Beiträge von Teresa

    Mit der Verlobungsfeier scheint es alles noch einmal gut zu werden.


    Hier wird auch noch die Adalgoth-Geschichte aufgelöst, wir erinnern uns, dass im Zusammenhang mit den drei baltischen Herzögen ein vierter erwähnt wurde und Adalgoth stellt sich als sein Sohn heraus. Er wird rehabilitiert und bekommt seine Gotho, und damit ist nun wieder Zeit für eine Wende, diesmal natürlich ins Endgültig-Negative.


    Der Wendepunkt ist die Schlacht von Taginä, und obwohl die Goten zahlenmäßig unterlegen sind, ist Totila recht optimistisch und vielleicht sogar ein wenig leichtsinnig. (Allerdings dürfte nachvollziehbar sein, dass er nicht bereit ist, seine Schlachtaufstellung umzuändern, nur weil Teja wieder einmal düstere Visionen hatte. Mit dieser Entscheidung erreicht Totila immerhin, dass Dahns Geschichte nicht schon nach der Schlacht von Taginä aus ist und fällt unabsichtlich vielleicht sein Todesurteil.) Letztlich aber ist es Verrat, der sozusagen die Entscheidung bringt. Totilas Rolle als strahlender Held wird nochmals hier bestätigt, er findet sozusagen den Reitertod.)


    Mit dieser Schlacht beginnt aber auch für Cethegus sozusagen der Abstieg. Nachdem bereits durch Narses offensichtlich sein Stern im Sinken ist, will er nun Totila töten, aber es ist Julius, den er irrtümlich ersticht und der sich so ein letztes Mal als treuer Freund Totilas erweist.


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    Damit eröffnet sein letztes Buch, und zu unserer Überraschung endet dann alles zuletzt doch etwas optimistischer als zu erwarten war.


    Zunächst aber geht es erstmals ziemlich "heroisch" oder auch düster zu. Totilas Versuch, eines Zusammengehens von Römern und Goten, wie dies auch Theoderich angestrebt hat, ist gescheitert.


    Dann gibt es für die die Goten zumindest noch einen kleinen vorläufigen Sieg, der Leichnam von Theoderich und der Krönungsschatz, die bereits früher versteckt wurden und daher bisher nicht den Griechen (Byzantinern) in die Hände gefallen sind, werden geborgen und mitgenommen.


    Was den Krieg betrifft, kommt es nun auch auf gotischer Seite zu einigen Aktionen, die aus heutiger Sicht problematisch erscheinen.
    1.)
    Teja lässt die Gefangenen töten, ein kriegsrechtlich problematisches Vorgehen, und aus literarischer Sicht eine Vorgehensweise, die gewöhnlich nur von Negativfiguren zu erwarten ist. Das Ganze wird im Roman von Teja gerechtfertigt, aber interessant ist, dass Dahn diesen Punkt zumindest seine Figuren diskutieren lässt. (In diesem Zusammenhang ist vielleicht interessant, dass Dahn Jurist war und sich durchaus mit kriegsrechtlichen Themen befasst hat.)
    2.)
    Damit die Goten/innen es zum Schlachtfeld am Mons Vesuvius schaffen, wird es notwendig, dass sich jede Nacht eine Gruppe von Krieger opfert und zurückbleibt, um die Verfolger aufzuhalten, ein aussichtsloser Kampf, und das es soviele Freiwillige gibt, entscheidet das los.
    (Ich muss übrigens zugeben, dass ich mit so etwas nicht viel anfangen kann. Als ich diese Stelle zum ersten Mal gelesen habe, habe ich das ganz falsch verstanden, ich fand es ganz logisch, dass gelost werden muss, weil sich kaum Freiwillige finden :chen)


    Dann erfahren wir über einen Brief, dass Cethegus mit seinen Intrigen in Byzanz völlig gescheitert ist, was Dahn immerhin noch Gelegenheit zu einer Detektivgeschichte gibt, mit Feldherr Narses als Ermittler.


    Am Mons Vesuvius lässt Dahn dann die heroische Endschlacht stattfinden, nachdem sich die beiden letzten Hauptfiguren gegenseitig getötet haben, gibt es dann keine Versöhnung, aber wenigstens ein "bittersüßes" Ende.


    Aus heutiger Sicht dürfte interessant sein, dass es letztlich nicht zu einem Massensuizid von denen kommt, die den Kampf überlebt haben und nicht als Sklaven enden wollen, obwohl sich alle Goten/innen diesbezüglich einig sind. (Allerdings baut Dahn eine kleine Nebenhandlung ein, wo einer der Goten, Wachis, andere Pläne hat, aber von seiner schwangeren Frau umgestimmt wird.)


