Zitat
Original von Wolke
Lieber Richard,
ich glaube die Frage von Herr Palomar ist durchgerutscht, darum hier die Frage noch einmal im Zitat. Erzähl uns doch mal deine Sicht der Frankfurter Messe (Leipzig auch sehr gerne). Ich erinnere mich übrigens noch gerne ans gemeinsame Bagel essen und klönen
Liebe Wolke,
lieber Herr Palomar,
hab ich die Frage übersehen? Entschuldigung!
Also - zunächst einmal sollte man wissen, dass ich doch ein ganzes Stück von Bergisch Gladbach entfernt lebe, wo sich mein Verlag (Lübbe) befindet. Ich sehe daher die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verlags relativ selten; die Hauptkommunikation findet über e-Mails und Telefonate statt, persönliche Begegnungen gibt es (nur) bei wichtigen Lesungen/Buchpräsentationen, PR-Aktionen und Projektdurchsprachen. Ich freue mich daher mächtig darauf, mit all den netten Leuten wieder mal persönlich zu sprechen, mit denen ich sonst nur elektronisch verbunden bin.
Dann gibt es da die Kolleginnen und Kollegen! Wer glaubt, wir Autoren betrachten uns gegenseitig als Konkurrenz und beäugen uns misstrauisch, hat nur zu einem ganz geringen Teil recht. Überwiegend fühlt man sich einander verbunden, möchte über die Projekte der anderen reden und seine eigenen schildern, möchte die offen oder im Subtext geäußerten positiven/negativen Rezensionen seiner eigenen Werke hören und daraus lernen. Da man diese sehr oft liebgewordenen Menschen noch seltener sieht als die Verlagsmitarbeiter, ist man immer sehr gespannt auf sie. Tischrunden höchst normal aussehender Leute, die mit Kaffeetassen bewaffnet die Köpfe zusammenstecken und oft gar nicht so leicht aus ihrem Gespräch zu reißen sind, oder kleine Cluster von sich umarmenden und auf die Schultern klopfenden Damen und Herren sind in der Regel Autoren, die sich lange nicht gesehen haben und sich viel zu erzählen haben ...
Weiter geht's zu den Buchhändlern und professionellen Messebesuchern wie z.B. Andrea (und zu einer Erklärung über die Reihenfolge, die ich hier gewählt habe: es ist die, in der ich diesen Menschen in der Regel über die Messetage hinweg begegne). Auch hier gibt es alte Freund- und neue Bekanntschaften, Gespräche über zukünftige Zusammenarbeit und gemeinsames Erarbeiten von Ideen. In diesem Jahr hatte ich zum Beispiel die Möglichkeit, mit Buchhändlern in Ausbildung eine ganze Stunde zu verbringen und ein höchst interessantes Gespräch über die beiderseitigen Ansichten zum Produkt Buch zu führen.
Und ganz bestimmt nicht zuletzt: die Leser! In diesem Jahr musste ich wegen eines Engagements bereits am Freitag abreisen; sonst versuche ich das Wochenende immer mitzunehmen. Zu meinen schönsten Erlebnissen gehört u.a., dass plötzlich eine große Gruppe Jugendlicher aus meiner Heimatstadt im Lübbe-Stand auftauchte, die als Teilnehmer eines Wettbewerbs eine Reise zur Messe gewonnen hatten und mir die Gelegenheit gaben, eine ganze Menge Autogramme zu unterschreiben.
Und dazwischen gibt es Interviewtermine, Fototermine, unverhoffte Gespräche mit interessierten Lizenzkäufern, Rumalbern und ernsthafte Diskussionen und Besuche bei den Ständen anderer Verlage, die befreundete Autoren unter Vertrag haben und denen man selbstverständlich einen Besuch abstattet. Die eigene Anwesenheit auf der Messe dient aber in großem Maß der marketingtechnischen Unterstützung des Verlags und nicht der eigenen Belustigung, und so bleibt man so lang und so oft wie möglich beim Stand seines Verlags und beschränkt das Schlendern durch die Hallen auf wenige Gelegenheiten (und meldet sich anständigerweise auch immer bei der Standleitung ab).
Daraus ergibt sich auch die Antwort auf die Fragen: mein Eindruck von der Messe war der einer schönen, ausgewogenen Mischung aus freundschaftlicher Begegnung, kreativer Arbeit und neuen Eindrücken. Wie sich ein Autor fühlt, dürfte sich aus meiner o.a. Schilderung ableiten lassen; ich sag's aber nochmal gerne ganz klar: ich fühle mich immer sehr, sehr gut und bin sehr gerne dort, sowohl in Frankfurt als auch in Leipzig. Es ist natürlich ein bißchen anstrengend (besonders, wenn man mehrere Tage dort ist, weil das Abendprogramm die Bugwelle nicht schlafend verbrachter Nachtstunden immer weiter ansteigen lässt), und ich empfand es noch nie langweilig.
Was die Bagels betrifft - ich erfahre immer wieder, dass Autoren anderer Verlage höchst gern bei Lübbe aufkreuzen, weil man hier so großzügig und entspannt ist wie sonst kaum irgendwo. Ist das nicht toll?
LGr
Richard