Halli Hallo
Iris, wenn Du historisch mehr Bewanderte die von mir nicht gross erkannte Metaebene auch nicht siehst, kann sie schlichtweg nicht vorhanden sein!
Natürlich liefert Eco nicht wirklich ein geschlossenes System, aber er bemüht sich (krampfhaft minituös) darum, d. h. er füllt alle erkennbaren Lücken. Falls es wirklich eine Metaebene geben sollte, ist es höchstens das, was in alles hineingelegt werden kann. Doch eine direkte Intension dazu kann ich nicht eruieren oder dann wird sie zuwenig angedeutet.
Die Handlungslinien finde ich ja ganz interessant, gute Idee, durch das Treffen von Papst- und Kaiser-Gesandten das Kloster zu einer internationalen Bühne auszuweiten. Doch diese lokal-internationale Verknüpfung findet sich auch in jedem Hollywoodstreifen, hält stofflich mehr her.
Auch die Krimihandlung ist nicht speziell intuitiv vertieft. Ich hatte bei keiner Leiche das Gefühl, auf eine symbolhaft-unbewusste Bedeutungsschwere zu stossen. Sherlock-Holmes-mässig gut durchdacht, aber sicherlich nicht in einem spürbaren Symbolzusammenhang, wie es z.B. in Kafkas Schloss deutlich fühlbar wird.
Obwohl an dem Ort mehr Leute sterben als etwa in Thomas Manns Tod in Venedig, empfinde ich nichts Todhaftes an dem Kloster, alles bleibt im analytischen Rahmen eines guten Krimis (wie etwa bei Agatha Christie), mehr jedoch nicht.
Eco hat den Krimi durch das historische Material gehoben, aber nicht poetisiert, denn Poetisierung geschieht nicht mittels Stoffanreicherung, sondern durch intuitive Stoffvertiefung.
Die Bibliothek ist das Kernstück der Handlung. Die Idee, das Innere der Bibliothek durch Betrachten von aussen zu erschliessen, gefällt mir sehr. Schon dafür hat sich das Lesen gelohnt. Gottes Blick auf uns und unser Universum, assoziiert Eco bzw. William, wäre tatsächlich schön, wenn wir die Welt samt Universum von aussen sehen könnten.
Doch diese auktoriale strukturalistische Wahrnehmung geht von einer analytisch erfassbaren Wahrnehmung aus. Was wäre gewesen, wenn es keinen Innenhof und keine Fenster gehabt hätte, oder wenn das Labyrinth unendlich wäre wie der Weltraum, mit dem es verglichen wurde? Auch hier tendiert Eco zu einer erfassbaren Legowelt, einer schönen, wie bei Harry Potter, den ich ebenso mag. Als poetisches Gegenstück die Beamtenräume in Kafkas Prozess. Oder die vielen Volksmärchen um verbotene Räume und Türen, in der Kunst des Weglassens liegt die Poesie!
Was auch immer in der Bibliothek noch unerwähnt sein mag, Eco hat alles schön eingeteilt, der Weltkarte zugeordnet und im Wesentlichen benannt. Sogar das Wispern der Pergamentrollen kann ich hören, ein lustiges Bild, würde gut zu Harry Potters lebendige Karten passen, welche ich so faszinierend finde.
Man kann es drehen und wenden, wie man will: Umberto Eco ist belesen, intellektuell, witzig, köstlich, unterhaltsam, lesenswert, aber m.M.n. nicht nennenswert poetisch, zumindest nicht nach meiner Poetik-Definition. Im hermeneutisch-didaktischen Sinne vielleicht schon, aber ich gehe eben mehr von der mehrdimensional-intuitiven Poetik-Definition aus.
Bye, Ivy