Beiträge von GleichSamm

    Von wegen, alles klar ...


    für die Byron-Fans muss ich auf jeden Fall ergänzen, dass Byron, zusammen mit Keats, Shelley und Mary Wollstonecraft, zentrale Gestalten in diesem - leider nur noch antiquarisch erhältlichem - Powers-Roman spielen.


    Powers versteht es, die rätselhaft-mystischen Dichtungen dieser Gesellen durch bizarr fantastische Ereignisse zu erklären, das ist große Klasse.


    Auch eine völlig abwegige, aber exzellent konstruierte Geschichte - großer Lesespaß!


    :wave
    GleichSamm

    Zitat

    Original von Delphin
    ...naja, ich grübel immer noch darüber nach,


    Ich denk immer, irgendwo muss doch ein Anfang sein, das ist wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei. :lache


    Das ist eine sehr liebenswerte Unmöglichkeit, die sich aus der Powerschen Diktion der Unveränderlichkeit der Vergangenheit zwingend ergibt.


    Und weiter:

    Zitat

    Original von Delphin


    lg Iris


    Hoppla! In meinem Buch hieß das noch "IHAY, ENDANBRAY, ANCAY OUYAY IGITDAY!"
    Da scheint sich übersetzungsmäßig einiges etwas getan zu haben.
    Und natürlich ist das nicht einfach Kroklokwafzi, sondern ...


    Damit ist dann tatsächlich alles klar,
    behauptet
    GleichSamm

    Ich habe den HdR lange vor den Verfilmungen kennen gelernt und über die Jahre mehrfach durchgelesen, übrigens auch nach den jeweiligen Filmteilen zumindest die passenden Bücher - meistens aber mehr - gelesen.


    In den meisten Fällen gefällt mir die Atmosphäre der Bücher noch besser als die des Films - die deutschen Übertragungen der Gedichte sind große Klasse, besser als Tolkiens Knittelverse -, aber im Buch 4 ist das nicht so:


    Die Wanderung von Frodo, Sam und Gollum vom Anduin bis nach Minas Morgul ist der einzige Abschnitt, in dem die Bilder des Films eindringlicher sind als die Sätze des Buchs.


    Zum ersten, weil der Film hier fast genau dem Buch folgt - ausgenommen Frodos Entführung nach Osgiliath.


    Zum zweiten, weil der Film die Wandlung von Gollum in Smeagol (und zurück) und die Eifersucht zwischen Sam und Smeagol besser darstellt als das Buch. (Da gibt es auch gerechtfertige Abweichungen vom Buch)


    Zum dritten ist das ohnehin der "grau in grau gemalte" Abschnitt des HdR, so was wie die Vorhölle in Dantes Inferno. Das wäre in Häppchen besser zu lesen gewesen als am Stück.


    :wave
    GleichSamm

    (Ich dachte, da der vierte Band ja bald auf deutsch erscheint, ist es an der Zeit, mal für dieses Quartett zu werben, also los:)



    Lewis Carroll
    Monty Python
    Douglas Adams


    ... dieser Ahnenreihe entstammt Jasper Fforde.


    :writeEin verbindendes Merkmal dieser Künstler ist es, in eine Geschichte viel mehr hinein zu packen als das Benötigte. Ja, sehr viel mehr sogar, bis die Geschichte wie ein überladenes Rettungsboot krängt und kaum noch zu steuern, geschweige denn an Land zu bringen ist.


    :pille Da sagt dann der vernünftige Matrose: Nicht mit mir, auf diesem Seelenverkäufer heuer ich nicht an;
    :-( der Normalpassagier übt sich in Durchhalteparolen und will nur noch das rettende Land in Form des rückseitigen Buchdeckels erreichen;
    :brain während wir Süchtigen verzückt jeden noch so absurden Einfall begaffen und überhaupt nicht auf das große Logikriff achten, an dem die Geschichte im nächsten Augenblick zerschellen wird.


    :P Wobei ich anmerken möchte, dass Mr. Fforde seine Geschichten überdurchschnittlich gut im Griff hat.
    Ich indes habe meine physischen Reaktionen auf diese Bücher nie in den Griff bekommen - lest das bloß nicht in der S-Bahn oder in der Kantine!!!


