Beiträge von Swansea

    Herr Palomar

    Das muss ich mir echt schwer überlegen - denn der Stil ist, wie ich in einigen Rezensionen las, insgesamt der Gleiche: Ich fürchte, Sigrid Nunez liegt mir literarisch nicht (trotz desselben Vornamens ^^)

    Trotzdem danke für Deinen Tipp - man soll ja nie nie sagen ;)

    Österreich express - tolle Rezeptauswahl und in Windeseile zubereitet!



    "Österreich express" (also schnell) von Katharina Seiser erschien 2023 im Verlag Brandstätter, Wien (HC, geb., 288 Seiten). Es handelt sich um ein Standardwerk der österreichischen Küche mit traditionellen Rezepten, die neu durchdacht, vereinfacht und sehr gut beschrieben sind (wobei das Kapitel "Küchenösterreichisch" wirklich hilfreich ist, da viele Begriffe im Deutschen anders lauten als in Österreich (z.B. Schwammerl für Pilze). Die Gerichte, die mit einladenden Fotos (und zusätzlichen Tipps der Autorin) versehen sind, lassen sich leicht nachkochen und -backen. Das Beste: Express steht für schnell und das jeweilige Gericht steht in ca. 30 Minuten bereits auf dem Tisch!


    Die Bestseller-Autorin hat aus ihrem in vielen Jahren gesammelten Rezeptschatz rund 120 landestypische Klassiker ausgewählt, in dem für jedes Können und jeden Geschmack etwas dabei ist; 2 farbige Lesebändchen werten das schön gestaltete Kochbuch zusätzlich auf und erleichtern das Wiederfinden des Lieblingsrezepts.

    Im Inhaltsverzeichnis des gut gegliederten Kochbuchs finden sich eingangs eine Warenkunde und Küchentipps, ein Register und oben erwähntes "Küchenösterreichisch", das ich sehr hilfreich fand (Semmerln für Brötchen, Schwammerl für Pilze u.v.a.).Die zahlreichen und teils natürlich wohlbekannten landestypischen Rezepte gliedern sich in:


    - Kalte Jause, - Warmer Imbiss, - Gemüse, Erdäpfel & Schwammerl, - Teigwaren & salzige Mehlspeisen, - Fisch, Fleisch & Wurst, - Warm & süß, - Kalt & süß.


    Die Auswahl der Rezepte, besonders jener, die an so manchen Urlaub in Österreich denken lassen, fand ich grandios und wer diese herzhafte und sehr schmackhafte Küche sehr mag (wobei ich mich hier hinzuzähle), wird in "Österreich express" eine wahre Rezept-Schatzkiste finden, die jederzeit eine lukullinarische Reise ins schöne Nachbarland ermöglicht.


    Von mir eine absolute Empfehlung für schnelle Klassiker & österreichische Lieblingsrezepte für alle, die großen Gaumenschmaus lieben, jedoch über nicht allzu viel Zeit zum Kochen verfügen. 5*



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    Jil Sander SUN ist auch einer meiner absoluten Lieblingsdüfte (im Sommer) - ansonsten mag ich es auch eher frisch, zitronig - und bloß nicht süß und schwer *michschüttel* :erschreck

    "Die Verletzlichen" von der bekannten amerikanischen Autorin Sigrid Nunez (übersetzt aus dem Amerikanischen von Anette Grube) erschien im Aufbau-Verlag, Berlin (HC, gebunden, 221 S.). Ich kannte die Autorin zuvor nur dem Namen nach und musste im Verlauf des Lesens dieses Romans feststellen, dass ich andere Erwartungen an "Die Verletzlichen" hatte als ich letztlich darin vorgefunden habe.


    Worum geht's?


    Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten; denn: Es geht um so Vieles! Die Haupthandlung besteht darin, dass Iris, eine gute Freundin der "namenlosen Erzählerin" - nachfolgend n.E. von mir genannt - einen jungen Studenten damit beauftragt, für die Zeit ihrer Reise zu den Schwiegereltern in Kalifornien Eureka, den Papagei der Familie, zu hüten (und dies ist keine leichte Aufgabe, da Eureka, der sehr selbstgefällig ist "und weiß, wie schön er ist", ein Zimmer für sich alleine hat - die Wände erinnern an den Dschungel, seine eigentliche Heimat; und jeden Tag viel Aufmerksamkeit braucht). Der Student ist ein Freund der Familie und Iris vertraut ihm, auch wenn sie um die problematischen Hintergründe des jungen Mannes weiß. Da dieser Student es jedoch vorzieht, nach Vermont zu ziehen, da New York eine schwer betroffene Stadt der Pandemie ist (2020), kommt die n.E. ins Spiel, die hier gerne einspringt, da die Wohnung von Iris (und was für eine: Luxuriös ist kein Ausdruck; das Ehepaar hat drei Anwesen; eins davon in New York) fußläufig erreichbar ist.


    So freunden sich der zuerst schreiende Papagei und die n.E., die tagsüber gerne durch die Parks streift, nach und nach an. Sie empfindet Freude daran, mit ihm zu spielen und sich mit ihm zu beschäftigen. Bis eines Tages unvermittelt der Student zurückkehrt - und beide sich (auf Wunsch von Iris) die - zugegebenermaßen sehr große Wohnung - teilen müssen. Was der n.E. anfangs gar nicht behagt. Beide sich auch weitläufig aus dem Wege gehen, bis - ja bis der Student bemerkt, dass die n.E. nicht kochen kann und jeden Tag dieselben Sandwiches isst: Nun kocht er (das vegane Kochen hat er während eines Klinikaufenthalts gelernt) für beide, wenn sie auch nie zusammen essen. Die Einsätze als Hüter von Eureka verlängern sich, da das Baby, das Iris erwartet, früher zu kommen scheint.


    Meine Meinung:


    Ich habe selten einen Roman gelesen, der eher einer Aneinanderreihung von teils interessanten, teils aber auch verworrenen Gedanken glich und dem jedweder rote Faden fehlte. Themen gibt es zuhauf (Tod und Verlust; das Verhalten von Menschen, das in Pandemiezeiten nicht immer nachvollziehbar ist, die Literatur, das Schreiben, die Natur und der Mensch als ihr Zerstörer, der "Brain Fog" als Folge der Pandemie, das Scheitern und seine Wichtigkeit, um als "Destillat dessen daraus hervorzugehen, der man eigentlich ist" und so vieles mehr.


    Viele Themen sind an der Oberfläche geblieben; manche sind intellektuell und durchaus interessant, für eine tiefergehende Aussage reicht es jedoch nicht. Dagegen wird relativ schnell zum nächsten Thema übergegangen. Dies hat meine Lesefreude eher gebremst als sie anzufachen.


    Der Roman ist in zwei Teile geteilt; dazwischen gibt es ein "Intermezzo", in dem es hauptsächlich um das Schreiben und das Lesen, um Literatur selbst geht. Hier fand ich einiges recht interessant, anderes nebensächlich. Nachdenklich stimmte hier, dass manche AutorInnen in der Lockdown-Zeit Probleme hatten, zu schreiben und sich zu konzentrieren (was dem Rest der Menschheit sicher ebenso erging). Der Stil ist schnörkellos, prägnant, die Kapitel sind kurz und vieles wirkte auf mich zusammenhanglos. Die interessanteste Figur war für mich der junge Student, dessen Ansichten ich teilte und von dem ich gerne mehr erfahren hätte. Im Klappentext geht es um "Nähe und Innigkeit in unwägbaren Zeiten", hier konkret um zwei Menschen wie die n.E., eine ältere Frau, und einen jungen Studenten, die sich in der "Papageien-Wohnung" einer sehr privilegierten Freundin miteinander arrangieren müssen: Von Nähe und Herzlichkeit war hier für mich allerdings meist wenig bis gar nichts zu spüren, was mehr von der n.E. auszugehen schien als von dem Studenten, den ich mochte und der dem Roman am Ende noch eine positive Wendung gibt, die auch Eureka gefallen haben dürfte.


