Beiträge von Andrea Martini

    Birgit Vanderbeke
    Die Frau mit dem Hund
    München : Piper, 2012
    148 S., Hardcover, 16,99 €


    Autorin: (aus dem Klappentext)
    Birgit Vanderbeke, geboren 1956 in Dahme, lebt seit vielen Jahren in Südfrankreich. Ihre Bücher »Das Muschelessen« und »Alberta empfängt einen Liebhaber« wurden vielfach preisgekrönt und waren große Kritiker- und Publikumserfolge. Neben der »Gebrauchsanweisung für Südfrankreich« erschien zuletzt der so charmante wie hintersinnige Roman »Das lässt sich ändern«.


    Inhalt:
    Die Autorin führt uns in eine nahe, mögliche Zukunft. Ein nicht näher bezeichneter Krieg, in dem es „irgendwann gegen die eigenen Leute ging“, ist zu Ende. Es herrschen friedliche Zeiten. Verantwortlich dafür ist die „Stiftung“. Viele Menschen sind ihrem Ruf gefolgt, haben sich in Städten registrieren lassen und fristen nun dort ihr Dasein, nachdem die Dörfer eines nach dem anderen „vom Netz genommen“ worden sind. Alles außerhalb der Städte und die aufgegebenen Vororte sind „Detroit“. Dort gibt es all die gefährlichen Dinge, die es in der Stadt nicht mehr gibt: Tiere, Krankheiten, Keime. Gegen sie schützt sich die Stadt durch Zäune.
    Unter der Obhut der „Stiftung“ erhalten die Menschen Wohnung, vorgefertigtes Essen - so viel sie brauchen, nicht mehr und nicht weniger - und Beschäftigung. Sei es in stiftungseigenen Betrieben, wie die Wäscherei, in der Jule Tenbrock arbeitet und die sich um die Wäsche der gesamten Stadt kümmert, oder bei ‚freiwilligen‘ gemeinnützigen Diensten, wie etwa den Aufbauarbeiten zum „Oktoberfest“, für die Timon Abramowski sich gemeldet hat. Für ihre Tätigkeiten erhalten sie Punkte auf ihrer Di-Card gutgeschrieben, die sie für Freizeitvergnügungen ausgeben können. Timon Abramowski lädt sich alte Filme für die Punkte. Jule Tenbrock mag schöne Dinge, und Clemens. Mit den Punkten auf ihrer Di-Card will sie ein Tafelservice erwerben, das ihr der Homeshopping-Kanal anpreist und mit dem sie Clemens bei einem romantischen Diner beeindrucken will.
    Doch dazu kommt Jule nicht. Eines Tages kauert vor ihrer Tür eine Frau. Mit einem Hund. Jule weiß selbst nicht, warum sie es tut, aber sie gewährt der Frau Einlass in ihre Wohnung, lässt sie sogar dort übernachten und gibt ihr zu Essen. Jule ist froh, sie am nächsten Morgen wieder los zu sein.
    Jules Nachbar Timon Abramowski nimmt sich der Frau an. Sie ist schwanger. Seine Mutter hat damals ohne sein Wissen seine Bewerbung an die „Stiftung“ abgeschickt. Die Frau, die sich als Pola Nogueira vorstellt, erinnert ihn an seine Kindheit in einem Dorf, als er noch das kleine Kino besaß und seinen Hund Abraxus, der während einer Epidemie eingeschläfert wurde – wie fast alle Hunde. Er beschließt, sich um sie zu kümmern. Wenigstens, bis das Kind da ist. Auf dem Dachboden richtet er ein Haus im Haus für sie ein, mit Angebotsprospekten aus dem Flur und allem, was sich finden lässt.
    Aber das genügt nicht. Pola braucht Nahrung und Strom. Von ihr geführt, unternehmen sie Ausflüge aufs Land, in die Gegend, die Pola verlassen hat.


    Mein Leseeindruck:
    Birgit Vanderbekes „Die Frau mit dem Hund“ ist das, was man eine Dystopie nennt. Sie zeichnet eine Welt, wie sie sein könnte, wenn die Menschen sich der Bevormundung durch ein Staatsgebilde beugen. In dieser Hinsicht hat mich der Roman an Juli Zehs „Corpus Delicti“ erinnert. Allerdings geht es Birgit Vanderbeke nicht so sehr darum, dem Staat seine Fehlbarkeit vor Augen zu führen, sondern um die Menschen. Die Frau mit dem Hund stellt einen Katalysator dar, der die verschütteten Sehnsüchte von Timon und Jule an die Oberfläche bringt. Durch sie nehmen sie Kontakt auf zu ihrer eigenen Lust auf und kommen davon nicht mehr los.
    Bizarr wirkt die Welt, in der die Geschichte spielt, aber nur zu gut vorstellbar. Nach und nach erfährt man als Leser die konkreten Ausmaße der Bevormundung und Manipulation durch die "Stiftung" und was zu diesem Gesellschaftssystem geführt hat. Wie es die Art der Autorin ist, verpackt sie solche Informationen in lapidaren, aber messerscharfen Nebensätzen. Genau das mag ich so an ihr.
    Die Geschichte bewegt sich zwischen Liebesgeschichte und Gesellschaftskritik. Erzählt werden die Ereignisse abwechselnd von Jule Tenbrock, Timon Abramowski und dazwischen immer wieder von Pola Nogueira, der schwangeren Frau mit dem Hund.
    Die Sprache in Birgit Vanderbekes Romanen hat eine Wandlung erfahren. In ihren ersten Werken (z. B. „Das Muschelessen“ oder „abgehängt“) wabern ihre Sätze um Gegenstände und Begriffe, die sie immer wieder aufnimmt und in neue Zusammenhänge stellt. Dieses Stilmittel benutzt sie nach wie vor, jedoch sehr viel sparsamer. Das vermisse ich.


