Beiträge von Richard Dübell

    Liebe Ines,


    Respekt - tatsächlich hat mich EIN GANZER KERL teilweise inspiriert. Als ich das Buch las, dachte ich darüber nach, was man aus der Vergewaltigungsgeschichte noch machen könnte und in welche andere Richtung sich diese Sache entwickeln könnte. Irgendwann kam mir dann die Idee, dies in DER SOHN DES TUCHHÄNDLERS einzuarbeiten.


    Letztlich stehen wir alle auf den Schultern derer, die größer sind als wir... :-)


    Liebe Grüße
    Richard

    Liebe magali,


    Avellino steht auf einem wackligen Teil, für das mir kein besserer Ausdruck als Staffelei eingefallen ist. Stell dir eine auf der einen Seite nach oben enger werdende Leiter vor, die auf der anderen Seite mit einem Fuß abgestützt ist. Wahrscheinlich hat er sie aus dem Dom; ich habe schon Kirchendiener auf so einem Ding stehen sehen, wenn sie versuchten, weit oben hängende Lampen anzuzünden.


    Die Geschichte mit dem Bettler ist erfunden, hätte aber natürlich so passieren können. Sie nimmt die Entwicklung, die die Dinge für eine der Figuren nehmen, vorweg - alle Versuche, die beginnende Katastrophe einzudämmen, machen diese nur noch schlimmer, und aus einem kleinen Fehler wird zuletzt das große Chaos.


    Peter ungeschickten Chauvi-Spruch hast Du richtig interpretiert - zu diesem Zeitpunkt ist das Verhältnis zwischen beiden schon so verfahren, dass Peter nur dieser verkrampfte Spruch einfällt. Nicht, dass Peter nicht ab und zu auch mal in friedlichen Zeiten nicht um ein bereitstehendes Fettnäpfchen herumkommt...


    Ich habe ein paar Essays zu Veit Stoß gelesen, ohne mich zu tief in seine Person eingearbeitet zu haben. Einiges von meiner Charakterisierung habe ich aus diesen Beschreibungen abgeleitet, anderes habe ich ihm untergeschoben, weil es zu seinem Anteil an der Romanhandlung passte. Sein Aussehen habe ich von einem alten Stich.


    Ein Hümmelchen ist eine Art Dudelsack mit nur einer oder zwei Pfeifen.


    Der Wawel ist der schroffe Hügel direkt außerhalb der damaligen Krakauer Stadtmauern, auf dem die Königsburg erbaut ist.


    Ein Hinweis zur Aussprache der polnischen Namen hätte in ein Glossar gemusst, und ich bin - bei belletristischen Werken - ein Feind von Glossaren; oder gar von Fußnoten im Stil von Karl May (es gibt nur einen Autor von Belletristik, bei dem Fußnoten tatsächlich eine Bereicherung des Textes darstellen: Terry Pratchett). Es ist ja für die Story an sich belanglos, ob die Leser die Namen richtig aussprechen können... denke ich...


    Liebe Grüße
    Richard

    Liebe Kleine Bärin,


    die wirtschaftlich-politische Macht lag seinerzeit tatsächlich in den Händen der Patrizier deutscher Herkunft; für den Roman habe ich die Verhältnisse aber ein wenig dramatischer wiedergegeben, als sie in Wirklichkeit waren.


    Weigel ist ursprünglich deutscher Herkunft. Ich habe ihn so sprechen lassen, wie eine Bekannte von mir spricht, die aus den ehemaligen schlesischen Gebieten stammt. Ihre (und Weigels) manchmal eigenwillige Grammatik kenne ich übrigens auch von der Großmutter meiner Frau, die ebenfalls aus einem Gebiet an der heute tschechisch-polnischen Grenze stammt.


    Liebe Grüße
    Richard

    Liebe Prisca,


    die Inspiration zu der Szene mit dem toten Avellino habe ich schon seit langer Zeit im Hinterkopf. Erinnert sich noch jemand, wie es war, als man den toten Ayatollah Khomeini zu seinem Begräbnis zu bringen versuchte? Zitat "Während des Trauerzugs im Juni 1989 hatte die rasende Menge Khomeinis in ein Tuch gewickelten Leichnam von der Bahre gerissen. Die Beisetzung in Teheran konnte erst mit stundenlanger Verzögerung stattfinden, nachdem ein Hubschrauber die sterblichen Überreste zu der Grabstätte transportiert hatte. " Zitat Ende, www.ksta.de.