    Fazit:


    Ein auf mich leider sehr fragmentarisch wirkender Roman in einer eher schwierigen Zeit (Pandemie, New York) um zwei Menschen, die sich um einen verwaisten Papagei kümmern. Eher eine wahllose Aneinanderreihung von (teils klugen, intellektuellen) Gedanken einer namenlosen Erzählerin, die für mich schemenhaft bleiben. Ähnlich wie der 'Brain Fog', der hier angesprochen wird. Der rote Faden fehlte und auch eine literarische Tiefe. Zumindest mir. Daher von mir knappe 3 Sterne.


    ASIN/ISBN: 3351041985


    "Tief im Schatten" von einer der bekanntesten schwedischen Kriminalschriftstellerinnen Viveca Sten, aus dem Schwedischen übersetzt von Dagmar Lendt, ist der 2. Fall für Hanna Ahlander und erschien (2023, HC geb., 498 Seiten) im dtv-Verlag, München.

    Es handelt sich um einen abgeschlossenen Kriminalroman und es ist nicht zwingend notwendig, den Vorgänger (Kalt und still) gelesen zu haben; ich empfehle es jedoch, da die Entwicklung der Ermittlerin und Hauptprotagonistin Hanna Ahlander noch besser nachzuvollziehen ist (es gibt jedoch auch einen Rückblick auf Hannas Leben vor Aufnahme ihrer polizeilichen Tätigkeit in Are und Östersund).


    Inhalt:


    Der letzte Fall ist noch keine 3 Monate her, als in einem Waldstück eine männliche Leiche gefunden wird, die übel zugerichtet wurde. Wie sich herausstellt, handelt es sich um Johan Andersson, einem in den Nullerjahren bekannten Skifahrer, der damals der Nationalmannschaft angehörte und seine Karriere aufgrund einer Verletzung aufgeben musste. Nach Aussagen von Freunden und Verwandten war er ein sehr netter, fröhlicher, lebensbejahender Mensch, der immer gute Laune - und keine Feinde hatte. Die beiden Ermittler Daniel Lindskog und Hanna (die bestens zusammenarbeiten und es genießen, nach jeder Befragung unterwegs ihre Analysen zu teilen) tappen also vollständig im Dunkeln: Wo könnte hier ein Motiv liegen?

    Gleichzeitig taucht man in das Leben einer jungen Frau ein, die 19jährig und in einer Glaubensgemeinschaft (fiktiv - und vielleicht doch nah an der Realität?), das "Licht des Lebens" mit deren Wertvorstellungen und Frömmigkeit aufwuchs. Ole, ein Hilfspfarrer, der sehr "nett nach außen" erscheint und in seinen Reden sehr überzeugend wirkt, hat ein Auge auf Rebekka geworfen und heiratet sie wenig später. Nach und nach erkennt die fügsame Rebekka, die kinderlos bleibt, das wahre Gesicht ihres Gatten, der sie völlig kontrolliert und über sie verfügt; gemäß der patriarchalischen Glaubensvorsätzen der Sekte.

    Eines Tages wird Rebekka, die (da ihr Mann seine Stelle verlor) im Kindergarten "Schneeglöckchen" arbeitet, vermisst, da sie nicht zum Dienst erschienen ist: Wo steckt die junge Frau - und wie sieht es um ihre Ehe mit Ole tatsächlich aus? Weiß die Kollegin vielleicht einige Details?


    Meine Meinung:


    Hat mir bereits der Vorgänger sehr gefallen, so hat mich auch dieser extrem spannende Krimi mit Thrillerelementen sehr gepackt und bestens unterhalten: Viveca Sten gelingt es durch ihren Schreibstil, die Spannung permanent hochzuhalten, so dass man nach jedem Kapitel mitfiebert und über mögliche Motive und Täter nachdenkt. Sie legt Fährten und beschreibt auch den Spagat von Polizisten mit jungen Familien, die in vielen Fällen wenig Freizeit haben und ihren Ansprüchen kaum gerecht werden können, einerseits gute Ermittler - und andererseits gute Familienväter zu sein, die sich auch um die Kinder kümmern. Die Befragungen aller Angehörigen und verdächtig erscheinenden Personen wird sehr spannend dargestellt, so dass man beim Lesen ins Grübeln kommt: Hat der trinksüchtige Partner von Johan ein Motiv, der kaum noch in der Lage ist, seine Aufgaben in der Firma bewältigen zu können?

    Es gibt so einige Hinweise, die jedoch nicht zum Ziel der Ermittlungen führen. Hanna als Frau, die sich bereits in Stockholm für schutzlose Frauen einsetzte und Daniel, der sich das Polizistenleben nach seiner Versetzung nach Are eigentlich ruhiger vorgestellt hatte, sind ein sehr gutes Team; die Kombinationsfähigkeiten und der Austausch sind sehr gut beschrieben und machen die beiden menschlich und sympathisch. Eine weitere Sympathieträgerin ist auch Lydia, die Schwester von Hanna, die sie (aus gutem Grund) niemals im Stich gelassen hat.

    Weniger sympathische Charaktere sind Ole und Pastor Jonsäter, deren Frauen (wie die aller anderen Angehörigen der Glaubensgemeinschaft) nichts zu melden, sondern sich dem Mann zu fügen haben. So manche "Eskapade" (Kontrollsucht, die als Fürsorglichkeit betrachtet wird) haben mich da an die Grenze meiner Belastbarkeit gebracht; andererseits aber offengelegt, mit welchen Strukturen Menschen zu kämpfen haben, die in solchen Glaubensgemeinschaften oder Sekten aufgewachsen sind, sich davon zu befreien. Diesen qualvollen Prozess konnte Viveca Sten sehr gut beschreiben; auch das Atmosphärische, Winterliche, die Landschaftsbeschreibungen gefielen mir sehr gut. Wie so oft in Kriminalromanen, steigert sich die Spannung im letzten Drittel dann noch: Der Showdown ereignet sich im nahen Norwegen und die Ermittler kommen keine Stunde zu spät.... Das Ende fand ich persönlich sehr menschlich und auch berührend.


    Fazit:


    Ein extrem spannender winterlicher Krimi mit Thrillerelementen, der vor Nordschwedens Skikulisse verortet ist: Daniel und Hanna agiert als toughes Ermittlerteam, auch Anton stellt sich als fähiger (und sympathischer) Kriminalpolizist dar. Gibt es Zusammenhänge zwischen einem Mordfall und dem Verschwinden einer jungen Frau, die in einer sektenähnlichen Glaubensgemeinschaft aufwuchs ?

    Ein Showdown, der es in sich hat. Atmosphärisch, winterlich, (Kälte)knisternd, realistisch und auch emanzipatorisch. Trotz aller Widrigkeiten löst das Ermittlerteam auch diesen Fall (bzw. Fälle). Klare Leseempfehlung von mir und 5* am Krimifirmament sowie 96° auf der Krimi-Couch!

    5***** + Krimitipp!

    Diese Bücher haben schon ein bestimmtes "Strickmuster", das ankommt. Besonders bei jenen, die (wie ich) auch mal "Wohlfühllektüre" zu sich nehmen wollen.

    Und diese hat in diesen Zeiten auch ihre Berechtigung, wie ich finde.


    Die "tiefer liegenden" Botschaften (z.B. über alles Ungesagte, das mitunter zwischen Menschen steht) findet man auch nicht in jedem "Wohlfühl-Roman", bei Carsten Henn jedoch schon.