    Fazit:
    Ich bin hin- und hergerissen. Ich mochte das Buch, es hat mich jedoch nicht vom Hocker gehauen. Das Thema, dessen Birgit Vanderbeke sich annimmt, ist aktuell. Keine Frage. Aber ihre früheren Werke, in denen sie die zwischenmenschlichen Schwingungen sezierte, gefielen mir besser. Auf jeden Fall lohnt die Lektüre.

    Zum Abschluss meines Lesewochenendes: Im "Süßen Tod" von Sandra Brown bin ich bis etwa Seite 50 vorgedrungen. Dicker Thriller und die Vorstellung all der Figuren am Anfang zieht sich etwas.


    Dennoch gut geschrieben, wenn auch an manchen Stellen klischeehaft und etwas übertrieben. (Amerikanisch eben, wäre ich geneigt zu sagen. Wo sonst verfallen Frauen Mitte Dreißig bereits dem Jugendwahn und lassen sich Botox spritzen?? Die Figur, auf die das zutrifft, macht auf mich eher den Eindruck einer verlebten Kurzvorsechzigerin ;-) )


    Zur abgeschlossenen "Frau mit Hund" werde ich mich an einer Rezension versuchen. Mal sehen ob ich das hier im Forum hinkriege.


    Schöne Woche allerseits!

    LeseBär ,


    die Beschreibung von Veronika Peters' Buch habe ich mir eben mal angeschaut. Klingt sehr verlockend. Ich bin gespannt, was Du am Ende der Lektüre darüber schreibst. Ich mag es gern, wenn es mal etwas geruhsamer und langsamer abgeht. Eine etwas aus der Zeit gefallene Pension an der Ostsee scheint mir da genau das richtige Ambiente. Deinen Wunsch, am Meer zu sein, kann ich bei unserem momentanen Schmuddelwetter nur teilen.


    Schönen Restsonntag!

    LeseBär


    das mit der Rezension kann ich gern versuchen.


    Eben habe ich es zur Seite gelegt, die letzten Seiten rutschten schnell. Ein bisschen zu schnell, wie es mir so oft bei Frau Vanderbeke geht. Ich mag ihre Sprache, obwohl sich die in den letzten Büchern verändert hat. Früher mäandrierte sie um einzelne Begriffe herum, nahm sie immer wieder auf und stelle sie in neue Zusammenhänge. Das tut sie zwar immer noch, aber sehr viel sparsamer. Dennoch: Sie ist eine Meisterin darin, entscheidende Informationen in lapidare Nebensätze zu packen. Das mag ich :-)


    Als Nächstes liegt ein Thriller auf meinem Lesetisch: Sandra Brown - Süßer Tod. Die Leseprobe war vielversprechend.

    logan-lady ,
    dafür gab's bestimmt jede Menge Kleister-Anrühr-Anleitungen zu lesen oder ellenlange Anweisungen zum Verarbeiten spritzgehemmter Dispersionsfarbe ;-) Renovieren finde ich schön, besonders, das Ergebnis danach zu betrachten.


    Meine Lektüre der "Frau mit dem Hund" ist auch nicht mit Riesensätzen vorangekommen.
    Gestern las ich eine Szene, in der den Bewohnern dieser utopischen Welt im Rahmen eines Festes vorgeführt wurde, wie das Kochen in früherer Zeit funktioniert hat. Beim Anblick eines echten Hühnereis brach blankes Entsetzen aus. Igittigitt! Salmonellen, Keime, böses Cholesterin darin. Verstreutes Mehl, aus der Pfanne gespritztes Fett, vergossene Milch rufen den Hygieneeinsatztrupp auf den Plan.


    Der Akt des Kochens, für uns völlig alltäglich, ist für diese Menschen eine vollkommen unnatürliche Sache geworden. Sie aus diesem Blickwinkel beschrieben zu bekommen, fand ich sehr eindrucksvoll.


    Allmählich erfährt man auch, wie es überhaupt dazu kam, dass die ominöse 'Stiftung' nun den Alltag der Menschen beherrscht.


