Beiträge von Tanja Kinkel

    Warum der Kaiser diese Art der Rache wählt, die seinen Eid aufrecht hält: das hat wenig mit Ehrgefühl und alles mit dem entsetzlichen Gesichtsverlust zu den, den die Niederlage und die Gefangenschaft für den chinesischen Kaiser bedeutete. Wenn er Tsorokbai-Temur und dessen Gefolgschaft hätte an Ort und Stelle umbringen lassen - voraussgesetzt, man hätte seinen Befehlen gehorcht, was nicht gegeben war, denn de facto war sein Bruder der amtierende Kaiser -, dann hätte das in den Augen von sowohl Chinesen als auch Mongolen sein zerstörtes Ansehen nicht wieder hergestellt. Es hätte seinen Ruf als Feigling bekräftigt, und Tsorokbai-Temur als ehrenhaften Helden, der in den Tod ging, da stehen lassen.


    Durch die öffentliche Demütigung Tsorokbai-Temurs (vor den Augen anderer Mongolen und vor allem vor den Augen von Tsorokbai-Temurs Kind) dagegen, die er selbst übernimmt, steht der Kaiser nun vor den Chinesen als ein kluger Mann dar, der weiß, wie man mit Barbaren fertig wird, und sie lächerlich aussehen läßt. Die Mongolen haben ihr Gesicht verloren (für Chinesen eines der schlimmsten Schicksale), der Kaiser seines wieder gewonnen.

    23 und 5, soweit ich mich erinnere. Manduchai hat sieben Jahre lang beobachtet, wie die Männer an der Spitze versagten, ist überzeugt davon, es besser machen zu können - und eben nicht nur als "die Frau an seiner Seite". Außerdem sollte man bei dieser vielleicht wichtigsten Entscheidung ihres Lebens - und es hat jeden überrascht, daß sie nicht Önbolod (oder einen anderen der wichtigsten Generäle und Warlords) geheiratet hat - nicht übersehen, was sie an Präzedenzfällen im Kopf gehabt haben muß: 1) Esen, dessen radikaler Versuch, die Goldene Erblinie zu brechen, ihm seine Unterstützung bei der Bevölkerung kostete (und hätte Manduchai Önbolod geheiratet, hätte kein Mensch, der sie nicht persönlich kannte, geglaubt, daß Batu Möngke einmal Khan werden würde - jeder wäre davon ausgegangen, daß Önbolod seine eigenen Söhne als Erben würde haben wollen), und b) Wan, die bewiesen hatte, daß es möglich war, die Loyalität eines Jungen auch zu behalten, wenn dieser erwachsen war, und weiterhin zu herrschen.

    Maharet, was mich bei den Jurten vor allem überraschte, war, wie gut sie tatsächlich gegen Regen und Wind abgedichtet sind. (Von Schnee kann ich nicht aus eigener Erfahrung sprechen, schließlich war ich nicht im Winter dort - das ist nur was für Hardcore-Reisende, da herrscht nämlich minus 30 Grad Durchschnittstemperatur. :yikes) Es hat schon seine Gründe, daß die Mongolen seit mehr als einem Jahrtausend auf dieses Design schwören! :-)

    Da Esen vorhatte, den Sohn seiner Tochter zu töten - "Wenn es ein Mädchen wird, dann kann es mir gleich sein, dann soll sie mit der Kleinen tun, was sie will, und ihr die Haare kämmen. Aber wenn es ein Junge wird, dann muss ihm mit dem Schwert die Kehle gekämmt werden" ist übrigens ein Direktzitat aus den Chroniken -, kann man mit Sicherheit sagen, daß er nicht zu so einer Handlungsweise wie Tsorokbai-Temur imstande gewesen wäre.

    LyFa, das Tempo ist schmeichelhaft für die Autorin! :-)


    Es ist schade, und ich hoffe, daß die Person als tragisch, nicht negativ in Erinnerung bleibt.


    Bolcho hätte ein militärisches Genie sein müssen, um bei einem Chinafeldzug unter diesen Voraussetzungen Erfolg zu haben, und nichts spricht dafür, daß der junge Springinsfeld eins war, aber hätte in niemandes Augen Ma Jings Botschaft an Wan entschuldigt...jedenfalls, was die Mongolen betrifft. Aus chinesischer Perspektive dagegen war die Botschaft richtig, aber seine Treue zu Manduchai falsch!

    Herr Palomar, die Sache mit dem unscheinbaren Ring, den Tsorokbai-Temur an Esens Hand wieder erkennt, ist vor allem deswegen dar, um ein für allemal klar zu machen, daß Esen wirklich tot ist. Damit die Leser nicht für den Rest des Romans darauf warten, ob er noch einmal auftritt. (Er wurde übrigens wirklich von einem Nobody getötet und auf einem Baum dekoriert.) Aber was er getan hat, und wie die übrigen Mongolen reagierten, wird Manduchai für den Rest ihres Lebens beeinflussen. Esen war der erste mongolische Anführer nach der Vertreibung der Mongolen aus China, der sie kurzzeitig wieder einte. Daß es von seiner erfolgreichen Schlacht gegen den chinesischen Kaiser (wieder: der erste Mongole seit der Vertreibung, dem das gelang) bis zu seinem elenden Ende nur wenige Jahre dauerte, zeigt zwei mögliche Extreme, die einem Anführer geschehen können.

    LyFa, wenn du es inzwischen nicht schon gelesen hast: wen hältst du denn für den Mörder?


    Apropos Game of Thrones: "You win or you die" könnten sowohl Wan als auch (später) Manduchai über ihr Dasein sagen.