    Für diejenigen unter euch, die auch gerne mal ein Hörbuch anhören :Dr Murkes gesammeltes Schweigen

    Da kann ich mich nur anschließen, sehr lesens- und hörenswert :thumbup:


    "Ansichten eines Clowns" war meine Schullektüre (12. Klasse, glaub' ich) und seitdem habe ich einiges von Heinrich Böll gelesen....


    Wäre ein re-read wert - mein Lieblingsmotto aus dem Buch:


    "Ich bin ein Clown - und sammle Augenblicke"

    Einfach genial mediterran kochen


    "5 Zutaten mediterran" des bekannten TV- und Autorenkochs Jamie Oliver ist auf Zuspruch vieler FreundInnen und Bekannte sowie auf Drängen seiner Frau entstanden - er hatte eigentlich anderes vor... Das neue geniale Kochbuch erschien (HC, geb., 320 Seiten) im Dorling-Kindersley-Verlag (DK) und kommt schon optisch durch die orangene Farbgebung sehr erfrischend zur Geltung.


    In unserer schnelllebigen (und oft auch zeitfressenden) Zeit sind Gerichte, die schnell zubereitet sind, Gold wert. Hier sind es tolle Rezepte der Mittelmeerküche, die der Autor von seinen vielen Reisen in den Mittelmeerraum mitnahm, um daraus zu schöpfen. Zudem zählt die mediterrane Küche zu den beliebtesten und gesündesten auf unserem Planeten. Mit diesem Wow-Kochbuch des beliebten Kochs und Autors Jamie Oliver lassen sich im Alltag mit minimalem Aufwand originelle Gerichte kochen.


    Die Rezepte sind bewusst kurz gehalten, knapp und übersichtlich und mit tollen Fotos versehen, die Lust drauf machen, die jeweilige Speise nachzukochen. Jedes Rezept hat eine individuelle Zutatenliste und am Ende des Buchs gibt es ein Register sowie persönliche Tipps als Extra, was mir besonders gefiel.


    Die zahlreichen 5-Zutaten-Rezepte mediterran gliedern sich in


    Salate, Suppen und Sandwiches, Pasta, Gemüse, Gebackenes und Gefülltes, Seafood, Fisch, Hähnchen & Ente, Fleisch und süsse Sachen.


    So ist also je nach persönlichem Geschmack und Vorliebe für jeden etwas dabei! Wir waren besonders von "Griechische Hähnchenpasta", "Tunesische Spaghetti mit Garnelen", "Köstliche Kichererbsensuppe", "Hausgemachtes Kafteji" und gefüllten Fladenbroten (Pide) sehr begeistert. Ebenso wie von der Klarheit der Zubereitungsschritte, der Mengen- und Rezeptangaben, einem Markenzeichen von Jamie Oliver, die in jedem seiner genialen Kochbücher zu finden sind! Die leckere Apfeltarte wird wohl bei uns das Weihnachtsdessert ergeben, mit einem Hauch von Zimt.


    Fazit:


    Das neue Kochbuch des (nicht ohne Grund) sehr beliebten und international bekannten Kochs und Autors Jamie Oliver bietet mediterrane Rezepte mit nur 5 Zutaten, die genial nachzukochen sind und sicher auch Anfängern gelingt! Es stellt ein Fest mediterraner Zutaten, Aromen und Genüsse dar und geniale zahlreiche "quick & easy" Rezepte für jeden Tag - dafür von mir ein chapeau und 5* - die volle Punktezahl! Für alle, die die mediterrane, gesunde Küche lieben - ein ganz besonderes Kochbuchgeschenk! 5*****


    ASIN/ISBN: 3831047952

    Der Roman "Florence Butterfield und die Nachtschwalbe" von Susan Fletcher erschien (HC, geb., 494 Seiten) im Verlag Kindler (Rowohlt Verlagsgruppe). Die mir bis dato unbekannte britische Autorin entführt hier ihre Leser in eine Seniorenresidenz namens "Babbington Hall". Ein umgebauter Herrensitz im ländlichen Oxfordshire mit großem Garten, das man sich recht zauberhaft vorstellen kann.


    Hier lebt seit Kurzem Florence Butterfield (87), genannt Florrie, die Hauptprotagonistin des Romans, deren Vater Polizist war und die ihrem geliebten Bruder Bobs (im 1. Weltkrieg umgekommen) versprochen hat, die Abenteuer in ihrem Leben zu suchen, die er nicht mehr verwirklichen konnte. Florrie verlor durch einen Unfall ein Bein, was sie an den Rollstuhl fesselt und ist ohne ihre Hörgeräte stocktaub. Doch sie ist auch ein Mensch, der dem Positiven stets zugewandt ist und für den jeder Tag wie ein kleines Wunder ist. Trotz ihrer Malaisen ist sie lebenslustig, liebt Lavendel und ihr Sonnenblumenbild sowie das Teetrinken im Bett. Mit ihrer neuen Situation im Senioren- und Pflegeheim hat sie sich bestens arrangiert und lässt den Leser in Rückblicken ihr erfülltes Leben sehen, in dem sie weit gereist ist und 6 Männer von Herzen liebte.


    Doch etwas kommt Florrie merkwürdig vor: Wieso verunglückte der liebenswerte Arthur Potts im Garten der Residenz tödlich? Und wieso sollte Renata Green, die zurückhaltende, aber liebenswerte Heimleiterin von Babbington Hall, sich durch einen Sturz aus ihrer im 3. Stock befindlichen Wohnung stürzen? Hatte sie ihr doch kurz zuvor erzählt, dass sie sehr gerne Paris besuchen würde und erstmals in ihrem Leben verliebt ist; sich gerne über Männer und die Liebe mit Florrie unterhalten würde? Diese Ungereimtheiten passen für Florrie nicht zusammen und sie findet in Stanhope, einem rüstigen, ebenfalls liebenswerten ehemaligen Lateinlehrer, unvermutet einen Verbündeten, der auch nicht an einen Freitod von Renata glauben mag: Die Handlung bekommt fortan Krimielemente und Florrie und Stanhope könnten entfernt an Miss Marple und Mister Stringer erinnern: Sehr findig (immerhin ist Florrie die Tochter eines Polizisten) versuchen sie nun, die Puzzleteile zusammenzusetzen, die das Gegenteil eines Suizids im Falle von Renata beweisen können: Einen Mord!


    Sehr viele Personen bevölkern diesen Roman, der in Rückblicken Florries Leben beschreibt: Orte und die Männer, die sie geliebt hat wie auch ihre Eltern und ihr Bruder, den sie in kindlichem Alter verloren hat. Auch gibt es ein Geheimnis namens "Hackney-Vorfall", das erst ganz am Romanende gelüftet wird (für mich irgendwann etwas vorhersehbar war). Florrie muss man mit all' ihrer Lebensfreude und Lebenslust bis ins hohe Alter einfach ins Herz schließen; ebenso wie Stanhope, der ein liebenswürdiges Pendant zu Florrie ist und sie in den Ermittlungen der "Ungereimtheiten" erfinderisch unterstützt. Dennoch muss ich bei all' der Fülle der Themen sagen, dass mir persönlich dieser Roman in vielerlei Hinsicht zu ausufernd und von Längen durchzogen war, der meine Lesefreude zuweilen verringerte. Thematisch geht es um Freundschaft (hier war Pinky, die lebenslange Freundin von Florrie, ein menschlicher Leuchtturm), um Glück und Liebe, aber auch um Ängste, Traumata und Verluste, die das Lebensglück verhindern oder schmälern können. Schön fand ich die tief empfundene Dankbarkeit Florries für die Begleitung vieler netter Menschen in ihrem Leben und die "Pakete voller Liebe", die sie stets an diese absendete - sogar an die demente Tabitha, die einen Stock über ihr im Seniorenheim wohnt.


