Beiträge von Daniel Wolf

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    Original von Maharet
    Vielen, lieben Dank für diesen tollen Schmöker, ich habe ihn sicherlich nicht das letzte Mal gelesen, die ~ 1100 Seiten sind für mich einfach nur so dahin geflogen, immer spannend und super erzählt, niemals langatmig. So muss ein Buch sein!


    :danke


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    Da am Ende alles recht offen ist hab ich hier noch die Frage ob wir vielleicht mit einer Fortsetzung rechnen dürfen?


    Zum nächsten Roman und etwaigen Fortsetzungen darf ich noch nichts sagen. :muah


    (So viele tolle Smileys hier, die muss ich endlich mal alle benutzen!)

    Ein kluger Mensch, ich weiß leider nicht mehr, wie er heißt, hat mal gesagt: Die meisten Freundschaften funktionieren nur so lange, wie jeder glaubt, dem anderen überlegen zu sein.


    Das trifft sicher nicht auf alle Freundschaften zu, ganz bestimmt aber auf die von Michel und Gaspard. Als Michel aus Mailand zurückkommt und beginnt, in der Gilde Anhänger um sich zu scharen, verschieben sich die Kräfteverhältnisse zwischen ihm und Gaspard, was Gaspard ihm nicht verzeihen kann. Deshalb das ganze irrationale Theater, Michel neide ihm nur seine Herkunft etc.


    Ich kann verstehen, dass die meisten LeserInnen Gaspard nicht mögen – er ist ja auch wahrlich nicht als Sympathieträger angelegt –, aber für mich ist er trotzdem einer der interessantesten und komplexesten Charaktere des Romans.

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    Original von Lesehest
    Wie es dazu kommen konnte, dass Gaspard so verbohrt ist, hat sich mir noch nicht wirklich erschlossen :gruebel
    Ok, Michel ist bei ihm durch.....aber dann wird ja auch das Verhältnis zu Isabelle schlechter, obwohl er da noch nichts von ihr und Michel weiß, und dann der Zustand in der Stadt und letztendlich der Gilde. :gruebel :gruebel :gruebel Sieht er nicht, dass er sich selbst schadet???? :gruebel


    Das sehen Fanatiker selten ...


    Bei Gaspard hat sich in den Jahren, als Michel in Mailand war, viel Frustration aufgestaut. Während die meisten anderen Kaufleute resigniert sind oder sich mit den Verhältnissen arrangiert haben, reagiert er darauf mit Zorn – der zunehmend irrational wird. Zu Anfang hat er all seine Hoffnungen in Michel gesetzt, nur um dann von diesem ausgebremst zu werden. Das bringt dann sozusagen das Fass zum Überlaufen.

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    Original von Schwarzes Schaf
    Die Audienz beim Kaiser hat die Schwurbrüder einiges gekostet...müssten diejetzt nicht alle pleite sein? Ich meine, so viel Kohle hatten die doch vorher auch nicht mehr?!


    Pleite in dem Sinne, dass sie handlungsunfähig sind und ihre Geschäfte schließen müssen, sind sie nicht. Aber sie haben all ihre Rücklagen aufgebraucht und müssen sich jetzt drauf verlassen, dass ihr Grundbesitz und ihr Geschäft in nächster Zeit genug abwirft, dass sie über die Runden kommen. Zum Glück können sie jetzt ja wieder ungehindert Handel treiben.


    Daniel

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    Original von pinky75
    Gaspards Tod und vor allem die Art und Weise wie er hingerichtet wird hat mich sehr traurig gestimmt. Schön war, dass er sich als alleinig schuldig bekannt hat und sich bei Michel entschuldigt hat. Nicht so verstanden habe ich, dass Gaspard ihm nicht verraten wollte, wo Isabell sich aufhält.... Gaspard wusste doch, wie wichtig Isabell und Michel sich geworden sind... auch dass Isaebell ein Kind von Michel erwartet hätte er diesem doch sagen sollen.... Leider ist das nicht geschehen...


    Ich hatte lange überlegt, wie sich Gaspard an dieser Stelle verhalten soll und ob es nicht besser wäre, wenn er Michel verrät, wo Isabelle sich aufhält. Es hätte den Verlauf der Story ja nicht grundlegend geändert, da Michel das wenig später sowieso herausfindet.


    Aber: Es hat gefühlsmäßig einfach nicht gepasst. Gaspard hat ja in diesem Moment das Bedürfnis, geordnete Verhältnisse zu hinterlassen. Natürlich ist es dafür längst zu spät, weshalb er das bestenfalls suboptimal hinbekommt. Aber er will wenigstens dafür sorgen, dass Isabelle ihre unschöne jüngere Vergangenheit hinter sich lassen und in Ruhe ihr Leben leben kann. Denn wenn er Michel sagt, wo sie ist – wohin sollte das führen? Für die Liebe der beiden gibt es so oder so keine Chance. Deshalb sagt er zu Michel: "Lass sie los, Michel. Es ist besser so. Für euch beide."

