Beiträge von Swansea

    Virginia Evans - Die Briefeschreiberin


    »Bewegend, witzig und kostbar, ein Meisterwerk über die zerbrechliche Kunst des Menschseins.« Anne Griffin


    Adoptivtochter und Starjuristin, Gartenliebhaberin und Ehefrau, Mutter und mütterliche Freundin – die 73jährige Sybil van Antwerp hatte schon viele Rollen inne in ihrem bewegten Leben. Eines hat sie dabei stets begleitet: ihre Leidenschaft fürs Briefeschreiben. Jeden Tag greift sie zu Füller und Papier und schreibt darüber, was sie bewegt und stört, was sie begeistert und betrauert. Voller geistreichem Humor und mitunter etwas ruppiger Herzlichkeit berichtet sie von Schicksalsschlägen und Glücksmomenten, von Liebe und Triumph. Doch jenseits dieser Seiten hat Sybil die Menschen, die ihr etwas bedeuten, stets auf Abstand gehalten. Bis ein anonymes Schreiben sie zwingt, sich mit ihren eigenen Fehlern auseinanderzusetzen – und sich dem einen großen Geheimnis zu stellen, das ihr Leben geprägt hat. Denn für ein Postscriptum ist es nie zu spät.

    Ein ebenso bewegender wie tiefgründiger Briefroman mit einer etwas kratzbürstigen Heldin und großen Themen – für alle Fans von Elizabeth Strouts unnachahmlicher Protagonistin Olive Kitteridge.

    (Quelle: amazon)



    ASIN/ISBN: 3442317843

    Mord in Holly House


    Die Glasgow-Krimireihe um D.C.I. Daley des leider bereits verstorbenen schottischen Autors Denzil Meyrick hatte ich bereits zum Teil gelesen und fand sie außergewöhnlich gut; daher war ich auf "Der Tote im Kamin" sehr gespannt: Im Gegensatz zu den Glasgow-Krimis handelt es sich hier um Cosy-Crime. Da ich dieses Krimi-Untergenre auch mag und das tolle Cover der deutschen Ausgabe wirklich sehr gelungen finde, habe ich mich also neugierig auf die Spurensuche in Holly House und Elderby gemacht, um dem Ermittler, Inspector Frank oder Francis Grasby über die Schulter zu schauen.


    York, Dezember 1952


    Inspector Grasby hat so einiges in seiner polizeilichen Vergangenheit 'vermasselt'. Sein Vorgesetzter Juggers zählt ihm seine Ausrutscher auf und Grasby befürchtet schon, in Hull zu landen, um dort in Hafennähe seinen Polizeidienst verrichten zu müssen: Doch es sollte anders kommen (auch wenn Juggers sehr erbost über den letzten Faux-pas Grasby's ist; bei einem missglückten Festnahmeversuch sind 30 wertvolle Pferde bei Lady Winthorpe entlaufen! Statt nach Hull wird Grasby nach Elderby in die North York Moors entsendet, um dort einige Farmdiebstähle (auf dem Grund von Lord Damnish, also hat er es schon wieder mit dem Adel zu tun) möglichst rasch aufzuklären. Kaum angekommen, wird er zu Lord Damnish gerufen, der einen Einbruch meldet: Beim Besuch des Inspectors ist der Kamin verrusst - und auch der Butler findet keine Lösung. Da Grasby sich mit Kaminen gut auskennt, schaut er nach und entdeckt "etwas Großes", das im Kamin des Wohnzimmers im stattlichen Anwesen steckt. Es sollte sich als eine Leiche entpuppen, die dem Krimi seinen Namen gab. Im weiteren Verlauf gesellt sich eine weitere Leiche hinzu, die auf dem Gelände unweit der Kirche aufgefunden wird: Was hat es mit diesen brutalen Morden auf sich?


    Dies herauszufinden, muss der Leser sich selbst bemühen; es gibt durchaus einige Wendungen und der lange etwas vor sich hinplätschernde Cosy Crime nimmt am Ende sehr an Fahrt auf: Dazwischen bevölkern einige zwielichtige Figuren den Krimi; so z.B. Bleakly, ein Sgt., der sich daran gewöhnen muss, dass Inspector Grasby nun sein Vorgesetzter ist und an einer Schlafkrankheit leidet; zwei Constables, die hinzugezogen werden, nachdem ein Mr. X auftaucht (im Schlepptau Juggers) und Grasby einweiht, dass die nationale Sicherheit in Gefahr sei - und er zum Schein zu ermitteln habe; es würde sich offiziell um zwei Unfälle handeln.


    Eine recht schräge Figur, die mir gut gefallen hat und fast einem Märchenbuch entsprungen sein könnte, ist Mrs. Hetty Gaunt, eine Vermieterin, die hexenhafte Züge hat (Rabe Cecil eingeschlossen, der gerne auf ihrer Schulter sitzt) und oftmals mehr sieht als andere Menschen. Die Bleibe von Grasby und Deedee, der Praktikantin aus Amerika, ist also recht gruslig, jedoch ist Mrs. Gaunt eine hervorragende Köchin, was ersteres wieder wettmacht (zumindest in Grasby's Augen; er ist Ende 30 und im Gegensatz zu den meisten seiner Kollegen noch unverheiratet). DeeDee, eigentlich Mr. Daisy Dean, spielt im Krimi ebenfalls eine zwielichtige Rolle, die ich jedoch nicht spoilern mag. Als LeserIn traut man ihr nicht über den Weg und auch in anderen Menschen könnte man sich hier durchaus täuschen!


    Meyrick beschreibt sehr gut die winterliche Atmosphäre und die Umgebung sowie das Herrenhaus von Lord Damnish im fiktiven schottischen Elderby, wo die Handlung verortet ist. Er freut sich (er läuft ungern), dass auch hier alles in erreichbarer Nähe ist (Pub, Wettbüro, Fish-and-Chips Imbiss) und von Beginn an schmunzelt man über die etwas skurrile Beziehung von Grasby Senior (einem betagten, oft mürrischen Reverend, der an seinem Sohn vieles auszusetzen hat) und Frank Grasby: Einen späten Auftritt sollte der Reverend auch noch haben und es ist ersichtlich, dass beiden bewusst ist, dass ihnen der andere trotz aller Gegensätze doch sehr wichtig ist. So sind viele Anekdoten aus der Kindheit Frank's eingestreut, die dies untermauern und einen zuweilen zum Schmunzeln bringen. Schade fand ich die fehlende Spannung und der krasse Gegensatz zum Ende des Cosy-Crime: Der Showdown wurde so fulminant, dass es fast an einen der James-Bond-Filme erinnerte, zumal es am Ende auch um einen politischen Hintergrund geht, der aktuell gar nicht so surreal wirkt.