    Fazit:


    Eine wirklich schöne Buchidee in malerischer Atmosphäre, der Seniorenresidenz Babbington Hall, die jedoch allzu oft in Nebensächlichkeiten stilistisch 'ausufert' und durch langatmige Passagen die Lesefreude bei mir schmälerte. Daher von mir knappe 3*.

    "Beuteherz" von Ulrika Rolfsdotter erschien (TB, 447 Seiten) im Heyne-Verlag (Penguinrandomhouse Gruppe). Übersetzt aus dem Schwedischen wurde der Kriminalroman von Sabine Thiele.

    Ich war auf den 1. Fall von Annie Ljung sehr gespannt, da sie (wie auch die Autorin) denselben Beruf hat wie ich). Nie zuvor habe ich einen Krimi gelesen, in dem eine (schwedische) Sozialarbeiterin/-pädagogin ermittelt und muss sagen, dass mir das Début der Autorin sehr gut gefallen hat!


    Inhalt:


    Als ihr Cousin Sven Bergsen Annie anruft, die sich in Stockholm seit einigen Jahren vor allem um misshandelte Frauen kümmert, kehrt sie in den Ort ihrer Kindheit und Jugend in Nordschweden zurück, in den sie niemals wieder fahren wollte: Lockne. Doch ihre demente Mutter braucht sie, auch wenn die Beziehung zu ihr schon länger eher schwierig ist. Es ist kurz vor Ostern und sie nimmt sich vor, nur einige wenige Tage zu bleiben. Mit Sven und seiner Frau Lillemor hat sie ein herzliches Verhältnis, dementsprechend freuen sich beide, dass Annie zu Besuch ist. Kurz darauf verschwindet ihre Nichte Saga, die ihr mit 17 Jahren zum Verwechseln ähnlich sieht, spurlos. Obwohl ihr Unwillen gegen diesen Ort, den sie in jungen Jahren verlassen musste, deutlich spürbar ist, lässt sie nun Sven und Lillemor nicht in dieser äußerst belastenden Situation alleine, da diese stets nach Birgitta, Annies Mutter schauen. Sie begegnet zwangsläufig Josef Hoffner, dessen Vater Sven im Suff bei einem Kartenspiel einen Wald abluchste, den Sven, der faktisch pleite ist, da der kleine Lebensmittelladen schon längst nicht mehr läuft, von Johan zurückhaben will. Nach einiger Zeit bilden sowohl die Dorfbewohner als auch die Polizei Suchtrupps, die jedoch in starkem Schneefall keine Ergebnisse zeigen. Die verzweifelten Eltern gehen nicht davon aus, dass Sara davongelaufen ist: Doch wo ist die Tochter zu finden - und ist sie noch am Leben in dieser Kälte?


    Meine Meinung:


    Ulrika Rolfsdotter ist ein Name, den ich mir zweifellos merken werde: Der Kriminalroman wirkt auf mich sehr authentisch und interessant, da Annie, die Hauptprotagonistin, die Stelle ihrer Freundin Helena in der Nähe von Lockne antritt (Elternzeitvertretung) und sehr menschlich reagiert, als ihre Nichte spurlos verschwindet: In ihrer Profession beim Jugendamt gibt sie der Polizei Informationen, die zum Auffinden von Sara hilfreich sein könnten. Sie besitzt kriminalistische Fähigkeiten, Scharfsinn und Intelligenz, trägt jedoch selbst ein Traumata in sich, das mit dem Ort Lockne zu tun hat und sich erst nach und nach dem Leser erschließt. Mir waren besonders Annie Ljung, Gunnar Edholm und Sven und Lillemor sympathisch; auch die Rolle der dementen Mutter Birgitta gab einem zu Denken: Was meinte sie mit "Hilf dem Mädchen?" Was wusste sie wirklich, die sich mit Sara, die in Birgittas Pflegeheim jobbte, sehr gut verstand? Und was hat es mit dem Gedicht von Sara auf sich, das Annie bei ihrer Mutter in einer Schublade findet?


    Die Autorin versteht es, von Beginn an Spannung aufkommen zu lassen, die sich im letzten Drittel noch steigert. Der Stil ist sehr atmosphärisch; die Kapitel kurz und die Sprache eingängig und schnörkellos; es sind kurze und prägnante Sätze, die den Spannungsbogen halten. Verdachtsmomente fallen auch auf diverse andere Figuren, die im Krimi auftauchen und der Plot ist nicht vorhersehbar. Allerdings habe ich einen Kritikpunkt: Trotz kriminalistischem Spürsinn von Annie gibt es für mich einen Stolperstein in ermittlungstechnischer Hinsicht, denn geübte KrimileserInnen (eins meiner Lieblingsgenres) werden hier evtl. vor Anna fündig und erkennen, vor wem man sich besser in Acht nehmen sollte. Da die Themen jedoch sehr vielschichtig sind (z.B. Schuldgefühle, Traumata, Demenz, Alkoholismus und Zerrütung von Familien, aber auch Freundschaft und die Arbeit sozialer Dienste bei Jugendämtern) und die Spannung absolut vorhanden war, hat mich dies nur am Rande gestört: Ich sehe auf jeden Fall Potential nach oben!


    Fazit:


    Ein starker, spannender, etwas feministischer Krimi aus Nordschweden, der mir aufgrund der Authentizität, der Klarheit im Stil und der Vielfalt der relevanten Themen sehr gut gefallen hat. Eine starke Frau, deren Profession Sozialpädagogin ist und die hier mit Intelligenz und Scharfsinn brilliert, begibt sich an den Ort, den sie nie wiedersehen wollte. Setzt sich schlussendlich mit ihrer eigenen Vergangenheit (und ihren Dämonen) auseinander. Sehr gerne empfehle ich "Beuteherz" und hoffe auf weitere Fälle für Annie Ljung!


    4***

    ASIN/ISBN: 3453426649

    Mister Chips und das Maß aller Dinge


    "Leb wohl, Mister Chips" von James Hilton (1900-1954) in deutscher Übersetzung aus dem Englischen von Manfred Allié erschien (2023, HC geb., 141 Seiten) im Kampa Verlag, Zürich. Das englische Original erschien bereits 1934; der Roman ist, wie der Verlag auf dem Buchrücken schreibt, "ein Juwel der englischen Literatur" - so auch für mich. Besonders faszinierend fand ich hier die Tatsache, dass in dem recht schmalen Büchlein so viel 'zwischen den Zeilen' zu lesen ist, dass es; auch in emotional-menschlicher Hinsicht, prallgefüllt an Emotionen, mehr als auf die 'gefühlte' doppelte Seitenzahl kommt!


    Inhalt:


    "Er war jahrzehntelang Lehrer in Brookfield, einem Jungeninternat. Er hat Hunderte, wenn nicht Tausende Schüler unterrichtet. Er war kein wirklich guter Lehrer, Ambitionen hatte er keine. Aber er hatte Humor, Prinzipien, vor allem aber einen warmherzigen Blick auf die Welt. Die Schüler liebten ihn, und so ist er in Brookfield zur Legende geworden. Einst lebte Mr. Chips für seine Schüler, nun lebt er in den Büchern, die er liest. Ein kurzes, unverhofftes Liebesglück hat er erleben dürfen, aber das ist lange her. Jetzt wohnt er bei der Haushälterin Mrs. Wickett, sitzt vor dem Kamin - und erinnert sich."