    Übrigens: Wer sich an meiner Fantasy versuchen möchte und nach einer kleinen Kostprobe sucht, sollte einen Blick in meine Kurzgeschichten werfen. Drei davon habe ich in dem E-Book "Flöte und Schwert" zusammengestellt. Das gibt's für unschlagbare EUR 1,99 auf den üblichen Portalen zu kaufen, z.B. bei amazon oder bei neobooks.


    "Flöte und Schwert" enthält die Kurzgeschichten "Schattentänzer" und "Der Seelenkristall" und die Erzählung "Der Flötenspieler".


    Das Kassilische Imperium zerfällt. Krieg tobt an den Grenzen dieses einst so stolzen Reiches, in seinen Städten herrschen Dekadenz, Unterdrückung und Gewalt. Alte Mächte und schlafende Götter regen sich in den Ruinen am Rande der Zivilisation; Abenteurer und Glücksritter suchen nach vergessenen Schätzen und verkaufen ihr Schwert an den Meistbietenden, getrieben von der Hoffnung nach einer besseren Zukunft. Einer von ihnen ist der Dieb Dunaris ke Landor, aufgewachsen in den Elendsvierteln Kaman-Shares, gestählt in zahllosen Kämpfen, flink, gerissen, ein verschmitztes Großmaul mit einem Herzen aus Gold. In "Schattentänzer" macht Dunaris einem grausige Entdeckung, doch das ist nichts verglichen mit der außerweltlichen Gefahr, der er sich in "Der Seelenkristall" stellen muss, mit schrecklichen Folgen für seine Seele.


    In "Der Flötenspieler" nimmt Christoph Lode seine Leserinnen und Leser mit auf eine Reise in einen magischen Orient. Omar, ein glückloser Musiker und liebenswerter Tunichtgut, hatte nur einen einzigen Wunsch: mit seiner geliebten Nadirah ein neues Leben zu beginnen, fern von ihrem jähzornigen Vater. Doch ihre Flucht aus Mekka gerät zum Fiasko, Sklavenhändler verschleppen die Liebenden, sie werden getrennt. In einer Wüstenfestung am Ende der Welt versucht Omar alles, um Nadirah zu finden. Er ahnt nicht, mit welchen Mächten er es zu tun hat ... Eine Geschichte über Liebe, Verrat und eine ungewöhnliche Freundschaft.

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    Original von beowulf
    Na ja, ich hoffe doch, dass heute beim Erhängen oder Verbrennen von Menschen nicht mehr alles zusammenrennen würde, mit Colaständen und Bratwurst und fröhlichem Tanz. Wir sind vielleicht virtuelle Killer, aber nicht mal Tiere höhnen die meisten von uns heute schlachten.


    Ich wage mal zu behaupten, dass wir unsere "dunkle Seite" nicht verloren haben, sondern dass wir nur gesellschaftliche Strukturen geschaffen haben, die es nicht mehr gestatten, sie auszuleben. Das ist ja gerade der Sinn von Zivilisation: die Bestie im Menschen zu zügeln. Ich denke aber auch, dass das zivilisatorische Eis sehr dünn ist. Käme es zu einer umwälzenden Katastrophe o.ä., würde sich die Bestie wohl sehr schnell wieder zeigen. Man hat ja in der Nazizeit gesehen, wie schnell brave Familienväter zu Massenmördern werden, wenn die gesellschaftlichen Umstände es ihnen gestatten.


    Insofern sollten wir einfach akzeptieren, dass eine gewisse Sehnsucht nach Gewalt in uns steckt, statt das zu verleugnen, und schauen, wie wir sie kanalisieren können, sodass sie möglichst wenig Schaden anrichtet. Deshalb sind die oft verteufelten Horrorfilme und brutalen Videospiele vielleicht gar nicht so schlecht. Wenn die Leute auf diese Weise ihre dunkle Seite ausleben, ist das allemal besser, als wenn sie wirklich zur Waffe greifen.


    Vielleicht war das ja auch eine Funktion von öffentlichen Hinrichtungen in früheren Zeiten: Die Obrigkeit spürte, dass die Menschen ein Verlangen nach Grausamkeit haben, und gab ihnen auf diese Weise, was sie wollten, damit sie den Rest des Jahres brav waren ...


    Meine philosophischen Gedanken zum Morgen ... :gruebel


    Daniel

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    Original von chiclana
    Isabelle hat Michel ja dann erzählt, dass Thomasin Männer geliebt hat. Was mich etwas überrascht hat, dass Michel dann gefragt hat, ob er den kleinen Remy in Ruhe gelassen hat.


