Beiträge von Lee

    Du antwortest jetzt auf einen Beitrag, den ich inhaltlich zum Teil durch meinen letzten Beitrag schon revidiert habe. Da du sonst nur bereits Gesagtes/Diskutiertes wiederholst, beschränke ich mich mal auf eine Beantwortung deiner konkreten Fragen:


    "Die Leute" sind alle, die sich wie ich für historische Romane interessieren. Für mich war es da bislang ziemlich egal, aus welchem Land die kommen. Sofern sie bekannt sind, werden sie auch eine gewisse Qualität erreichen. Ich habe da keinen Unterschied gesehen zwischen Frankreich und China. Aber ich sehe jetzt ein, dass es den durchaus gibt.


    China ist ein Sonderfall, weil das Land nicht etwa wie Japan oder Südkorea eine offene Gesellschaft hat, sondern ein Volk, was unter einem Regime und hinter einer chinesischen Firewall sitzt. Die kommen dort nicht so bequem an amerikanische Produktionen heran wie hierzulande. Insofern stellen sie schon einen Sonderfall dar, wenn es darum geht, dass sich Ostasian ansonsten ganz gerne amerikanische Produktionen ansehen (um mal wieder von Filmen zu sprechen).

    Um euch mal chronologisch "abzuarbeiten":


    Delphin: Selbstverständlich ist eine Übersetzung aus dem Original vorzuziehen, keine Frage. Dass die Übersetzung eines Drittwerks selbst wieder geschützt ist, wusste ich nicht sicher, danke für die Aufklärung.
    Es ist schon richtig, dass die Verlage Wirtschaftsunternehmen sind. Mir fehlt dann an der Stelle irgendeine öffentlich-staatliche Einrichtung/Stiftung/Vereinigung, die Übersetzungen/Eindeutschungen/Herausgaben historisch und kulturell bedeutender Werke der Weltliteratur subventioniert oder in irgendeiner Weise mitfinanziert. Ich kann mir ehrlich gesagt nicht vorstellen, dass es nicht sowas in die Richtung gibt. Dann aber vermutlich nur auf die eigene Landesgeschichte und -kultur bezogen.
    Aber sowas braucht es nicht einmal. Wenn die Verlagswelt etwas innovativer wäre, hätte sie schon mal von dem Zauberwort "Crowdfunding" gehört. Die erfolgreichen Verlage der Zukunft werden das Kickstarter-Konzept kopieren und einfach die Leser entscheiden lassen, welches Werk sie geschrieben oder übersetzt haben möchten. Die Leser finanzieren die Umsetzung vor, wie das derzeit für zehntausende Projekte auf aller Welt passiert. Die Spieleplattform Steam verfolgt mit ihrer Early Access-Kampagne eine verwandte, aber andersgeartete Strategie. Viele Möglichkeiten der Vor- und Mitfinanzierung sind denkbar, man muss sich nur die Systemfrage stellen. Es wird aber noch ein paar Jahre dauern, bis die Verlage dahinter gekommen sein werden, dass das Internet - richtig genutzt - eine mächtige Waffe sein kann. Die einzige Art des Crowdfundings, die Verlage aber bis heute zu kennen scheinen, sind Abonnements.


    Buchdoktor: Verzeih, aber deine Haltung kommt mir etwas elitär vor. Ich hatte beispielsweise keine guten Englischlehrer ("th spricht man wie s!") und habe mein Englisch hauptsächlich von der Realschule, obwohl ich nachher noch studiert habe. Vieles kann ich auf Englisch lesen, aber schon bei Sherlock Holmes im Original wird mir ob der vielen fremden Vokabeln übel. Hättest du die Vokabeln "endeavouring" für "bemühend", "effusive" für "exaltiert" oder "gasogene" für "Siphonflasche" gewusst? Ich jedenfalls nicht. Und bei einem 500-jährigen chinesischen Buch ist es sicher nicht einfacher. Es befehlsmäßig in Englisch zu lesen, kommt daher für mich leider nicht in Frage.


    Ushuaia: Stimmt, kann ich mal machen, wenn ich meinen derzeitigen Bücherstapel abgearbeitet habe. ;)


    magali: Dein Beitrag hat mir ein bisschen die Augen dafür geöffnet, wie langweilig und auch fremd die ganzen Werke sein können. Ich erinnere mich noch daran, dass Darwins "Entstehung der Arten" im Original zu lesen nicht nur unnötig und langweilig, sondern richtiggehend anstrengend ist, so ausführlich er die ganzen Merkmale der Vererbung in ihrer Dutzend- und Hundertschaft aufzählt, während dem modernen Leser drei Sätze zu jedem Kapitel gereicht hätten. Aber er hat das Buch geschrieben, was die damalige Zeit erforderte. In seiner peniblen Detailliertheit ist das Werk heute nicht mehr zeitgemäß.
    Dein Beispiel von 1001 Nacht hat mich überzeugt, dass es vielleicht tatsächlich nicht notwendig ist, gerade als unbedarfter europäischer Leser das Komplettwerk zu lesen. Ich habe immer gern gleich das Komplettwerk, aber das ist so ein Faible von mir, der von meinen zahlreichen CDs, DVDs und BRs stammt, deren Content zumeist wesentlich kurzweiliger ist.