    (Quelle: Buchrückentext)


    Meine Meinung:

    Genau dort, am Kamin bei seiner Vermieterin, Mrs. Wickett, seinen Gewohnheiten nachgehend, ein Tässchen Tee trinkend abends, einen Krimi schmökernd und beim Rückblick und seinen Erinnerungen auf ein schönes und friedliches Leben lernen wir den früheren Lehrer für Latein am Jungeninternat Brookfields (das er gleich mochte) kennen. Der Roman gewährt uns Einblicke in das Leben eines Lehrers zwischen ca. 1870 bis Mr. Chips ins Rentenalter kommt. Berührende Einblicke sowohl ins Berufs- als auch ins Privatleben des Lehrers, der sich selbst eher mittelmäßig findet, dem es nicht immer leichtfällt, für Disziplin zu sorgen und der sich doch von Anfang an sehr wohlfühlt in Brookfield, jenem Jungeninternat, in dem er (500 unbändige Raufbolde) unterrichtet. Er schafft es als junger Lehrer, sich Respekt zu verschaffen, wollte anfangs in eine Schule der ersten Liga (Brookfield gehört in die zweite), hat jedoch einen realistischen Blick und erkennt ein Jahrzehnt später, dass er die Schule gar nicht mehr wechseln wollte. Hatte er doch "mit 40 Wurzeln geschlagen, mit 50 war er der Älteste und Weiseste im Kollegium und mit 60 - mit neuem, jungen Schulleiter - war ER Brookfield".


    So ist dieser liebenswerte, prinzipientreue, humorvolle Mr. Chips, in den Herbststürmen seines Lebens angekommen, voller Heiterkeit und Kummer in derartigen Wellen, dass zuweilen Tränen kullern - und er selbst nicht weiß, ob er gerade lacht oder weint: Die Nähe zur Schule hatte er immer gehalten, indem er sich schräg gegenüber bei Mrs. Wickett einmietete und neue Schüler wie auch Lehrer stets zu sich zum Tee einlud. So blieb er, der auch in Kriegszeiten später nochmal "den Laden zusammenhalten" sollte, stets in Kontakt zu den Schülern und Lehrern und durchlief eine charakterliche Entwicklung, die es Freude macht zu lesen: War er anfangs etwas farblos, so merkt man doch, dass Mr. Chips sein Herz am richtigen Fleck hat. Seine leider kurze Ehe mit Katherine holt noch mehr aus ihm hervor, das zuvor in ihm schlummerte: So traten sein Sinn für Abenteuer und Humor, seine Selbstsicherheit noch mehr zutage und seine Beliebtheit wuchs. Seine Witze wurden stets begierig weitergetragen (kennst du schon den Neuesten?) und die Schüler urteilten über den längst ergrauten älteren Lehrer: "Anständiger alter Knabe".


    Auch zeitgeschichtliche Ereignisse fließen in den Roman mit ein (Burenkriege, Tod von König Edward, das Ende des Viktorianischen Zeitalters, der Untergang der Titanic etc.) und Mr. Chips hat natürlich auch mit Schulleitern zu kämpfen, die ihm und seinen (älteren) Lehrmethoden nicht gewogen sind: Dennoch können diese nicht damit rechnen, dass Mr. Chips so ohne weiteres "das Feld räumte".

    Wichtig war ihm stets das "Maß der Dinge", das Brookfield und somit auch er den Jungen beibringen sollte: Belohnt wurde er im Alter oft mit netten Besuchen ehemaliger Schüler, die sich nach seinem Wohlergehen erkundigten. Besonders gefiel mir der älter gewordene Lehrer, als er (um die Jahrhundertwende um 1900) "von einer Milde durchdrungen wurde, die seine Schrullen und seine immergleichen Scherze zu einer Harmonie verband" (Zitat S. 65). Die Zweifel an seiner Arbeit wichen (zurecht) einem Stolz, der in ihm aufkam. Am Ende wurde er zum Scherzbold deklariert, da er immer in allem das Komische sah und zur Schullegende. Brookfield war nicht Brookfield ohne Mr. Chips!


    Der Stil James Hilton's ist atmosphärisch und von großer Tiefe, wenn er seinen Hauptprotagonisten, Mr. Chips, ausleuchtet. Gleichzeitig ist der Roman von einer brillanten Schnörkellosigkeit und Ausdrucksstärke, die ich sehr schätze. Man wünscht sich, es hätte mehr von den Menschen wie Mr. Chips gegeben (oder würde es noch); vermutlich wäre dann die Welt ein besserer Ort?


    "Das Maß der Dinge ging mehr und mehr in der Welt verloren, da musste man es wenigstens zu Hause bewahren", so Chips in der Zeit des 1. Weltkriegs; dadurch hat dieser Roman auch gerade in unserer Zeit einen aktuellen Bezug.


    Fazit:


    Ein wundervoller Roman über einen liebenswerten Lehrer, der Rückblicke in sein erfülltes Leben gewährt. Seinem Unterricht in einem Jungeninternat im englischen Brookfield. Berührend, zutiefst menschlich und voller Humor zählt dieser Roman zu meinen "literarischen Kleinoden", einem Juwel englischer Literatur und erhält ausser einer absoluten Leseempfehlung (vielleicht gab es - bestenfalls - in jedem Leben einen Lehrer, der Mr. Chips auf irgendeine Weise ähnelte?) auch 5* von mir.


    ASIN/ISBN: 3311100794

    Gleich vorneweg: Wer an Carsten Henn's Romanen "Der Buchspazierer" und "Der Geschichtenbäcker" seine helle (Lese-)freude hatte, der wird auch "Die Butterbrotbriefe" lieben! Der Autor steht für mich durch diese Bücher beispielhaft für emotionale, berührende und literarisch gute Unterhaltung mit Tiefgang - und einigen 'Schmunzlern' und humorvollen Einlagen, die ich in einem "feel-good-Roman" sehr schätze! Hier geht es um die Frage, ob das Leben Zufall oder Schicksal ist? (Und noch um vieles mehr).


    Inhalt:


    "Wer schreibt heute noch Briefe? Richtige Briefe auf Papier, mit der Hand? Kati Waldstein, die mit fast 40 Jahren ein neues Leben beginnen will und Abschiedsworte für alle verfasst, die sie geprägt haben. 37 Briefe insgesamt. Sie nimmt dafür Butterbrotpapier, das ihr Vater über viele Jahre für sie gesammelt hat.

    Dann trifft sie auf Severin, der sein Leben als Klavierstimmer wegen eines von ihm verschuldeten Unglücks hinter sich lassen musste. Und der gute Gründe hat zu glauben, das Kati und ihr Heimatort sein Schicksal sind. Doch das Schicksal bestimmt vielleicht, wer in unser Leben kommt, aber das Herz, wer darin bleibt."

