Beiträge von Charlotte F.

    Hier habt ihr meine Rezension von Tschick:


    Handlung:
    Es beginnt auf der Polizeiwache. Der vierzehnjährige Maik ist nach einem selbst verursachten Autounfall verletzt aufgegriffen worden. Im Krankenhaus liegend, erzählt er seine Geschichte: von den wohlhabenden Eltern, die sich kaum um ihn kümmern, von seiner Schulklasse, in der er als langweiliger Außenseiter gilt, von seinem heimlichen Schwarm Tatjana, die ihn nicht zu ihrem Geburtstag eingeladen hat, und von Tschick, dem Einwanderer, dem „Russenarsch“, der erst neu in seine Klasse gekommen ist. Und natürlich von der der Reise, die er mit Tschick gemacht hat.
    Maik ist in den Sommerferien allein zuhause geblieben (Mutter im Alkoholentzug, Vater mit der Freundin in Urlaub). Da kommt Tschick mit einem geklauten Lada vorbei. Zuerst lässt sich Maik mehr aus Langeweile mit dem unbeliebten Klassenkameraden ein. Schnell zeigt sich, dass Tschick mehr kann, als saufen und Möchtegernrowdys einschüchtern. Er findet den Draht zu Maik und seinem Liebeskummer und überredet ihn, trotz fehlender Einladung Tatjana eine selbstgezeichnete Beyoncé zu überreichen. Nachdem diese Prüfung überstanden ist, erklärt sich Maik bereit, mit dem Lada nach Rumänien in die Walachei zu fahren. Planlos (im doppelten Sinne, denn „Landkarten sind für Muschis“) tingeln sie durch Ostdeutschland.


    „Tschick“ wurde u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis 2010 ausgezeichnet und in 16 Sprachen übersetzt.
    Wolfgang Herrndorf, geboren 1965, starb im August 2013 in Berlin.


    Meine Meinung:
    Absolut glaubhaft, in einer frischen, jungen Sprache und in der ersten Person schildert Herrndorf die Irrfahrt der Jugendlichen durch ein Deutschland, in dem das Erbe der DDR stellenweise deutlich hervortritt. Die Reise dauert nur eine Woche, doch sie stellt in Maiks Leben einen radikalen Wendepunkt dar. Diese Entwicklung wird so eindrücklich geschildert, dass man sich vollständig mit den Protagonisten identifizieren kann, mit ihnen leidet, hofft und triumphiert, auch wenn man selbst noch keinen Wagen kurzgeschlossen hat, nie Zielscheibe für einen durchgedrehten Waffennarren gewesen oder auf einer Müllhalde nach Schläuchen zum Benzinansaugen gewühlt hat.


    Mein ganz subjektives Urteil: ein Bildungsroman für Jugendliche und Erwachsene, eine wirklich fesselnde Geschichte. Wenn man mit dem Lesen anfängt, sollte man die nächsten 48 Stunden nichts vorhaben, denn es ist schwer, das Buch aus der Hand zu legen.

    Ueberreuter Verlag 2013
    ISBN-13: 978-3-7641-7005-9
    Jugendroman



    Inhalt:
    An ihren verstorbenen Vater Sjurd kann Rhina, 15 Jahre, sich kaum mehr erinnern. Aber eins ist ihr klar geworden: Sie muss seine Asche ausbuddeln und sie nach Namibia bringen, als „selbst auferlegtes Initiationsritual“ und als „letztes Geschenk“ an ihren Vater.
    Unkas, der eigentlich Kevin heißt, soll ihr dabei helfen.


