Beiträge von Larissa

    Der Titel dieses Buch ist mir schon seit langem ganz flüchtig bekannt. Als ich es mir entliehen habe, bin ich davon ausgegangen, dass es sich um einen Bestseller handeln würde und meinte sogar, mich zu erinnern, dass ich viele begeisterte Leseempfehlungen irgendwo aufgeschnappt hätte... Nun bin ich wirklich geheilt von solchen Eingebungen... Genre: Abenteuerroman - Nein, danke! Never forever! :nono

    Queenie


    Die Ich-Erzählerin dieser 36-seitigen Short-Story heißt Chrissy und ist die Halbschwester von Queenie, die um drei Jahre älter ist. Die beiden wachsen ab Chrissies 6. Lebensjahr miteinander auf, nachdem Chrissies Vater, ein verwitweter Fuhrparkunternehmer, und Bet, eine verwitwete Kosemetikerin geheiratet haben. Eine Nachbarin, Mrs. Vorguilla, erkrankt schwer an Asthma (?) und braucht eine Haushaltshilfe. Queenie springt ein, weil sie ansonsten eine Klasse wiederholen müsste, dazu aber keine Lust hat. Letztendlich brennt Queenie jedoch mit 18 Jahren mit dem frisch verwitweten Mr. Stan Vorguilla, einem cholerischen Musiklehrer durch. Nach ihrem Highschool-Abschluss beschließt Chrissy, sich in der Stadt, in der Queenie und Stan leben, einen Sommerjob zu suchen. Der alte Vorguilla ist ihr nicht so recht geheuer, sie geht ihm, so gut es geht, aus dem Weg, solange sie in den ersten Tagen bei den Vorguillas wohnt. Queenie hat nun einen Job als Kinokartenverkäuferin, Mr. Vorguilla jobbt als Pianist in einem vornehmen Restaurant, und Chrissy schafft es auf Anhieb grad mal einen Tag in einem Drugstore an einer Imbisstheke eine unbezahlten Probetag zu absolvieren. Schnell wird klar, dass es in der 2. Ehe des Mr. Vorguilla ganz und gar nicht so harmonisch läuft, nachdem Queenie eine horrible Handgreiflichkeit ihres Gatten im Verlauf eines Weihnachtsfestessens mit Bekannten an ihre kleine Halbschwester erzählt.
    Schließlich erreicht nach einiger Zeit Chrissies Vater die Kunde, dass Queenie mit einem anderen Mann durchgebrannt sei. Noch einige Jahrzehnte später geistert der inzwischen verheirateten Ehefrau und Mutter erwachsener Kinder ihre große Halbschwester Queenie in flüchtigen Begegnungen in der Öffentlichkeit durchs Gemüt.


    Fazit:
    @mankell
    Ich muss leider gestehen, dass ich mir keinen weiteren Erzählband mehr kaufen werde, weil ich in "Himmel und Hölle" nur zwei von insgesamt neun Short-Stories wirklich prickelnd und fesselnd fand, und zwar jene, wo die Protagonistinnen noch unverheiratet sind.
    "Der Bär klettert über den Berg" (existiert auch als Film) hat mir so-lala gefallen.

    Ich habe gerade entdeckt, dass Anfang Dezember der 13. und letzte Erzählband Alice Munros veröffentlicht werden soll: "Liebes Leben" (engl. "Dear Life"). Da freue ich mich schon sehr...! :lesend Besonders freue ich mich natürlich, dass man an Alice Munro noch VOR ihrem Tod gedacht hat bzgl. Nobelpreisverleihung, und dass sie wirklich eine adrette, feinsinnige "First Lady" der nordamerikanischen Literaturszene ist, die ihre Wurzeln als Farmerstochter nie verleugnet hat...

    Zitat

    von Buchdoktor
    Alice Munros Erzählungen zeichnen sich dadurch aus, dass die kanadische Autorin Alltagsereignisse, die auf den ersten Blick banal wirken könnten, solange ins passende Licht dreht, bis sie wie ein außergewöhnlicher Edelstein wirken.


    Hallo Buchdoktor,
    das hast Du wunderbar auf den Punkt gebracht. Ich habe dafür keine Worte gefunden, aber genauso empfinde ich es auch. Danke!

    Zur Autorin:
    Lea Singer ist das Pseudonym für DDDr. Eva Gesine Baur (Jg 1956), die nach ihrer Ausbildung zur Köchin Gesang, Musik-, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte sstudiert und jeweis mit einer Diss. abgeschlossen hat. Danach arbeitete se einige Zeit als Journalistin. Für ihr unter dem Pseudonym „Lea Singer“ erschienenes Prosawerk wurde sie 2010 mit dem Hannelore-Greve-Literaturpreis ausgezeichnet.


    Meine Meinung:
    Grace Eder wandelt unverkennbar in den Spuren einer litararisch seit dem Mittelalter wohlbekannten Figur: in denen des Dr. Faustus. Lea Singer kann also nicht nur kochen, sondern versteht sich auch darauf, dieses traditionsreiche Faust-Motiv mit aktuellen Facetten anzureichern: z.B. reflektiert die Protagonistin Grace als sie schwanger wird über ihre weiteren Karrierechancen. Ihre eigene "Programmierung", nur ausgezeichnete Leistungen erbringen zu müssen, liest sich irgendwie auch als lebenslanges Ablösen von ihrer kleinbürgerlichen Abstammung als uneheliche Tochter, aufgewachsen im kath. Milieu Bayerns. Von ihrer Mutter wurde ihr zwar (nur) der berühmte Vorname der Filmschauspielerin Grace Kelly mitgegeben, d.h. Eine Frau braucht (nur) schön zu sein, dann findet sie schon ihren Prinzen (bzw. Fürsten von Monaco).
    Das titelgebende Motiv der Mandelkerne ist allerdings doppeldeutig: Mandelkerne sind ja nicht nur eine beliebte Backzutat für Weihnachtsbäckereien, sondern auch ein wichtiger terminus technicus aus der neueren Hirnforschung. (Interessierte mögen sich unter dem Stichwort „Amygdala“ selber kundig machen…)


    Fazit:
    Besonders amüsant fand ich Lea Singers kreative Umwandlung des Faust-Rezepts: Statt eines naiven, tief katholischen Gretchens trifft Frau "Dr. Fausta" auf den Kräuterforscher Friedrich Faltermeier.