    (Quelle: Buchrückentext, Piper Verlag)


    Meine Meinung:


    Da ich der 'aussterbenden Spezies' der BriefeschreiberInnen angehöre, habe ich mich auf diesen Roman sehr gefreut; und ich wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil. Carsten Henn gelingt es durch seine poetisch-atmosphärische Art, eine Geschichte zu schreiben, den Leser von Beginn an neugierig zu machen: Hier lernen wir die sympathische, aber lange durch die eigene Mutter fremdbestimmte Kati kennen, die nach dem Tod der Eltern erkennt, dass sie wie eine Marionette an Fäden hing, die sie jetzt, nach dem Tod von Helga Waldstein, unbedingt durchtrennen möchte, um ein freies und unabhängiges Leben zu führen. Ist die Mutter hier sehr empathielos, sogar hart der Tochter gegenüber beschrieben, ist die Inhaberin des Frisiersalons Rose, Madame Catherine, das absolute Gegenteil: Seit Kindesbeinen liebt sie Kati sehr und gestattet ihr später, sich samstags Utensilien zum Haarschnitt Obdachloser (auf kostenloser Basis) auszuleihen, so steht Kati jeden Samstag auf dem Markt - zur Freude von Scholle und anderen Wohnungslosen, bis sich eines Tages ein "Namenloser" dazugesellt, der seinen Namen später preisgeben sollte: Severin, ein Klavierstimmer, der drei Jahre auf der Straße lebte und sich bei Kati für deren Freundlichkeit bedanken möchte. Auch Onkel Martin, Katis kauzigen Onkel, der - selbst nie an der Arktis gewesen, den Polarkreis aber liebend - lernen wir in seinem Arktismuseum oder "Svenssons Polarwelt" kennen: Diese Figur fand ich mit am Sympathischsten von allen; auch er mag Kati sehr, die in ihrer Kindheit mehr Zeit bei Martin verbrachte als im eigenen Elternhaus. So freut man sich als LeserIn, dass sich auch Severin und Martin anfreunden - und staunt über den jungen Lukas, der Martin bei allen Arbeiten im und am Museum hilfreich zur Seite steht (und zum Schluss eine mehr als gute 'Figur' macht, als ein Schicksalsschlag über Martin hereinbricht).


    So verfolgt man lesend; mal schmunzelnd und auch mit traurigen Passagen versehen, wie sich Kati und Severin, die grundverschieden erscheinen, einander mehr und mehr annähern; sich ineinander verlieben: Man verweilt in der Jurte, geht mit dem alten Elch gemeinsam mit beiden ins Dorf zum Einkaufen - und verteilt die noch übrigen Briefe an alle, die Kati enttäuschten oder ihr Unrecht taten; aber auch an alle, denen sie ihren Dank aussprechen möchte (der Schönste von allen war für mich der an Madame Catherine, die das Herz am richtigen Fleck hat). Auch ihrem verstorbenen Vater schreibt sie einen Brief, da sie nie verstanden hat, weshalb seine Zuneigung nach ihrem 8. Geburtstag plötzlich abebbte... Wir sitzen mit Kati und Severin im alten Kino des Vaters und lauschen ihren Abschiedsworten. Als Kati den "Palast", die Villa der Mutter nach deren Tod ausräumt, findet sie einen Stapel Briefe - von ihrer Mutter: Hier muss man beim Lesen schon arg schlucken, da hier ein unheilvolles Familiengeheimnis ruht, dessen schuldloses Opfer Kati lange Zeit war.


    Die Themen dieses Romans sind vielfältig: Es geht (in teils poetischer Weise) um wahre Liebe, um Loslassen, um Emotionen und Aufrichtigkeit, um Briefe und um eine Menge "Ungesagtes" oder "Ungeschriebenes", das oftmals zwischen Menschen steht. Der Roman ist eine Hymne an das Briefeschreiben; an Briefe an sich, da sie "Zeit und Mühe waren, das Denken an den anderen. Das wertvollste Geschenk." (Zitat S. 10) Besonders gefiel mir gegen Romanende, dass Kati sich nicht von ihrem Entschluss abbringen lässt, wegzugehen - und sei es für eine geraume Zeit - und somit ein Stück eigene Unabhängigkeit entdeckt, das ihr zuvor verwehrt (worden) war. Besonders schön fand ich den Vergleich mit den Kranichen, die man dieser Tage auf ihrem Flug nach Süden hört - und ihre Formationen am Himmel sieht: Auch zu diesen habe ich seit Kindertagen durch ein bezauberndes Jugendbuch (und Gurion, dem Kranich) ein besonders inniges Gefühl.


    Fazit:


    Ein warmherziger, sehr berührender Wohlfühlroman mit Tiefgang; eine Hymne auf Emotionen und das zu-sich-selbst-stehen, über die Liebe und das Loslassen, aber auch über Briefe und Ungesagtes in verbaler und schriftlicher Form: Ein Plädoyer zum Griff nach Papier und Feder (ein Kugelschreiber oder Bleistift, ein Füller erfüllt den gleichen Zweck ;) und das Briefeschreiben, das im digitalen Zeitalter mehr und mehr verlorengeht. Poetisch, klug und sehr atmosphärisch: Unterhaltung auf sehr gutem literarischen Niveau! Von mir eine absolute Empfehlung und 4,5 *

    ASIN/ISBN: 3257300964



    Wenn aus lahmen Enten wilde Gänse werden...


    Als Fan der ersten Stunde, die durch Zufall (oder auch durch 'vorablesen') Mick Herron mit seinen "Slow Horses", die Agententruppe des MI5, die es allesamt vermasselt haben und im 'Slow House' landeten - auf unbestimmte Zeit (oder durch Eigenkündigung), bin ich auch vom nun vorliegenden 6. Band der Spionage-Krimireihe mehr als begeistert! Vielen Dank an dieser Stelle auch an Stefanie Schäfer, die auch Herron's (bzw. Jackson Lamb's "Frozzeleien" herrlich ins Deutsche übersetzt.


    "Joe Country" von Mick Herron erschien im Diogenes-Verlag, Zürich (2023, Softcover, - hier mit hohem Wiedererkennungswert - , 476 Seiten. Inzwischen wurde Bd. 1 "Slow Horses" auch verfilmt und ist in Apple+ zu sehen.


    Dieses Mal geleiten Erinnerungen (und keine guten) den Leser ins Slow House, in London-Finsbury, das einem faulen Zahn in einem schlechten Gebiss ähnelt; so heruntergekommen und verdreckt ist es dort. Hier agieren auf monotone Weise die "Abservierten" und es gibt ein Wiedersehen mit Jackson Lamb, der wiederum mit köstlichen Dialogen von seinen Slow Horses, die er dirigiert, gefürchtet wird, stets mit einem Verhalten glänzt, das an anderer Stelle unerträglich wäre: Dennoch hat Lamb, der seit Jahrzehnten dem MI5 angehört und bereits im Kalten Krieg eingesetzt war, Qualitäten, - im Gegensatz zu anderen auch menschliche, wie er im Falle Catherine zeigen sollte - die ihn hätten ganz nach oben bringen können. Wenn nicht alles schiefgelaufen wäre. Wenn nicht Lady Di (Diana Taverner) dort sitzen würde - und darüber sinnieren würde, wie sie ihn endgültig loswerden könnte...

    Im Falle von Emma Flyte gelingt ihr dies (leider), die kurzerhand und unverschuldet ins Slow House "versetzt" wird - und daraufhin kündigt.


    Ausser den bekannten Agenten (Catherine Standish, River Cartwright, Shirley Dander, Roddy Ho, Louisa Guy und J.K. Coe) gesellt sich hier ein weiterer hinzu, aus Gründen, die selbst dem IT-Genie Roderick Ho unergründlich bleiben, vom "Park" (Regent's Park, Sitz des MI5) ins Slow House 'verfrachtet': Lech Wicinsky, der lieber Alec genannt werden möchte und als Analytiker im Park etwas überprüft hat, das einigen Leuten weniger gefallen hat...

    Was es damit auf sich hat, ist gar nicht weit hergeholt und unterstreicht, welche realistischen Ideen Mick Herron oftmals als Grundlage seiner Romane dienen.


    Der alte O.B. (River's Großvater und eine Geheimdienstlegende) wird zu Grabe getragen und ein alter Ex-CIA-Spion, der Blut im Slow House hinterlassen hat , observiert die Trauergäste: Es wird nicht das letzte Mal sein, dass River hier auf ihn trifft (es ist sein Vater, der bereits lange auf kriminellen Abwegen wandelt). River sprintet über das Grab seines Großvaters (der ihn großzog), um Frank Harkness zu erwischen: Letzterer hat einen Auftrag angenommen, von dem noch niemand etwas weiß.