    Die eigentliche Reise, und die ist viel komplizierter als die Rahmenhandlung, führt durch die vielschichtige Gedankenwelt der Protagonistin. In der ersten Person, meist im Präsens, wird der Leser durch die wichtigen Stationen in Rhinas Leben geführt. Es geht um Tod, Freundschaft, Schuld, verpasste Gelegenheiten, um Liebe und Leid. Und es geht um Entwicklung.
    Dabei ist die vordergründige Beziehung zwischen Rhina und Unkas nur Beiwerk. Viel wichtiger ist die Verbindung, die zwischen dem jungen Mädchen und ihrem Vater entsteht. Im Laufe ihrer Nachforschungen entdeckt Rhina – durch Fotos, Briefe, Tagebuchaufzeichnungen – den lebendigen Sjurd und kommt Familiengeheimnissen auf den Grund.


    Feinfühlig hat Weber die Gefühle und Gedanken des Teenagers herausgearbeitet, wobei sie das Konzept der In-Mirs, der vielen unterschiedlichen Rhinas, erschuf. Da gibt es die Romantiker, die Aufgebrachten, die Tränenmacher, die hysterisch Lachenden, die Neugierigen, die Energischen, die Emotionalen, die Archivare, die Ungeduldigen, die Jammerlappen und noch viele mehr. Diese „Besatzung“ in Rhinas Kopf legt Fremdwörter-, Wie-Papa-und-wie-ich- und andere Listen an, reicht beim Universum Wünsche ein und gestaltet den Roman mindestens ebenso wie die Rahmenhandlung. Während des Lesens entsteht dadurch allmählich eine emotionale Nähe zu der Hauptfigur, die auch nicht abreißt, wenn man das Buch endlich zur Seite legt (sagen meine Gemütvollen!).


    Ganz persönliches Fazit: Ein außergewöhnlicher und absolut empfehlenswerter All-Age-Roman, der problemlos Spannung und Besinnlichkeit unter einen (namibischen) Hut bekommt.

    Nina Maria Marewski
    Die Moldau im Schrank
    Bilgerverlag 2011
    ISBN-13: 978-3037620151
    Roman, fantastischer Thriller



    Inhalt:
    Helena, Mitte Dreißig, Hausfrau, führt ein glückliches, aber etwas langweiliges Familienleben. Eines Tages entdeckt sie zufällig zwischen zwei Pfeilern in der U-Bahn den Eingang in eine Parallelwelt. Dort lebt eine andere Helena, eine Art Doppelgängerin, jedoch kinderlos und Malerin am Anfang einer viel versprechenden Künstlerkarriere. Die Hausfrau-Helena erfährt, dass sie zu den Grenzgängern gehört, Menschen, die zwischen den Parallelwelten wechseln können.
    Voll Interesse und Bewunderung nimmt Helena passiv und unsichtbar teil am Leben ihrer Doppelgängerin, die statt Familiengründung die berufliche Laufbahn gewählt hat. Immer häufiger schleicht sie sich in die andere Welt und vernachlässigt darüber ihre eigene Wirklichkeit.


    Preise:
    Der Roman wurde 2012 mit dem Seraph für fantastische Literatur ausgezeichnet und erhielt bei der Phantastik-couch.de den zweiten Platz für das Buch des Jahres.


    Meine Meinung:
    Obwohl die Kapitel in verschiedenen Welten spielen, ist der Roman leicht und schnell zu lesen und die Zuordnung durch den Wechsel der Erzählposition (erste bzw. dritte Person) immer eindeutig.
    Die Auseinandersetzung mit der zentralen Frage „was wäre, wenn“ wird unterhaltsam und spannend geführt. Die kurzen, ereignisreichen Kapitel zogen mich in ihren Bann und ließen mich wohldosiert an der Entwicklung der Liebesgeschichte und, parallel dazu, an den Nachforschungen über Markus und Mitja teilhaben. Nicht ganz so gelungen fand ich die Gestaltung der Personen, die mir in einigen Fällen zu glatt und klischeehaft war (Haus- und Ehefrau Helena, Beziehung zu ihrer ABF).


    Mein ganz subjektives Urteil: ohne Frage empfehlenswert, besonders als Unterhaltungs- und Urlaubslektüre. Originelle Idee, gute Umsetzung, ein Muss für alle, die Phantastik lieben.