    Wir wissen ja heute, dass Homosexualität etwas vollkommen Normales ist und Homosexuelle keine Sexualstraftäter sind. Aber in früheren Zeiten war das anders, da war Homosexualität nicht nur eine Sünde, sondern ein schweres Verbrechen, und Homosexuelle – "Sodomiter" – wurden mitunter mit Pädophilen oder anderen Menschen mit Störung der Sexualpräferenz gleichgesetzt. (*)


    Michel tut das nicht unbedingt, aber ihm fehlt unser aufgeklärtes und liberales Verständnis von gleichgeschlechtlicher Liebe. In dem Dialog mit Isabelle klingt ja an, dass er, ganz der Mann seiner Zeit, Homosexualität für etwas Abscheuliches hält – mehr noch: Für ihn ist Homosexualität auch auf diffuse Weise bedrohlich. Daher seine Frage nach Rémy.



    (*) So lange ist das übrigens noch nicht her. Ich kann mich erinnern, dass sich in meiner Jugend Ende der 80er, Anfang der 90er Erwachsene entsprechend über Homosexuelle geäußert haben.

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    Original von Aqualady
    Nachdem so viele von euch "Felonie" angesprochen haben, musste ich jetzt auch einmal nachschauen was das Wort bedeutet.


    In der englischen Sprache hat das Wort übrigens die Zeiten überdauert: felony bedeutet heute nicht nur Treuebruch, sondern ganz allgemein Straftat und (Gewalt-)Verbrechen.

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    Original von beowulf
    Es war absolut unüblich. Etwa so, als würdest du heute von einem Mann um die fünfzig sagen, ich verstehe nicht, warum er sich seine Socken nicht selber stricken kann. lesen galt für Ritter als unmännlich, die Zeit die man dazu brauchte hätte man trainieren sollen. Lesen war etwas für Weicheier und Pfaffen.


    So ist es.


    Wir können davon ausgehen, dass Aristide damit in bester Gesellschaft war. Viele Ritter konnten bestenfalls rudimentär lesen. Ob sie es lernten, hing schlicht davon ab, ob ihr Lehrherr, bei dem sie als Page und Knappe dienten, auf höfische Erziehung wert legte oder ob er sich darauf beschränkte, den Knaben zum Kämpfer auszubilden. Vielleicht gab es auch noch einen Kaplan, der die geistige Ausbildung übernahm.


    Viele Adlige hatten für Schreibarbeiten gelehrte Geistliche und verließen sich darauf, dass die ihre Aufgabe gut und verlässlich erledigten.

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    Original von Klusi
    Wie muss ich mir das nun in Varennes vorstellen? Das Verbot der Kaufmannsgilde wurde ja erneuert, und ich erinnere mich, gelesen zu haben, dass die Kaufleute ohne Gilde auch keine Geschäfte tätigen dürfen. Sehe ich das richtig, dass nun die gesamte Wirtschaftslage der Stadt darnieder liegt? Wovon leben die Kaufleute nun? Catherine hat Michel angeboten, vorübergehend bei ihr zu arbeiten, bis er wieder genügend Geld hat, sich selbständig zu machen, aber woher nimmt sie die Mittel? Oder habe ich da etwas falsch verstanden. :gruebel


    Im Prinzip hast du das richtig verstanden: Die Mitgliedschaft in der Gilde war die Voraussetzung dafür, dass man (Fern-)Handel treiben durfte. Hier ist die Situation aber so, dass die Gilde zwar verboten ist, ihre Mitglieder aber weiterhin Handel treiben dürfen. Der Kirche geht es ja nicht darum, der städtischen Wirtschaft zu schaden, vielmehr will sie Versammlungen der Kaufleute unter Strafe stellen, damit sie keine Verschwörungen mehr aushecken können.

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    Original von Eskalina
    Wie alt dürften Michel und Isabell jetzt sein? Ich schätze so um die 40 - 45, das wäre zu den Zeiten für ein weiteres Kind (und Nachfolger) möglicherweise schon recht spät... :gruebel


    Michel ist am Ende des Romans 41, Isabelle 37.


    Daniel

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    Original von JaneDoe



    :write :write :write Das fand ich auch mehr als befremdlich. Auch wenn es historische Vorbilder gibt, hat es mich doch sehr verwundert, dass der Vorschlag so problemlos angenommen wurde. Dass er von Isabell kam, hat mich nicht verwundert, sie ist ja eine der Cleversten im ganzen Buch.