    Aber es gibt dann eine versöhnliche Wendung, die dazu führt, dass dieser Massensuizid doch nicht mehr notwendig scheint. (Aus heutiger Sicht wäre ohnehin zu fragen, ob nicht Sklaverei dem gemeinsamen Tod vorzuziehen ist, im Roman allerdings besteht kein Zweifel, dass Sklaverei das Schlimmste ist, was den "Guten" bzw. "freien" Germanen passieren kann ...)


    Als Adalgoth dem sterbenden Teja davon berichtet und ihn sogar ausdrücklich fragt, ob sie mit Harald gehen dürfen, stimmt dieser zu, und so darf dieser in der Erkenntnis sterben, dass sein Kampf doch nicht umsonst war.
    Hier schließt sich sozusagen der Kreis, es war Teja, der die Sache von Anfang an für aussichtslos gehalten hat:

    Zitat

    «Nicht ohne Kampf, mein Totila, und nicht ohne Ruhm, so weiß ich», antwortete Teja, leise die Streitaxt zuckend. «Kämpfen wollen wir, daß man es nie vergessen soll in allen Tagen: kämpfen mit höchstem Ruhm, aber ohne Sieg. Der Stern der Goten sinkt.»

    Mit Belisar gibt es immerhin neben dem Geschichtsschreiber Prokop eine Figur, die sozusagen als der "gute" Grieche (Byzantiner) gesehen werden kann. Die Figur seiner Ehefrau Antonina, die ihn ebenfalls auf dem Feldzug begleitet, benützt Dahn, um zu zeigen, was für ein "Sündenpfuhl" dieser byzantinische Hof doch ist. Denn immerhin stellt sich nun, dass Antonina eigentlich eine ganz brave Frau ist, die ihrem Ehemann offensichtlich liebt, solange sie sich halt nicht am Hof bei Theodora aufhält.


    Mit Brunhilt (und auch Kriemhilt) würde ich Mathaswintha allerdings nicht vergleichen. Immerhin darf sie sich selbst töten, und entzieht sich so dem Zugriff von Cethegus und seinen weiteren Plänen, nachdem sie mit ihm, wie schon ihre Mutter gemeinsame Sache gemacht hatte.
    Ähnliches verfährt Dahn auch mit Witichis und lässt diesen zusammen mit Rauthgundis den Tod finden.


    Nachdem nun die Gegenseite endgültig gewonnen zu haben scheint, kommt es nun zu einer erneuten Wendung. Unter dem neuen König Totila gelingt es den Goten vorübergehend das Blatt nochmals zu wenden. Hier deutet sich die Möglichkeit eines Zusammengehens von Goten und Römern an.


    Die Handlung führt Totila nochmals nach Neapel, also in die Stadt, wo alles für ihn begonnen hatte und dort wird nochmals an Miriam erinnert.


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    Nachdem bereits Rauthgundis eine Bergbauerntochter war, wird die "reine" Bergwelt nun nochmals Kulisse und zwei neue Figuren eingeführt: Adalgoth und Gotho

    , wobei zumindest die Figur der Gotho ziemlich nahe am Kitsch ist. Es wird schon hier klar, dass es da ein Geheimnis um Adalgoth gibt
    In der Folge gelangt Adalgoth an den Hof Totilas und wird dort unter anderen auch Schüler Tejas.


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    Und nun tritt Teja endlich auch als Sänger (und Seher) in Erscheinung, nachdem es bereits dazu Hinweise gegeben hatte. In der Anfangsszene wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Teja neben der Axt (die typisch germanische Waffe gilt) auch eine Harfe bei sich hat, und als bei Theodahads Krönung Witichis im Garten auf Teja trifft, wird diese Harfe ebenfalls erwähnt. Im Gespräch der beiden spricht Witichis Teja direkt darauf an, warum er nicht mehr singt. Hier erfahren wir auch, dass Teja mit Totila früher einmal befreundet war, ehe dieser dann die Gesellschaft anderer vorgezogen hat, was Teja zwar bedauert, es diesem aber nicht nachträgt. Auch das wird jetzt aufgelöst, Totila bringt seine Beziehung zu Teja sozusagen in Ordnung.


    Hier findet sich wohl auch eine der makabersten Szenen, wenn Teja und Adalgoth über einen Traum bzw. eine Vision sprechen, die dieser gehabt hat.

    , und es dürfte uns auch klar sein, wer der Tote sein wird, um den es hier geht.

    Zitat

    Original von Zefira


    ist in der Tat psychisch ungesund, aber vermutlich menschlich. Jeder denkt, sein Schicksal sei das Schlimmste auf der Welt und die Nöte seiner Mitmenschen seien Kleinkram.


