Vor ca. 15 Jahren habe ich mich das erste Mal an "Emma" gewagt und empfand das Buch ähnlich wie viele andere hier im Thread. Exemplarisch möchte ich mal Waldfee zitieren:
Zitat
Original von Waldfee
Hm. Ich mochte "Stolz und Vorurteil", ich mochte "Sinn und Sinnlichkeit", aber "Emma" habe ich im Laufe der Jahre schon zum dritten Mal begonnen und zum dritten Mal nach 50 bis 100 Seiten weggelegt. Ich weiß auch nicht, was es mit diesem Buch auf sich hat... Vielleicht sitzen mir die Beteiligten etwas zu lange Abend für Abend nur am Spieltisch herum und dreschen höfliche Phrasen... Über diesen Einstieg bin ich nie hinausgekommen.
Als ich es nun vor einem Jahr erneut las, erging es mir völlig anders. Zum einen, weil ich wohl - im Gegensatz zu damals - das Buch nicht als historischen, sondern eben als zeitgenössischen Roman bewertete.
Man kann Austens Werk ja nicht mit Romanen vergleichen, deren Handlung zwar ebenfalls zur Regency-Zeit spielt, die aber in der Gegenwart geschrieben wurden. Austen lebte ja selbst in der Zeit, von der sie schrieb. Und folglich war sie nicht nur denselben gesellschaftlichen Konventionen unterworfen, wie viele ihrer Heldinnen, ihr kulturelles und vor allem literarisches Verständnis war natürlich auch durch ganz andere Werke geprägt als unser heutiges Verständnis.
Was auch mir damals als belangslos und langatmig erschien, offenbart doch letztendlich ein klares Sittengemälde der damaligen Zeit und zeigt, wie scharf Austen beobachten konnte und wie pointiert sie ihre Charaktere herausarbeitete.
Und natürlich besteht der Zeitvertreib der Protagonisten im Buch hauptsächlich darin, Gesellschaften zu geben oder die Gesellschaften der Freunde und Verwandten zu besuchen und sich dabei darüber zu unterhalten, was es bei den Nachbarn für Neuigkeiten gab, sowie darüber zu spekulieren, warum sie sich möglicherweise so verhalten, wie sie es taten.
Man darf dabei aber nicht vergessen, dass damals gerade das Gebot der Schicklichkeit einer jungen Dame aus gutem Hause auch nicht so viele Alternativen der Freizeitbeschäftigung bot.
Was nun die Protagonistin selbst anbelangt, so ist Emma sicherlich nicht so gefällig wie andere Heldinnen Austens. Die Selbstgefälligkeit, mit der sich Emma vorschnell über viele ihrer Mitmenschen ein Urteil bildet, oder die Taktlosigkeit, mit der sie Miss Bates brüskiert, tragen nicht dazu bei, sie dem Leser sympathisch erscheinen zu lassen.
Auch Austen selbst ahnte dies, als sie prognostizierte, dass sie eine Heldin schaffen würde, "für die niemand außer ihr selbst viel übrig haben würde."
Doch gerade Emmas Fehler und Makel machen sie letzendlich als Charakter interessant, weil sie durch jene Schwächen und Fehler auch in Konfliktsituationen gerät, die der Handlung Spannung verleihen, und weil Emma dadurch gezwungen ist, eine Entwicklung zu durchlaufen, die sie letztendlich wachsen lässt.