    Leseprobe:
    Der Nachrichtensprecher wühlte in Papieren.
    "Und jetzt zurück ins Inland. In Chichester kam es am gestrigen Abend zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, als sich eine Gruppe von Neosurrealisten versammelte, um den vierten Jahrestag der Legalisierung des Surrealismus zu begehen. Henry Grubb ist für das Toad News Network vor Ort. Henry, wie ist die Lage?"
    Ein wackliges Livebild erschien auf dem Schirm, und ich hielt einen Moment inne und schaute zu. Hinter Grubb sah man ein umgestürztes Auto und mehrere Polizeibeamte im Einsatzanzug. Henry Grubb, ein angehender Krimkorrespondent, der insgeheim hoffte, dass der Krieg so lange andauern würde, bis man ihn an die Front ließ, trug eine marineblaue Bomberjacke und sprach im stockenden, gehetzten Tonfall eines Kriegskorrespondenten.
    "Die Lage ist brenzlig, Brian, um nicht zu sagen: explosiv. Ich befinde mich etwa 100 Meter vom Ort der Ausschreitungen entfernt und kann von hier aus brennende, umgestürzte Autos sehen. Die Flammen sind meterhoch. Die Polizei hat den ganzen Tag versucht, die verfeindeten Parteien auseinanderzuhalten, war gegen ihre schiere Überzahl am Ende jedoch machtlos. In den frühen Abendstunden haben mehrere hundert Raffaeliten ein Lokal namens Ceci n'est pas une pipe umstellt, in dem sich hundert Neosurrealisten verschanzt hatten. Die Demonstranten auf der Straße riefen Parolen der italienischen Renaissance, dann flogen Steine. Worauf die Neosurrealisten geschützt durch große weiche Uhren aus Schaumstoff die gegenerischen Linien stürmten. Sie hätten ihre Widersacher wahrscheinlich auch überrannt, wenn die Polizei nicht eingeschritten wäre."
    Ich schüttelte den Kopf und stellte meine Schuhe in die Garderobe. Es hatte Krawalle gegeben, als der Surrealismus verboten worden war, und jetzt, bei Aufhebung dieses Verbotes, gab es wieder Krawalle.


    Coda:
    Wer hierdurch Appetit auf das Next'ianische Universum bekommen hat,
    eine Welt,
    in der England seit 100 Jahren gegen Russland auf der Krim Krieg führt, aber keine Monarchie ist,
    in der Wales eine sozialistische Republik ist,
    in der Literatur und bildende Künste den Stellenwert genießen wie Film und Fußball in unserem Universum,
    der darf sich auf rund 1500 Seiten köstlicher Unterhaltung freuen:


    1. Der Fall Jane Eyre / The Eyre affair
    2. In einem anderen Buch / Lost in a good book
    3. Im Brunnen der Manuskripte / The well of lost plots
    4. Es ist was faul / Something rotten


    :anbet
    GleichSamm

    LESEN! LACHEN! LIEBEN!


    Wie der "Titelheld" hier 7 seiner 9 Katzenleben aufbraucht,
    ist einfach erschütternd bis zur Zwerchfellzerreißprobe ...


    :anbet
    GleichSamm


    P.S.: nur dieses Buch, nicht die Fortsetzung ... die ist bescheiden.
    (Was Wunder, er hat ja nur noch zwei Leben übrig - da wirste auch als Katze vorsichtig)

    Seid ihr artig und hübsch stille,
    so geschieht euch euer Wille.
    Jedes setzt sich in die Ecke.
    Aus dem Buch mit roter Decke
    werden Märchen vorgelesen:
    lauter wunderliche Wesen
    sehet ihr da vor euch springen,
    grün und goldne Vögel singen,
    Zwerge kommen aus den Feldern,
    Riesen schreiten aus den Wäldern,
    Hexen mit den langen Nasen,
    fürchterliche alte Basen;
    guten Kindern scheint die Sonne,
    und es endigt sich mit Wonne!
    (Wilhelm Grimm in der Einleitung der 6. Ausgabe)



    @ Prombär
    Ich bitte Dich!
    Die Bremer Stadtmusikanten gehören zu den Grimm'schen Märchen,
    subversive Untertöne hin oder her ... gehört auch zu meinen Favoriten.



    :-] Dazu gehören noch:
    Das tapfere Schneiderlein
    Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen
    Sechse kommen durch die Welt
    Der gestiefelte Kater
    Der Butt
    Allerleirauh


    Später auch so Schwänke wie der Herr Korbes.


