Beiträge von Tanja Kinkel

    Das kam auf die Herrschaft an. Sie waren nicht dazu verpflichtet. Aber in größeren Haushalten in der Stadt (nicht auf dem Land) war es durchaus üblich; viele Sklaven nutzten diese Zeit zu Nebeneinkünften.


    Als Sklave konnte man entweder als Muränenfutter enden, aus purer Laune des Herrn heraus, wie das mit den Sklaven des Augustus-Zeitgenossen Pollio geschah (diese Geschichte ist nicht erfunden), oder freigelassen und Minister werden, wie es Pallas und Narcissus unter Augustus' Enkel Claudius wurden. Zwischen den beiden Extremen war alles möglich.

    Zunächst einmal: ich halte es für enorm wichtig, daß der Hintergrund stimmt. Von den Elisabethanern, die es nicht störte, wenn in Shakespeares "Julius Caesar" eine Kirchturmuhr schlägt, sind wir weit entfernt, und es ist auch kaum einer ein Genie wie Schiller, dem ohne weiteres verziehen wird, wenn er die heilige Johanna auf dem Schlachtfeld statt auf dem Scheiterhaufen sterben läßt.


    Aber während es nicht weiter schwer ist, solche groben Schnitzer oder Verbiegungen zu vermeiden, gerät man bei der Frage "Authentizität" und "Faktentreue" schon wieder ins Philosophische und fragt mit Pilatus: Was ist Wahrheit? Jedem, der schon mehrere Biographien von ein und derselben Person gelesen hat - ich rede jetzt nicht von Romanen, sondern Sachbiographien - ist gewiß aufgefallen, daß die Biographen zum Teil völlig unterschiedliche Meinungen zu der Person haben, die sie schildern, zumal, wenn sie selbst in unterschiedlichen Epochen schreiben. Was nun gar zeitgenössische Chronisten angeht, da schlägt Parteipropaganda und das Interesse der jeweils Herrschenden nun ganz gewaltig hinein. Es gibt in der Regel keine "richtige" Quelle, der man alles glauben kann. Um ein Beispiel zu nennen: zu Goethes Lebzeiten entstandene Lebensbeschreibungen ließen in der Regel seine langjährige Lebensgefährtin und spätere Ehefrau, Christiane Vulpius, so weit wie möglich weg, weil die Verbindung als nicht standesgemäß und als ein Skandal galt. Spätere Biographen, im 19. Jahrhundert, waren wohlmöglich noch schlechter auf Christiane zu sprechen. Ab der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts dagegen wurde sie von den Biographen enorm aufgewertet, es wurde ausgiebig über sie geforscht und geschrieben und in Goethe-Biographien eingegangen. Ihre Verbindung mit Goethe wurde ganz anders geschildert. Keiner der Biographen, weder alte noch neue, haben gelogen. Sie sind nur jeweils Kinder ihrer eigenen Zeit.


    Wir Romanautoren sind in gewissem Sinn ehrlicher als Sachbuchautoren. Wir sagen nicht: das ist DIE Wahrheit, wir sagen gleich von Anfang an: Das ist unsere persönliche Interpretation.

    1. Wechselnde Hörbuchverlage - Argon gehört zur Holtzbrinkgruppe, wie Droemer Knaur auch. Randomhouse Audio gehört zu Bertelsmann, wie Goldmann/Blanvalet auch.


    2. Ich habe keinen Einfluß auf die Kürzungen, die in der Tat bei allen drei als Hörbücher erschienenen Romanen gegeben sind. D.h. es ist immer ein Risiko, und ich muß auf sensible Kürzer hoffen, denen es gelingt, eine Fassung zu erstellen, die immer noch sinnvoll ist. Aber:


    3. Franziska Bronnen als Sprecherin von "Venuswurf" war mein Wunsch. Ich hatte sie durch ihre Aufnahme von "Die Puppenspieler" kennengelernt, und sowohl Person als auch Stimme und Vortragskunst waren mir sympathisch.


    4. "Unter dem Zwillingsstern": schön wäre es, aber es ist in der Tat bei älteren Büchern ein Problem. Nur so als Anregung, an den jeweiligen Verlag gerichtete Briefe zeigen den Leuten, daß immerhin ein Publikum da wäre...

