Der zweite Teil der Trilogie von Tabea Koenig - "Hurenmord - Die Rose von Whitechapel" steht seinem Vorgänger, Band 1 "Hurentochter - Die Distel von Glasgow" in nichts nach, ist jedoch anders konstruiert als der erste Band. Hier agieren die beiden HauptprotagonistInnen des Vorbands (Hurentochter) Emily (nun Countess of Suthness) und ihr Ehemann Liam nur in Nebenrollen; die Hauptrolle wird in diesem teils auf wahren Fakten um den nie gefassten Mörder "Jack the Ripper" (London, 1888) die einstige Weggefährtin Christine Gillard einnehmen, die wir hier besser kennenlernen.
Einst in Glasgow einzige Überlebende der "Kentwood"-Affäre und Prostituierte, traf sie ihr Lebensglück in Form eines älteren Herrn, Henry, der ihr nicht nur half, das Frauenhaus "Renfield Eden" in London aufzubauen, sondern sie auch ehelichte. Wir treffen sie hier kurz nach dem Tod Henrys an und Christine trauert noch sehr um ihren Mann, den sie aufrichtig liebte, als grauenhafte Morde geschehen: Huren, die kurz oder zeitweise im Renfield Eden wohnten, werden bestialisch umgebracht und Inspektor Pike, einstmals auch in den Kentwood-Prozess verwickelt und seither befördert, da er aktiv helfen konnte, den Fall aufzuklären, trifft bei den Ermittlungen auf Christine: Auch er hat den Verlust von Frau und Familie zu verkraften und die Autorin spinnt ein dichter werdendes Liebesverhältnis um die beiden, das die Morde und deren Beschreibung etwas zu konterkarieren vermag.
Als eine Vertraute von Christine vermisst wird und sämtliche Morde auf das Renfield Eden hinweisen, fällt ein Verdacht sogar auf Christine selbst: Was hat Rosalie, die Vertraute, gewusst und weshalb ist sie verschwunden?
In welchen Reihen, welchem Milieu ist der stets gut gekleidete Gentleman mit Zylinder, der jedoch niemandem bekannt ist, zu suchen? Wird Inspektor Pike ihn finden?
Unterhaltsam und sehr spannend weiß Tabea Koenig zu erzählen; ihren Figuren gibt sie stets klare Konturen und Christine wie auch Inspektor Pike sind Sympathieträger. Der in der viktorianischen Zeit angesiedelte - ich würde fast sagen historische Kriminalroman - transportiert auch neben der spannenden Handlung um die Morde des "Jack the Ripper" viele Informationen, was mir sehr gefallen hat, da der Anspruch der Autorin über die eigentliche Handlung hinausgeht, wenn sie den Leser etwa über Frauenrechte aus dieser Zeit (dürftig bis Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem Aufmarsch der Sufragetten) oder über die unterschiedlichen Erbrechte in Schottland und England informiert; die Lebensverhältnisse in Armut und Elend - wie in Reichtum und Dekadenz bildhaft gegenüberzustellen weiß oder andere historisch Ereignisse wie der Bau des Eiffelturms oder der Tower Bridge und die Weltausstellung in Paris ebenfalls Erwähnung findet. Dies bettet den Roman in eine Zeit ein, die die Morde des Rippers sprichwörtlich nebelverhangen werden lassen.
Tabea Koenig lässt im Plot statt Emily, die kurz vor ihrer Niederkunft im fernen Schottland ist, Liam nach London fahren, der als Ex-Boxer der gemeinsamen Freundin Christine zu Hilfe eilt. So fehlt es nicht an spannenden Wendungen, die sehr unterhaltsam, wenn auch fiktiv sind und durch eine List (und mit reichlich Mut) soll es Christine letztendlich gelingen, den Mörder zu überführen.
Ein Unterhaltungsroman mit Tendenz zum Genre "historischer Kriminalroman", dem wahre historische Fakten um "Jack the Ripper" zugrunde liegen und wiederum durch die spannende und authentische Erzählweise der Autorin punkten kann. Ich empfehle ihn sehr gerne weiter und vergebe 4,5 *
Auf den dritten Band, der Anfang Dezember 2019 erscheinen wird, bin ich natürlich schon mehr als gespannt!