Beiträge von Sybil Käsedick

    Ich selbst bin ein unheimlich ambitionierter und begeisteter Terry Pratchett - Leser und liebe seine und Andreas Brandhorst' Arbeit einfach. Dementsprechend Feuer und Flamme war ich auch, als der neue Band "Steife Brise", oder auch "Snuff" im Englischen, herauskam und konnte es kaum abwarten, ihn zu lesen.
    Dann fand ich allerdings heraus, dass der neue Roman nicht von Andreas Brandhorst übersetzt wurde, sondern von diesem Gerald Jung! ... Na ja, dachte ich mir, vielleicht hat er es ja gar nicht mal so schlecht gemacht, es geht immerhin um Mumm, eine meiner absoluten Lieblingsfiguren. Die Enttäuschung ließ aber nicht lange auf sich warten: denn schon bald stellte ich fest, dass das altbewährte "Herr" grausamerweise durch "Chef" ersetzt wurde, als Anredeform wurde "Euch" und "Sie" eingesetzt, was den Dialogen (die es ja reichlich gab) an sich der charakteristischen und authentischen Redensart beraubt, und Durmknott nannte Vetinari "Mylord" - bisher noch Dinge, über die man hinwegsehen könnte (wobei ich ab dem ständigen "Ja, Mylord, natürlich Mylord, Ihr habt Recht, Mylord" schon Probleme damit hatte ...) - eine Meinung, die sich schlagartig ändert, spätestens wenn man auf Seite 60 irgendwo zum ersten Mal das Wort "Bulle" entdeckt, und sich später Mumm auch noch selbst als "Bulle" bezeichnet! Und es kommt noch besser, denn irgendwann stellt man auch noch fest, dass der kleine Sam von Gerald Jung gnadenlos in Klein-Sam umbenannt wurde, Igor sich hartnäckig partout weigert, zu lispeln und Detritus auf einmal einen "Fetzenmacher" hat. Irgendwann hatte ich das Gefühl - nein, nicht irgendwann, ehrlichgesagt schon auf Seite 20 - dass das Buch von einem vollkommen anderen Autor geschrieben wurde. So viel zu dem Übersetzer, nein, ich sollte vielmehr sagen, zu diesem Möchtegern - Übersetzer, der es einfach nicht schafft, Terry Pratchett richtig zu übersetzen. Auf Seite 120, bei, und ich zitiere: "Mumm hörte das leise Wimmern der Angst in der Stimme des Mannes, aber alte Bullen waren zäh. Wer nicht zäh war, wurde kein alter Bulle. "Ich lasse Sie gleich los, mein Herr", sagte Mumm, was im Bullencode "erbärmliches wimmerndes Arschloch" heißt." wurde mir regelrecht schlecht und ich unterbrach meine Lektüre für zwei Stunden, in denen ich "Die Nachtwächter" hastig in mich aufsog, um das Wort "Bullencode" nicht mehr ständig zu sehen. Letzendlich habe ich mich aber doch zusammengerissen und weiter gemacht, wobei ich mir eine Art Mantra ("Es ist von Terry, es ist von Terry") aufsagen musste. Es erschien irgendwie so, als ob Jung schlicht und einfach überhaupt keine Ahnung von dem hatte, was er übersetzte, und wenn doch, dann tat er es mit solch einer Lustlosigkeit, dass man sich fragt, ob er seinen Job überhaupt ernst nimmt. Die halbwegs lustigen Stellen konnte ich nur erahnen, während ich bei einem anderen Buch, zum Beispiel bei "Wachen!Wachen!" schon halb über meinem Stuhl gehangen hätte. Manche Ausdrücke beließ Jung einfach so wie im Original, wie zum Beispiel die Namen der aufgeführten Gerichte.