    Leider konnte mich insgesamt die Mischung zwischen Cosy Crime und Spionagekrimi nicht gänzlich überzeugen, allerdings war die Atmosphäre und die Zeit der 50er Jahre in Großbritannien sowie so mancher Seitenhieb (in Sachen Adelstitel z.B.) sehr gelungen; auch stilistisch - aus der Ich-Perspektive von Grasby - ist der Cosy Krimi mit gut ausgeleuchteten, teils schrägen Figuren, sehr gut zu lesen. Ich werde die noch zu lesende Glasgow-Reihentitel des Autors auf jeden Fall weiterverfolgen! 3,5 *


    ASIN/ISBN: 3755800160

    Ein Zuhause ist da, wo Freunde sind


    Das Cover dieses warmherzigen und wundervoll illustrierten Pop-up-Kinderbuchs hat mein Herz im Sturm erobert; ich vermutete eine schöne Kindergeschichte mit viel "Bild" für Kinder ab 4 Jahren und wurde alles andere als enttäuscht (zugegebenermaßen muss ich gestehen, dass ich in den letzten Jahren nicht sehr oft Kinderbücher gelesen habe, aber nach diesem traumhaften Cover und Kurzbeschreibung des Verlags einfach zugreifen musste!

    "Das Haus mit der kleinen roten Tür" - das hier symbolisch für 'unser aller Türen' stehen mag und von Grace Easton sowohl geschrieben als auch zauberhaft illustriert wurde, hat Stephanie Menge übersetzt; es erschien (HC gebunden, 32 S.) bei Fischer Sauerländer, 2025.

    Worum geht's?

    Olivia, ein kleines Mädchen, wohnt in einem Haus mit einer roten Tür. Es ist still und dem Mädchen ist etwas einsam zumute; ganz hinten im Garten wohnt Maus in einem großen alten Baum. Bei einem Wintersturm, bei dem es heftig weht und schneit, fällt das Zuhause von Maus um und sie verliert damit ihre Wohnung (die wunderschön gezeichnet ist, mehrere Stockwerke hat und ein großes Lesezimmer ;) Olivia bemerkt dies und bietet ihr ein kleineres Zuhause an: Einen umgedrehten Blumentopf mit dem Nötigsten.

    In der Nacht können beide kein Auge zumachen und die Maus fasst Mut, packt ihren Koffer und klopft an das Haus mit der kleinen roten Tür: Erfreut macht Olivia ihr auf und natürlich darf Maus bei ihr wohnen... So sieht man die beiden Kekse essend in der gemütlichen Küche und eine Freundschaft ist entstanden: Niemand von den beiden ist mehr alleine und sie wohnen jetzt zusammen....

    Meine Meinung:

    Das Kinderbuch trägt eine tiefe Botschaft, eigentlich mehrere in sich: Wenn jemand in Not ist, sollte man helfen. Wenn sich jemand alleine fühlt, unglücklich oder einsam ist und niemanden zum Reden hat, sollte man 'an die Tür klopfen' und denjenigen vielleicht besuchen. Beides sind sehr positive menschliche Verhaltensweisen, die man anhand dieses wunderschön gestalteten Buches einem Kind vermitteln und mit auf den Weg geben kann. Auch laden die wunderschönen, winterlichen Bilder dazu ein, dass Eltern und (Klein)kinder oder auch die Großeltern gemeinsam die Geschichte von Olivia und Maus lesen, darüber sprechen und die zahlreichen Klappen im Bild, die Pop-ups, öffnen und sich ansehen. Dies ist m.E. eine Wonne, dass die junge englische Autorin an alles gedacht hat, was ein wohnliches und gemütliches Zuhause ausmachen kann. Eine schöne Freundschaftsgeschichte für Kinder mit Miniaturwelten hinter den Klappen, in die man sich hineinträumen kann! Mein Urteil lautet daher: Pädagogisch wertvoll und 5 *!


    ASIN/ISBN: 3737374228

    Nachdem ich begeistert "Das Haus verlassen" von Jaqueline Kornmüller gelesen hatte, war ich sehr gespannt auf ihren neuen Roman, den sie ihrer geliebten Großmutter widmete: "6 aus 49" bezieht sich auf die leidenschaftliche (System)lottospielerin Lina, die hier eine liebenswerte und weise, unerschütterliche und starke Hauptprotagonistin ist und die man im Roman peu à peu besser kennenlernen kann. Erschienen ist der Roman bei Galiani Berlin (HC, geb., 223 S.) und das wunderschöne Buchcover mit Lina und Maria, die zeitlebens unzertrennliche "Schwestern im Geiste" bleiben sollten, wurde von niemand Geringerem als von Kat Menschik gestaltet.