    Hasst er mich, mag er mich, liebt er mich, Hochzeit


    Eigene Meinung
    Die beiden pubertierenden Teenager und Nachbarskinder Sabitha und Edith spielen aus Langeweile Schicksal, indem sie Briefe über Dampf öffnen bzw. auf einer alten Schreibmaschine tippen. Und tatsächlich gelingt es ihnen, die Haushälterin von Sabithas Großvater, Miss Johanna Parry, mit Sabithas entfernt lebendem, verwitwetem Vater Ken Boudreau zu verkuppeln, den Johanna eigentlich nur ein einziges Mal in ihrem Leben gesehen hat. Von nun an schwebt sie auf „Freierinnenfüßen“ und macht mangelnde Attraktivität durch einen staunenswerten Pragmatismus wett. Sie wechselt bei Nacht und Nebel aus dem Dienst des pensionierten Versicherungsagenten McCauley in den weit entfernt liegenden Haushalt desen lungenkranken Schwiegersohnes, eines ehemaligen Fliegers und nunmehrigen Neo-Besitzers eines verlotterten Hotels. Mit dabei im „erweiterten Handgepäck“ Johannas: eine Sparbuch mit einer ansehnlichen kleinen Erbschaft ihrer früheren Dienstherrin, ein schlichtes, braunes „Brautkleid“ und die – ich möchte fast schon sagen sagenumwobene – Mitgift der verstorbenen, nichtsnutzigen Marcelle Boudreau, Sabithas Mutter: diverse Möbelstücke aus Ahorn, die Johanna kurzerhand aus dem Schuppen des Schwiegervaters McCauley mit in die ersehnte Ehe zu bringen gedenkt.


    Eigene Bewertung
    Obwohl ich erst drei Short Stories von Alice Munro gelesen habe, ist mir aufgefallen, dass auch hier – ebenso wie in „Traum meiner Mutter – die Hauptfigur Johanna Parry von ihrer Schöpferin Munro trotz zahlreicher milieu- bzw. genetisch bedingter Handicaps als tapfere Glücksritterin ihre Aventuren besteht und alle Hindernisse zum eigenen Mutterglück aus dem Weg räumt.

    Fazit
    Wie bereits in "Traum meiner Mutter" kommt mir vor, dass ich es nicht mit einem 61 Seiten langen Text zu tun hatte, sondern mit einem mehrteiligen Film. Deshalb kann ich nur genießerisch schwärmen: Das Lesen dieser Short Story war ein cineastisches Vergnügen, so paradox das auch klingen mag. Ein besonderes sinnliches Rauscherlebnis bereitete mir die Passage über Ahorn-Holz:


    "… die Möbel waren aus Vogelaugen-Ahorn. Sie fand, sie sahen wunderschön aus, wie Satinbettdecken und blondes Haar."


    Verfilmung
    Mit dem Titel "Hateship, Loveship" wurde die Geschichte 2002 nach dem Drehbuch von Mark Poirier unter derRegie von Liza Johnson verfilmt; (...) Premiere hatte das Werk am 6. September 2013 auf dem Toronto Internatonal Film Festival. (Quelle: Widipedia)


    Autorin


    Alice Munro (Jg 1933) ist eine kanadische Schriftstellerin, die für ihr umfangreiches Erzählwerk mit dem diesjährigen Nobelpreis geehrt wurde, für den sie schon viele Jahre im Gespräch war. In Nordamerika gilt sie schon seit langem als Meisterin der Short-Story. Im Frühjahr dieses Jahres ist ihr zweiter Mann verstorben.

    Mir hat die Passage, wo die Ich-Erzählerin ihre frühere Vermieterin "Die Baronin" besucht, am besten gefallen. Die Kapiteleinteilung nach Wochentagen ist eine sehr gute Erzählidee, denn zum Schluss (2. Sonntag) weiss der Leser, wie die "neue" Woche für die Ich-Erzählerin ausschauen wird.
    Was mir nicht so gut gefallen hat, war diese zu wenig ausgefeilte emotionale Distanz der Ich-Erzählerin zu den Personen, mit denen sie innerhalb einer Woche interagiert hat. Das finde ich - ehrlich gesagt - unglaubwürdig. Mag sein, dass sie NACH ihrem Trauma (Verstoßenwerden durch ihren Ehemann Hubert aufgrund ihrer Taubheit) trotzdem sehr tiefe Verletzungen behalten hat bzw. die Erziehung durch ihre tuberkulosekranken Eltern sie einfrieren hat lassen. Es hat schon seinen Sinn, warum Marlen Haushofer eine Woche im Februar gewählt hat, um den Alltag dieser 0815-Hausfrau zu erzählen.


    Irgendwie bleibe ich mit gemischten Gefühlen zurück und kann das Buch nicht bedingungslos weiterempfehlen.


    Interessant wäre es, zu erfahren, wie das Buch 1969 auf männliche Leser wirkte, denen jegliche Hausarbeit abgenommen wurde...
    :abwasch


    Ich würde mich über eine Diskussion in diesem Thread freuen!


    Larissa