Zitat
Original von Bouquineur
Aber da ich ein neugieriges Eulchen bin, traue ich mich nun einfach mal zu fragen, ob in den romantischen Szenen etwas von Dir steckt
Die Szenen zwischen Agnes und Cyprian sind so einzigartig und stark, dass man sie fast mit Händen greifen kann und da fragt man sich schon, ob beim Schreiben etwas selbst Erlebtes mit eingeflossen ist.
Das hab ich jetzt wohl herausgefordert und bin die Antwort daher auch schuldig.
Nun, ich bin sicher, meine Seelengefährtin vor mittlerweile 20 Jahren gefunden zu haben. Und Gott sei Dank hat sie es auch die ganze Zeit mit mir ausgehalten. Ich wünschte mir, ich hätte mehr von Cyprians ruhiger Zuversicht - in vielerlei Hinsicht steckt sicher mehr von mir in dem manchmal emotional überforderten Andrej als in Agnes' Mann. Agnes hingegen weist schon starke Züge der Frau auf, die schon so lange an meiner Seite steht - und sie hat mir deshalb auch schon kräftig den Kopf gewaschen.
Was die intimen Szenen angeht, verhält es sich hier natürlich in erster Linie so wie auch mit der Brutalität - ein Autor wäre seine Berufsbezeichnung nicht wert, wenn er nicht Lust und Leidenschaft ebenso überzeugend schildern könnte wie alles andere, ohne wirklich alles selbst ausprobiert zu haben. Die Dinge, hinter denen Henyk und seine Göttin her sind und die ihnen Lust bereiten, weise ich z.B. aufs Nachdringlichste von mir und hoffe, dass ihr euch das auch schon gedacht habt ...
Man kann erotische Szenen auf vielerlei Art schildern. Eine davon ist sicher die, die viele Kolleginnen und Kollegen (auch der von mir als Mensch sehr geschätzte Herr Follett) anwenden und die mehr oder weniger pornografisch die technischen Details schildert. Das ist nicht meine Art. Ich möchte dem nachspüren, was in den Köpfen und Herzen zweier Liebender vorgeht - nicht wundern über den "Kopf", ich bin durchaus überzeugt, dass das Hirn dabei nicht ausgeschaltet werden darf. Die Erfüllung der Liebe, ob seelisch oder körperlich, spricht die Ratio genauso an wie die Emotion und kann m.E. nur genossen werden, wenn man sie mit allen Sinnen, also auch dem Verstand, genießt.
Also versuche ich nachzuspüren, was innen vor sich geht, wenn aus zwei Menschen für eine Weile einer wird. Dass das in gewisser Weise persönlich wird, weil man aus seinen eigenen Erfahrungen etwas einfließen lässt, ist unausweichlich. Ich halte zwar nichts davon, die Charaktere von Romanen immer entlang der eigenen Gefühlswelt zu senden (ich habe mal bei einer Drehbuchbesprechung eine eher peinliche halbe Stunde dem Entwurf einer angehenden Autorin zugehört, die ganz offen ihr eigenes sexuelles coming out in einen Film zu verwandeln versuchte und im Lauf des Pitch auch noch ganz unwillkürlich von der Dritte-Person-Erzählebene in die Erste Person wechselte - es war quasi eine erotische Beichte vor einem halben Dutzend anderen Autoren und einem sich verlegen windenden Regisseur), aber dass in das eine oder andere etwas mehr vom eigenen Herzblut einbringt, empfinde ich als ganz legitim.
LGr
Richard