    Am Anfang des Romans hätte Michel so einem Plan sicher nicht ohne weiteres zugestimmt. Seine moralischen Bedenken und seine Angst, aufzufliegen, wären wahrscheinlich zu stark gewesen. Man muss aber bedenken, dass der Michel am Ende des Romans ein anderer ist: Seine grundsätzliche Ideale hat er sich zwar bewahrt, insgesamt aber ist er härter geworden. Er musste viele Rückschläge erfahren, er hat erlebt, dass auf Adlige, Kirchenherren und Könige im Zweifelsfall kein Verlass ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen. All das vermindert natürlich die Skrupel. Davon abgesehen war er schon immer einer, der auch mal zu fragwürdigen Mitteln greift, wenn er glaubt, dass sie einem höheren Ziel dienen. Der Trick mit Bischof Ulmans Statue geht ja in eine ähnliche Richtung.


    Und "alle" Beteiligten stimmen dem Betrug keineswegs zu: Duval hat die ganze Zeit über massive Bedenken und warnt die anderen vor den Konsequenzen, wenn sie auffliegen.


    Tatsächlich sind solche Geschichten im Mittelalter ständig passiert. Es gab ja kaum Möglichkeiten, so einen Betrug nachzuprüfen, schon gar nicht in Kriegszeiten, wenn die Verhältnisse chaotisch waren. Letztlich beruhte sogar die Existenz des Kirchenstaates und damit die päpstliche Macht auf einer Fälschung.

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    Original von hollyhollunder


    Diese Sequenz hat mir auch nicht gefallen. Wenn Aristide so lange in einem so winzigen Loch eingesperrt ist, kann er meiner Ansicht nach kaum mehr alleine gehen, geschweige denn ein Schwert führen. Außerdem muss er so gestunken haben, dass ihn jeder (auch unter Heu) wahrscheinlich 10 Kilometer gegen den Wind gerochen hat. :lache Und auch wenn er voller Hass und Rachegelüsten war, hätte sein erster Weg doch in die Freiheit und nicht zu Michel führen sollen. Mir hat auch nicht gefallen, dass Michel ihn getötet hat. Passte irgendwie nicht zum Rest des Buches, wo Michel wirklich nie mit Muskelkraft gekämpft hat.


    Ein kühler Denker hätte sicherlich die Gelegenheit genutzt, in die Freiheit zu entkommen. Aber Aristide tickt anders, er gehorcht immer dem aktuell stärksten Impuls, auch wenn ihm das Nachteile einbringt, so wie hier. Und bei der Flucht ist sein stärkster Impuls die Rache an Michel, den er für sein ganzes Scheitern verantwortlich macht, obwohl das natürlich Unsinn ist. Aber Aristide ist nicht reflektiert genug, seinen eigenen Anteil an seiner gegenwärtigen Situation zu sehen.


    Das Verlangen nach Rache ist tatsächlich das, das ihn all die Zeit am Leben erhalten hat. Klar hat er bei seiner Flucht gestunken, aber erstens haben das damals alle mehr oder weniger, vor allem auf dem Land, und zweitens kann man davon ausgehen, dass er sich auf dem Weg nach Varennes irgendwo unterwegs mal an einem Bach o.ä. gewaschen hat. Die Reise dauert ja mehrere Tage.


    Der Kampf am Schluss schlägt den Bogen zur ersten großen Konfrontation zwischen Michel und Aristide, als Aristide Michel an der Brückenbaustelle verprügelt. Michel, der eigentlich körperlich nie eine Chance gegen Aristide hatte, gewinnt diesmal, weil Aristide nur noch ein Wrack ist. Ich denke, man kann hier Michel nicht vorwerfen, sein Ideal der Gewaltfreiheit aufzugeben und zuletzt doch mit Gewalt und Muskelkraft über seinen Feind zu triumphieren, da er den Kampf im Grunde ja verweigert und von Aristide dazu gezwungen wird. Streng genommen begeht Aristide ja eine Art Selbstmord, den er sozusagen als Tod im ehrenhaften Kampf tarnt, das große Ritterideal. Warum, wird wahrscheinlich klar, wenn man sich Aristides Lebensbilanz ansieht.


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    Vielen Dank für Deine Begleitung, Daniel. Ich habe diese Leserunde unter anderem auch wegen Deiner lebhaften und interessanten Beiträge sehr genossen.


    Ich habe zu danken :-)


    Daniel

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    Original von chiclana
    Was mich noch interessieren würde: was hat es denn mit Friedhof, Gruft und Beinhaus auf sich? Welche Toten kommen wohin?


    Eine aufwändig gestaltete Gruft konnten sich nur reiche Bürger und Adlige leisten. Alle anderen hatten "normale" Gräber auf dem Friedhof ihres Pfarrsprengels, in Zeiten großer Not, Seuchen etc., wurden die Leute mitunter auch in Massengräbern verscharrt.


    Was ein "Beinhaus" ist, erklärt dieser kurze Artikel ganz gut.