    Ja. Das nicht Weißwaschen und Verschönern des Sklavenstatus und erzählerische Ironie. Andromeda hatte während ihrer ersten Monate in diesem Sinn Glück, aufgrund ihrer Größe; wäre sie normal gewachsen gewesen und hätte Lycus sie gekauft, um z.B. Sosia zu ersetzen, wäre ihr nichts anderes übrig geblieben, als Prostituierte zu werden. Sklaven hatten kein Recht auf den eigenen Körper. Überhaupt keins.


    (Daß Andromeda dieser Aspekt des Sklavendaseins nun just einholt, als sie von der Subura auf den Palatin kommt, oder, wie Ovid es ausdrückt, aus der Unterwelt in den Olymp, ist, war, wie gesagt, Ironie.)


    Etwas, das mir bei vielen Romanen, Filmen und TV-Serien im Magen liegt: die Heldinnen werden zwar öfter in gefährliche Situationen gebracht - und je nach Genre kann das Entführung durch Piraten/Sklavenhändler/Räuber/Schurke-der-Woche sein - aber in der Regel werden sie in letzter Sekunde davor gerettet, die Konsequenz dieser Gefahr in vollem Ausmaß zu spüren. Das kommt mir heuchlerisch vor. Eine Sklavin zu schildern, der diese Konsequenz des Sklavendaseins erspart bleibt, wäre meiner Ansicht nach ähnlich heuchlerisch gewesen.

    Sie mußte nicht - darüber steht nichts in der Passage bei Plinius, die sie erwähnt, dort ist nur ihre und Conopas' Größe festgehalten - aber es schien mir die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, daß Lycus sie als gutes Geschenk für Julilla betrachtet.

    Als Autor hat man insofern Mitspracherecht, als einem die Titelbildentwürfe erst einmal vorgelegt werden, und man ja oder nein sagen kann. Bei diesem hier hatte ich nur einen ganz kleinen Änderungswunsch - im ersten Entwurf war die Kette geschlossen, und ich fand es passender, wenn sie offen gezeigt wird - und war ansonsten begeistert.


    Das Cover stammt übrigens von dem gleichen Mann, der auch die Photos von mir gemacht hat, die auf der Website (www.venuswurf.de) zu sehen sind, Helmut Henkensief.


    Im Allgemeinen: wenn der Autor den Titelbildentwurf ablehnt, und der Verlag Rücksicht auf ihn/sie nimmt, dann wird ein neuer gemacht. Bei meinem allerersten Roman sind wir durch vier verschiedene Entwürfe gegangen, bis es der fünfte dann geworden ist, was mir unsäglich peinlich war - schließlich war ich noch Anfängerin. Aber die ersten vier paßten einfach nicht zu dem Buch.


    Konkrete Vorschläge habe ich nur bei zwei Titelbildern gemacht - bei "Mondlaub" (die Alhambra zu verwenden, war offensichtlich), und bei "Die Söhne der Wölfin" (die kapitolinische Wölfin zu nehmen, lag da auch nahe). Sonst wurde ich jeweils (angenehm) überrascht.

    Die Kette auf dem Umschlag soll zwar eine solche Kette assozieren, ist aber nicht mit ihr identisch. (Wen es interessiert: In Karl-Heinz Weeber's "Alltag im Alten Rom: Die Stadt" ist ein originals Bronzehalsband für fluchtgefährdete Sklaven abgebildet.)


    Flüchtige Sklaven: wenn sie Glück hatten, dann wußten sie, daß sie an Orten wie dem Hain von Aricia (einem Diana-Heiligtum) aus religiösen Gründen Asyl fanden. Ansonsten konnten sie eigentlich von jedem Bürger, der sie als flüchtige Sklaven identifizierte, den örtlichen Behörden überstellt respektive, soweit bekannt, dem Besitzer zurückgeschickt werden.


    Einen flüchtigen Sklaven zu töten, war Beschädigung von Sacheigentum.