    Unter den Autoren-Märchen habe die von Andersen nie gemocht - zu traurig! Wilhelm Hauff war schon eher etwas für mich.


    :fetch Struwwelpeter und Co. sind keine Märchen, sondern moralinsaure Erziehungsliteratur des bürgerlichen 19. Jahrhunderts.
    Brr! Finger weg!


    findet
    GleichSamm

    Leseprobe:
    “Viele Gildenmänner beherrschen den Trick. Wir Kinder vom Kaninchenhügel haben uns früher oft am Rand einer Baustelle oder vor den Toren einer glutheißen Gießerei versammelt, weil sich ein Stuckateur oder ein Eisenschmied bei der arbeit langweilte und uns hinter dem Rücken seines Vorarbeiters ein paar Minuten lang unterhielt. Zuerst nahm er ein paar Späne aus einem Glas oder einem Kelch, dann hob er eine halbe Handvoll trockener Erde auf, spuckte darauf, formte sie mit flinken großen Händen und machte etwas Kleines, Ordentliches, Hartes daraus. Dann zeigte er es uns - seht her, Jungs: ein kleiner Hund, eine Blume und schließlich - etwas gewagter - ein nackter Frauenoberkörper. Manchmal durften wir die Dinger sogar anfassen, sie fühlten sich leicht und heiß und kratzig an. Oft musste einem erst erklärt werden, was sie darstellten, aber ich fand sie immer faszinierend, und das Interessanteste kam ganz zum Schluss; dann nahm uns der Gildenmann den kleinen Gegenstand wieder ab, hielt ihn in der hohlen Hand und blies darauf, als wäre es ein glühendes Stück Holz. Puff! Er öffnete die Hände, eine formlose Staubwolke stieg auf, wir Kinder plapperten aufgeregt durcheinander, und er lachte.“


    Das macht der Aether. Mit Aether lassen sich Brücken und Häuser bauen, die sonst einstürzen würden, und Maschinen, die ohne ihn explodieren würden. Nur ein Zauberspruch ist nötig! Der Aether wird in Bergwerken gefördert, und die größten Förderanlagen stehen im nordenglischen Bracebridge. Hier wächst Robert Borrows heran, doch er wird kein Gildenmann wie sein Vater, er verlässt Bracebridge. Denn er hat gesehen, was der Aether aus seiner Mutter gemacht hat: eine Missgeburt, einen Wechselbalg, einen Troll. Und er weiß, dass daran ein geheimnisvolles Experiment schuld ist, das im Auftrag hoher Gildenmeister durchgeführt wurde. Also bricht er nach London auf, um den Schuldigen zu finden.
    Stattdessen findet er eine neue Welt.


    Eigene Meinung:
    Diese Welt ist eine der faszinierendesten Schöpfungen der jüngsten Fantasy. Das industrialisierte England, ohne Monarchie und Adel, aber mit den allen sozialen Verwerfungen und Spannungen, bildet den Rahmen. Durch Aether ist Magie die Schwesternwissenschaft der Physik: Ich baue den benötigten Gegenstand und bringe ihn mit Aether zusammen. Durch den richtigen Zauberspruch wird dem Objekt seine Funktion eingeprägt, und der Aether sorgt dafür, dass es tatsächlich so funktioniert.
    Die Geschichte folgt zwei Strängen:
    - zum einen will Robert Borrows herausbekommen, was tatsächlich damals mit seiner Mutter geschah, und wer dafür verantwortlich ist;
    - zum anderen sorgt eine anhaltende Rezession für eine explosive Stimmung im Land. Wird es zum Umsturz kommen? Wird den Gilden das Aethermonopol entrissen werden?
    Aber trotz bester Voraussetzungen bleibt der Spannungsbogen irgendwie flach, die Höhepunkte zu vorhersehbar.
    So bleibt nur der Zauber des Aethers. Der aber ist groß.


    :wave
    GleichSamm

    :bruell"Irgendwann entdeckte die Plattenindustrie, dass sich die meisten Leute für Musik eigentlich gar nicht interessieren. Die meisten Leute empfinden Musik als nervtötend, zumindest als weitgehend überflüssig. Und so kamen sie zu folgendem Schluss: Wenn sie diesen Leuten ihre Alben andrehen konnten, würden sie wesentlich mehr Einheiten verkaufen."
    T-Bone Burnett, amerikanischer Blues-Musiker


    :-]Na, und wie geht das bis zum heutigen Tage?
    Mit optischen Anreizen, na klar!