    Bei der noch nicht so lange zurückliegenden Beisetzung von Jassir Arafat war es übrigens ähnlich.


    Liebe Grüße
    Richard

    Liebe bibihexe, liebe Kleine Bärin,


    die historische Vorlage für Avellino ist Jan Capistrano, ein Hetzprediger, der um die Mitte des 15. Jahrhunderts in Krakau wirkte und der Liebling des damaligen Domprobstes war. Anders als Avellino hat der wirkliche Capistrano für seine Taten den Lohn erhalten, der lange Zeit in der katholischen Kirche für Brandredner, Demagogen und Hetzer gegen Andersgläubige üblich war: er ist heiliggesprochen worden. An einem Haus an der Westflanke des Tuchmarktes in Krakau befindet sich eine Figur von Jan Capistrano und blickt auf den Tuchmarkt hinunter, ziemlich genau auf die Stelle, an der früher Kleine und Große Waage standen. Für mich war daher klar, dass Avellino genau an diesen Stellen predigt.


    Liebe Grüße
    Richard

    Liebe Kleine Bärin,


    ich will ganz ehrlich sein und zugeben, dass mir die übermäßige Häufung der gut ausgehenden Cliffhanger gar nicht so aufgefallen ist. :gruebel


    Solche Tricks bringen natürlich Tempo und kleine Spannungsbögen in die Handlung. Man hofft als Autor auch ein bißchen darauf, dass der Leser denkt: Jetzt ist es schon so oft gut gegangen, irgendwann muss es auch mal schlecht ausgehen! - und damit bei jeder Cliffhanger-Szene noch ein wenig mehr gespannt ist und fürchtet, dass das tragische Ende genau jetzt kommt.


    Ich nehme mir Deine Anmerkung aber auf jeden Fall zu Herzen! Vielen Dank dafür!


    Liebe Grüße
    Richard

    Liebe Rosenstolz,


    aus dramaturgischen Gründen ist mir bei Peters Alter natürlich ein großer Schnitzer unterlaufen. :bonk


    Ich hatte ihn ja nie als Serienfigur angelegt und wollte in DER TUCHHÄNDLER auf jeden Fall ein Gegengewicht zu all den jugendlich-virilen Helden der üblichen historischen Romane setzen. Daher erfand ich eine Figur, die im Jahr 1475 ein Alter von 46 Jahren (und eine tragische Vergangenheit) hatte. Als sich herauskristallisierte, dass der Peter-Bernward-Charakter tatsächlich Tragfähigkeit für mehrere Geschichten besaß, steckte ich schon in der Falle... Nicht, dass ich bereuen würde, Peter so angelegt zu haben, wie er ist, ganz im Gegenteil - ich bin nicht unzufrieden mit ihm. Aber natürlich sind mir all die Geschichten mit ihm als Hauptperson verwehrt, die viel später als DER SOHN DES TUCHHÄNDLERS spielen. Einen zum Kampf-Greis gealterten, aber aus unerfindlichen Gründen immer noch aktiven Peter Bernward möchte ich nicht beschreiben, das ist mir zu billig. Daher werden all die schönen Stories, die z.B. in der "Entdeckung" Amerikas stecken, leider nicht mit Peter in der Hauptrolle erzählt werden. :-(


    Was die Idee zu einer neuen Leserunde betrifft: meinetwegen sehr gern! Es macht großen Spaß, sich mit so kritischen Lesern auseinanderzusetzen, da fühlt man seine eigene Arbeit gleich nochmal so gewürdigt.




    Liebe Grüße
    Richard

    Liebe Prisca,


    stimmt, aber ich muss leider gestehen, dass ich es von Anfang an so geplant hatte. Ich brauchte die Parallele zum Schicksal der Hauptpersonen aus dramaturgischen Gründen, und im echten Leben ist es ja leider auch meistens so, dass die bezahlen, die am wenigsten dafür können.


