Hallo Iris,
an deinen Eindrücken ist was dran - ich hab das sogar ähnlich länderweise erlebt, wenn es eine einzelne Staatsreligion gab.
ZitatOriginal von Iris
Dabei fällt mir ein, daß dein Elsaß eine religionsfreie Zone ist. Mir kam das bei meinem letzten Besuch ganz anders vor, aber der liegt mehr als 20 Jahre zurück
Da hat sich einiges verändert, weil Frankreich ja an sich säkular mit Religionen umgeht - ich werde also zum Glück nie gefragt, woran ich glaube, das ist Privatsache. In den letzten Jahren ist auch die Vielfalt an Religionen gestiegen und ich habe es vor ein paar Jahren in unserem 800-Seelen-Dorf erlebt, dass der muslimische Bauunternehmer den Zuschlag bekam, die Kapelle zu restaurieren, vor 15 Jahren noch undenkbar. Auch Aktivitäten und Veranstaltungen mit den jüdischen Gemeinden gibt es jetzt sehr viel mehr.
Und weil es im Elsass immer nur Extreme gibt, herrscht auf dem platten Land noch der Religionskrieg von... wann war der noch gleich? Da gibt's tatsächlich noch Grabenkämpfe und Familienfehden wegen "Mischehen". Und ich stand mal im Mittelpunkt des entsetzten Dorftratsches, als wir unsere kackbraunen Fensterläden vom Vorgänger lavendelblau (jaja) umstrichen. Ich begriff überhaupt nicht, wie diese Schönheit so ein Faux Pas sein könnte. Bis mich jemand aufklärte, dass ich "katholische" Fensterläden "jüdisch" gemacht hatte. Tatsächlich erkannte man früher traditionell die Religion der Bewohner an den Fensterladenfarben: die Juden hatten Blautöne, die Katholiken braun, die Protestanten weiß... und fragt mich jetzt nicht, wer sich das Grün und andere Farben grabschen durfte.
Vielleicht kennen einige auch die rot- oder blaukarierten Leinentücher fürs Geschirr und die Tischdecken. Das eine sind die katholischen, das andere die evangelischen. Gut... die Jungen wissen das nicht mehr und diese grausigen Betonköpfe sterben hoffentlich irgendwann mal aus. Ich geh da auch sofort auf Sicherheitsabstand.
Kommt dazu, dass das hauptsächlich protestantische Elsass im Gegensatz zum katholischen Restfrankreich) auch katholische Enklaven hat - und da kloppen sich die Leute auch noch über Grenzen. Ich hab mich mal mit einem protestantischen Pfarrer hier unterhalten, der erzählte, eine Menge seiner jüngeren Kollegen würden den Beruf wechseln oder im Sanatorium landen, weil sie die Bigotterie nicht aushielten und das noch nicht überwundene Mittelalter.
Hätte ich also den Aspekt auch noch realistisch verarbeiten wollen, wäre ganz sicher kein Unterhaltungroman herausgekommen, vielleicht eher eine Satire!
Farbenfreudige Grüße,
Petra