    Witichis' Heldenhaftigkeit bröckelt an dieser Stelle gewaltig. Das habe ich auch bei der Erstlektüre als Kind schon so empfunden. Er mag ein toller Kerl sein, aber in punkto Empathie hapert's.


    Dass die Handlungsweise von Witichis und Rauthgundis (psychisch) ungesund sein soll, kann ich nicht nachvollziehen, ebenso dass Witichis Heldenhaftigkeit ab der Ehe mit Mathaswintha bröckelt oder es eine ungesunde Halbheit von ihm ist, ist sie zu heiraten und ihr dann die Brautnacht zu verweigern.


    Psychisch ungesund ist (mein Eindruck) nur das, in was Mathaswintha sich hineinsteigert, nachdem sie von zu Hause weglaufen ist, weil sie sich dort ungeliebt und unverstanden fühlt. Dabei trifft sie auf einen ihr gänzlich unbekannten Mann der immerhin nett ist und ihr die Möglichkeit gibt, sich ihre Probleme von der Seele zu reden und dann noch tröstliche Worte für sie findet. Diese Freundlichkeit reicht aus, dass das halbwüchsige Mädchen ihn zum Mann ihrer Träume verklärt und sich in die Wahnvorstellung hineinzusteigern beginnt, dass er und kein anderer für sie bestimmt ist. Dabei kennt sie zunächst weder seinen Namen noch weiß sie irgendetwas Konkretes über ihn (und vom Alter könnte er sogar ihr Vater sein). Mathaswintha läuft also zunächst einem Phantom nach. Jeglicher Vernunft ist sie unzugänglich, und daher blendet sie alles aus, was nicht in ihr Traumbild passt. (Siehe die Weissagung, be der sie alle Details ausblendet, die nicht in ihren Traum passen.) ausgeblendet. Als sie schließlich gezwungen ist, der Realität ins Auge zu sehen, kann sie das nicht ertragen und steigert sich in eine weitere Wahnvorstellung hinein: Er soll es büßen, und dabei ist ihr vollkommen gleichgültig, wenn auch andere (unschuldige) Menschen deswegen leiden oder sterben müssen. Unglücklicherweise ist sie eine Romanfigur und sie erhält Möglichkeit ...


    Was kann Witichis wirklich vorgeworfen werden?
    - Dass er zu viel Verantwortung oder Mitgefühl hat, um ein halbwüchsiges Mädchen, das gerade von zu Hause weglaufen will, nicht einfach sich selbst überlässt ...
    - Dass er als Gefolgsmann von König Theoderich, also aus beruflichen Gründen, nicht ständig zu Hause bei seiner Familie sein kann. (Das kommt auch in der Realität gar nicht so selten vor.)


    Kritischer sieht es schon damit aus, dass am Hof niemand (außer Teja) weiß, dass er eine Familie hat, bzw. dass er seine Frau nicht an den Hof holt. Allerdings ist das nicht (psychisch) ungesund, es entsteht nur der Eindruck, dass Witichis sich für seine Familie schämt, was gerade, weil er ein Aufsteiger ist, ein schiefes Licht auf seinen überaus positiven Charakter werfen könnte. Dem versucht Dahn natürlich entgegen zu wirken, also gibt es Erklärungen, dass Rauthgundis z. B. nicht an den Hof will und Witichis Rücksicht auf Theoderich als seinen Herrn / Arbeitgeber zu nehmen hat und deswegen nicht einfach die Hand der Königsschwester ablehnen konnte, mit der Begründung, dass er dieser Ehre ein einfaches Mädchen vorzieht bzw. vorgezogen hat.)
    (Ich vermute, dass für das 19. Jahrhundert diese Erklärungen durchaus nachvollziehbar waren. Aus heutiger Sicht sind sie allerdings fragwürdig.)
    Allerdings finde ich auch aus heutiger Sicht nicht, dass Witichis' Verhalten hier (psychisch) ungesund ist. Lediglich seine Rolle als überaus nobler Charakter wird dadurch, dass er sich nicht offiziell zu seiner Familie bekennt, wird dadurch beeinträchtigt.


    Der Umstand, dass Teja übrigens darüber Bescheid weiß, wie auch das Gespräch zwischen ihm und Witichis bei der Krönung von Theodahad, wirft natürlich auch ein Schlaglicht auf die Beziehung der beiden, vor allem, wenn wir uns an die Anfangsszene erinnern. Zudem wird hier noch einmal deutlich, dass Teja jemand ist, dem tatsächlich vertraut werden kann.


