Heimwerkerlein
Zu einem Profibastler musste ich mich erst entwickeln. Nein, ich musste nicht, das habe ich dann zu meiner Überraschung. JETZT kann ich das ganz gut. Aber der Anfang....
Als sich mein kompletter Besitz auf drei Kinder, zwei Katzen (die alle gehören einem ja nicht wirklich) und ein Haufen Klamotten und Kleinzeug beschränkt hat, bin ich auf Möbelsuche gegangen.
Überall. Es war nicht so berauschend WAS es da gab. Die Optik war mir schon wichtig und mein Geschmack tendiert nun mal zum edlen Design. Das ändert sich auch nicht, wenn man kein Geld hat.
Was machen Frauen da?
Sie schauen sich genau an, wie Möbel gebaut werden und denken sich: SO schwer ist das ja wohl nicht. Ein paar Bretter und ein paar Schrauben, ein paar Stunden Arbeit. günstig und einfach und schön.
Mit dieser munteren und überaus positiven Einstellung bin ich, um mir Holz zu kaufen, zu OBI getappt und habe festgestellt, solche Gedanken sind ganz und gar unüblich.
Der betreffende arme Mitarbeiter bei OBI im Zuschnitt, den ich da erwischt hatte (Das war mein erster Besuch. Jetzt sind wir dicke Freunde, er stöhnt zwar bei meinem Anblick leidvoll auf, das ist aber nur Show, denn wir lieben uns eigentlich. Ich sage ihm das mal bei Gelegenheit.)! Wirklich, er hatte Mühe höflich zu bleiben. Das Wort Ikea fiel von seiner Seite aus immer häufiger, immer lauter und immer beschwörender.
MIR war es ein vollkommenes Rätsel, was er von mir wollte und warum ich keine Schränke bauen durfte. Ich sehe ihn jetzt noch vor mir, er hat sich unglaublich angestrengt um mir das auszureden.
IHM war es ein vollkommenes Rätsel, das ich nicht begreifen konnte und wollte, das man sich nicht einfach so hingeht und Schränke baut. Wenn man SO offensichtlich keine Ahnung davon hat.
Ich hatte meine Bohrmaschine dabei und mir von ihm zeigen lassen, wie man die Bohrer auswechseln und welche man überhaupt nimmt. „Aha, es gibt Holzbohrer, schön zu wissen. Wie sehen die aus? (Man beachte! ich war durchaus lernwillig)"
Sehr verzweifelt und sehr resigniert hat er mir dann meine Spannplatten zugeschnitten und verkauft. Weiß beschichtet, riesig groß - also, wenn ich schon Schränke baue, war mein Grundgedanke, dann schon welche mit ordentlich Stauraum und einer gewissen Präsenz. Ich tendiere grundsätzlich zu Größe und Übertreibung und das bekommt mir nicht immer.
Das erste Problem war schon am Auto, diese blöde Platten.....(so schnell geht es, aus dem Laden raus - da war die Welt noch wunderbar in Ordnung und diese Platten ganz klasse - und weil sie nicht ins Auto passten, waren sie schon blöd). Ich wollte nicht zurück gehen und sagen: „Kann ich die Teile mal kurz hier stehen lassen und mir ein anderes Auto borgen?"
Mein OBI-Mann hatte ja ohnehin schon an meinem Verstand gezweifelt und ich wollte nicht nach zehn Minuten wieder angekrochen kommen und zugeben, das ich die Sache mit dem Transport nur unzureichend bedacht hatte.
Mit blanken Dussel und roher Gewalt und stundenlanger Artistik habe ich die Spannplatten gerade mal so in meinen Wagen gequetscht und alle amüsierten Zuschauer um mich herum ignoriert. Vor allen Dingen die Herren auf der Baustelle gegenüber. DIE habe ich besonders ignoriert. Die Süßen haben aufgehört zu arbeiten, um mir, in meinem winzigen T-Shirt und ständig rutschender Hose, wortlos zu zuschauen. Platten raus, Platten rein, quer, längs, Autositze runter, wieder hoch... Türen gegen ihren Willen und ihre Möglichkeiten zugedrückt.
Man kommt in Stress, die Sonnenbrille fällt öfter runter als nötig, man klemmt sich die Finger und ....und die ganze Zeit MUSS man so tun, als wüsste man, WAS man da tut.