    Louisa Guy trauert noch immer um Min Harper, als dessen Ex-Frau sich an sie wendet, da Lucas, der 17jährige Sohn, auf der Bildfläche verschwunden ist - und Clara Harper, nun Addison, sich große Sorgen macht. Louisa nimmt sich kurzerhand Urlaub und versucht, einiges herauszubekommen, wo Lucas sich aufhalten könnte. Eine große Hilfe ist wie immer Roddy Ho, der King des virtuellen Universums, der den Fitnesstracker von Lucas ausmachen kann: Die Spur führt nach Wales; ebenso wie die Spur des Ex-CIA-Agenten und dessen Helfershelfer: Wird es den Slow Horses - oder hier den "Lahmen Enten" gelingen, den Jungen zu finden? Was steckt dahinter, dass einige gut bezahlte Killer sich an dessen Fersen hefteten?


    Meine Meinung:


    Jede Seite dieses genialen, intelligenten und sehr stimmigen Spionagekrimis ist ein absoluter Lesegenuss: Inhaltlich wie sprachlich, da Mick Herron mit herrlichen Seitenhieben die heutige englische Gesellschaft und die weniger bekannten Aufgaben des MI5 (die nicht nur daraus bestehen, das Land zu beschützen) beschreibt, wobei eine hohe Sprachdichte, köstliche Dialoge, schwarzer Humor und Sarkasmus, die Atmosphäre sowohl im Slow House als auch im tief verschneiten Wales verbunden mit viel Spannung diese Reihe zu dem machen, was sie ist: Etwas ganz Besonderem!


    Es gibt einige Rückblicke auf die Vorgängerbände, jedoch ist jeder einzelne Band der Reihe in sich abgeschlossen. Jeder Satz strotzt vor intelligenter und sprachlich gewitzter "Schnodderigkeit", was ich sehr mag - und auch zu den schrägen Figuren passt. Man empfindet Unmut bei Menschen wie Peter Judd, der wieder in die Politik zurückmöchte und fragwürdige Allianzen mit Lady Di, der Regentin des Parks schmieden möchte; bangt mit den Agenten, die in Wales allesamt ihr Leben riskieren, liest von finsteren internen Machenschaften von Personen, die über Leichen zu gehen bereit sind, um stets mit reiner Weste dazustehen. Hört vom "Fugue-Protokoll" des Parks, das Lady Di vorrangig dazu dienen soll, sich abzusichern.


    Die letzten 60 Seiten bestehen aus sehr kurzen Abschnitten, die die Spannung in winterlicher Atmosphäre ins Unermessliche treiben und man im Showdown mit einigen der Agenten (River, Louisa, Emma und Coe); den "Joe Countrys", also Agenten im Außendienst, das Schlimmste befürchtet. Unter Einsatz ihres Lebens kämpfen sie um das Leben eines Jungen. Und erinnern hier eher an wilde Gänse als an "Lahme Enten", wenn auch nicht alle zurückkehren werden.


    Am Ende hängen die ins Slow House Zurückgekehrten in der ein oder anderen Form ihren Erinnerungen nach, außer Roddy Ho, der im virtuellen Universum des MI5 auf Tauchgang geht - und Unglaubliches entdeckt!

    Ich bin auf die nächste Folge (Band 7, im englischen gibt es bereits einige mehr) mehr als gespannt und hoffe, dass Lamb Lady Di einen gewaltigen Strich durch ihre (miese) Rechnung machen kann! Von mir eine absolute Leseempfehlung für Krimi- und Thrillerfans, die an dieser Reihe ihre helle Freude haben werden. Und das in jeglicher Hinsicht! 5* und: BUCHTIPP!

    "Tweed Time" ist das soeben erschienene, innen wie außen auf prachtvolle Weise ausgestattete Buch der Kochbuchautorin Theresa Baumgärtner, die hier gemeinsam mit einem Team (Lucia Baumgärtner, Melina Kutelas, Julia Leissing, Katharina Ralser und Magdalena Burghardt) ein sensationell schönes Koch-, Back-, Rezepte- und Genussbuch im Brandstätter Verlag (HC, geb., 2023, 256 Seiten) veröffentlichte.


    Die Autorin ist auch Inhaberin des legendären "Hazelnut House" in einem malerischen Teil Luxemburgs gelegen.


    Sie und das Team widmen sich in "Tweed Time", das dem Namen nach schon auf eine Reise der Autorin nach Schottland hinweist, "dem Duft des Herbstes und der Freude auf den Winter" (UT) und speziell die Themen Natur, Rezepte und Handwerk gekonnt und auf die "Baumgärtner'sche zauberhafte Art" (und als Augen- und Gaumenschmaus) hier mit passenden Texten, Illustrationen und tollen Rezepten des Herbstes miteinander verwebt. So kann der geneigte Leser, Betrachter und Hobbykoch in eine bunte Herbstwelt eintauchen, die es an Farbenpracht in sich hat: Die aus Schottland mitgebrachten Inspirationen und landestypischen Rezepte lassen das Herz schon beim Betrachten höherschlagen und werden ins 'Hazelnut House' transferiert, so dass ausser wunderbaren (und gut nachzubereitenden) Herbstgerichten auch viele schottische Rezepte im Buch zu finden sind. So trifft man die Zwetschgentarte ebenso wie Scones aus den Highlands; eine Lauchquiche ebenso wie Fish & Chips und Oaties neben einem Nussguglhupf.


    Untergliedert ist die geniale "Tweed Time" in


    - Goldene Tage (vom Glück des Erntens)

    - Komm, träum mit mir (eine Reise nach Schottland)

    - Raureif (eine Vorahnung auf den Winter).


    Verortet sind die Themenbereiche, die sich auch auf Tweed und Wolle erstrecken, sowohl in den schottischen Highlands, die die Autorin bereiste, als auch im Hazelnut House; zu beiden schönen Örtlichkeiten gibt es stimmungsvolle und bezaubernde Herbst- und Winterfotos.


    Als Schottlandfan haben mich die Fotos und Berichte (z.B. das Hotel Ivybank Lodge in Blairgrowie) mehr als begeistert; ebenso wie die Illustrationen, Zitate und Lyrics (Morgenstern, Robert Burns), aber auch die herbstlichen DIY-Projekte, die sehr gut beschrieben werden, haben mich sehr inspiriert und mir gefallen (Stempel-Atelier, Blättermobile z.B.)


    So "wimmelt" es auf 256 Seiten von klassischen und schottischen Herbstrezepten, stimmungsvollen Bildern und Fotos, einem Flowerschool-Besuch, Spuren des Tweedstoffes in einer alten Fabrik (Glenlyon Tweed Mill) und ein Tweed-Guide, der dieser stimmungsvollen Gesamtkomposition ein Krönchen aufsetzte.


    Fazit:


    Ein prachtvolles Kaleidoskop herbstlicher Koch- und Backrezepte mit schottischer Note, verbunden mit sehr stimmungsvollen Fotos und Texten: Ein must-have für Fans von Theresa Baumgärtner und auch eine wundervolle Geschenkidee! Von mir eine absolute Empfehlung und 5*.


    ASIN/ISBN: 3710607280

    Auf über 190 Seiten hat die sympathische und erfolgreiche Bloggerin, Autorin, Journalistin und Mutter Kathrin Runge vielfach erprobte, leckere und zu jedem Anlass passende Rezepte in diesem empfehlenswerten Backbuch zusammengestellt, die auch von Backanfängern leicht nachzubacken sind, von süß bis herzhaft reichen und teils gemeinsam mit Kindern gebacken werden können (diese Rezepte haben eine spezielle Kennzeichnung, was ich sehr positiv finde!).