    Die Großmutter der Autorin, Lina, entstammt tiefster Armut; "einer Armut, die verboten gehört", wie sie selbst zeitlebens sagte und diese nie vergaß. Es gelingt ihr, eine Stelle in einem Hotel des in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts aufstrebenden Partenkirchen zu finden, in der sie zuerst in der Küche Pfannen schrubbt. Bis Fanny, eine Hotelangestellte, sie im Service anlernt und Lina immer mehr Gefallen am Hotelwesen findet. Hier sollte sie auch Maria begegnen, der sie zeitlebens verbunden war. Durch einen Zufall verpachtet ein Chemiker, der nach Berlin zieht, das schönste Haus am Platz: Die "Amalie"; hier sollten beide Frauen ihr Glück finden, in dem sie Zimmer (und später mehr Zimmer) vermieteten und Lina die Gastfreundlichkeit in Persona war; Maria dagegen eher schüchtern und im Hintergrund. Dafür ist sie jedoch kreativ und entwirft eigene Daunenbettdecken für das Hotel, mit dem sie sich selbständig machten (was ein Glück war, da Lina schwanger war), die solch' einen Erfolg haben, weil man himmelsgleich in ihnen schläft, dass sie später mit der Werkstatt und der Herstellung expandieren sollten. Der Tourismus kommt im bayrischen Partenkirchen, das später nach Hitlers Wunsch mit Garmisch zusammengelegt werden sollte, in den 20er Jahren in Fahrt und Personal wird überall gesucht. Doch es ist auch die Zeit der beginnenden Verfolgung von Juden: An einigen Beispielen weist die Autorin und Enkeltochter Linas darauf hin, wie unmenschlich mit Juden umgegangen wurde und die "Juden-Abwehrschilder" vor Wettkämpfen und Winter-Olympiaden flugs abgebaut wurden, um sie später wieder (und Schlimmeres) aufzustellen.


    Auch wird nicht verschwiegen, dass Amtsleiter unbeschadet auch nach dem Krieg in Amt und Würden waren; diese Gesellschaftskritik fand ich sehr wichtig und fand es gut, dass sie (bei allem Glück der Großmutter) hier nicht ausgespart wurde. Im Gegenteil: Die Autorin springt oft in der Zeit und bringt dennoch das Wesen der Großmutter, die eine starke Persönlichkeit war, der geneigten Leserschaft näher. Lina's Rücken hatte die Enkelin "stets vor allen Unwägbarkeiten des Lebens geschützt" und dies bis ins hohe Alter; wenn auch die Kreise zwischendurch nicht immer eng waren. Dennoch hielt die enge Verbindung wohl ein Leben lang und es ist ein Roman voller Respekt und Ehrfurcht vor Lina, die immer zuversichtlich war, an ihr Glück glaubte (auch im Lottospiel) und dieses selbst in die Hand nahm. Die ein Lachen besaß, "das alles Schwere wegwischte", die aus Nichts etwas machen konnte und sich mitmenschlich und selbstlos zeigte: So wies sie einem jungen Amerikaner (Besatzungsmacht nach dem 2. WK in Bayern) an einem eiskalten Winterabend nicht die Tür, sondern ließ ihn in ihrem Wohnzimmer (mit Frühstück) übernachten: Dies sollte sich als weiteres Glück erweisen, da dieser junge Mann später ein weltberühmter Reisejournalist war, der in einem seiner Bücher Lina erwähnte. Woraufhin 'halb Amerika auf ihrer Couch übernachten wollte'. Das Hotel war also immer ausgebucht und Lina, die sich mit Fremdsprachen schwer tat, reichten sieben englische Wörter, um sich verständlich zu machen. Hier und da blitzt also immer wieder Humorvolles auf, das neben auch schwierigen Zeiten überwiegt. Zumal das Glück (sehr viel später auch in Form eines Sechsers im Lotto!) nie abwesend, sondern immer an der Seite Lina's bleibt. Nur auf die Liebe sollte sich dieses Glück nicht beziehen. Dennoch liebte Lina zeitlebens "das Zufällige, das Überraschende, das Unverfügbare" - und das Wesen des Glücks ist unverfügbar.


    Dies hat mir die Großmutter sehr sympathisch werden lassen, je mehr ich von ihr las. Im letzten Drittel erzählt J. Kornmüller auch aus ihrem Leben und mir gefiel die erste Hälfte des Romans noch besser als die zweite, da es interessant und spannend war, mit der Autorin auf das Leben einer sehr starken Frau zurückzublicken, die stets an ihr Glück glaubte. Es ist eine liebevolle Hommage an die Großmutter von J. Kornmüller, deren Liebe und Zuversicht, aber auch ihre Gastfreundschaft, ihr Humor und ihre Mitmenschlichkeit einen Roman durchaus verdienen. Die Kapitel sind kurz, die Handschrift der Autorin glasklar und schnörkellos, der Stil regt dazu an, gerne zwischen den Zeilen zu lesen (was ich sehr mag). Etwas befremdlich fand ich die Distanz zwischen der Autorin und deren Mutter, die im Roman nur mit "Linas Tochter" benannt wird: Der Grund dieser Distanz bleibt dem Leser jedoch verborgen.


    Da Lina stets bewusst war, wie viel Armut es gibt (der sie entrinnen konnte), hat sie auch das Leben geliebt, das sie führen konnte (Bali mit Maria im 5-Sterne-Ressort, dahinter die Wellblechhütten); die Schweiz, Venedig mit der Enkelin etc. "weil sie es bezahlen konnte". Hier hätte ich mir vielleicht einen kleinen Hinweis der Autorin gewünscht, dass Lina (z.B. nach dem 6er im Lotto) auch einen Teil des Geldes gerne - für Menschen, die nicht im Glück baden konnten - gespendet hätte. Das ist aber auch mein einziger Kritikpunkt; ansonsten habe ich den Roman sehr gerne gelesen und empfehle ihn gerne weiter! Von mir 4****

    Ich konnte den Abschluss der Trilogie (Wollseifen-Saga aus der Eifel) nirgends finden und da der 3. Teil bis ca. 1970 und in der Nachkriegszeit spielt, stelle ich ihn hier ein - in der Hoffnung, das passt :)


    Aus dem Leben der Wollseifener Familie Lintermann - toller Abschluss der "Wollseifen-Trilogie"


    Bei "Schlehengrund" von Anna-Maria Caspari handelt es sich um den 3. und letzten Teil der Romantrilogie um das Eifeler Dorf Wollseifen, das kurz nach dem Krieg von den Briten besetzt wurde (später von dem belgischen Militär) und die Dorfbewohner damit zeitlebens vertrieben wurden. Herausgegeben wurde das Buch im Ullstein-Verlag (358 Seiten, TB brosch., 2025).