    Bestrafung von Ehebruch (oder angeblichen Ehebruch) bei den Mongolen: war brutal, aber man sollte nicht vergessen, wie in Europa noch ein Jahrhundert später z.B. Heinrich VIII. seine Ehefrauen loswurde. Da hat keine Kultur einen Anspruch auf moralische Überlegenheit.

    Lesebiene, hier ist noch ein Foto von einem heutigen Jurteninnerin, in dem Fall von einer normalen Wohnjurte, deren Besitzerin uns eingeladen hatte.


    Die Kaiserinwitwe: tja, Eltern sollen zwar ihre Kinder alle gleich lieben, aber viele ziehen trotzdem eines vor. Zumal, wenn sie sich von dem anderen übergangen und gekränkt fühlen. Man darf bei ihr auch nicht übersehen, daß sie ein paar Jahre für ihren ältesten Sohn regiert hatte, als dieser noch ein Kind gewesen war. Sie will den Einfluß zurück, den sie einmal gehabt hat.

    Herr Palomar, ich habe sowohl in Ulan Bator - vom mongolischen Nationalorchester - als auch überall im Land in den Lagern dem Spiel der Pferdekopfgeigen gelauscht, und gelegentlich auch Kehlkopfgesang erlebt. Beides ist sehr eindrucksvoll. Wenn einer Lust hat, einen Film zu sehen, der in der heutigen Mongolei spielt und deutsch synchronisiert ist: "Die Geschichte vom weinenden Kamel" ist nicht nur allgemein sehr gut, sondern bietet das Spiel einer Pferdekopfgeige als Lösung des zentralen Konflikts.

    LyFa, die sind beide in einem Extragebäude. Nachts, wenn die Natur ruft, wandert der Reisende dann mit Taschenlampe bewaffnet nach draußen. ;-) Duschen empfiehlt sich vor dem Abendessen, weil nach dem Abendessen jeder duscht und das heiße Wasser dann schnell aufgebraucht ist. In den meisten Lagern sind der Stromgenerator und das heiße Wasser nämlich nur ein paar Stunden am Tag - eben morgends und abends - verfügbar.

    Herr Palomar: hier erzähle ich ausführlich, wie es zu dem Perry-Rhodan-Roman kam:


    http://www.perry-rhodan.net/ne…ssem-freiraum-teil-1.html


    Da es sich um die Hintergrundgeschichte/Biographie einer Figur handelt, die erst im aktuellen Zyklus eingeführt wurde, dürfte sie auch für nicht-PR-Experten verständlich sein, obwohl dann natürlich der größere Kontext fehlt. Um einen Vergleich zu einem meiner historischen Romane zu wählen, den du kennst: stell dir vor, jemand würde eine Novelle über die Jugend von Judiths Onkel Stefan aus "Das Spiel der Nachtigall" schreiben, die mit seiner Konversion zum Christentum und Aufstieg zu einem der wichtigsten Bürger Kölns endet. Das ist ein Zeitabschnitt, der Jahre vor dem Beginn von "Spiel der Nachtigall" liegt, und man könnte das Leben Stefans bis zu dieser wichtigen Entscheidung lesen, ohne etwas über meinen Roman zu wissen. Aber mit dem Bewußtsein, welche Rolle Stefan einmal in Judiths leben spielen wird, hat die gleiche Geschichte natürlich einen ganz anderen Kontext.

    Neue Leser und alte Bekannte in einer Leserunde, eine bessere Mischung kann sich eine Autorin gar nicht wünschen!


    Herr Palomar, Galsan Tschinag habe ich auch bei einer Lesung erlebt. Er ist schon eine eindrucksvolle Erscheinung.


    Jurtengröße: je nach Verwendungszweck zwischen drei bis acht Meter. Letzere waren natürlich Jurten für Anführer und Versammlungen der Sippen. Der Wikieintrag schildert dir, wie sie aufgebaut werden:


    http://de.wikipedia.org/wiki/Jurte


    Ich habe so einen Aufbau in allen Details mal fotografiert, als ich letztes Jahr zum Recherchieren in der Mongolei war, weiß aber nicht, ob das Verlinken klappen würde. Aber ich versuche es einfach mal mit einem Foto einer größeren Jurte:

    Ja, das war sogar eine sehr häufige "Rekrutierungsmethode" für Eunuchen. Im Gegensatz zu etwa den Castrati waren ja die chinesischen Eunuchen nicht ihrer Stimmen wegen gefragt, also war auch keine Kastration vor der Pubertät nötig.


    Für arme Bauern wie Ma Jing gab es de facto keine andere Möglichkeit, um zu einer Stelle bei Hof zu kommen. Seine Eltern hätten es sich nie leisten können, ihn studieren zu lassen, was für eine Beamtenlaufbahn unerläßlich war.

    Hallo LyFa! Was die Frage nach Manduchais möglichen Geschwistern betrifft: wir wissen nicht, ob sie je welche hatte. Aber als sie erwachsen war, gab es keinen Bruder und keine Schwester. Die Wahrscheinlichkeit - angesichts der hohen Sterblichkeitsrate bei Kindern - spricht dafür, daß ein Sippenführer wie Tsorokbai-Temur mehr als ein Kind hatte, und die übrigen - oder das andere - als Kleinkind starb.


    Die Todesart von "Filzchen" verdanke ich meiner Dolmetscherin Davaa; als ich letztes Jahr auf Recherchereisen durch die Mongolei zog, erzählte sie mir nämlich, daß dies noch heute hin und wieder bei den Nomaden vorkommt. Daher nähen viele Eltern ihren Kleinkindern eben Glöckchen oder anderes schellendes Gerät an die Kleidung, denn diese Kinder laufen den Geiern wirklich gerne hinterher. (Laut Davaa.)