    Was die Ehe mit Mathaswintha betrifft, verlässt sich Dahn nicht einfach auf den Bluteid. Der mag zwar ausschlaggebend sein, dass Rauthgundis von sich aus der offiziellen Trennung zustimmt, damit Witichis den Eid nicht brechen muss, aber Witichis wird auch in eine Lage gebracht, in der er ihm sein Pflichtbewusstsein keine Wahl lässt.


    Fünf Minuten vor zwölf, der Feind hat bereits erfolgreich mit der Eroberung begonnen, Handeln ist dringend notwendig, doch dazu bedarf es einer Regierung, die handlungsfähig ist und alle hinter sich hat. Witichis ist bereit, auf die Krone, die er ohnehin nie haben wollte, zu verzichten und schlägt selbst vor, dass Graf Arahad von Asta Mathaswintha heiraten und die Führung übernehmen soll. Arahad mag zwar unerfahren sein (und dass er, als sie Witichis heiratet, den Tod sucht, lässt ihn sehr unreif erscheinen), doch ist er keineswegs so negativ dargestellt, dass er als König eine absolute Katastrophe sein müsste, und mit einem Witichis an seiner Seite, auf dessen Ratschäge er hört, hätte das vielleicht sogar funktionieren können.


    Die Goten, die Witichis gewählt haben, sind jedoch nicht bereit, Arahad als König zu akzeptieren. Damit ist die Ehe zwischen Witichis und Mathaswintha tatsächlich die einzige Lösung, die für alle tragbar scheint, nachdem sogar Arahads Bruder, Herzog Guntharis, zu dieser bereit ist und damit seine persönlichen Ambitionen zurückstellt. Dahn gestaltet also für Witichis ein Dilemma. Entweder muss er seine Frau aufgeben oder die Goten im Stich lassen - in jedem Fall muss er eine seiner Pflichten verletzen. Verschärft wird das Ganze noch durch den Tod von seinem Sohn, der ermordet wird, weil jemand Witichis die Krone neidet. In dieser ohnehin schon schrecklichen Lage soll Witichis also auch noch seine Frau im Stich lassen / aufgeben, die er noch dazu liebt und die sich auch nichts zu schulden hat kommen lassen, sodass ihre Verstoßung irgendwie gerechtfertigt wäre,
    Auf der anderen Seite hat Witichis seiner Wahl zum König zugestimmt, und damit die Pflicht übernommen, für seine Leute da zu sein, die ihm durch die Wahl zum König ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Kann er sich da einfach mit Rauthgundis in die Berge flüchten, etwa nach dem Motto: Hinter mir die Sintflut - Hauptsache, ich bin weg.


    Witichis entscheidet sich also, nicht zuletzt, weil ihn Rauthgundis selbst dazu drängt, für seine Pflichten als König, trennt sich offiziell von ihr und heiratet Mathaswintha. Dem hat er zugestimmt, und diese Abmachung erfüllt er. Allerdings erfordert die politische Lage nicht, dass er mit Mathaswintha unbedingt Kinder zeugen muss, also besteht kein Zwang für ihn, mit ihr auch schlafen zu müssen. (Womit er im Grunde Rauthgundis trotz allem auch weiterhin treu ist.)


    Abgesehen davon, dass er nicht mit Mathaswintha schlafen will, ist er allerdings bereit, seinen Pflichten als Ehemann nachzukommen, sie zu achten und zu ehren. (Bei seinem Charakter war auch nicht zu erwarten, dass er an ihr seinen Frust auslassen oder gar in ihr die Schuldige an der ganzen Situation sehen würde.)


    Für unsensibel halte ich ihn nicht. Eigentlich versucht er doch nur in schwieriger Lage, soweit es möglich ist, allen Anforderungen an ihn nachzukommen, also seinen Verpflichtungen gegenüber seiner richtigen ersten Ehefrau, seiner offiziellen zweiten Ehefrau und seinem Volk, nachdem er die Königswahl angenommen hat. Dass er Mathaswintha gegenüber ehrlich ist und ihr gegenüber keine Gefühle vortäuscht, die er nicht hat, spricht eigentlich für ihn.


    Was ihre Gefühle für ihn betrifft, ist er außerdem ahnungslos? Immerhn ist sie eine noch sehr junge und auch schöne Frau, und vom Alter her könnte er ihr Vater sein, was vielleicht auch nicht übersehen werden sollte. Warum sollte er da annehmen, dass sie an ihm als Mann Interesse hat. Außerdem ist er eindeutig nicht als der Typ Mann dargestellt, bei dem klar ist, dass sich jede Frau in ihn verlieben muss ...


    Das einzige, was ich ihm vorwerfen würde, ist, dass er Mathaswintha nicht die Möglichkeit gelassen hat, ihm ihre Sicht der Dinge zu erklären und sie, wie ein unmündiges Kind behandelt. (Aber das hat er auch zu büßen.)