    Der letzte Romanteil ist im Nachkriegsdeutschland, in der schönen Eifel, angesiedelt, über das Dörfchen Scheven bis zum Hof nach Embken, wo sich die fiktive Familie um Albert Lintermann, Leni, Johanna mit ihrem Sohn Rolf, Silvio und Maria, das eng befreundete sympathische Ehepaar mit ihren Kindern ein neues Leben aufzubauen versuchen. Wir treffen all' diese bereits aus den Vorgängerbänden wohlbekannten ProtagonistInnen des Romans wieder, an deren weiterem Schicksal wir bis Anfang der 70er Jahre teilnehmen dürfen.


    Johanna wartet seit Jahren auf ihren geliebten Ehemann Karl, der in sowjetische Gefangenschaft geriet und von dem in den letzten zwei Jahren jegliches Lebenszeichen fehlt. Sowohl die Gefühle der Angst um Karl als auch das auf sich selbst gestellt sein (wobei Schwiegervater Albert ihr freie Hand lässt und sie tatkräftig unterstützt) wie auch später die Emotionen von Karl, der nach Jahren brutaler Gefangenschaft an Leib und Seele gezeichnet ist und nicht als der zurückkehrt, als der er einst eingezogen wurde, sind von der Autorin sehr nachvollziehbar und tief beeindruckend dargestellt: Man wünscht sich, dass Karl wieder ankommt, mit der Zeit Schritt halten kann und Veränderungen gegenüber offen ist - und erlebt tiefe Verunsicherung, dass er sich fremd fühlt und sogar abgelehnt, da er an den alten Werten und Traditionen hängt. Eine Herausforderung ist dabei, mit seiner Frau Johanna alles zu besprechen, was auf dem Hof von großer Wichtigkeit ist, da sich herausstellen sollte, dass sie, die Jahre alles gut auch alleine hinbekommen hat, andere Vorstellungen hat in der Landwirtschaft. So entwickeln sich die beiden, die sich einst so sehr liebten, auseinander und Johanna fühlt sich bald zu einem Mann hingezogen, der Kurse in biologisch-dynamischer Landwirtschaft nach Steiner und Hildegard von Bingen gibt; gegen den Einsatz von Pestiziden ist u.v.m. Karl hält von solchen Neuerungen gar nichts und leidet daran, dass er das Gefühl hat, immer mehr am Rande zu stehen. Er steht symbolhaft für so viele deutsche Soldaten, die nach Jahren der Gefangenschaft zurückkamen, die tiefe Spuren hinterlassen hatte wie auch Traumatas; viele begannen zu trinken, andere wurden gewalttätig. Heute gibt es eher psychologische Hilfe für solch traumatisierten Menschen, nach dem 2. Weltkrieg war jeder auf sich allein gestellt. Die damit einhergehenden Konflikte und Probleme in den Familien wurde beispielhaft von A.-M. Caspari ausgearbeitet und sehr nachvollziehbar, differenziert wie auch emotional sehr gut dargestellt.


    Das Tagebuch des klugen, intelligenten und regimekritischen, reflektierenden wie auch kinobegeisterten Studenten Emil Schlösser (der jüngste Sohn des Schmiedes Hermann Schlösser) beleuchtet in Einflechtungen immer wieder das gesellschaftliche Leben und die technischen Neuerungen und politischen Ereignisse in den 50er und 60er Jahren; z.B. das Fernsehen, der Mauerbau, der Besuch Kennedys in Deutschland, die Kubakrise, der Besuch des Schah etc. Dies fand ich als ergänzendes Stück Zeitgeschichte sehr gut und es ist das Jahrzehnt meiner eigenen Kindheit, weshalb ich natürlich einiges noch in Erinnerung habe und schmunzelte, wenn es um "Stahlnetz" ging, (das ich als Kind nicht sehen durfte); zumal die Figur Emil Schlösser, der möglichst rasch und sehr fleißig sein Studium beenden will, um Lehrer für Geschichte zu werden, als kritischer Geist so manchem Nazi-Ungetüm, die es noch immer gab (wie z.B. ein Dr. Textor, Vater von Horst, der mit Rolf befreundet ist im Roman) gegenübersteht: Auch die Geschichte der jüdischen Bevölkerung wird erwähnt; die, 40 an der Zahl, sogar eine eigene Synagoge hatten - und von denen nach dem Krieg niemand mehr dort lebte; dies soll und darf immer wieder betroffen machen.


    Ebenso wie das Schicksal des einzigen Juden, der aus Liebe zu einem Mädchen aus dem Dorf Embken nach dem Krieg zurückkam; um zu spüren und zu erfahren, dass der Antisemitismus nicht mit dem Kriegsende abhanden gekommen war. So regen sich nicht nur Albert und Silvio zurecht auf, dass es einige Nazis gab, die auch nach dem Krieg teils hohe Positionen in der (auch kommunalen) Politik einnahmen - so als ob nichts gewesen wäre (hierüber gibt es vielfach sehr interessante Literatur und es war mit Sicherheit ein Konfliktpunkt in so mancher Familie und auch zwischenmenschlichen Beziehungen der damaligen Zeit, wenn darüber diskutiert wurde. (Obgleich lange Zeit vieles 'totgeschwiegen' wurde, wie wir wissen).


    Mir sind besonders Johanna, Albert und Leni wie auch der verstörte Karl und Enkel Rolf ans Herz gewachsen; doch da die Geschichte der Wollseifener Familie Lintermann hier endet - um das Jahr 1970 - muss man von manchem Charakter, der dann auch über 80 Jahre zählt, Abschied nehmen. Einige Abschiede gingen mir ebenso wie die Schicksale der Familienmitglieder (wie auch Silvio's und Maria's) sehr zu Herzen und ich danke der Autorin, dass sie anhand dieser Trilogie das Dorf Wollseifen (das man erst seit dem Jahre 2006 wieder betreten kann!) literarisch wieder auferstehen ließ: Ein sehr bewegendes, spannendes Stück Zeitgeschichte mit wundervollen Charakteren, deren Schicksal ich gerne gefolgt bin! Ich kann diesen auch stilistisch hervorragenden Roman; nein die ganze Trilogie (am besten chronologisch zu lesen!) nicht nur historisch interessierten LeserInnen mehr als empfehlen und vergebe daher die höchste Punkt- und Sternezahl, nämlich 5*.