    Wenn die Leute schon Musik hören müssen, sollen sie dabei wenigstens etwas zu gucken haben!
    Deshalb geht der Erfolg von Lordi auch total in Ordnung, die waren wenigstens unterhaltsam.
    Und ob ich mein Sinnes(auf)reizkonzept von Kiss oder von Shakira/Aguilera/etc. klaue, ist letzten Endes egal, wenn aber das eine Konzept 10fach verwendet wird und das andere wie ein Solitär da steht, sind die Gewinnchancen des letzteren höher - clevere Geschichte, so ein Marketing, oder nicht?


    P.S. Auch Deutschland setzte mit der Country-Nummer auf ein Solitär-Modell, dafür fehlt in Europa aber die Basis. :-(


    :wave
    GleichSamm

    Na klar gab es vorher schon Fantasy, aber mit dem "Herrn der Ringe" rauschte dieses Genre aus der Exoten-Ecke der Unterhaltungsliteratur wie eine Flutwelle in den Hauptstrom (mainstream).


    Was beim HdR wirklich neu war - und durchschlagenden Erfolg hatte! -, war die Idee der Endschlacht zwischen Gut und Böse, die seitdem ihren festen Platz in den Fantasy-Subgenres hat.


    :writeIch zähl mal so auf, was mir an Subgenres einfällt:
    1. Aventüre - reisende Helden erleben Abenteuer (Klassiker: Robert E. Howard - Conan der Barbar)
    2. Endzeitkampf Gut gegen Böse (Klassiker J.R.R. Tolkien - Herr der Ringe)
    3. (jugendlicher) Held findet seine Bestimmung / seinen Platz i.d. Welt (Klasse: Tad Williamson - Osten Ard-Saga, aber auch die Harry-Potter-Romane)
    4. Sagen im Fantasy-Gewand (z.B. Artus-Sagenkreis in den Bearbeitungen von Zimmer-Bradley, T.H. White, Mary Stewart ...)
    5. märchenhafte Fantasy (Klasse: Ottfried Preussler - Krabat)
    6. Fantasy & Science Fiction (Klassiker: M. Zimmer-Bradley - Darkover-Romane)
    7. Tier-Fantasy (Klassiker: R. Adams - Watership Down; wem da die Magie fehlt, dem sei empfohlen W. Horwood: Der Stein von Duncton)
    8. Horror-Fantasy (inkl. Vampir-Romane) - z.B. King / Straub - Der Talisman; Anne Rice - Interview mit einem Vampir
    9. alternative Erde (wie unsere Welt, aber mit Magie, meist vergangenes Zeitalter). Klassiker: Rowling - Harry Potter natürlich, aber auch S. Clarke - Jonathan Strange und Mr. Norrell.
    10. Fantasy-Parodie (Pratchett - Scheibenwelt-Romane, neuerdings auch Moers).


    Die Übergänge sind fließend, nicht nur Harry Potter könnte zweifach genannt werden. Ich habe nur Bücher von hoher Verbreitung genannt, weil ich denen eher normierenden Charakter zubillige.


    :-]Was ich damit vor allem sagen will: es gibt nicht DEN Fantasyroman.
    Das ist ein etabliertes und ausdifferenziertes Genre, und wem z.B. der Herr der Ringe nicht gefällt, sollte es doch mal mit T.H. White "Der König auf Camelot" versuchen - und so weiter.


    :wave
    GleichSamm


    Nur mal als Übersicht.

    Grundlegende Betrachtung zum Thema hier:
    Süskind: Amnesie in litteris


    persönliche Stellungnahme:
    Ich fahre gerne Rad. Und da gibt es zwei Sorten Touren:
    - die mit voller Ausrüstung und Karte, wo ungekannte Strecken erradelt werden.


    - und die bereits bekannten Touren, hier werden vielleicht mal ein paar Ecken anders gefahren, aber im Ganzen kenne ich doch alles gut und
    fahre die Tour einfach noch mal, weil sie so schön ist und soviel Spaß macht.


    Ei ja, und nicht anders steht es bei mir mit Büchern.