    Was die gängigen Heldenklischees betrifft, so gelingt es Dahn immerhin mit der Figur Witichis (die braunen Haare hat er wohl nicht zufällig :chen ) eine Gegenfigur zu den Figuren des Totila und Teja zu schaffen. Er ist eindeutig kein strahlender Held (für diese Rolle ist auch viel zu alt), er ist aber auch kein dunkler Held, nicht zufällig wird er zunächst auch als glücklicher Ehemann und Vater gezeigt, er ist derjenige, der durchaus Verständnis aufbringt und selbst Negativfiguren gegenüber Wert auf Fairness legt.

    Witichis ist sozusagen der tragische Held.


    Mit Mathaswintha, einer stark introvertierten Frau, die rote Haare hat, bedient Dahn ein weiteres Klischee, die Femme fragile, die den Männerfiguren, die an sie geraten, zum Verhängnis wird. Ein Gote Arahad sucht den Tod, als er sie nicht bekommt,

    und dem Mann, den sie selbst liebt, wird sie ebenfalls zum Verhängnis.


    Abschließend möchte ich noch eines klarstellen. Auch wenn ich Mathaswintha hier relativ hart beurteile, ist es keineswegs so, dass ich finde, dass sie eine ausschließlich negative Figur ist, und das dürfte auch nicht die Absicht des Autors gewesen sein. Immerhin hätte er sie auch als verzogenen Fratz zeigen können, der nicht ertragen kann, dass er einmal etwas nicht bekommt, und daher sämtliche Leute ins Unglück stürzt. Stattdessen gibt er ihr Geschichte, die ihr späteres Handeln zumindest verständlich macht. Es ist nachvollziehbar, dass sie in diese unglückliche Phantomliebesgeschichte gerät

    Der Versuch Witichis, Cethegus zum Verbündeten zu machen, dürfte vermutlich der Moment in der Handlung sein, wo sich Cethegus endgültig sozusagen für die "Schurkenrolle" entscheidet


    Bei aller Naivität, die Witichis vorgeworfen werden kann, heißt es ausdrücklich, dass Cethegus beinahe bereit gewesen wäre, sich wirklich auf seinen Vorschlag einzulassen. Ganz falsch hat ihn Witichis also doch nicht eingeschätzt.


    Natürlich ist es ein wirkungsvoller Einfall, denn da Dahns Leser/innen zumindest gewusst haben, dass es nur mit dem Untergang des Gotenvolkes / Gotenreichs in Italien enden kann, ist es für die Spannung durchaus wichtig, dass immer wieder positive Alternativen plötzlich möglich scheinen.


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    Eindeutig als (scheinbar) positive Wendung ist auch Eheschließung zwischen Witichis und Mathaswintha dargestellt. Der interne Konflikt bei den Goten ist somit beigelegt, nun kann geeint und somit auch endlich zielführend gegen den Feind vorgegangen werden, nachdem es bereits fünf Minuten vor zwölf ist.


    Auf der Handlungsebene und für die Spannung ist es nun auch bitter notwendig, dass endlich eine scheinbar positive Wende möglich erscheint, nachdem zuvor über viele Seiten hinweg, Amalaswintha durch ihre Unfähigkeit und noch mehr Theodahad durch seinen eigennützigen Verrat alles getan habe, um die Gegenseite in eine fast schon unüberwindliche Position zu bringen. Mit Genugtuung erfährt man daher auch, dass Theodahad, der Ausnahmegote (der böse Gote) ein schändliches Ende findet, also für das, was er getan hat, tatsächlich bestraft wird.
    Zum Vergleich: Den beiden gotischen Fürstinnen Amalaswintha und Gothelindis (beide wegen ihrem Eindringen in die männliche Sphäre der Politik negativ besetzt und als unfähige Politikerinnen vorgeführt) müssen zwar auch sterben, erhalten aber immerhin ein Ende, das ihnen eine gewisse Würde lässt, und kommen damit eindeutig besser weg als er.


    Die Auswirkungen von Theodahads Verrat werden durch den Handlungsstrang in Neapel direkt vor Augen geführt, wo Totila sich auf verlorenen Posten verzweifelt zu behaupten versucht. Gleichzeitig wird hier Totila, der eine Hauptfigur ist, als Held und zukünftiger König aufgebaut. Nicht, dass er nun eine besonders großartige Charakterentwicklung durchmacht, aber nachdem er zu Beginn des Romans eindeutig als Sympathieträger, mit Hinweisen auf eine strahlende Heldenfigur eingeführt wurde, darf er in Neapel nun auch bestätigen, dass dieser erste Eindruck berechtigt war.

