Beiträge von Peter Prange

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    Original von spike


    Auch Dank von meiner Seite. Ja, die Trepanation gab es in einigen Kulturen. Im christlichen Mittelalter diente sie u.a. dazu, etwaigen Dämonen Austritt zu verschaffen... Das ist der Grund, warum mein wackerer Cornelius zu dieser drakonischen Maßnahme griff. Aber es ist noch nicht das letzte Opfer, das er für seinen Glauben in Kauf nimmt...

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    Original von Bouquineur
    .


    Peter, gibt es Sachbücher oder andere Lektüre über Gracia, die Du empfehlen kannst? Oder generell über die Juden in Europa zu dieser Zeit


    Die erste Darstellung ,meiner Heldin stammt von dem Zeitgenossen Samuel Usquel, der in meinem Roman ja auch vorkommt und darin eine ziemlich wichtige Rolle spielt. Dort wird Gracia bereits als "neue Esther" gepriesen.


    Sehr lehrreich sind die allgemeinen Darstellung des Marranentums in den großen historischen Darstellungen der Judaisten Graetz und Kayserling. Deutsche Monografien zu Gracia Mendes gibt es nicht, doch drei englischsprachige von Cecil Roth, Birnbaum und Brooks. Letzere ist die beste: The woman who defied the kings...

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    Original von LilaBlassBlau
    HIer merkt man langsam finde ich, das Gracia und Scheppering sich eigentlich ganz ähnlich sind. Beide werden nach und nach immer bessesener von ihrem Glauben und schrecken vor nichts zurück um dan diesem fest zu halten.


    ..


    Das ist eine ganz wichtige Beobachtung. Und eine, die mich selbst beim Schreiben immer wieder überrascht und entsetzt hat. Du wirst noch sehen ...


    Schade Beo, ich hatte die Diskussionen mit Dir von den früheren Leserunden in bester Erinnerung. Hätte den Faden gern wieder aufgenommen - gerade bei dieser Geschichte. Keine Figur hat mich selber bisher so sehr mitgenommen wie Gracia Mendes. Diese Frau ist wirklich kein leichter Brocken. Aber sie hat uns, meine ich jedenfalls, immer noch sehr viel zu sagen. - Vielleicht auf ein andermal?!

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    Original von beowulf
    Ich bin immer noch am Zweifeln, natürlich- ich schätze den Autor seit Jahren, geschreiben ist das Buch interessant- aber will ich das wirklich lesen, diesen verbohrten hirnrissigen und engstirnigen Protagonisten folgen wie sie gegen verbohhrte hirnrissige und engstirnige Gegner ankämpfen?


    Ich kann Deine Zweifel bestens verstehen, beo. Aber genau darum geht es mir mit diesem Buch: Was der Glaube mit Menschen anstellt. Im Guten wie im Bösen. Weil wir bis heute mit dieser Frage - bei Gott - nicht fertig sind.

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    Original von Bouquineur


    Lissabon ist wohl immer wieder mal von Erdbeben heimgesucht worden. Das schlimmste gab es, soweit ich weiß, im zwei Jahrhunderte später. Ich bin jedenfalls gespannt, ob die Juden dafür verantwortlich gemacht werden. Wäre ja nicht das erste Mal, dass ihnen die Schuld in die Schuhe geschoben wird.


    In der Tat: DAS große Erdbeben (das Voltaire zum Anlass nahm, um gegen Leibniz´Idee von der "besten aller denkbaren Welten" zu polemisieren, war zweihundert Jahre später. Aber bei dem Beben, das ich hier beschreibe (und für das . "natürlich" - die Juden verantwortlich gemacht wurden), kamen auch weit über tausend Menschen um. Manche Berichte sprechen sogar von zehntausend Opfern.

    Einen schönen guten Abend allerseits. Da es hier noch keine allgemeinen Fragen gibt, möchte ich den reichlich vorhandenen Platz nutzen, um Euch erstmal zu begrüßen. Und mich für die Einladung zu bedanken.


    Ich freue mich auf die Leserunde mit Euch.

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    Original von drehbuch
    hallo, peter prange,


    möchtest du uns hier oder in dem betreffenden thread etwas über die zusammenarbeit mit readers erzählen? ich fände es sehr interessant!


    aber gerne: Die Zusammenarbeit mit Reader´s Digest hat bei mir schon Tradition. Alle meine Romane, vom Bernstein-Amulett angefangen, sind in einer gekürzten Fassung in den Auswahlbüchern erschienen, und auch den Harem wird es dort nächstes Jahr geben. Für viele Autoren ist die Vorstellung ein Horror, dass Passagen, für die sich die Seele aus dem Leib geschrieben haben, der Kürzung zum Opfer fallen. Und ich gebe zu: mir tut das auch manchmal verdammt weh (wenn Du meinst, Du hast nichts vermisst, dann kannst Du ja mal das Original gegenlesen). Doch andererseits sind die Auswahlbücher ein toller Test - ob ein Stoff nämlich imstande ist, auch ein großes Publikum zu erreichen. Das sehen übrigens auch andere so: Dass mein Bernstein-Amultett verfilmt wurde, habe ich nicht zuletzt der Tatsache zu verdanken, dass der Roman gleich mehrfach von Reader´s Digest herausbracht wurde - eines der stärksten Argumente für die Produzentin Regina Ziegler, mit denen es ihr gelang, die ARD für die Verfilmung des Stoffes zu gewinnen.