Ich war ganz schön erledigt danach, aber noch guter Dinge.
Es war mir schon klar, das es vielleicht nicht so GANZ einfach werden würde, ein wenig Realismus besitze ich auch.
Aber war schließlich nur ein Badezimmerschrank und ein einfaches Modell dazu. Für den Anfang und zum Üben gut geeignet. Zwei Seitenteile, eine Rückwand, mehrere gleich große Bretter, zwei davon als Ober- und Unterteil gedacht, der Rest waren die Zwischenbretter. Ein paar Löcher, ein paar Schrauben dazwischen und fertig.
Was sollte da schon schief gehen?
Ja nun, es gab dann schon ein paar kleine Problemchen, denn die Tücke sitzt im Detail
Ich habe auf der Wiese meine Löcher gebohrt. Was ich da nicht wusste und das gehört aber zum allgemeinen Wissensgrundschatz der Menschheit (habe ich danach festgestellt): Man kann nur in eine Richtung bohren, in die andere geht es nicht.
Doch, es geht. Es dauert lange, man braucht Kraft und es brennt, aber es geht.
Ich stand draußen, immer noch unzureichend bekleidet, die Bohrmaschine im Anschlag und kam mir vor wie eine Indianersquaw. Die Spannplatten (schwer und unkooperativ) lagen vor mir auf dem Boden, ich war umnebelt und verschwunden in schwarzen Rauchwolken. Es hat gestunken und gekokelt. Ich habe viele große schmorrende Löcher fabriziert und war nicht richtig glücklich damit. Viel zu groß, viel zu viele, viel zu verbrannt. Sehr hässlich.
Ich fand das nicht gut, natürlich nicht, aber auch nicht SO tragisch. Diese Seite, ursprünglich geplant als Außenseite - man muss halt flexibel sein-, war eben jetzt die Innenseite. Sieht ja auch blöd aus, Schrankwände mit Schrauben umgeben von einem fetten Brandring.
So dachte ich aber nur, bis ich die Spannplatten umgedreht habe. Dann war ich aber doch etwas geschockt, denn pro Bohrloch hat sich auf der Rückseite ein großes Stück der weißen Beschichtung verabschiedet. Einfach so abgeplatzt, ohne mir vorher eine Rückmeldung oder Warnung zu geben. Guck an. So ein MIST! Das war aber schlecht.
Jetzt hatte ich vier ruinierte Seiten und das in einer Stunde. Kein schlechter Schnitt.
Das war der Anfang- und so ging es weiter....
Den Mantel des Schweigens und Vergessens legen wir über die Zeit, bis ich alle Schrankteile zusammen, die Rückwand angeschraubt und das Gebilde mit dem Wabbeln -wie unberechenbare Götterspeise- endlich aufgehört und mir mit den ständigen Einsturz gedroht hat. (Es IST aber eingestürzt, die Schrauben SIND wiederholt raus gerissen und haben tiefe Wunden in dem Pressspan hinterlassen)
Aber ich bin hartnäckig und lasse mich nicht von Spannplatten fertig machen. Mehr sage ich nicht dazu. Optimismus und gute Laune habe ich keine mehr verbreitet, ich war ganz schön stinkig und genervt.
Er ist SO schlimm geworden dieser Schrank, SO dilettantisch und SO übel. Meine Freunde haben sich bei seinem Anblick weggeworfen vor Lachen. Alle. Denn ich habe wirklich jedes einzelne Brett gründlich demoliert und war erfinderisch dabei. Ich habe viele verschiedene Herstellungsmethoden von Macken, Rissen und Löchern entdeckt.
Es blieb mir gar nichts anders übrig, als noch Türen zu kaufen und mir anzueignen, wie man Scharniere anbringt. Sollen wir mal raten? Ich wusste da schon ganz genau, das Scharniere blöd sind. Vorher wusste ich das schon.
Meinen Kindern habe ich gesagt, die rechte Tür wird überhaupt nicht benutzt, die braucht man auch nicht -außer in Notfällen- und die sonderlichen Geräuschen beim Öffnen, sollen sie einfach ignorieren. Das hat nichts zu sagen.
HE! und trotzdem: AUSSEHEN tut er sehr gut und er steht noch!