    Ich habe noch etwa ein Drittel vor mir und das hiesige Wetter lädt zum Sofahocken ein. Vielleicht schaffe ich es also heute, das Buch auszulesen. Später mehr :-)

    Herzlichen Dank für die nette Begrüßung. Da fühlt man sich gleich zuhause. :anbet


    Ganz wörtlich gemeint, denn man trifft sogar Nachbarn - SiCollier : Grüße zurück nach K. Die Welt ist eben doch ein Dorf ;-)


    arter : Whale-Watching? Leider nicht. Man nennt unseren Teil von Deutschland zwar Hessisch-Sibirien, deshalb kältetechnisch durchaus eine Gegend, in der Wale sich wohlfühlen könnten. Aber dummerweise fehlt uns das Meer. Ich fürchte, in die Fulda passen die nicht rein. Obwohl, Schweinswale vielleicht ...
    Und die Schreibwettbewerbe schau ich mir gern mal an. Ich suche immer Anregungen, mal was anderes zu machen.


    Sonntägliche Grüße aus dem frischgefallenen Schnee!

    Liebe Eulen,


    nachdem ich gestern Abend einfach so ins "Lesewochenende" gehüpft bin, möchte ich mich kurz vorstellen.


    Ich heiße Andrea Gunkler, bin 1967 in Waldhessen geboren und lebe seit fast genau 2 Jahren wieder hier, nach 25jähriger Bibliothekarinnenkarriere in Frankfurt am Main und Kiel (das ich sehr vermisse ;-) ). Der Liebe wegen bin ich nach Hause gekommen und seit letztem Jahr verheiratet.


    Mein Bücherschrank quillt über vor Krimis und belletristischer Literatur. Besonders gern mag ich Elizabeth George, Val McDermid (ihren letzten hebe ich mir noch auf wie ein köstliches Dessert) und die junge deutschsprachige Literatur - oder auch die ältere: Juli Zeh, Birgit Vanderbeke, Annette Pehnt, Alina Bronsky, Peter Stamm, nur um einen kurzen Eindruck zu vermitteln.


    Momentan versuche ich noch, mich in diesem riesigen Forum zurechtzufinden. Erfreut bin ich, hier einige Teilnehmer/innen zu sehen, die ich aus dem 42er-Autoren-Forum kenne. Ich schreibe nämlich auch. Krimis, Kurzgeschichten etc. Dazu aber vielleicht irgendwann später.


    Jetzt verabschiede ich mich erst mal wieder in die waldhessische Sonne. Meine Waldrunde ruft und danach leiste ich der Katze auf meinem Lesesofa Gesellschaft - mit Birgit Vanderbekes "Die Frau mit dem Hund". Lesefortschritt folgt im Thread "Lesewochenende".


    Ich freue mich auf die Büchereulen!


    Seid herzlich gegrüßt!


    Ach, falls ihr euch fragt, wo Waldhessen liegt: Mitten in Deutschland, zwischen Fulda und Kassel (Kreis Bad Hersfeld).

    Hallo, zusammen!


    Seit ein paar Wochen bin ich stolze Besitzerin eines Kindle Paperwhite - und bin begeistert davon. Wer mit den Einschränkungen (proprietäres Format, Bindung an den Amazon-Shop) leben kann, ist damit bestens bedient. Die Hintergrundbeleuchtung ist fantastisch.
    Vergleichsmöglichkeiten fehlen mir, es ist mein erster E-Book-Reader. Kein Vergleich zum Lesen auf Smartphone und Tablet, sagen meine schnellmüden Augen. :-)

    Hallo, Jacky,


    danke für das herzliche Willkommen und für Deine Auskunft. Jetzt sehe ich klarer.


    "Die Frau mit Hund" ist eine Art Dystopie, spielt in einer nahen Zukunft, in der die Menschen die Verantwortung für ihr Leben einer "Stiftung" anvertraut haben. Sie arbeiten meist ehrenamtlich, die "Stiftung" sorgt für Wohnung, Kleidung und Essen (streng rationiert). Wer sich einbringt, erringt Punkte, die fürs Freizeitvergnügen ausgegeben werden dürfen. Alles ist piekfein, geordnet und vor allem gesund. Tiere, die Krankheiten übertragen könnten, gibt es im Distrikt nicht mehr. Die gibt es höchstens noch in Detroit, so nennen sie das Land außerhalb der Stadt, das "vom Netz genommen" wurde.
    Eines Tages taucht im feinen Distrikt eine Frau mit einem Hund auf und bringt die wohlgeordnete Welt aus den Fugen.


    Mehr später :-)

    Guten Abend, zusammen! :wave


    Eben habe ich mich als neue Büchereule angemeldet und stoße als ersten Thread auf diesen. Sehe ich es richtig, dass ihr euch für das Wochenende ein Buch vornehmt und dann über eure Leseeindrücke sprecht?


    Falls ja, möchte ich mich gern beteiligen. Momentan lese ich den aktuellen Roman von Birgit Vanderbeke, "Die Frau mit dem Hund". Bis zur Hälfte bin ich gediehen und hoffe, dass am Ende des Wochenendes auch das Buch zu Ende ist. Spaß macht es jedenfalls!


    Viel Lesevergnügen allerseits!