    Zur Schwarzweißmalerei wäre allerdings zu fragen, ob sich das heute wirklich geändert hat.


    Nehmen wir z. B. einen bekannten Roman wie Kenneth Folletts "Säulen der Erde". Im Gegensatz zu Dahn leistet er sich halt zwei recht "emanzipierte" Frauenfiguren, aber die beiden sind leider nur Ausnahmefiguren, und der "Superheld", um den sich alles dreht, ist auch hier ein Mann, der "Traummann" schlecht hin. Seine "Guten" sind von Anfang an gut und bleiben es, und seine "Bösen" entwickeln sich insofern, als sie noch böser werden. Ansätze einer differenzierteren Figurencharakteristik findet sich nur bei ein paar Rand- und Nebenfiguren (Remigius, Alienas Bruder).


    Das Frauenbild bei Dahn ist z. B. durchaus problematisch, aber trifft das nicht auch auf das Frauenbild bei Follett zu? Ich finde jedenfalls, dass sich beide Bücher die zu ihrer Entstehungszeit üblichen Stereotypen mehr oder weniger bedienen.

    Nachdem Reread fällt es mir ziemlich schwer, eine Rezension zu schreiben. Ich werde mich daher hier auf jene Punkte beschränken, was mir an dem Roman gefällt. Was die Kritik-, Diskussionspunkte und Interpretationsmöglichkeiten betrifft, werde ich einige von diesen in den Themen gesondert ansprechen.


    Nun, Dahn erzählt eine spannend und unterhaltsam. Da ich oft Werke aus dem 19. Jahrhundert lese, habe ich mit seiner Sprache keine Probleme, zudem ich finde, dass sie zu seinem "Stoff" passt.


    Allerdings gibt es viele historische Bücher, und gerade in der Gegenwart wird bzw. in den letzten Jahre wurde der Markt von diesen überschwemmt. Auch wenn ich (ich hoffe, ich werde deswegen nicht gelyncht) mit den meisten nicht viel anfangen kann, da ich sie langweilig finde (und das ist für mich das Schlimmste, was ich über ein Buch sagen kann), gibt es auch unter diesen einige, die ich beim Lesen als spannend und unterhaltsam erlebt habe.


    Was also ist so interessant an einem Roman, der immerhin schon fast 150 Jahre alt ist, Figuren hat, die sich nicht wirklich weiterentwickeln und ein Genderbild, das für mich durchaus problematisch ist. (Allerdings, abgesehen davon, dass sich auch seine Hauptfiguren nicht wirklich weiterentwickeln, innerhalb der Handlung stört das eigentlich nicht, und was die Negativfiguren betrifft - Dahn konnte tatsächlich tolle Schurkenfiguren schaffen, die tatsächlich gefährlich sind und bei aller Eindimensionalität beeindrucken. (Das trifft übrigens auch auf andere Romane von ihm zu.)


    Weitere Kritikpunkte, die mir schon unter gekommen sind, wie das z. B. Dahn seine Geschichte als Königsgeschichte / Herrschergeschichte erzählt, das Volk nur als Staffage einsetzt wird und das Geschehen durch private Konflikte wie Liebe, Intrigen etc. vorangetrieben wird, mögen berechtigt sein, mich persönlich stören sie allerdings nicht, da es sich um einen Roman und kein Sachbuch handelt. Abgesehen davon, nachdem ich "Ein Kampf um Roman" zum ersten Mal (in der ungekürzten Fassung) gelesen hatte, habe ich mir sofort ein paar Fachbücher zu diesem Thema Goten und Völkerwanderung ausgeliehen, weil ich mehr darüber wissen wollte.


    Was aber ist es, was mich an dem Buch vor allem beeindruckt hat ...
    ... mit welcher Souveränität Dahn bei seiner Geschichte den Überblick behält und flüssig und spannend erzählt. Immerhin ist der Roman doch sehr umfangreich, hat mehrere Hauptfiguren, eine Menge Neben- und Randfiguren, ist in mehrere größere und kleinere Nebenhandlungen unterteilt (die keineswegs der Reihe nach erzählt und abgeschlossen werden), arbeitet mit unterschiedlichen Erzählformen (Szene, Brief, Tagebuch, Versen), mit Vorhersagungen, Vorankündigungen etc. Aber an keiner Stelle habe ich den Eindruck, dass der Autor etwa sich innerhalb seiner Geschichte selbst nicht mehr auskennt, offene Enden werden alle verknüpft, gegebene "Versprechen" auch eingelöst, und eindeutige Schnitzer wie Augenfarbenwechsel sind mir auch bei einem Reread nicht aufgefallen (wenn sie vorkommen, so sind sie jedenfalls gut getan).