    Liebe Grüße
    Richard

    Liebe bibihexe,


    das war auch zu damaligen Zeiten kein ungewöhnlicher Unfall, und nachdem ich mehrere Varianten durchgespielt hatte, was der Grund für Samuels Verhalten sein könnte, kam ich auf diese Lösung. Vielleicht liegt es daran, dass auch mich diese Problematik sehr bewegt - es ist schwierig, sich hier darüber auszulassen, ohne gleich die entsprechende Passage aus dem Roman zu verraten. Es bleibt bei dem Fazit, dass menschliche Verblendung, Engstirnigkeit und falsch verstandenes Traditionsbewußtsein mindestens so schlimm sind wie gezielte Bösartigkeit, und das anzusprechen ist ja auch eines der Anliegen meines Buches.


    Liebe Grüße
    Richard

    Liebe Milla,


    mit den Titeln ist es so eine Sache. Mein Arbeitstitel für den Roman hieß eigentlich ASCHE, aber da wollte mein Verlag nicht mitziehen. So ist nun eben DER SOHN DES TUCHHÄNDLERS daraus geworden. Ich habe ein Faible für etwas doppeldeutige Titel und werde später bei meiner Antwort auf einen anderen Eintrag auch noch was DER TUCHHÄNDLER dazu sagen. Wie auch immer, wie Du schon richtig erkannt hast, spielen zwei Söhne eine große Rolle, und ich will es eigentlich dem Leser überlassen, wen er mit dem Titel angesprochen haben will.


    Liebe Grüße
    Richard

    Liebe Rosenstolz,


    Deine Frage ist schwierig zu beantworten. Ich versuche es mal mit dem zeitlichen Ansatz:


    2003. DAS SPIEL DES ALCHIMISTEN ist fertiggestellt. Ich bin der Ansicht, damit den finalen Peter-Bernward-Roman geschrieben zu haben, und verabschiede mich in Gedanken von dem Mann, nehme mir vor, ihn in Ruhe und Frieden alt werden zu lassen und ihn von weiteren Abenteuern und mich vom späten fünfzehnten Jahrhundert fürderhin zu verschonen.


    2004 - 1. Ich stelle fest, dass außer mir kein Mensch der Meinung ist, dass DAS SPIEL DES ALCHIMISTEN die Geschichte um Peter Bernward zufriedenstellend auflöst.


    2004 - 2. Meine Frau teilt die Meinung der anderen Menschen, möchte noch einen Peter-Bernward-Roman lesen und ist außerdem ganz privat der Ansicht, dass ich im SPIEL DES ALCHIMISTEN versprochen hätte, Peter nach Krakau zu führen, und sie will eine Geschichte lesen, die in Krakau spielt und dort zusammen mit mir recherchieren. Wie die meisten Autoren bin ich Wachs in den Händen meiner Frau.


    2004 - 3. Georg Brun, preisgekrönter Autor und guter Freund, hört sich auf einer gemeinsamen Autofahrt meine zweifelnden Einlassungen zu meinen ersten Ideen bezüglich eines weiteren Peter-Bernward-Romans an, erklärt mir, ich habe nicht alle Tassen im Schrank zu glauben, mit dem SPIEL DES ALCHIMISTEN die Geschichte zu Ende gebracht zu haben, und meint, wenn es von der Idee, die ich ihm gerade erzählt habe, Aktien zu kaufen gäbe, würde er sie kaufen. Ich denke kurzfristig wirre Gedanken von der Ich-AG und langfristig konkrete Gedanken zum Peter-Bernward-Roman Nr. 5.


    2006. DER SOHN DES TUCHHÄNDLERS ist fertiggestellt. Ich bin der Ansicht, damit den finalen Peter-Bernward-Roman geschrieben zu haben, und verabschiede mich in Gedanken von dem Mann, nehme mir vor, ihn in Ruhe und Frieden alt werden zu lassen und ihn von weiteren Abenteuern und mich vom späten fünfzehnten Jahrhundert fürderhin zu verschonen.


    2007....?



    Viele Grüße
    Richard

    Liebe Bibihexe,


    für Krakau gab es viele Gründe.


    Historisch: durch die Landshuter Fürstenhochzeit im Jahr 1475, aber auch schon vorher bestanden starke Verbindungen zwischen dem Herzogtum Landshut-Bayern (damals eines der mächtigsten Herzogtümer im Deutschen Reich) und Polen (damals das mächtigste Königreich im Osten). Krakau und Landshut als die beiden Zentren der jeweiligen Fürstentümer hingen und hängen auch heute noch sehr stark zusammen.