    ASIN/ISBN: 3864932505

    Bei mir geht es mit diesem Buch weiter:

    Jaqueline Kornmüller - 6 aus 49


    ASIN/ISBN: 3869713151



    Jacqueline Kornmüller verwandelt die Erinnerung an ihre Großmutter in Literatur. Sie erzählt die Geschichte einer starken, unbeugsamen Frau, die das Glück selbst in die Hand nimmt und einfach nicht mehr loslässt.

    »Meine Großmutter war eine leidenschaftliche Lottospielerin, das ist begründet in der Tatsache, dass sie als Kind eine Art von Armut erlebte, die so bitter war, dass sie noch am Ende ihres Lebens zu mir sagte: So eine Armut, wie ich sie als Kind erlebt habe, gehört verboten.«

    Bayern in den 1920er Jahren. Bei ihrer ersten Anstellung darf Lina in der Küche nur die Kupferkessel waschen. Doch bald wendet sich das Blatt, durch eine Hintertür betritt sie die Bühne des Clausings, Lieblingshotel der Ufa im Luftkurort Garmisch. Das Kommen und Gehen der Gäste, das Empfangen, das Wünsche erfüllen, all das versteht Lina als Chance, ihrer Realität zu entkommen. Und schon bald verhilft ein Zufall ihr zu einem eigenen Hotel. Es kommen arbeitsreiche, schicksalsschwere Jahre. Aber wenn Lina auf der Veranda der Amalie ihre Lottoscheine ausfüllt, steckt sie alle an, mit ihrem unbedingten Glauben an das Glück.

    Von einem zauberschönen Garten und 'leisen' Menschen


    Wir alle kennen sie: Die eher 'laute' Fraktion der Menschheit, die extrovertiert ist, überall (gut) ankommt und hoppla, hier bin ich sagt - voller Selbstbewusstsein und Charme sowie einem Lächeln, die jede Situation (scheinbar) mit links meistert. Und da gibt es auch die leisen, stillen Charaktere. Die, die niemand bemerkt, die leicht übersehen werden, die sehr introvertiert bis hochsensibel sind, sich nicht zutrauen, eine Rede vor einem Pulk von Menschen zu halten und Menschenmengen generell meiden. Die mit Reizüberflutungen zu kämpfen haben.

    In Patricia Koelle-Wolken's Roman "Der Garten der kleinen Wunder" geht es im Kernthema um die Introvertiertheit mancher Menschen und die Hochsensibilität. Aber auch darum, dass jeder Mensch einen Mentor brauchen kann, der ihn zum richtigen Zeitpunkt unterstützt, ihn erkennt und an ihn glaubt. Die positiven Veränderungen sind dann oft (nur) die Konsequenz daraus....

    Vica (14) lebt neben Toya und Bär und fühlt sich magnetisch angezogen von dem bunten Mandarinfisch, der in Toyas Garten steht. Es entwickelt sich eine leise Freundschaft zwischen den beiden, trotz des großen Altersunterschieds. Denn Toya fühlt sich an ihr eigenes Ich erinnert und möchte Vica einen Rahmen für ihr Leben geben, um sich zu entfalten (so wie Wille es bei ihr instinktiv vor vielen Jahren getan hat). Sie lädt Vica kurzerhand immer wieder ein und auch Bär (mit seiner eigenen Geschichte) mag Vica sehr; erinnert sie ihn doch um seine kleine Schwester, die er vor langer Zeit verloren hat.

    So verfolgen wir die Freundschaft an dem Ort, der einen eigenen Zauber besitzt: Toyas Garten und lauschen der Geschichten, die sich um die ProtagonistInnen spinnen. Wir lernen Mamoun, den marokkanischen Gewürzhändler kennen, Herr Kowiecki, der Antiquar, bei dem Toya aushelfen durfte und der ihr Talent zum Zeichnen entdeckte, entdecken die Schönheit von Quallen und Korallen (von denen Toya Fotos von Marc, ihrem Freund, erhält, um sie in ihre Buchgestaltung einzubinden) und gehen mit in ein Aquarium, in dem alles begann. Weitere HauptprotagonistInnen sind schöne Pflanzen wie der Bart-Iris (die bei etwas Abstand zueinander besser gedeihen, ebenso wie bei manchen Menschen) und der Garten, dem bald eine Neuauflage in Vicas Elternhaus folgen sollte. Micki, eine Bekannte von Bär, hilft hier ehrenamtlich und mit großer Passion mit und soll auch noch eine Rolle im Roman bekommen.

    Florian, Vicas Vater, ist Augenchirurg und zuerst nicht sehr angetan von der Freundschaft seiner Tochter und Toya; dies ändert sich jedoch, als Toya sich ihm vorstellt und er mit der bunten Welt im Nachbarsgarten 'kollidiert'. Es ist schön zu lesen, wie sich eher starre Charaktere, die festgefahren (und zuweilen spießig) sind, auch verändern können, wenn sie in anderem Umfeld sind und längst Verschüttetes in sich ausgraben. Vica macht Gartenarbeit viel Freude, sie ist glücklich, als sie ihr eigenes Beet, einen Steingarten, 'komponieren' darf. Im Gegensatz zur Schule, die ihr eher Magendrücken bereitet, erblüht sie regelrecht in Toyas Gartenpracht. Letztere ist auch sehr poetisch beschrieben und jedem müsste hier das Gärtnerherz leuchten: Der Garten als ein Glücks- und Kraftort; die beeindruckende Farbenvielfalt des prächtigen Gartens und die Empfindungen Vica's kann ich bestens nachempfinden, da ich das Glück hatte, einen sehr passionierten Gärtner zum Vater zu haben; auch gehören Iris zu meinen Lieblingspflanzen.

    In diesem poetischen und flüssig zu lesenden Roman kann man die wundersamen Veränderungen von Menschen nachlesen, die von ihrer Natur her eher zurückgezogen sind; deren Verhalten oft missgedeutet wird und die es aufgrund ihrer Introvertiertheit (oder sogar einer Hochsensibilität) zuweilen schwer haben. Sie brauchen Ruhe und Verständnis, um sich entfalten zu können; so die Autorin. Dem kann ich mich nur anschließen, da ich selbiges auch früh bei meinem Bruder bemerkte, der mit Sicherheit hochsensibel war und oft (durch sein Verhalten) dadurch missverstanden wurde.

