer politischen Position, ist eine sympathische Figur, ein unscheinbarer Mönch, der nur kurz vorkommt, erweist sich als ganz gerissen, wenn es gilt, dafür zu sorgen, dass gegen die Klosterregel miteinander kommuniziert wird, und auch klösterliche Einrichtungen wie z. B. Inklusiventum der historisch belegten Wiborada werden zumindest nicht lächerlich gemacht, sondern als Lebensform ernst genommen, auch wenn sie nicht für jeden etwas sein dürften und nicht unproblematisch sind.


    Fazit:
    "Die Herren von Buchhorn" sind ein guter Roman, der auch als historischer Roman überzeugt und auch als Kriminalroman, solange kein klassischer Whodunit erwartet wird.


    Noch besser sind allerdings die beiden Fortsetzungen:
    - Die Gauklerin von Buchhorn (trotz eines problematischen Buchtitels)
    - Die Reliquie von Buchhorn


    Dies nicht zuletzt, da die Figuren dort weiterentwickelt werden, die Geschichte zudem aber logisch auf dem Vorgängerband aufbaut. Das Lesen in der chronologischen Reihenfolge ist zu empfehlen (wegen gewisser Details), allerdings kommt auch mit, wenn man es nicht tut.

    Ich kann mich leider nicht mehr an das Buch erinnern, ich glaube, es war von Martina Kempff. Jedenfalls findet sich da in einem einzigen Absatz Folgendes. Eine Person ist bewusstlos und schreit am Spieß. Wie sie das geschafft hat, wird allerdings nicht erklärt. :lache


    Ärgerlich fand ich, dass das in ein und demselben Absatz passiert, wobei dieser nicht einmal lang ist. Das hätte der Autorin jedenfalls doch auffallen müssen.

    Ungewöhnlich viele Erzählstimmen finden sich auch bei Wilkie Collins, Zeitgenosse von Charles Dickens, so z. B. in "Der Monddiamant" oder "Die Frau in Weiß".


    Besonders hervorzuheben: dem Autor gelingt es, seine verschiedenen Erzählerfiguren sprachlich von einander zu abszusetzen.