    Die Situation der dreigeteilten Stadt (ich habe diese Situation allerdings etwas dramatisch überhöht und auch ein paar Ereignisse, zu deren Ablauf es in Wahrheit mehrere Jahre brauchte, innerhalb weniger Wochen zusammengezogen) lud außerdem ein, eine Geschichte über Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz zu schreiben.


    Dramaturgisch: Für Peter Bernward als Landshuter Bürger im letzten Quartal des fünfzehnten Jahrhunderts liegt der Gedanke an Krakau nahe. Stärker als das zählt allerdings der Umstand, dass seine Gefährtin Jana aus Krakau stammt. Am Ende des TUCHHÄNDLERS verlässt Peter seine Heimat, um Jana nachzufolgen; diese Reise hat ihn im SOHN DES TUCHHÄNDLERS schließlich dort ankommen lassen, wo Jana zu Hause ist.


    Hier kommt jetzt auch die Verbindung mit der Historie ins Spiel. Eine Geschichte über Intoleranz und Feindseligkeit gegenüber Fremden erschien mir als ein gutes Peter-Bernward-Vehikel, umso mehr, da er ja selbst ein Fremder in Krakau ist. Und man kann Peter viele Fehler vorwerfen, aber eines ist er nicht: intolerant und chauvinistisch.


    Tagespolitisch: Polen ist neues EU-Mitglied und vielen Menschen, vor allem im ehemaligen Westdeutschland, unbekannter als die Seychellen. Ich empfand es als wichtig, das Land so bald wie möglich zum Schauplatz eines Romans zu machen. Was das Thema selbst betrifft - da brauchen wir nur Zeitung zu lesen, um festzustellen, wie brandaktuell die oben geschilderten hehren menschlichen Charakterzüge sind... :-(


    Persönlich: ich mag Polen und seine Menschen (jedenfalls die, die ich kennengelernt habe) und den Weg, den es seit dem Abschütteln der kommunistischen Herrschaft genommen hat. Das hat mir von jeher imponiert. Nachdem ich nun auch Krakau gesehen habe, kann ich außerdem sagen: Ich mag!!! Krakau! Das spielte zwar für die Konzeption des Romans keine Rolle, weil ich Krakau zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte, wahr ist es aber dennoch.



    Ich war mit meiner Frau eine knappe Woche in Krakau. Wir hatten eine Führerin, die ehemalige polnische Generalkonsulin in Deutschland, die ich über die Verbindung zum Landshuter Kulturreferat kennenlernen und für mein Projekt gewinnen konnte. Sie hat uns alle Türen in Krakau geöffnet, so dass ich mit relativ wenig Recherchezeit vor Ort unheimlich viele Fakten erurieren konnte. Nicht die Hälfte davon hat Platz im Buch gefunden, wie es leider immer so ist...



    Die lateinischen Texte: ich war auf der Suche nach etwas, das zum Thema des Buches passt und das gleichzeitig die immer weiter ansteigende Bedrohung symbolisieren soll. Ich schreibe in der Regel mit laut aufgedrehter Musik (Filmsoundtracks); ich habe den Luxus eines Arbeitszimmers unterm Dach, und meine Kinder wissen, wenn sich bei Papa hinter der Tür die Herren Goldsmith, Williams, Poledouris oder Zimmer austoben, dann hat Papa Besuch von seiner Muse, und die beiden versuchen ein bißchen zu arbeiten (um Mißverständnissen vorzubeugen: meine Muse ist männlich, sieht so aus wie Peter Bernward und ist eher ein ungeduldig-fordernder Charakter, der einen arbeiten sehen will dafür, dass er sich die Mühe macht und den Feenstaub auf einen pustet). Irgendwann dröhnte auch der Soundtrack zu DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME durch meine Lautsprecher, und ich begann auf den Text der Chorstücke zu lauschen... und siehe da, es waren Auszüge aus Dvoraks Requiem op. 89, das sich mit dem Jüngsten Tag befasst. Da war die Idee zu den Kapiteleinleitungen geboren.


