Beiträge von Daniel Wolf

    Was mich auch ein wenig verwundert, ist das blinde Vertrauen der Leute Philibert gegenüber. Irgendwem müsste doch mal aufgefallen sein, dass bei ihm die Leute wegsterben und nicht geheilt werden. Und dass es die Wundärzte sind, die den Menschen helfen.

    Es wird verständlicher, wenn man die folgenden Faktoren bedenkt:


    - In der ständischen Gesellschaft des Mittelalters, wo jeder seinen Platz kannte, war das Vertrauen in Autoritäten viel größer als heute. Wenn jemand mit einem klangvollen Titel etwas behauptet hat, dann war das so; man hat es i.d.R. nicht angezweifelt.

    - Die Allgemeinbildung war schlecht. Die allermeisten Menschen wussten sehr viel weniger über medizinische Zusammenhänge als die studierten Doctoren.

    - Das Ursache-Wirkung-Denken, das für uns heute normal ist, gab es im Mittelalter in der Form noch nicht, bzw. es wurde gerade erst wieder in der Literatur der alten Griechen entdeckt. Im Grunde ist das aber eine Denkweise der Renaissance bzw. Aufklärung. Im Mittelalter herrschten magische Vorstellungen vor. Das macht es schwer, Gelehrten und Experten Fehler nachzuweisen ...

    - Der Doctor konnte sich immer auf die "Ausrede" zurückziehen: Wenn eine Therapie nicht anschlägt, hat Gott das eben so gewollt bzw. der Patient ist selbst schuld an seinem Zustand, denn er war sündhaft und erhält nun die gerechte Strafe. Diese "Logik" hat eigentlich niemand infrage gestellt.

    Ist es dir auch schon passiert, dass du irgendwas völlig umkrempeln musstest, weil sich herausgestellt hat, dass historische Fakten dagegensprechen?

    Beim "Licht der Welt" musste ich deswegen einen ganzen Handlungsstrang ummodeln. War ärgerlich und sehr viel Arbeit, hat dem Buch aber am Ende gutgetan. Es war dadurch nicht nur näher an den historischen Fakten, sondern auch dramaturgisch besser.


    Das passiert mir aber nicht mehr. Inzwischen recherchiere ich viel ergebnisoffener, d.h. ich lege mich nicht zu sehr auf bestimmte Handlungselemente fest, ehe ich nicht mit den zugehörigen Fakten vertraut bin. Dadurch war die Arbeit am "Gold des Meeres" und an der "Gabe des Himmels" gleich viel entspannter ;)

    Da würde ich spontan noch eine Frage anschließen - wie genau weißt du vor dem Schreiben, was in einer Szene vorkommt/passiert? Hast du einen Plan, in dem alles vorher recherchiert und aufgelistet ist, oder kommt das im Detail erst Szene für Szene zusammen?

    Bevor ich mit dem Schreiben anfange, recherchiere ich erstmal lange und mache mir Gedanken zu Romanhandlung und Figuren. Wenn ich genug Material zusammen habe, erstelle ich ein Storyboard mit Inhaltsangaben zu den einzelnen Szenen. Die sind mal mehr, mal weniger ausführlich. Daran hangele ich mich beim Schreiben entlang -- und weiche aber auch munter davon ab, wenn ich plötzlich eine bessere Idee habe oder merke, dass eine Konstruktion, die im Storyboard gut klang, im Manuskript nicht funktioniert.

    Spannend. Noch eine letzte Frage: Wusstest Du, dass du dies (die Beschreibung) in Deinem Roman von Anfang an verwenden willst, oder war es während des Schreibens eher ein "Zufallsfund"?

    Ich wusste es nicht von Anfang an, aber ein Zufallsfund war es auch nicht. Das Pestgutachten ist ziemlich wichtig in der Forschung zur Pest und zur spätmittelalterlichen Medizin allgemein; man stößt in der Literatur laufend darauf.

    Sorry, schlecht ausgedrückt. Ich meinte die Beschreibung woher die Pest kommt bzw. welche Ursachen sie hat.

    Okay ;-) Das Gutachten mit den enthaltenen Erklärungen zur Pest ist historisch verbürgt. Ich habe in der Paris-Passage wörtlich daraus zitiert und den Originaltext des Gutachtens nur geringfügig (im Interesse der Lesbarkeit) verändert.

    Ganz schlimm fand ich das Schusterpaar, Nachbarn, Dienstherren usw im Stich lassen, in der Hoffnung sich zu retten, kann ich verstehen, aber doch nicht die eigenen Kinder!

    Das ist ausnahmsweise mal nicht meiner kranken Fantasie entsprungen ;) Dass Eltern die eigenen pestkranken Kinder im Stich ließen, ist überliefert. Ich habe dafür in der Literatur mehrere Belege gefunden.

    Liebe Lea,


    das Mittelalter beackere ich sicher noch eine Weile weiter, da gibt es für mich noch viel zu entdecken. Aber auch andere Epochen faszinieren mich, zum Beispiel die römische Antike und das ägyptische Altertum. Da hätte ich sogar schon zwei Konzepte in der Schublade liegen ;) Frühe Neuzeit (bis zum Dreißigjährigen Krieg) und die Zeit um den Ersten Weltkrieg herum finde ich ebenfalls sehr spannend. Ob und wann ich dazu komme, diese Ideen zu verwirklichen, wird die Zukunft zeigen ...


    LG Daniel

    Was die allgemeine, aufgeheizte Stimmung, die Vorurteile, die Spaltung der Bevölkerung in verschiedene Lager und die... "Dynamik der Feindseligkeiten" angeht, da kommt einem die Geschichte plötzlich erschreckend modern und gegenwärtig vor.


    Die Menschen des Mittelalters hatten wenigstens noch die Entschuldigung, dass sie größtenteils unwissend waren und kaum Möglichkeiten hatten, sich zu informieren. Da konnte irrationaler Hass bestens gedeihen. Aber heute sind die Umstände sehr viel besser. Jeder kann lesen, es gibt das Internet und eine freie, pluralistische Presse, es war noch nie so leicht, an Fakten und Informationen zu kommen ... und trotzdem laufen die Leute scharenweise Demagogen mit einfachen Antworten nach und glauben selbst den absurdesten Lügen. Das ist das eigentlich Erschreckende.

    Einen sympathischen Ersatz für Adrianus‘ Lehrmeister Hervé sehe ich in dem alten, etwas schrulligen Jacques, der trotz allem viel fähiger ist als die universitär ausgebildeten „Schwätzer“. Bei seinem Redestil muss ich regelmäßig lachen, auch wenn ich mich schnell daran gewöhnt hatte. War es anstrengend, das zu schreiben?

    Am Anfang musste ich etwas rumprobieren, bis ich Jacques' Sprechweise eingefangen hatte. Aber nach zwei, drei Auftritten von ihm konnte ich ihn sozusagen "hören", und seine Dialogbeiträge schrieben sich wie von selbst.


    Noch'n schön'n Oste'mo'gen zusamm'n ;)

    Daniel


    Huch :lache Tatsächlich kompletter Zufall, ich habe null Ahnung von Cognac.


    Daniel