    "Backen macht glücklich" - Das Familienbackbuch von Kathrin Runge erschien (2023, HC geb.) im DK-Verlag und enthält 80 bewährte, teils klassische und sehr leckere Backrezeptideen, die auch dank guter Beschreibung der Zubereitung sehr gut nachzubacken sind. So finden sich für jeden Anlass rund ums Jahr köstliche Rezepte, die mit tollen Fotos der Autorin und Bloggerin garniert sind.


    Sehr gelungen finde ich die Gliederung und vor allem die Basics zu den Teigarten und dem Zubehör (und Alternativen) sowie die 'Pannenhilfe' und die kreative Resteverwertung. Diese Basics erleichtern Einsteigern das Eintreten in die Welt des Backens; das Backen erfordert wenig Zeit, so dass es auch im trubeligen Alltag jeder Familie Platz hat. Der Hauptteil gliedert sich in die Rubriken


    - Kuchen, - Feste, - köstliche Kleinigkeiten, - Süßspeisen und - Herzhaftes


    Für Kids gefielen mir besonders der Cookie-Cake und die Regenbogentorte; an Herzhaftem das indische Naan und die Spinat-Feta-Muffins; an Klassikern der Rosenkuchen (Hefepuddingschnecken) und der Apple-Crumble, den wir sehr lieben und der besonders in die jetzige Herbstzeit passt.


    Fazit:


    Tolle Backinspirationen und 80 leicht nachzubackende, in den Alltag zu integrierende wundervolle Backrezepte, die meist anfängertauglich sind und teils auch gemeinsam mit Kindern gebacken werdn können: Ein Basic-Backbuch, toll illustriert und sehr gut beschriebene Rezepte, die für jeden feierlichen Anlass - oder auch zwischendurch - viel Backfreude und das Genießen des jeweiligen Ergebnisses garantieren! Auch als Geschenk eignet sich dieses Backbuch sehr; ich kann es bestens empfehlen und vergebe die volle Punktezahl! 5*

    "Der letzte Zug nach Schottland" von Josephine Tey (1896-1952) erschien im Kampa Verlag/Zürich (2023, HC, geb., 326 Seiten) in nostalgisch anmutendem Cover, das mir auf Anhieb gefiel. Es passt zu diesem hervorragenden klassischen Kriminalroman einer Wegbereiterin, deren "Nachfahrin" Val McDermid ein sehr treffendes Nachwort schrieb; Josephine Tey bereitete im klassischen Kriminalroman-Genre quasi den Weg für viele namhafte Autorinnen. Der Ermittler Alan Grant taucht auch in anderen Werken Tey's auf und wer ihn noch nicht kennenlernen durfte, wird ihn sicher sympathisch und sehr menschlich finden. Seit Jahren steht diese Autorin auf meiner Krimileseliste und der hier vorliegende, neuerschienene und von Manfred Allié aus dem Englischen übersetzte Krimi macht auf jeden Fall Lust auf mehr von Josephine Tey, wenn man klassische Kriminalromane, die sog. 'noirs', wie ich sehr mag. "The singing sands" so der stimmige O-Titel im Englischen, erschien übrigens erstmals 1936.


    Alan Grant, Detectiv Inspector bei Scotland Yard, ist erschöpft und macht sich auf die (lange) Reise von London nach Schottland, wo ihn Freund Tommy nebst der von Grant sehr gemochten Ehefrau und Pat, deren halbwüchsigem Sohn, erwarten. Kurz vor dem Aussteigen aus "Abteil B Sieben", das eine der Hauptrollen im Kriminalroman spielen sollte, sieht er mit eigenen Augen, dass es Murdo Gallacher, genannt 'der alte Joghurt', ein stets verdrießlicher Bahnbediensteter, der seit 20 Jahren das Nötigste tut, seine Gäste jedoch schröpft und ein Vermögen machte, nicht gelingt, einen jungen, dunkelhaarigen, zerzaust wirkenden Mann aus dem Schlafabteil aufzuwecken: Grant stellt fest, dass der junge Mann tot ist - und das Abteil nach Whisky-Ausdünstungen riecht: Der Tote hat eine Wunde am Hinterkopf, mit dem er in womöglich betrunkenem Zustand mit dem harten Waschbecken kollidierte...


    Im Hotel stellt Grant fest, dass er zu seinen Zeitungen wohl noch eine aus "Abteil B 7" versehentlich mitnahm und findet ein Gedicht (8 Zeilen, der Mittelteil fehlt), das u.a. von singendem Sand erzählt... Als er in der Zeitung am nächsten Tag liest, dass es sich um einen jungen Franzosen handelt, der im Zug zu Tode kam, bekommt er ein schlechtes Gewissen, da er das Gedicht durchaus dem jungen Toten zuschreibt, unbeabsichtigt ein evtl. Beweisstück mitnahm, es aber nicht deuten kann.


    Und so nehmen die Dinge ihren Lauf: In den Highlands angekommen, versucht sich unser erschöpfter Inspector mit Angeln abzulenken, bis er im Wasser den Kopf des jungen Franzosen sieht: Der Fall geht ihm nicht aus dem Kopf und er versucht, hinter die ominösen Zeilen zu kommen und was sie mit dem Toten zu tun haben könnten. So gibt er Anzeigen auf, besucht einige Inseln auf den Hebriden, auf denen es singenden Sand und wandelnde Steine geben soll (nebenbei bewältigt er seine Klaustrophobie und gegen Ende seiner kriminalistischen und sehr durchdachten, intelligenten Bemühungen, das Rätsel um den frühen Tod des Mannes zu lösen, überwindet er sie sogar); lernt einige suspekte und einige hilfreiche Menschen kennen, die ihm dabei helfen, eine Spur aufzunehmen: So entpuppt sich ein Pilot mit kriminalistischem Spürsinn als Compagnion Grants, da dieser ebenfalls an der Lösung interessiert ist, schien er mit dem Toten befreundet gewesen zu sein. Das Motiv, das Grant für das vielleicht nicht gewaltlose Ableben des jungen Mannes hält, könnte in diesem (wie in vielen anderen Fällen) Eitelkeit sein. Und so erlebt man im zuvor oft beschaulichen, zeitweise sehr humorvollen Krimi einen skrupellos eitlen Menschen, dessen furchterregender Charakterzug ihn nicht davon abhält, eiskalt und berechnend wie auch grausam einen Menschen zu "beseitigen".


    Der Stil von Josephine Tey ist sehr atmosphärisch, sprachlich ein Genuss, was ihrer scharfen Beobachtungsgabe und ihrem Erzähltalent geschuldet ist, und in dem (von mir sehr geliebten) britischen Sinne sehr humorvoll (ein Bsp.; (Jemand) hat "einen Blick wie eine Steinmauer, mit Scherben gekrönt" - Zitat S. 51). Tey schreibt klar und beschreibend und auch die "Zwiesprache", die Grant zuweilen mit sich selbst führt, ist köstlich zu lesen.


    Fazit:


    Ein Klassiker der Kriminalliteratur mit einem unorthodoxen, kultivierten, feinfühligen, auch verletzlichen Inspector Allen Grant, den man einfach ob seiner Menschlichkeit sympathisch findet: Liest man J. Tey (wie ich selbst) zum ersten Mal, ist es eine Überraschung, ein Vergnügen, wie McDermid im Nachwort richtig festhält. Vom ersten bis zum letzten Satz ist auch der Leser/die Leserin damit beschäftigt, das Rätsel um den Toten in Abteil B Sieben zu lösen: Ich freue mich auf weitere (im selben Verlag neu veröffentlichte) Kriminalromane der sehr talentierten Josephine Tey und empfehle diesen absolut weiter: An Fans klassischer Kriminalromane und solchen, die es noch werden wollen. Von mir daher 5* für ein Krimi-Highlight in 2023!