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    Original von SiCollier
    was dürfen wir denn als nächstes für ein Buch von Peter Prange erwarten ?


    Wie soll ich das wissen? Schließlich ist es mein Ehrgeiz, mich immer wieder selbst zu überraschen ... Im Ernst: Habe drei Roman-Ideen und (leider) auch drei Sachbuch-Ideen. Bin gerade mit meinem Verleger und Agenten im Gespräch, in welcher Reihenfolge ich die Bücher schreiben werde. Ach, die Zeit ist viel zu kurz... Had we but world enough and time...

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    Original von milla
    Ich brauche deshalb auch keine Fortsetzung, denn die Geschichte des letzten Harems ist ja eigentlich erzählt. Und die beiden Frauen, mir gefällt es zu überlegen oder zu fantasieren, was das Kismet mit den beiden noch vor hat.... ;-)


    Genau! Und deshalb habe ich wirklich keine Sekunde daran gedacht, irgendwann noch eine Fortsetzung zu schreiben (by the way: bringt ja nicht meinen Verleger auf dumme Gedanken, sonst setzt der mir noch die Pistole auf die Brust). Die Geschichte gelangt an ihren Schluss, wenn der Leser, pardon, milla: die Leserin, das Kismet übernimmt. Schöner kann es für einen Autor nicht sein.


    Jetzt muss ich Koffer packen, morgen fahre ich nach Frankfurt. Doch zuvor möchte ich mich sehr herzlich bei Euch bedanken. Die Leserunde hat mir großen Spaß gemacht und mir - so komisch es vielleicht klingt - mein eigenes Buch noch ein Stück näher gebracht.

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    Original von taciturus
    Ich fand das Ende auch so passend. So kann sich auch jeder selbst weiterdenken, ob er die Fahrkarten nur als Erinnerung mitnahm oder ob er sie auch verwendet hat und ob er, wenn ja auch zur Vorstellung ging und wenn ja, ob er sich dann versteckt hat und wenn nein, ob er dann bei Elisa geblieben ist.


    Nach einem Stoff für eine Fortsetzung klingt das für mich aber eher nicht.


    Genauso war das Ende gemeint: "Machen Sie damit, was Sie wollen" - dieser Satz des Kommissars richtet sich nicht nur an Felix, sondern auch und vor allem an die Leser. Jeder kann sich das Ende so im Kopf bauen, wie er die Logik der Figuren und der Ereignisse versteht (sozusagen nach dem Ikea-Prinzip). Und wenn ein Buch noch nachwirkt, auch wenn man es zugeschlagen hat, ist es ja auch kein Schaden.


    Zu 1. Ja, so ein Haremstheater hat es wirklich gegeben, eine kleine Truppe von ehemaligen HAremsdamen und ein paar Eunuchen, die mit dieser "Show" durch Europa tingelten. Es gibt sogar ein Foto davon, ein unblaublich trauriges Bild, abgedruckt in Gost: Harem.


    Zu 2. Ja, es hat erhebliche Schiebereien gegeben, auch von Politikern, die künstlich Lebensmittel und andere wichtige Produkte verknappten, um doppelten Profit zu machen. Auch hat es 1918 ein Lebensmittelprogramm mit deutscher Unterstützung geben, genauso wie die deutschen Aspiratioen auf die Ölfelder von Mosul. Die Verknüpfung dieser und anderer Ereignisse aber in der Aktion "Brot gegen Öl" ist meine Erfindung.

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    Original von SiCollier


    Ja, mit den Kurden habe ich auch so meine Probleme. Es wäre schön (und ich wäre sehr dankbar) wenn Peter ein paar Erklärungen zum historischen Kontext geben könnte. Konkret: was hatten die Kurden gegen die Armenier? Daß die Türken die Schmutzarbeit gerne anderen überließen (was wohl auf jeden bzw. jedes Volk zutrifft, also hier in diesem Zusammenhang kein Vorwurf sein soll), kann ich nachvollziehen. Aber warum die Kurden? Das hat sich mir nicht erschlossen.


    Das osmanische Reich war ein Vielvölkerstaat, der größte der Geschichte überhaupt seit dem Römischen Reich. Es ist also nur natürlich, dass es Konflikte gab, sowohl einzelner Ethnien untereinander wie auch bestimmter Einzelgruppen mit der Zentralregierung. Dies betraf insbesondere kurdische und armenische Bevölkerungsteile. Bereits Abdülhamid "löste" dieses Problem (s. Prolog), indem er der einen Ethnie (den Kurden) gewisse Hoheitsrechte (z.B. Steuereintreibung) über eine andere Ethnie (den Armeniern) übertrug. Diese Praxis haben die Jungtürken 1915 offenbar in einigen Gegengen analog übernommen, indem sie Teile der Deportationen von Armeniern durch Kurden ausführen ließen.