    Dahn schrieb den Roman zu einer Zeit, als es noch keine Computer, keine spezielle Schreibprogramme für Autoren/nnen etc. gab, also er sich wirklich um jedes Detail, um den Handlungsfluss und Ähnliches selbst kümmern musste. Auch wenn er vielleicht tüchtige Mitarbeiter/innen gehabt hat, die ihm da geholfen haben dürfen, wirkt sein Buch doch so einheitlich, dass in diesem Fall von einer ausgezeichneten Teamwork ausgegangen werden muss.


    Meine Empfehlung: Ein Roman, der es jedenfalls verdient, dass er eine Lesechance kriegt. :wave

    Cethegus ist eine unhistorische Figur, die von Dahn erfunden wurde, sozusagen der "letzte" Römer.

    Bei Dahn ist Geschichte durchaus das Spiel der Herrscherfiguren / der Mächtigen, wird durch die Aktivitäten (Heldentaten, Intrigen etc.) und Interessen einzelner Figuren bestimmt. Da Dahn in seinen Quellenwerken keinen römischen Anführer fand, der sozusagen als (bei aller Fragwürdigkeit doch "großartiger") Gegenspieler der gotischen und der byzantinischen (griechischen) Seite geeignet gewesen wäre, hat er diesen erfunden.

    Nachdem es hier doch sehr große Abschnitte sind, die hier bewältigt werden müssen, hoffe ich, dass es in Ordnung ist, wenn ich mich bei meinem Senf auf einige einzelne Ausschnitte beschränke.


    Sehen wir uns vielleicht den Kriegsrat bei Justinian ein wenig näher an. (Ich würde sagen, hier sind wir eindeutig im Lager der tatsächlich "Bösen". (Subjektiver Eindruck)


    Justinian hält, so scheint es zunächst, eine Ratversammlung. Er befragt seine Ratgeber um ihre Meinung zu einem Krieg gegen die Goten. Wie sich dann herausstellt, handelt es sich jedoch bei der Ratsversammlung um eine Scheinversammlung (was ihm Narses auch kritisiert), denn seine Frau Theodora und somit er haben längst beschlossen, einen Krieg zu beginnen. Justinian wird schon dadurch abgewertet, dass er offensichtlich unter dem Pantoffel seiner Ehefrau steht, die zudem im Gegensatz zu den immerhin ambivalenten Frauenfiguren Amalaswintha und Gothelindis

    eindeutig negativ gezeichnet ist.


    Was die Ratgeber betrifft:
    - Tribonianus ist der Rechtsgelehrte, also sozusagen der Theoretiker in Sachen Krieg. Er ist gegen den Krieg mit den Goten, weil er ungerecht ist. Ich finde es recht interessant, dass eine solche Sicht immerhin im Roman wenigstens angesprochen wird.


    - Narses ist der Feldherr-Typus Kriegsstratege / Planer (und mit Blick auf die Entstehungszeit des Romans sozusagen der "Mann der Zukunft", was die Kriegsführung betrifft). (In diesem Zusammenhang ist vielleicht nicht uninteressant, dass gerade für den historischen Roman im 19. Jahrhundert als Maßstab die Romane eines englisch-schottischen Autors galten: Sir Walter Scott, wo Geschichte oft unter dem Aspekt Vergangenheit / Zukunft gedeutet wird.) Narses selbst ist davon überzeugt, dass er der Mann ist, der die Goten besiegen (vernichten) wird, wobei er übrigens auch eine schöne Beschreibung der Begriffe Feldherr / Kriegsheld geben darf, mit der er sich und seinen Gegenspieler / Gegenpart Belisar beschreibt.
    Aber auch er spricht sich gegen den Krieg aus, wenn gleich nicht aus moralischen oder ethischen, sondern pragmatischen Gründen. Ein Krieg gegen die Goten, von denen Byzanz keine Gefahr droht, ist nicht sinnvoll, wenn es zurzeit in Byzanz eine ganze Reihe von Kriegsaufgaben gibt, die wichtiger sind, da sie für dessen Weiterbestand entscheiden. Abgesehen davon, hat er keine Bedenken, am Verhalten des Kaisers offen Kritik zu üben.


    - Belisar dagegen, Feldherr-Typus Kriegsheld, und eindeutig so etwas für ein blinder Anhänger (heute würde man wohl sagen: Fan) von Justinian, hat keine Bedenken für Justinian den nächsten Eroberungskrieg zu führen und ist noch ganz begeistert von seinem gerade erst gewonnen Vernichtungskrieg gegen die Vandalen.