    Fazit:

    Ein Roman über einen 'zauberschönen' Garten und leise Menschen, die die nötige Empathie, auch Ruhe und Unterstützung sowie einen Ort brauchen, an dem sie sich voll entfalten können. In poetischer Sprache gelingt es P. Koelle-Wolken auch, die Leserschaft in Bezug auf 'eher leise Menschen' zu sensibilisieren. Ich empfehle ihn gerne weiter und vergebe 4* und 88° auf der Belletristik-Couch.


    4****

    Der neue Roman von Karin Lindberg, deren Namen ich zwar schon länger kannte, aber noch nichts von ihr bis dato gelesen habe (was sich jetzt ändern soll), erschien bei Tinte & Feder, Luxembourg, 2025.


    Elisa hat ihren Job in den Sand gesetzt als Investigativjournalistin und weiß nicht, wie es weitergeht, als Leah, ihre Schwester, ein Foto und Unterlagen der Großmutter auf dem Dachboden findet: Sie schlägt Elisa vor, sich des merkwürdigen Fundes anzunehmen, zumal die verstorbene Großmutter ein Tagebuch erwähnt, das sich unter den Dielen eines Herrenhauses in England befindet und von Harriett Lynham geschrieben wurde. Da Elisa nichts zu verlieren hat, entdeckt sie, dass auf "Rosewood Manor", wo ein Nachfahre noch immer das Anwesen besitzt, gerade u.a. eine Housekeeperin sucht. Kurzerhand bewirbt sie sich, bekommt ein Vorstellungsgespräch mit dem kühlen und reservierten Hausherrn - und auch den begehrten Job. Nun kann sie in Ruhe nach dem Tagebuch suchen, was sich jedoch bei der Größe und Unkenntnis des Zimmers, wo es verborgen sein könnte, als wahre Mammutaufgabe herausstellen sollte.


    Harriett wollte eigentlich Medizin studieren, nach dem Tod des Vaters jedoch platzte dieser Traum und eine Ehe mit Edward Lynham wurde arrangiert, in der sie mehr als unglücklich ist: Trotz ihrer vierjährigen Ehe konnte sie ihrem Ehemann noch keinen Stammhalter schenken und Edward missachtet mehr und mehr seine Ehefrau, ohnehin zur Gewalt neigend und stellt sie gar bloß, wenn sich Besuch auf Rosewood Manor einfindet. Cresseda, die Mutter des unsympathischen und tyrannischen Earls, ist erkrankt und eines Tages kommt Dr. Arthur Schelling, der vollkommen andere Behandlungsmethoden an den Tag legt, die jedoch dem/der zu Behandelnden abverlangen, aktiv mitzuarbeiten...


    Für Harriett ist es schwer, mit dem netten Arzt in Kontakt zu kommen und mit ihm über seine Profession zu reden, an der sie sehr interessiert ist: Als sich die beiden zufällig am Fluss begegnen, wohin Harrietts Spaziergänge sie regelmäßig führen, kommen sie ins Gespräch und nach und nach entwickelt sich eine tiefe Verbindung, aus der Liebe erwächst. Aus Furcht vor ihrem Ehemann beschließen beide nach der Ballsaison, die Harriett noch für ihre Halbschwester Rose ausrichtet, zu fliehen. Doch jemand sollte diese Pläne durchkreuzen, der auf Rache sinnt...

    Viele Wendungen und Ereignisse, zuweilen romantischer, zuweilen dramatischer Natur, machen diesen flüssig und bildhaft geschriebenen Roman aus, die man gut nachvollziehen kann und die meisten Figuren sind sehr liebenswert; allen voran wohl Harriett und Arthur, Elisa und Calam, mit denen wir so manche Höhe und Tiefe durchschreiten, nachdem sich auch hier eine gefühlvolle und ehrliche Verbindung angebahnt hat.


    Der Roman beinhaltet zwei Zeiteibenen; die Gegenwart, in der Elisa und Calam agieren und die Zeit um 1908, als es für Frauen, die unglücklich verheiratet waren, denkbar schwer wenn nicht sogar unmöglich war, sich zu trennen. Das Tagebuch Harrietts hat die Autorin geschickt in die Handlung eingeflochten. Die Romanthemen sind vielfältig: Es geht um Familiengeheimnisse, um arrangierte Ehen und Standesdünkel, Gewalttätigkeit und Rechtlosigkeit von Frauen vor 100 Jahren; um Familienzusammenhalt und um die zeitlose Kraft der Liebe, die hier auch mit einer guten Prise Romantik und Atmosphäre daherkommt, jedoch nie schwülstig wird.


    Fazit:


    Ein atmosphärischer, romantischer Roman um ein Familiengeheimnis mit Tiefgang, der mit sympathischen Figuren aufwartet und den ich allen ans Herz legen kann, der die beschriebenen Themen gerne liest; besonders Fans von Familiengeheimnissen sollten hier zugreifen. Von mir gibt es gute 4* und eine Empfehlung.

    Jede Menge Zündstoff im Sommerhaus


    kann man im Roman von Kristina Pfister "Nach dem Sommerregen" finden. Verlegt wurde er im S. Fischer-Verlag, Frankfurt, 2025 (TB, brosch., 349 Seiten).


    Marika ist von Berlin aus auf dem Weg in den Süden, zur Familie und ins Sommerhaus: Die drei erwachsenen Geschwister Cecilia (die Älteste und stets Verantwortungsbewussteste), Jonas (Sandwichkind, Lehrer wie Vater Walter und etwas lethargisch, passiv, der während des Romans dann doch plötzlich weiß, wo er hin will) und Marika, die Jüngste, der stets wenig zugetraut wurde und die deshalb (vielleicht) am weitesten wegzog, um sich in Berlin eine Existenz mittels eines Second-Hand-Shops aufzubauen.


    Alle drei haben wenig miteinander zu tun und sprechen kaum miteinander, ausser wenn sie sich im Sommerhaus der Familie treffen, wo sie viele Sommer ihrer Kindheit verbracht haben.