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    Original von SiCollier


    Doch zunächst eine Frage an den Autor:
    Gibt es für die Schilderung des Massakers an den Armeniern zu Ende dieses Teiles ein historisches Vorbild bzw. entsprechende, möglicherweise sogar, Augenzeugenberichte, oder entspricht das der dichterischen Phantasie?


    Bei der Schilderung der Vorgänge in der Kamahschlucht habe ich mich auf Augenzeugenberichte gestützt. Quellen findest Du im bibliografischen Anhang von Hosbach: Operation Nemesis. Interessant sind auch die Prozessunterlagen von türkischen Gerichten unmittelbar nach dem ersten WEltkrieg, die die Geschehnisse in eigener Gerichtsbarkeit aufarbeitn. Ein paar Stichworte dazu im Anhang meines Romans, S. 568f.

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    Original von Deutschebea
    [quote]Original von beowulf


    Ich werde mich auf jeden Fall mal nach dokumentarischen Büchern zu dem Thema umschauen.


    bea


    Die wichtigste historische Darstellung in deutscher Sprache, allerdings in etwas allzu proarmenischer Parteilichkeit, findest Du bei Hosfeld: Operation Nemesis, erschienen bei KiWi in den 90er Jahren. In der Bibliographie jede Menge Angaben von Zeitzeugen, vor allem von Pastor Lespisus, den ich auch im Roman erwähne, und die Zeitzeugensammlung von Vierbichler oder Vierbüchler (zitiere gerade aus dem Kopf).

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    Original von SiCollier


    Fatima scheint ja eine gewisse Anlage zur Alkoholikerin zu haben. Und bei diesem Thema: woher kommt eigentlich der viele Alkohol? Soweit ich weiß, dürfen Moslems doch keine alkoholischen Getränke zu sich nehmen? :gruebel


    Natürlich ist Alkohol für Muslime verboten. Doch gerade die VErletzung des TAbus ist der springende Punkt. Wenn ein Mensch tut, was er eigentlich unter keinen Umständen darf, dann muss diese Tabuverletzung einen tiefen Grund haben. Frag Dich doch einfach selber, unter welchen Umständen Alkohol die letzte Lösung wäre... Siehst Du - und diese Motivation gilt, weil verboten, hoch drei für Fatima. Die Tabuverletzung sagt immer mehr über einen Menschen aus als die Befolgung eines Tabus.

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    Original von beowulf
    mancher von uns könnte problemlos so einen liebenswerten Familienvater, Mitglied bei den Rotariern und im Golfclub, zu seinen Bekannten oder gar Freunden zählen.


    Vorsicht, Beo: Rotarier bin ich auch - aber hoffentlich doch kein Taifun... Ansonsten voll d´accord! Das war der Taifun, den ich meinte. Und von dem wir alle ein bisschen in uns haben.

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    Original von SiCollier


    Und bedeuten die Worte „Kalif“ und „Sultan“ das gleiche? Beide tauchen immer wieder auf, aber ich bin mir nicht sicher, ob es zwei Worte für das gleiche Amt / die gleiche Funktion sind oder ob verschiedene Bedeutungen dahinter stehen.


    Edit. Ergänzung.


    "Sultan" ist ein rein weltlicher Titel, der in etwa dem europäischen "Kaiser" entspricht. "Kalif" bedeutet ursprünglich "Stellevertreter des Propheten", seine Funktion ist "Schutzherr der Muslime", also der oberste weltliche Repräsentant der islamischen Glaubensgemeinschaft, doch ohne theologische Funktion. Er hatte in dieser Eigenschaft eine Reihe von Pflichten zu erfüllen, zum Beispiel Besuch des Freitagsgebets. Kam der diesen nicht nach, so hatte der Scheich-ul-Islam als der oberste theologische Glaubenshüter das Recht, den Kalifen, sprich: den Sultan abzusetzen. So geschieht es ja auch im Roman, bzw. geschah es mit Abdülhamid tatsächlich 1909 während der Revolution.

    [quote]Original von SiCollier



    Direkt zum Buch noch folgende Frage an den Autor:


    Auf Seite 273, die Beschreibungen von Konstantinopel anhand der Fotos, gab es dafür reale Vorlagen (also alte Photographien), oder entspringt das der dichterischen Phantasie?



    [quote]


    Ja, diese Fotos hat es wirklich gegeben, genauso wie im Roman. Abdülhamid hat sich gegen Ende seiner Herrschaft kaum noch aus dem Palast getraut, nur zum Freitagsgebet - dazu war er gezwungen, sonst hätte der Scheich-ul-Islam das Recht gehabt, ihn als Kalifen = Oberhaupt der Muslime abzusetzen. Und weil Abdülhamid nicht aus seinem Palast kam, ließ er diese Fotos machen, damit er eine Vorstellung von seiner Hauptstadt hatte. Ich gebe zu: fast unvorstellbar. Aber wahr.