    Viele Grüße
    Richard

    Liebe Milla,


    wau! Ganz herzlichen Dank für die Komplimente! Ich habe, speziell was Peters Situation am Ende der Geschichte betrifft, tief in mich selbst hineingeschaut und versucht herauszufinden, wie es mir an seiner Stelle ergangen wäre. Natürlich kriegt man das nie zu seiner eigenen hundertprozentigen Zufriedenheit aufs Papier, aber nahe dran ist es schon. Insofern stimmt es natürlich auch, dass immer ein Teil von einem selbst in den Charakteren steckt, und auch ich war, nachdem ich die betreffenden Kapitel geschrieben hatte, emotional ziemlich aufgewühlt.


    Viel Spaß mit den anderen Peter-Bernward-Romanen. Da Du jetzt quasi den Helden am Ende seines Entwicklungsbogens kennengelernt hast, wirst Du feststellen, dass der frühe Peter Bernward in manchen Dingen spröder und distanzierter ist als im SOHN DES TUCHHÄNDLERS. Das ist zum großen Teil beabsichtigt (ich wollte ja über alle Romane hinweg auch einen Erzählbogen spannen), aber selbstverständlich hängt es auch mit meiner eigenen Entwicklung als Autor zusammen und mit den zunehmenden Freiheiten, die der Verlagswechsel mir einräumte. DER SOHN DES TUCHHÄNDLERS enthält allerdings auch den einen oder anderen Spoiler, was seine Vorgänger betrifft. Ich habe zwar verzweifelt versucht, nicht zu viel zu verraten, aber in einem Roman, der als Kulmination aller vorhergegangenen Geschichten angelegt ist, kommt man nicht drumherum, das eine oder andere auszuplaudern.


    Viele Grüße
    Richard

    Liebe Kleine Bärin,


    ich pflichte Dir von ganzem Herzen bei, was Fremdsprachen in wichtigen Handlungspassagen betrifft (altbekanntesParadebeispiel: DER NAME DER ROSE, wenngleich man diese Buch ja eigentlich nicht als Vergleich mit belletristischen Werken heranziehen darf, da es eher eine philosophische Abhandlung in Krimiverkleidung darstellt). Die Kapiteleinleitungen im SOHN DES TUCHHÄNDLERS haben rein gar nichts mit der Handlung zu tun, eher mit der allgemeinen Atmosphäre des Buches und mit seinem Thema - der Tag des Zorns, an dem der Richter kommen wird. Der Text stammt aus einem Requiem, was mir ganz passend erschien, und findet außerdem in Auszügen Anwendung in den Chorstücken des Soundtracks zu DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME.
    Es entgeht Dir keinerlei Information, wenn Du die Texte nicht liest oder zu übersetzen versuchst. Sie sollen einfach nur Atmosphäre schaffen.
    Ich werde aber auf jeden Fall noch eine Übersetzung hier nachliefern, wenn's bei mir wieder ein bißchen ruhiger ist.


    Paolos leibliche Mutter ist die venezianische Kurtisane Fiuzetta, sein leiblicher Vater der Kaufmann Fabio Dandolo. Sie spielen beide in DIE SCHWARZEN WASSER VON SAN MARCO wichtige Rollen.


    Viele Grüße
    Richard

    Liebe Milla,


    danke für die Blumen bezüglich des Tricks mit "Was ich viel später erfuhr". :-)


    Bei einem der Peter-Bernward-Bücher, DIE SCHWARZEN WASSER VON SAN MARCO, hatte ich besondere Probleme mit der Erzählperspektive. Die einzelnen Geschehnisse, die sich zu dem Fall verdichten, in dem Peter in Venedig ermittelt und die sich quasi vor dem Beginn des Romans ereignen, sind recht komplex. Während des Schreibens wurde mir klar, dass Peter einen Teil dieser Entwicklungen kennen muss, um weiter nachforschen zu können. Ich kam schließlich auf den Einfall, ihn ein Gespräch belauschen zu lassen, dass Paolo Calendar, der Geheimpolizist, mit dem Sklavenhändler Barberro führt. In diesem Gespräch erweist es sich, dass Calendar schon einiges von den Machenschaften Barberros und seiner Geldgeber herausbekommen hat, ohne dass Peter in diese Entdeckungen involviert gewesen wäre. Diese Kenntnisse teilt Calendar nun unfreiwillig mit Peter, der mit einem Ohr an der Luke von Barberros Schiff hängt und den Lauscher an der Wand spielt.


