„Der Palast der Meere“ von Rebecca Gablé ist ein historischer Roman der 1560 in London beginnt und ein vierteljahrhundert später endet. Elizabeth I. regiert zu dieser Zeit England. An ihrer Seite Eleanor of Waringham, die Beraterin der Königin, die zu Mary Stewart aufbrechen muss, um eine wichtige Mission zu erfüllen. Ihr Bruder Isaac zieht es vor, der festgelegten Rolle, als Nachfolger des Vaters zu entfliehen. Als blinder Passagier geht er an Bord eines Schiffes, das womöglich nach Afrika aufbricht. Doch schon bald gerät er in die Hände des Schiffkapitäns John Hawkins, der ihn auf Teneriffa, als Sklaven an die spanischen Großgrundbesitzer verkauft.
Das ist die Anfangsphase dieses wahrlich voluminösen Romans, indem es nur so von berühmten Namen wimmelt. Mary Stuart und Elizabeth I. beharken einander, Shakespeare wird am Rande erwähnt. Francis Drake ist zusammen mit Isaac auf dem Meer unterwegs und begleitet dessen abenteuerlichen Lebensweg, bis in die Karibik, wo Gold, Ruhm und die Befreiung von Sklaven warten. Denn niemand hasst die Unfreiheit stärker, als ein ehemaliger Sklave. Isaac. Die Spanier sind sein Feind. Nein, eigentlich ist die heimische Langeweile Isaacs stärkster Gegner, dem er ab und zu den Kopf abschlagen muss, um sich lebendig zu fühlen. Hat der Kerl schwankende Planken unter den Füssen läuft Isaac zur Höchstform auf, was Eleanor, seines Schwester, mit einigem Unverständnis zur Kenntnis nimmt, wenn Isaac vernarbt und gut gelaunt aus der Hölle zurück auf die Insel zu schippert. Eleanor dagegen lebt ihre Abenteuerlust ausschließlich in der Liebe aus. Ansonsten ist sie Auge und Ohr der Königin. Stets zielorientiert und auf Ausgleich bedacht. Die typisch zupackende Frau, die hin und wieder von Selbstzweifeln und Schicksalsschlägen geplagt wird, wie in so vielen historischen Romanen. Der Leser mag das und die Autorin findet in Eleanors Heiratsunwilligkeit und Selbstbestimmungsdrang einen Weg eine außergewöhnliche Frau zu charakterisieren, bei dem es den geneigten Lesern gleichzeitig warm ums Herz werden kann. Was an sich schon einmal ein Kunststück ist.
Rebecca Gablé erzählt in einer solch süffigen und glasklaren Sprache, dass sich selbst tausend Seiten mühelos lesen lassen. Ganz toll finde ich die Geschichte an sich, was da so mit leichter Hand geschrieben steht muss eine Heidenarbeit in der konzeptionellen Entwicklung und schriftstellerischen Umsetzung gewesen sein. Über mehrere Jahrzehnte spannt sich der Bogen und löst sich in einem geschichtlichen Großereignis auf. Ich für meinen Teil habe natürlich lieber die Seeräubergeschichten in der Karibik gelesen. Bisweilen fand ich die aristokratischen Untiefen der vordemokratischen Zeit ein bisschen fad und zahnlos, aber der Roman funktioniert über die ganze Strecke gesehen gut. Man spürt die Routine und Schreibfreude der Autorin gleichermaßen und so stellte sich bei mir eine Leselust aus reiner Gewohnheit ein. Mehr nicht. Weniger aber auch nicht.
8 von 10 Punkten