    Die Eltern, Walter und Marianne, haben sich ebenso wie Sohn Jonas von ihren Ehepartnern entfernt, sich auseinandergelebt. Marianne, die hier als 'stark und bezaubernd' beschrieben wird, ist für mich kaum sichtbar und bleibt auch bis zur letzten Seite nicht sehr deutlich zu erkennen (und eher unsympathisch). Walter scheint ein Familienmensch zu sein, auch wenn er ansonsten "am liebsten seine Ruhe hat" und sich auch so verhält (er verschwindet, wenn ihm eine Situation zu viel wird), freut er sich doch sehr, seine "Kinder" um sich zu haben, wenn sich alle im Sommer treffen und er seinen 70. Geburtstag feiert.


    Diesen vorzubereiten, macht sich Cecilia (wie bei allem in ihrem Leben) den meisten Stress; Jonas hingegen ist völlig entspannt, rührt kaum einen Finger (ausser wenn es um die hübsche Nachbarin Billy geht, deren Sohn im Sommerhaus hilft, um sich etwas dazuzuverdienen) und Marianne glänzt erstmals durch Abwesenheit: Ihre Freundin Doro, die mit Dirk verheiratet ist, liegt im Hospiz im Sterben.


    Dass hier etwas schief liegt, ist erkennbar, als besagter Dirk auftaucht und ihn Walter recht erbost auffordert, zu gehen. Was für ein alter Konflikt ist hier die Wurzel dieses Verhaltens - und was hat Marianne damit zu tun, die er eigentlich sprechen will?


    Meine Meinung


    Ich hatte andere Erwartungen an diesen Roman, der mich leider nicht überzeugen konnte: Die Figuren ließen kaum eine wirkliche Annäherung des Lesers zu, die Dialoge (z.B. zum Thema Geschwister) blieben oberflächlich, sprachlich platt und ohne Tiefe.


    So liest man von den Vorbereitungen des Geburtstagsfests, von schwelendem Ärger unter der Oberfläche, von Eheproblemen und Trennungen, von Männern, die aus dem Haus geworfen werden (um sich im Sommerhaus wiederzutreffen); von einem abgefackelten Baumhaus, von einem Speed-Dating für Senioren, von Entscheidungen für oder gegen ein Kind (wobei man erstaunt ist, dass es nicht durch einen 'Ausrutscher' zu einer Fehlgeburt kam) und von drei Geschwistern, die völlig unterschiedlich sind und die dennoch ihre wertvollsten Erinnerungsstücke beim Ausmisten des Sommerhauses gemeinsam vergraben.


    Es gehört Marianne, die "damit tun kann, was sie will und ihren Kindern nichts schuldig ist", wie sie im Roman sagt: Die erwachsene Cecilia, Jonas und Marika dürfen zwar zum Ausmisten kommen, Entscheidungen, was mit dem Haus voller Erinnerungen passiert, kommen jedoch nur der Mutter zu. Dies fand ich etwas befremdlich (gelinde gesagt) und freute mich dann für die Geschwister, dass 'jemand' dann doch noch eine Lösung fand....


    Vieles bleibt auch nach dem Ende des Romans für mich im Dunkeln, auch die rückblickenden Einschübe fand ich nicht sehr erhellend. Vermutlich sollten sie für Spannung sorgen, doch bei mir haben sie eher das Gegenteil bewirkt. Zu viel war vorhersehbar und einige meiner Vorahnungen bestätigten sich leider; zudem konnte ich weder Spannung noch Humor erkennen. Manches war sehr überspitzt dargestellt: Ich kann mir z.B. kaum vorstellen, dass ein Mensch über zwei Jahre lediglich 3 Stunden schlafen kann, ohne mehr als einen burnout zu erleiden; vor allem mit einem Kleinkind wie Oskar, vieles erschien mir hingegen immer wieder fragmentarisch und die intensivere Ausleuchtung der Figuren fehlte.


    Themen dieses Romans sind Überforderungen im Alltag (besonders von Müttern), Geschwisterrivalitäten und -rollen, Familiengeheimnisse bzw. fehlende Offenheit, Trennungen und Neuanfänge. Besonders glänzte in letzterer Rolle Marianne, die Mutter, die alle Fenster aufreißt und das Bedürfnis hat, "mal ordentlich durchzulüften" - was man bestenfalls mit der Klärung von Beziehungen gleichsetzen kann. Eine Empfehlung kann ich hier nicht aussprechen und vergebe 2,5 *

    "Der Weg der Frauen" mit dem Untertitel der Reihe "Das Pensionat an der Mosel" von Marie Pierre (Maria W. Peter) erschien im Heyne Verlag, 2025, tb brosch., 559 Seiten und stellt den abschließenden Band der sehr lesenswerten und sehr unterhaltsamen Trilogie um ein Mädchenpensionat in Thionville/Diedenhofen, Mosel in Lothringen dar. Ich habe mich sehr gefreut - kannte ich doch bereits die beiden wundervollen Vorgängerromane der historischen Reihe, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts spielt und ganz in meiner Kindheits- und Wohnortnähe verortet ist - die ProtagonistInnen, die einem bereits ans Herz gewachsen sind, endlich wiederzusehen.


    Wie die Autorin stamme auch ich aus der Grenzregion Saarland/Lothringen/Luxemburg/Elsass, deren Historie oftmals durch Kriege und Weltkriege eine Besondere war. (Das Elsass, Lothringen wie auch das Saarland gehörten zum einen Frankreich, zum anderen Deutschland an in der Vergangenheit). Personifiziert werden sie durch Pauline, der Leiterin und Lehrerin des Pensionats an der Mosel als Lothringerin aus Metz; durch den preußischen Offizier Erich von Pliesnitz, der im Grunde wenig von Frauen hält (was mit dessen eigener Geschichte sehr viel zu tun hat) und der dennoch großen Respekt und auch tiefere Gefühle für Pauline hegt, die ihm mit ihrer Geradlinigkeit, ihrer Intelligenz und auch ihrem Mut, den eigenen Weg zu gehen und sich über gesellschaftliche Konventionen hinwegzusetzen und Probleme möglichst eigenständig zu lösen, sehr imponiert, er sehr von ihr angetan ist. Desweiteren treffen wir den Gärtner und früheren (schuldlos in Haft geratenen) Sträfling Vincent wieder, der an Haus und Garten der Schule nach dem Rechten guckt und ein Auge auf Camille, das Stubenmädchen geworfen hat, das ihrerseits eine eigene Geschichte mitbringt. Die Schülerinnen; besonders Ernestine, die später einmal Journalistin werden will, Brunhilde, die für ihr Leben gerne liest, zwei Schwestern, die später ein Restaurant eröffnen wollen und andere mehr treffen wir in diesem Schuljahr, in dem einige ihren Abschluss machen werden, wieder.