    Ich bin genauso begeistert wie Du, kann aber kein Lob für mich in Anspruch nehmen - die Verantwortliche heißt Jutta Leenen, und ist bei Droemer Knaur für solche Dinge verantwortlich. (Sie hat auch schon den Trailer für die Taschenbuchausgabe von "Götterdämmerung" gemacht.) Als sie mir den Trailer für "Venuswurf" und die Entwürfe für das Design der Homepage das erstemal zeigte, war ich drauf und dran, ihr um den Hals zu fallen.

    Normalerweise liegt immer eine gewisse Zeit zum Abschalten dazwischen. Eine Ausnahme gab es - "Der König der Narren" ist direkt im Anschluß an "Götterdämmerung" geschrieben - aber das war nur deswegen möglich, weil ich für den "König der Narren" nicht recherchieren mußte.

    Es gab im alten Rom tatsächlich mehrere Möglichkeiten für einen Sklaven, frei zu werden. Z.b. war ihm der Erwerb Erwerb eigenen Vermögens (peculium) in beschränkter Weise gestattet. Dadurch war es, sollte der Herr/die Herrin willens sein, möglich, sich irgendwann freizukaufen; sehr viel üblicher war allerdings die Freilassung per Testament. Es gab verschiedene Arten der Freilassung (manumissio) von Sklaven. Die häufigsten waren:


    * letztwillige Verfügung im Testament (per testamentum)
    * Rechtsakt vor dem Magistrat (per vindictam)
    * Eintragung durch den Herrn in die Bürgerrolle als freier Bürger (per censum)
    * Zusendung eines Freibriefs (per epistolam)
    * oder endlich durch eine einfache Willenserklärung (inter amicos, per mensam, per convivium) .


    Allen gemeinsam: ohne Bereitwilligkeit der Herrschaft, dem Sklaven/der Sklavin die Freiheit zu gewähren, lief überhaupt nichts. Auch kein Freikauf; es gab keinen Anspruch, kein Recht darauf.

    Die Malerinnen sind alle historisch belegt, und stammen aus der Kunstgeschichte des C. Plinius Secundus. (Buch 35 seiner Naturkunde.) Ist derzeit in einer zweisprachigen Ausgabe im Tusculum-Verlag lieferbar.


    "Dreimal Blind": Conopas macht ein weiteres Wortspiel mit ihrem ursprünglichen Namen, Tertia - die Dritte; "blind" ist hier im Sinn von naiv gebraucht. Willkürlich die Augen vor Wirklichkeit verschließend. (Seiner Meinung nach.)

    Die Vorgaben waren: ein Roman, der in Phantásien spielen sollte, aber auch gar keinen Fall eine Vorsetzung der "Unendlichen Geschichte". Keine Verwendung von Hauptfiguren der "Unendlichen Geschichte" in zentralen Rollen (daß die Kindliche Kaiserin einmal aus der Ferne zu sehen ist und Bastian im Epilog vorkommt, ging in Ordnung, weil es nur Kurzauftritte waren), und Einhaltung der Regeln, die Michael Ende in seinem Roman aufgestellt hatte.


    (Was z.B. heißt, daß Wesen aus Phantásien nicht in die Welt der Menschen überwechseln können, es sei denn, durch das Nichts und als Lügen.)


    Der Roman "König der Narren" ist entstanden, weil Roman Hocke (Michael Endes früherer Lektor) mich gebeten hatte, an dem Projekt teilzunehmen.


    Ob es weitere Romane in der Reihe geben wird, weiß ich leider nicht....

    Halo Bianca,


    Die Recherche für "Venuswurf" fing nicht mit 11 an, das war die Zeit, in der die betreffende Epoche begann, mich zu faszinieren. Und da ich mehr und mehr darüber las - d.h. über die späte Republik und das frühe Kaiserreich - hatte ich Jahrzehne später, als mir die Idee zu "Venuswurf" kam, natürlich einen gewissen Vorsprung beim Hintergrundmaterialsammeln.


    Mir war schon klar, daß ich Autorin werden wollte, als ich acht Jahre alt war. Im Kindergarten war's mal Seiltänzerin, aber danach eigentlich immer Schriftstellerin.


    Der Code Napoleon geht, soweit ich weiß, wenn überhaupt auf eine römische Gesetzgebung, dann auf den Codex Justinians zurück, d.h. auf ein Produkt der byzantinischen, nicht der augustäischen Zeit. Genau wie sehr viele Gesetzeswerke Europas.