    Viele Grüße
    Richard

    Liebe Rosenstolz,


    Unschlitt oder Talg wird aus Rinder- oder Hammelschlachtteilen hergestellt und ist eigentlich Körperfett. Unschlittkerzen waren die billigere Alternative zu Wachskerzen und bildeten neben Öl- oder Tranlampen die hauptsächliche Beleuchtungsquelle immer dort, wo man sich nichts anderes leisten konnte (also fast überall). Entsprechend ihrer Herkunft rochen und russten Unschlittkerzen ziemlich stark, ein Duft, der auch damals offenbar als unangenehm empfunden wurde, weil man des öfteren in Briefen oder Chroniken Einlassungen darüber findet.


    Freut mich, wenn Du mit dem Buch langsam warm wirst... ich hoffe, Dich im weiteren Verlauf der Handlung nicht zu enttäuschen. :-)


    Viele Grüße
    Richard

    Hallo an alle,


    ich bin überrascht, wie viele Einträge sich hier im Forum schon angesammelt haben. Toll! Ich danke euch allen für euer Interesse und versuche jetzt mal, die ersten Fragen zu beantworten:


    Lateinkenntnisse:
    Ist es OK, wenn ich die Übersetzungen in den nächsten Tagen nachliefere? Im Moment werde ich mit Lesungen und Vorträgen ziemlich in Atem gehalten. Ich muss erst mal meine Unterlagen sichten, aus dem Stegreif kriege ich's auch nicht zusammen. Es handelt sich jedenfalls um Textauszüge aus dem Requiem op. 89 von Antonin Dvorak (also nichts Mittelalterliches), und auf den Text gestoßen bin ich unter anderem über den Film-Soundtrack von DER GLÖCKNER VON NOTRE DAME.


    Ich-Perspektive:
    Alle Peter-Bernward-Romane sind in der ersten Person geschrieben; alle anderen Romane nicht... ;-) Es ist recht anstrengend, diese Perspektive einzunehmen, und sie nimmt einem viele dramaturgische Möglichkeiten, z.B. den beliebten cliffhanger am Kapitelende. Es gibt auch nicht allzu viele Wege, den Leser Wissen anzubieten, das der Protagonist nicht hat, was wiederum diverse Erzählformen, etwa den Thriller, verbietet. Warum habe ich mir das nun angetan? Ich bin ein großer Fan der Romane von Raymond Chandler und konnte mir bei meinem ersten Buch gar nichts anderes vorstellen, als einen (historischen) Detektiv-Roman so wie er in der ersten Person zu schreiben.


    Geil:
    Das hat sich ja bereits geklärt. Herzlichen Dank an magali für die Erklärung - so gut hätte ich es gar nicht darstellen können. Auffallend ist, dass schon mehrere LeserInnen darüber gefallen sind - selbst in meinem Gästebuch auf meiner Homepage hat sich jemand deswegen erkundigt. Schön, dass ein Buch zu so viel themenfremdem Nachdenken anregt!


    Schreibstil:
    Liebe Prisca, vielen Dank für die offenen Worte. Ich freue mich selbst sehr darüber, dass sich eine stilistische Entwicklung in meinen Büchern feststellen läßt und hoffe sehr, dass diese weitergeht, so lange ich schreibe! Ich muss allerdings auch anmerken, dass speziell bei meinem Erstlingswerk, dem TUCHHÄNDLER, die Betreuung durch Redaktion und Lektorat meines damaligen Verlages viel enger war als das heute der Fall ist. Es läßt sich zudem feststellen, dass der Stil der Verlage selbst unterschiedlich ist - Ironie, humorvolle Szenen, aber auch ein gewisses Tempo in der Handlung kann ich heute bei Lübbe besser verwirklichen als bei meinem ersten Verlag. Ich habe viel gelernt durch die geduldige Arbeit all meiner Lektorinnen und Lektoren und bin ihnen sehr dankbar. Heutzutage macht es mich aber auch ein bißchen stolz, wenn meine Texte praktisch unverändert in Druck gehen. Die Prosa in DER SOHN DES TUCHHÄNDLERS ist keinerlei Änderung mehr unterworfen worden - das ist mein Text, so wie er nach dem Abschluss meiner persönlichen Überarbeitungen stand.


