Beiträge von Peter Prange


    Oberflächlich betrachtet, besteht kein Zusammenhang. Im "Dunkel meiner Seele" hingegen sehr wohl. Meine Trilogie - Principessa, Philosophin, Rebellin - war so etwas wie der Versuch, eine Art Kulturgeschichte der europäischen Neuzeit in Gestalt von drei Romanen zu schreiben. Das Thema, das die drei Romane miteinander verband, war die Suche des Menschen nach dem Paradies auf Erden. Insofern ist es sicher nicht zufällig, dass mir gegen Ende dieser Arbeit der Gedanke kam, eine Skizze des europäischen Wertekosmos zu versuchen, in einer Mischung von eigenen Essays und wichtigen Texten der europäischen Geistesgeschichte.


    Zu Deiner zweiten Frage: Die Enzyklopädie von Diderot und d´Alembert steht noch heute in allen großen Bibliotheken. Eine sehr schöne, natürlich gekürzte Sonderausgabe wurde vor einigen Jahren bei Eichborn publiziert. Schließlich gibt es noch eine stark komprimierte Taschenbuchausgabe, die noch zu DDR-Zeiten besorgt wurde. Kurz: Die Enzyklopädie lebt nach wie vor sehr munter weiter.

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    Original von ottifanta
    Habe eine Frage zu den gekürzten Hörbuchversionen. Wer nimmt die Kürzungen vor? Sie selbst oder jemand vom Verlag? Wieviel Mitspracherecht haben Sie dabei?


    Ich schwanke gerade zwischen den Hör- und Buchversion von "Der letzte Harem" und "Der Gottessucherin", möchte aber nichts Wichtiges verpassen und tendiere deshalb momentan zu den Buchversionen.


    Die Hörbuchversionen werden ohne mein Zutun hergestellt. Anfangs hat man mich mal gefragt, ob ich mich daran beteiligen möchte, aber nach reiflicher Überlegung habe ich abgelehnt. Das wäre so ähnlich, wie wenn ein Chirurg sich an der Amputation seiner Kinder beteiligen würde. Ich höre mir die fertigen Fassungen darum auch nicht an. Durch Zufall habe ich aber Frau Dr. Kreiß kennengelernt, die die meisten meiner Hörbücher besorgt. Sie ist selbst Autorin und macht einen ebenso gewissenhaften wie kreativen Eindruck. Ihr gehört mein "blindes Vertrauen". Und es freut mich sehr, dass sich hier mein Eindruck bestätigt.

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    Original von Bouquineur
    Warum ist Süleymans Einfluss auf die westliche Welt so groß gewesen? War seine Macht so groß, dass die westlichen Herrscher Angst hatten, er würde sie mit einem Krieg überrollen? Für den Waffenstillstand mit dem Habsburger Reicht wurde ihm Geld gezhalt. Das war dann wohl die einzige Möglichkeit, ihn vom weiteren Vorrücken abzuhalten.


    Ja, Süleyman war der mächtigste Herrscher der damaligen Zeit. Und ja, er hat tatsächlich mit Krieg gedroht, wenn Gracia die Ausreise verweigert. Und noch einmal ja - diesem Druck wurde dann schließlich nachgegeben.

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    Original von Bouquineur


    Ist dieses Buch Gracia wirklich zum Verhängnis und ihr als Aufzeichnung ihrer "Verfehlungen" zur Last gelegt worden?


    Nein, das war eine interpretierende Zuspitzung von mir. Die aber darin ihren Grund hat, dass Gracias Ruf als Führerin ihres Volkes ihr oft tatsächlich geschadet hat. Ihre Fluchthilfe sprach sich ja nicht nur bei ihren Glaubensbrüdern herum, sondern auch bei ihren Widersachen. Sodass jeder Lobpreis auf sie eine zusätzliche Gefahr für sie bedeutete.

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    Original von Bouquineur


    Wenn ich Deinen Ausführungen über den Talmud folge, muss ihr Verhalten für die männlichen Juden doch ein Frevel gewesen sein. Einerseits setzen Sie Gracia auf einen Thron, andererseits sagt der Talmud, dass ein Weib, das seine Stimme vor den Männern erhebt, eine Hure ist. Warum hat man ihr ihr Handeln nachgesehen? Weil man sie für eine wiedergeborene Esther gehalten hat?


    Genau dieser "Widerspruch" macht ja einen Teil von Gracias Größe aus, aber sicher auch von ihrer permanenten inneren Gefährdung, über das Ziel hinaus zu schießen und jedes Maß zu verlieren. Obwohl sie eine Frau ist, lebt sie in dem BEwusstsein, dass die Vorsehung ihr eine Mission auferlegt hat, an der auch jeder Mann zugrunde gehen würde. Dieses Gefühl der Erwähltheit entgegen ihrer Stellung als Frau, ist eine Bürde, die immer wieder viel zu schwer für sie ist - und die sie nur glaubt, mit doppeltem Glaubenseifer tragen zu können. Das ist ihr ewiges Dilemma - weshalb wir sie gleichzeitig bewundern für ihre Kraft und ihren Mut, und gleichzeitig an ihr verzweifeln, wenn sie für Ihre Mission alle Rücksichten außer Acht lässt..