    Ob uns die Filme so befremdlich erscheinen würden, weiß ich nicht. Ich habe schon davon gehört, dass es bei vielen Produktionen europäisierte oder amerikanisierte Fassung gibt. Gerade auch am Beispiel US-Releases japanischer Filme merkt man, dass eine große Nachfrage nach amerikanischer Dramaturgie da ist (oder ist es nur der unterschwellige Rassismus?) Tatsächlich sind ostasiatische Filme oft die letzte Grütze und auch aus China gibts selten Gutes. Vermutlich hast du Recht und es wirkt befremdlich auf uns europäische Leser, wenn plötzlich ein Ehrenselbstmord für den Protagonisten unausweichlich scheint wegen irgendeiner Lappalie. Zumindest wäre es aber interessant, auf diese Weise etwas über eine fremde Kultur zu lernen. Und umgekehrt scheint es ja schließlich auch zu funktionieren, den Sonderfall China mal außen vor gelassen.

    Danke für die bisherigen Antworten!
    Schade, ich hatte irgendwie gedacht, dass so ein Werk massentauglicher sei. Ich hätte vielleicht noch deutlicher darauf hinweisen sollen, dass es sich um einen Roman handelt und damit nicht bloß irgendein trockenes Geschichtsbuch ist. Und dafür, dass es immerhin eine der wichtigsten und vermutlich einflussreichsten Erzählungen aus China ist, könnte man doch meinen, dass es schon seine Leser finden wird. Vor einer "Anpassung" des Inhalts an den deutschen Markt schrecke ich instinktiv zurück, muss aber gestehen, dass ich bisher noch nichts aus China las und ich somit nicht ausschließen will, dass mir das unangepasste Werk doch nicht zusagen würde.


    Ja, ottifanta, ich würde mir die vollständige Übersetzung auf jeden Fall kaufen, weil ich mich neuerdings für derartige Mammutwerke interessiere. Ob ich sie bis zum Ende lesen würde, kann ich dir aber nicht sagen.


    Ob sich das Buch nicht doch rechnen würde, ist halt die Frage. Ich kenne mich mit dem Urheberrecht nicht bis ins Letzte aus, aber theoretisch müsste man - wenn man faul ist - "einfach mal" die englische Version ins Deutsche übersetzen und daraus ein hübsches Buch machen. Es kommen doch so viele Bücher raus, viele davon mit weniger Aussicht auf Erfolg. Für mich wäre da eher die Frage, ob ich damit einen Nischenmarkt bedienen möchte wie die vielen hochpreisigen Wissenschaftsbücher oder aber eine breite Kampagne dafür auffahre und das Buch in alle Läden bringe. Letzteres ist wohl schwierig ohne aktuellen Anlass und ohnehin sehr riskant. Aber da gibts ja noch das schöne Stichwort "Quersubventionierung" und wenn es sich auf Dauer bezahlt macht, kann man es immer noch groß auflegen.
    Ich denke mir daher fast eher, dass es eine solche Schwemme an Jungautoren und Neuerscheinungen gibt, dass der Markt an klassischer und insbesondere ausländischer klassischer Literatur einfach uninteressant wird oder zumindest aus dem Blickfeld gerät. Man hat ja heute schon Schwierigkeiten, Dumas' zweite Fortsetzung der Musketiere zu finden. Und als Beispiel aus der Moderne: Tolkiens 13-bändige "Geschichte von Mittelerde" hat man nach der zweiten Übersetzung bereits aus dem Programm genommen, vermutlich war es zu speziell. Es ist einfacher, den Massengeschmack zu bedienen, indem man einen weiteren Vampirroman herausgibt. Das ist aktuell, das begeistert die Leute. Ich dagegen interessiere mich mehr für historische Romane, denn diese haben bereits die Jahrhunderte überdauert. Die besten Romane sind sowieso zeitlos. Schade, dass solche Werke auf dem deutschen Buchmarkt oft nicht entsprechend gewürdigt werden.

    Hi.


    Ich habe kürzlich von dem Werk "Die Geschichte der Drei Reiche" erfahren (im chinesischen Original "Snguó YÎnyì"). Es handelt sich um eins der bekanntesten chinesischen Bücher und um eins der wichtigsten klassischen chinesischen Bücher. Es diente vielen Autoren und Filmmachern als Inspiration, unter anderem George R. R. Martin für seine "Das Lied von Eis und Feuer"-Reihe. Das Mammutwerk enthält über 1.000 Charaktere und schildert die politischen Wirren im China des 3. Jahrhunderts.
    Es gibt eine englische Übersetzung, von der auch viele Leser sehr begeistert sind. Eine deutsche Übersetzung gibt es wohl auch, wobei die ziemlich unvollständig sein und vieles inhaltlich verändert haben soll, um es an eine europäische Leserschaft anzupassen. Alles in allem nicht wirklich lesenswert.


    Nun ist die Frage - gerne auch an Anwesende aus dem Verlagswesen - warum wird so ein Werk nicht schon längst neu übersetzt, aufgelegt und groß vermarktet? Wäre doch gerade in einer Zeit von Game of Thrones die Gelegenheit. Man müsste sich nicht einmal des Vorwurfes erwehren, im Fahrwasser von Game of Thrones mitschwimmen zu wollen, weil "Die Geschichte der Drei Reiche" bereits vor 500 Jahren veröffentlicht worden ist. Trotzdem ist sie bis heute sehr populär! Nur eben nicht in Deutschland.


    Und jetzt: Freiwillige Verlage vor! :)


    http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Geschichte_der_Drei_Reiche