    Darlegung von politischen und historischen Fakten:
    Ich versuche stets, die Fakten in Dialogen oder noch lieber in Handlungen unterzubringen. Kapitel, die sich selbst aus dem Erzählfluss ausklammern und reine Informationen liefern, mag ich nicht so gern - manchmal lassen sie sich zwar nicht vermeiden, aber wann immer sich die Chance dazu ergibt, ersetze ich sie durch Aktion. Ich weiß, dass sich die Faktenlage dadurch manchmal nicht so leicht erschließt, aber im Zweifelsfall ist mir eine stimmige Dramaturgie lieber als die Aufbereitung von Geschichtswissen.
    Im Übrigen gilt dies auch für die Charaktere. Ich lasse sie sich selbst durch ihre Aktionen und wie sie sprechen vorstellen, nicht durch Beschreibungen Dritter oder der beliebten allwissenden Meldung aus der Etage des Erzählers. Ich hänge da der klassichen Lehre aus der Drehbuchwelt an: was sind Charaktere anderes als Handlung?


    Peters persönlicher Hintergrund:
    Zu Beginn des TUCHHÄNDLERS (1475) lernen wir ihn als zurückgezogenen, misstrauischen Mann kennen, der den Tod seiner Frau Maria vor sieben Jahren (sie starb bei der Totgeburt ihres vierten Kindes) noch immer nicht überwunden hat. Seine Familie, bestehend aus den Töchtern Sabina und Maria und dem Sohn Daniel, ist wegen seiner Unfähigkeit, seinen Schmerz mit ihnen zu teilen, auseinandergebrochen; die Kinder sehen dies als seinen Fehler und nehmen es ihm übel.
    Im Verlauf der Peter-Bernward-Romane verändert sich seine persönliche Situation, und so sehen wir ihn am Anfang von DER SOHN DES TUCHHÄNDLERS (1486) in einer neuen Familienkonstellation zusammen mit seiner Gefährtin Jana Dlugosz und dem gemeinsamen Adoptivsohn Paolo. Peters Wunsch ist es, seine alte Familie und seine neue zu vereinen, daher hat er seine Kinder nach Krakau gebeten. Warum seine zweite Tochter Maria nicht kommt, liegt an Ereignissen, die mit den Romanen EINE MESSE FÜR DIE MEDICI und DAS SPIEL DES ALCHIMISTEN erzählt werden und die ich hier nicht verraten möchte.
    Bevor er sich in Landshut ansiedelte, arbeitete Peter als Untersuchungsbeamter für Bischof Peter von Schaumberg (historische Figur) in Augsburg. Von daher stammt seine kriminalistische Ader, aber auch sein gespaltenes Verhältnis zu der Erinnerung an seinen lange verstorbenen Mentor und Freund - die beiden trennten sich im Unfrieden wegen eines Mordfalles, in dem Peter aus politischen Gründen die Aufdeckung der Täter verboten wurde (siehe DER TUCHHÄNDLER).
    Peters Freunde aus früheren Zeiten spielen bis auf eine Ausnahme in allen Büchern keine Rolle oder nur die einer Erinnerung. Diese sogenannten flashbacks sind ein Markenzeichen aller Bernward-Romane und sollen auf Peters Charaktermerkmal hinweisen, dass die Überwindung der Vergangenheit für ihn ein ständiger Kampf ist.
    Peters gegenwärtige Freunde (er ist keiner, der allzu leicht Freundschaften schließt) sind Hanns Altdorfer und Sebastian Löw in Landshut (siehe DER TUCHHÄNDLER), Paolo Calendar in Venedig (siehe DIE SCHWARZEN WASSER VON SAN MARCO) und, in Krakau, Friedrich von Rechberg und Mojzesz Fiszel.


    Paolo:
    Ich freue mich, dass Paolo als glaubhafte Figur rüberkommt. Allerdings habe ich ein gutes Vorbild für ihn in meiner unmittelbaren Nähe - meinen achtjährigen Sohn Mario...


    Bis bald - ich freue mich auf weitere Fragen, Anmerkungen und Kritik! Ich hoffe, ihr nehmt es mir nicht übel, wenn manchmal ein paar Tage vergehen, bis ich wieder ins Forum schaue - bis Ende Juni bin noch ziemlich im Stress.


    Liebe Grüße
    Richard