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    Original von Bouquineur


    Wie hat man sie daran gehindert? Ihnen das einfach untersagt? Die Aussicht auf niedrigere Steuern hat doch sicher den ein oder anderen dazu bewogen, gerne konvertieren zu wollen.


    Eben, und deshalb hab man sie als Muslime nicht anerkannt. Weil umgekehrt dem Sultan die Aussicht auf geringere Steuererträge nicht besonders attraktiv erschien. Ja ja, manche Dinge bleiben sich über die Jahrhunderte gleich...

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    Original von Bouquineur
    Mich interessiert brennend, was Dein nächstes Projekt sein wird :-)


    Wird wieder eine historische Person im Mittelpunkt stehen?


    Historisch schon, aber aus dem 20. Jahrhundert. Die Amour-Fou-Geschichte zweier Künstler, deren Vorstellung von einem Paradies aus Liebe und Kunst durch den zweiten Weltkrieg mehr als auf dei Probe gestellt wird. Bin schon beim Schreiben - mit großem Vergnügen. Nicht zuletzt deshalb, weil ich mich dabei mal wieder in meiner eigenen Sprache austoben darf.

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    Original von spike


    Es ist sicher auch ein Thema das ich mich noch weiter vertiefen möchte.


    Was Schöneres kann ich mir als Autor nicht wünschen. Weil die Fragen, um die es in Gracias Geschichte geht, ja bis heute noch keine Antwort gefunden haben. Und vielleicht ja auch gar keine wirklich abschließende Antwort je finden können.

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    Original von Richie
    Es würde mich auch interessieren, was es mit der Farbe GELB auf sich hat.


    Das sogenannte Judenabzeichen zur Kenntlichmachung der Juden geht in manchen Ländern bis auf das 8. Jahrhundert zurück. Dazu waren bestimmte Hüte, Ringe, Kappen, Tücher usw. vorgeschrieben. Art, Farbe und Größe waren in den einzelnen Ländern und Gebieten anfangs verschieden, ab dem 16. Jahrundert setzte sich allerdings die Farbe gelb durch. Meine Vermutung: die Vereinheitlichung des Abzeichens könnte mit der Internationalisierung zu tun haben - die Juden und Marranen breiteten sich einerseits in immer mehr Ländern aus, weil sie andererseits in immer mehr Ländern stigmatisiert und verfolgt wurden.

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    Original von Richie


    Samuel hat sein Buch fertig, es scheint wirklich ein einzigartiges Werk gewesen zu sein.


    Samuel Usque hat es wirklich gegeben. Und das Buch, das er geschrieben hat - Die Consolationes - auch. Es war tatsächlich Gracia gewidmet, und es beinhaltet die erste Darstellung ihrer überragenden Lebensleistung und Bedeutung für das jüdische Volk. Es gibt das Buch heute noch in Uni-Bibliotheken, auf Portugiesisch, auf Latein und - zum Glück - auch in einer englischen Übersetzung.

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    Original von spike


    Ich kann Brianda verstehen das sie endlich mal über ihr leben bestimmen möchte. Auch wenn sie sehr naive gründe hat. Aber wenn sie Tristan heiratet könnte er einfach so vom Ghetto in die Stadt ziehen?


    Wenn Gracia flieht wird bestimmt Brianda recht auf das Erbe bekommen. Was passiert dann mit der Firma Mendes?


    Der Konflikt zwischen den beiden Schwestern war mir auch und vor allem aus heutiger Sicht wichtig. Es ist der Konflikt, in den jeder Mensch gerät, der - aus welchen Gründen auch immer - in einer ihm fremden Kultur lebt. Soll er sich anpassen? Oder soll er alles daran setzen, seine eigene Identiät zu wahren? Beide Optionen sind gleichermaßen verständlich und berechtigt. - Ich bin mit einer Türkin verheiratet und kenne sehr viele Türken, die in Deutschland leben. Und genau unter diesem Zwiespalt ihr Leben lang leiden.

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    Original von spike
    Mich hat es etwas gewundert das Frauen zu dieser Zeit ohne Anstandsdame oder Begleiter Reisen konnte. Oder war das eine ausnahm


    Deine Verwunderung ist berechtigt. Normalerweise reisten Frauen nur in Begleitung. So wie Brianda. Die ja von einem ganzen Konvoi beschützt wird. Doch Gracia ist ja - historisch gesehen - eine geradezu unglaubliche Ausnahmeerscheinung. Fast alles, was sie in ihrem Leben getan hat, ist vollkommen untypisch für eine Frau der damaligen Zeit. Das hat mich vom ersten Moment so sehr an ihr fasziniert. Die erste Info, die ich über sie erfuhr, war, dass der Sultan angeblich eine jüdische Kauffrau am Hof empfangen habe - eine Ungeheuerlichkeit für die damalige Zeit. So bin ich überhaupt auf ihre Spur gelangt.