    Das Buch wirkt recht losgelöst und ohne Bezug zu den anderen, obwohl es eigentlich eine Fortsetzung von "Klonk!" sein sollte. Auch Mumm wirkt in dem Buch seltsam distanziert und vollkommen anders als in den bisherigen Bänden (Zum Beispiel braucht man eine Lupe, um in diesem Buch auch nur den Hauch einer zynistischen Bemerkung zu finden).
    Auch Mumms Beziehung zu dem kleinen Sam hatte ich mir irgendwie ... anders vorgstellt - ich meine, dass der Junge plötzlich ganz wild auf "Fäkalien" (heißt es nicht eigentlich "Fikalien"??) ist, kommt doch total unerwartet! Ich - und bestimmt auch viele andere - haben sich doch so etwas vorgestellt, wie in der Richtung, dass er Mumm als Vorbild sieht und unbedingt Wächter werden will, oder so. Oder zumindest eine Begeisterung für Drachen entwickelt, aber nicht für Kaka, das ist doch ekelhaft!
    Gut, ich schätze, dass die Hauptperson merkwürdig distanziert wirkt und die anderen Personen auch anders, liegt auch daran, dass Terry Pratchett an Alzheimer leidet.


    Zu der Handlung: ... äh ... gab es eine? Wenn ja, war sie sehr, sehr, sehr, sehr ... sehr absehbar. Die vorher groß angekündigten und großartig gelobten "Verfolgungsjagten zu Fluss" waren ehrer vom Typ "Hey-ich-denke-ich-mache-es-mir-jetzt-in-meiner-Kabine-bequem-und-lasse-alle-anderen-die-Arbeit-machen-mal-schauen-wie-die-ganze-Sache-morgen-aussieht!" und außerdem langweilig. Wie gesagt, gab es nicht wirklich viel Handlung, die meiste Zeit wurde viel geredet, und selbst diese Dialoge erschienen recht langatmig und geschmacklos, vielleicht auch wegen dem "Sie" und dem ständig wiederholten "gnädiger Herr", wenn jemand mit Mumm sprach - was doch sehr häufig vorkam.


    Mich hat sehr die neue Haltung von Mumm gestört: in den Büchern vorher kannte man ihn als einen etwas bärbeißigen, aber doch freundlichen, zynischen und humorvollen Kommandeur, der zwar nicht der schnellste Denker ist, sich aber trotzdem nicht leicht an der Nase herumführen lässt; ein Mann, der eine Abneigung gegen das Herzogs-dasein hat, als rau und hart gilt, aber leicht verzweifelt und sentimental sein kann, zum Beispiel in Gegenwart seines kleinen Sohnes. er sieht sich selbst nicht als Helden und verabscheut die ganze Aristokraten, mit denen er es immer öfter zu tun bekommt. In "Steife Brise" hingegen hat man das zynische irgendwie aus ihm herausgequetscht wie aus einer reifen Zitrone, und er zeigt eine verstärkte Haltung der Art, die der andere Sam Mumm - also der, aus den Romanen davor - so an den Aristokraten hasste. Zudem wirkt er unglaublich arrogant, und hat sich eine Unantastbarkeitseinstellung angeeignet. Selbst, als er mit dem kleinen Sam unterwegs ist, wirkt er seltsam abwesend und distaniert.


    Alles in allem hatte ich doch wirklich viel, viel mehr erwartet, von meinem Lieblingsautoren. Aber wie gesagt, Alzheimer.
    Ich frage mich nur, warum sie an die Scheibenwelt nur so grottenschlechte Möchtegern - Übersetzer ranlassen, die davon überhaupt keine Ahnung haben! (Was meinte Jung, welches Jahrhundert ist? Das des Dackels? Pff, es ist das Jahrhundert des FLUGHUNDS!) :fetch


    Ich kann nur hoffen, dass Andreas Brandhorst seine Arbeit bald wieder aufnimmt ... na ja, wer weiß ... vielleicht hätte sogar er nicht mehr viel bei dem Buch retten können - aber um darüber urteilen zu können, muss ich es erst auf Englisch lesen!
    Aber ich weiß auf jeden Fall, was ich mit Gerald Jung machen werde, wenn ich ihm begegne: ihn ordentlich für das "Bulle" in jeder dritten Zeile zusammen stauchen! :hau



    Sybil Käsedick