    Sorgen bereiten diesmal das Schicksal um Sophie, die in Metz in Haft genommen wird, da sie Frauenparolen an Wände schmierte und Schlimmeres tat, woraufhin ihre Eltern sie mit sich nach Luxemburg nehmen und nach einiger Zeit durch viel Zureden von Pauline das Mädchen zurückkehren darf; allerdings stark verändert, introvertiert, auffallend ruhig und apathisch. Was ist nur mit ihr los?


    Zum Eklat kommt es schließlich, als klar wird, dass es eine Denunziantin innerhalb des Pensionats gibt, die Informationen an die Eltern der SchülerInnen weitergibt, die niemand von außerhalb wissen kann: Des Rätsels Lösung muss man schon selbst erkunden, aber ich kann nur sagen, dass es eine Freude und ein großer Lesegenuss für mich war, den Geheimnissen und Rätseln auf die Spur zu kommen, die dieser Romanreihe viel Spannung geben. Großartig und authentisch werden die Personen und deren Gefühls- und Handlungswelt greifbar und man fühlt sich eine Weile in Lothringen anno 1912 angekommen, wobei die sprachlichen und kulturellen Besonderheiten natürlich ebenfalls ihren Platz im Roman finden. Man freut sich und leidet besonders mit Pauline und Erich, die einem wie die zwei Königskinder erscheinen, die sich lieben, "aber konnten zusammen nicht sein". Auch hier darf man gespannt sein, wie die Romanreihe endet.

    Wie bei den zwei Vorgängern, legt Marie Pierre, deren Stil und sprachliche Ausdruckstiefe ich sehr schätze, Wert auf Kernthemen, der in diesem Band als "die Rechte der Frauen" (oder sollte ich besser schreiben "die gesellschaftlichen Einengungen von Frauen") bezeichnet werden, wobei der Kampf der Frauen um Mitspracherechte, Wahlrecht, das Recht, einen Beruf auszuüben und nicht in jedem Falle den gesellschaftlich vorgezeichneten Weg beschreiten zu müssen, im Mittelpunkt steht: Ihren SchülerInnen die Erkenntnis mitzugeben, dass es sehr wichtig ist, seinen eigenen Weg zu finden und ein selbstbestimmtes Leben führen zu können, (sie lebt es vor) ist Pauline überaus wichtig und soll auch gerne bis zur Leserschaft vordringen: Ohne diese Frauen, die vor 100 Jahren unter schwierigen Bedingungen sogar Haft und oftmals Ausgrenzung und Schlimmeres auf sich nahmen, indem sie sich gegen die Unfreiheit und Unterdrückung auflehnten, sähe es um die Frauenrechte noch heute vermutlich schlechter aus - und selbst in der aktuellen Zeit gibt es noch einiges "nachzubessern".


    Etwas wehmütig klappt man den Roman am Ende zu, denn Historie auf solch' unterhaltsame und sehr gut recherchierte Weise - auch noch im benachbarten Lothringen meist spielend und mit wirklich liebenswerten Figuren - bekommt man nicht alle Tage zu lesen. Das Warten hat sich gelohnt; ich kann jedem, der gerne historische und bestens recherchierte (mit weiteren Tipps am Buchende zu der Grenzregion) sowie unterhaltsame, berührende Romane liest, diese Reihe bis zum finalen Band mehr als empfehlen. Mein Dank geht an Marie Pierre und ich hoffe sehr auf einen neuen Roman, oder noch besser - auf eine Romanreihe! Von mir daher die höchste Bewertung mit 5 Sternen und Platz im Regal der 'Lieblingsbücher'.


    5*****/10 P.


    ASIN/ISBN: 3453427246

    Wir hatten syrische Teigtaschen und Salat, da auch hier die Küche kalt bleibt heute (Heißzeit hier, puuh... Ich wollt ich wäre ein :huhnund hätte nix zu tun ^^ und legte mal ... und sonntags auch mal zwei :D


    In den Teigtaschen (sensationell lecker, beim Syrer frisch produziert und gekauft) war Käse, in anderen Spinat, lecker gewürzt und in den Übrigen Hackfleisch.

    Marie Pierre - Der Weg der Frauen


    ASIN/ISBN: 3453427246


    Da ich unweit der Handlungsorte wohne, genieße ich diese Romanserie umso mehr ;)


    Inhalt (amazon)


    Emanzipation, große Erwartungen und schwere Entscheidungen: das bewegende Finale im Pensionat an der Mosel


    1912: Pauline Martin ist schockiert, als sie erfährt, dass ihre Schülerin Sophie in Metz bei einer Kundgebung für Frauenrechte verhaftet wurde. Obwohl sie bald darauf wieder entlassen wird, hat das Ganze Konsequenzen für Pauline, denn der Ruf ihres Pensionats hat erheblichen Schaden genommen. Als Sophie kurze Zeit später aus Luxemburg zurückkehrt, ist sie vollkommen verändert. Das einst selbstbewusste Mädchen ist nun blass, still, bisweilen geradezu apathisch. Pauline forscht nach und stößt in Sophies Elternhaus auf Ungeheuerliches. Gleichzeitig taucht Paulines ehemaliger Verlobter Roland in Diedenhofen auf und wirbt erneut um sie. Als Erich von Pliesnitz davon erfährt, zieht er sich enttäuscht zurück. Pauline muss sich entscheiden – und könnte dadurch alles verlieren.