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    Original von Richie
    Samuel findet seinen Bruder glücklich in einer christlichen Familie. Soll er ihn dort wirklich rausreißen, damit sie wieder zusammen sind oder soll er ihn dort zurücklassen. Das war - finde ich - eine sehr schwierige Gewissensfrage. Er hat sich entschieden und nimmt ihn mit an Bord, wo er dann erkrankt und schlußendlich durch ein Messer getötet wird. Das war bitter!!


    Was mir dabei auch besonders wichtig war: Nicht alles Christen haben sich an der Verfolgung der Juden und Marranen beteiligt. Es hat auch solche gegeben wie Benjamins Zieheltern. Das als - historische - Grundlage für Samuels Konflikt. Sein Eingreifen ins Schicksal wird so zum persönlichen Drama.

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    Original von Waldmeisterin
    In diesem Abschnitt ist mir eine Kleinigkeit besonders aufgefallen: Bei der Entschlüsselung der Zahlen sucht Scheppering nach einem bedeutenden Datum und kommt auf die Hochzeit von Gracia und Francisco, mit dessen Hilfe sich die Zahlen dann letztendlich entschlüsseln lassen. Dabei wurde doch das genaue Hochzeitsdatum, wenn ich das eingangs richtig verstanden habe, recht kurzfristig festgelegt (Regelblutung...) und konnte somit am Anfang des Jahres doch noch gar nicht bekannt sein???


    Das ist wirklich sehr scharf mitgedacht. Chapeau! Allerdings befinden wir uns jetzt Jahre nach der Hochzeit. Cornelius hat im Nachhinein das richtige Datum in seinem Dossier notiert.

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    Original von Bouquineur
    [quote]Original von spike


    Konstantinopel, die Zuflucht der Juden. Eigentlich erstaunlich, dass damals etwas funktioniert hat, was heute nicht mehr denkbar ist: Ein friedliches Zusammenleben von Muslimen und Juden. Süleyman, muslimischer Herrscher, der es schätzt, Juden in seinem Reich zu haben.


    Erstaunlich vor allem aus heutiger Sicht, da wir den Islam mit Intoleranz und Fanatismus identifizieren. Damals verhielt es sich genau umgekeht. Allerdings auch nicht aus reiner Wohltätigkeit. Süleyman hat Andersgläubige gern in seinem Reich aufgenommen, weil er von ihnen höhere Steuern kassierte als von Rechtgläubigen. Weshalb manche, vor allem reiche Christen und Juden, die im Osmanischen Reich zum Islam konvertieren wollten, sogar daran gehindert wurden.

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    Original von Bouquineur
    S. 19 - Spanische Türme


    Gibt es aus dieser Zeit in Antwerpen noch Gebäude oder sogar die hier erwähnten spanischen Türme?


    Ja, das sind die herrlichen Bürgerhäuser schräg gegenüber und in der Verlängerung des Rathauses. Sind heute noch zu besichtigen. Ganz eindeutig geht aus den Quellen leider nicht hervor, welches Haus Diogo Mendes gehörte. Vermutlich das mit dem goldenen Pferd auf dem First.l

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    Original von Richie


    Nachdem sie ihren Ehemann nicht freiwillig geheiratet hat, ihm dann aber doch sehr zugetan war, hatten sie am Schluß ein gutes Verhältnis. In diesem einvernehmlichen Zustand erstickt sie ihn dann eigenhändig mit einem Kissen, um seinen letzten Willen zu erfüllen - für mich persönlich sehr schwer nachvollziehbar. :lesend


    Was uns heute schwer nachvollziehbar scheint, war damals gar nicht so selten. Es kam öfters vor, dass zwangsgetaufte Juden auf dem Sterbebett ihre Angehörigen baten, sie zu töten, bevor der Priester mit der letzten Ölung kam. Sie hatten Angst, sonst womöglich mit ihren Peinigern im selben Jenseits zu landen. - Für mich ist das eine Schlüsselszene: Die Tötung des Geliebten als letzter Liebesbeweis - etwas Schmerzlicheres kann man von niemandem verlangen. Hier tut Gracia etwas, wozu nur wenige Menschen imstande sind. Hierin erkennen wir ihre Größe - und zugleich das, was uns an ihr erschreckt.

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    Original von Bouquineur
    Judentum und Christentum haben offenbar auch eine ganz unterschiedliche Auffassung von körperlicher Liebe in der Ehe. Die wird ja im Judentum offenbar groß geschrieben und ist ein wichtiger Standpunkt (erfreut euch aneinander) während sie im Christentum eher der Fortpflanzung dient. Wenn ich mich recht erinnere, ist den Christen nicht gestattet, beim Sex Lust zu emfpinden.


    Wichtiger Aspekt: Im Christentum ist und bleibt Erotik ein notwendiges Übel, selbst in der Ehe. Die Frau verliert in der Hochzeitsnacht buchstäblich ihre "Unschuld". Ganz anders im Judentum: Da gilt Erotik als ein wunderbares Geschenk. ABER: Es darf nur zu bestimmten Zeiten genossen werden - Übertretungen des Tabus sind eines der schlimmsten Vergehen. - Genau das ist das gefährliche Spiel, das Gracia spielt...