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    Der Kriegsrat könnte vielleicht als Kontrast zur Gerichtsverhandlung gegen Theodahad und Gothelindis gesehen werden: in Byzanz hat ein Einzelner das Sagen und der Kriegsrat ist eine Alibihandlung, mit dem er nur einen ohnehin bereits gefassten Entschluss bestätigen lassen will. Beim Prozess hat das Volk (oder zumindest mehrere Figuren) das Sagen, es gibt tatsächlich eine Verhandlung und das führt auch zur Weiterführung der Handlung, bei der es nun zu einigen Wendungen kommt. (Das bisherige Königspaar wird wegen seiner Vergehen ausgeschaltet, der Nachfolger wird "demokratisch" gewählt und er verdankt dies seiner Leistung / seinem Verhalten

    .


    Spannung ergibt sich hier dadurch, dass Leser/innen im Gegensatz zu den Romanfiguren bereits wissen, dass Theodahad und Gothelindis schuldig sind. Da Witigis aber darauf besteht, dass beide das Recht auf eine Verteidigung haben und diese auch noch für sie so führt, wie das von einem guten Anwalt erwartet wird, ist zunächst sogar ein Freispruch zu befürchten, ehe in jeweils letzter Minute doch noch eine weitere Figur (Cassiodor, Teja) auftaucht, die sozusagen die Beweise liefert.

    Was vielleicht auch nicht übersehen werden sollte, ist, dass bis ins 19. Jahrhundert das Drama sozusagen die "Königsgattung" war, und diese das Romanschreiben beeinflusst hat. (Sämtliche Szenen sind durchaus wie die Szenen in einem Theaterstück aufgebaut.)


    Weiter wurde im 19. Jahrhundert noch sehr viel Wert auf Symbolik gelegt. Es ist sicher kein Zufall, wenn Dahn den Roman mit zwei Parallelszenen beginnt, von denen er die eine im Freien (bei Ravenna) und die andere in den Römischen Katakomben stattfinden lässt.


    Schon bei der Beschreibung des ersten Schauplatzes wird das Ende des Romans bereits angedeutet, wenn auf die Baufälligkeit der Tempelruine verwiesen wird. (Hier befindet sich zudem die Grabstätte von drei jungen Männern, die damals im Kampf um die Stadt Ravenna gefallen sind.)


    Manchmal wird von sogar noch selbst auf den Bezug zwischen Schauplatz und Situation hingewiesen. (Man beachte nur, was zum Palast, wo Theoderich im Sterben liegt, gesagt wird.)


    Diese Art von Symbolik ist übrigens etwas, was ich in den Gegenwartsromanen sehr vermisse. (Es muss nicht gleich so dick aufgetragen sein, wie in diesem Roman oder anderen Romanen aus dem 19. Jahrhundert, aber ein wenig mehr Ausarbeitung von Hintergrunden und Details, durch die eine Szene auch Metaebenen bekommt, würde ich mir für die Gegenwartsunterhaltungsliteratur wirklich wünschen.)


    Weiter finde ich auch die Methoden nicht uninteressant, mit denen Dahn sozusagen sein Romanpersonal vorstellt, auch wenn sie aus heutiger Sicht eher einfach sind. Teja wird schon dadurch als für die Handlung wichtige Figur hervorgehoben, als er z. B. erst etwas später zur Gruppe stößt und Hildebrand zuvor noch nach ihm fragt. Abgesehen davon, verrät schon der Umstand, dass Witigis, Totila und Hildebad gemeinsam kommen, einiges über die Konstellation unter den Hauptfiguren Teja, Totila und Witigis.


    Eine weitere Gewichtung ergibt sich für mich auch dadurch, dass die fünf gotischen Figuren in der "Schwurbrüderszene" durchaus alle charakterisiert (oder zumindest typisiert) sind, während bei den Römern (der Gruppe in den Katakomben) eigentlich nur Cethegus (für viele Leser/innen die eigentliche Hauptfigur des Romans) wirklich interessant ist. (Aber das ist vielleicht auch nur mein eigener subjektiver Eindruck.)


    Was Mathaswinthas Interesse an Witigis betrifft, habe ich allerdings doch den Eindruck, dass das nicht sofort für Erstleser/in erkennbar ist. Mir ist es zumindest beim Erstlesen nicht aufgefallen. Sie steht am Fenster, ihr Bruder wendet sich ihr zu, sie fragt, wer der Mann ist, der gerade den Palast betreten hat, er gibt ausführliche Auskunft. Das Ganze wirkt eigentlich ganz schlüssig in die Handlung integriert, das könnte auch durchaus nur dazu dienen, dass Leser/in eine wichtigere Figur (oder vielleicht sogar Hauptfigur) gleich "näher" kennen lernt.


    Nur einige erste Eindrücke, die dieser Reread auf mich hat.