    :wave
    GleichSamm

    Als ich "Harry Potter and the Philosopher's Stone" las, stand der Hype schon in voller Blüte.
    Ich las und war erstaunt. Es fing an mit "Aschenputtel", ging über zu "Bibi Blocksberg" auf "Schloss Schreckenstein" und endete als Alfred Hitchcocks "3 Fragezeichen". Garniert wurde es mit einer blödsinnigen Polo-Variante mit zwei Bällen ... Warum hatte diese Serie so einen überragenden Erfolg?


    Na ja, es war nettes Lesefutter, also las ich weiter und wurde mit den beiden guten Bänden belohnt, exzellent konstruierten und ziemlich originellen Krimis, in denen die Hauptfiguren zu echten Charaktere wurden und die atmosphärisch hervorragend ausgeleuchtet sind.


    Seit Band Vier stimmt leider nur noch die Atmosphäre, die Geschichten selbst sind viel dünner als die Bücher ... und die Tatsache, dass jedes Buch nicht nur seine eigene Geschichte erzählt, sondern auch Richtung großes Finale der Serie führen muss, macht alles noch viel schwieriger.


    Aber hier schlägt das Gesetz der Serie bereits zu: wer hört denn mittendrin zu lesen auf ...


    :wave
    GleichSamm

    Ich bin bekennender Mehrfachleser, zugleich aber begeisterter Büchereibenutzer.


    Beim einmaligen Lesen sortieren sich die Bücher in 4 Kategorien:


    1. Abbrecher / Lesezeitvergäller
    2. einmal und nie wieder lesen
    3. mit dem Autor / der Autorin könnte man's noch mal wagen


    4. unverzichtbare Lektüre - die Bücher dieser Kategorie landen auf dem Zettel und werden im Laufe der Zeit besorgt.


    Die Evergreens muss ich mitunter ersetzen. Meinen "Herrn der Ringe" habe ich schon in den 80ern zerlesen, seitdem habe ich eine gebundene Ausgabe. Wo's keine Leinen-Ausgaben gibt, wird zumindest mit Buchleben verlängernden Maßnahmen, wie Umschlag verstärken und umkleben, gearbeitet.


    :wave
    GleichSamm

    ... aus drei bunten Fäden.
    Drei Protagonisten,
    drei Türme, anscheinend endlos rochierend,
    und ein edler Ritter als Entwirrer des Fadens.


    Frau McKillip hat - wie bereits in "Meereszauber" - eine Geschichte geschrieben, in der Umstände zurecht gerückt, in Ordnung gebracht werden, ohne dass dabei eine Umbruchssituation und ein neuer Aufbruch entstehen, wie in vielen ihrer früheren Romane.


    :-(Was mir hier aber wirklich fehlt, ist die innere Entwicklung von Cyan Dag, der wie ein großer Katalysator durch die Geschichte irrt.
    Das finde ich schade, das kann Frau McKillip eigentlich besser.


    :wave
    GleichSamm

    Ich finde den Roman insgesamt gut.


    :-) Das Überzeichnen einzelner Figuren - Coubert, Fermin, Fumero - und den action-übersättigten Schluss schreibe ich der Absicht Zafons zu, den 30er-Jahre-Krimi-Stil von Edgar Wallace oder Louis Weinert-Wilton zu adaptieren.


    :-( Wie viele andere stört aber auch mich der Montfort-Bericht gewaltig, denn er löst all die finsteren Geheimnisse viel zu früh auf; die wären bei Wallace erst im superdramatischen Schlussabschnitt offengelegt worden.


    Bis zum Montfort-Bericht war es ganz große Unterhaltung, danach nur noch gut zu lesen.


    :wave
    GleichSamm

    Kim tanzte vor Ungeduld, als der schlanke junge Kayeth in Sicht kam. Sobald seine Stimme ihn erreichen konnte, beschimpfte er ihn wortreich.
    „Zuerst will ich mein Geld“, sagte der Briefschreiber. „Schlimme Wörter haben den Preis erhöht. Aber wer bist du, dass du in dieser Art Kleidung diese Art Reden führst?“
    „Aha! Das Steht in dem Brief, den du schreiben sollst. Solch eine Geschichte hat es noch nie gegeben. Aber ich hab es nicht eilig. Ein anderer Schreiber tut es auch. Ambala ist genau so voll von ihnen wie Lahore.“
    „Vier Annas“, sagte der Schreiber; er setzte sich und breitete sein Tuch im Schatten eines verlassenen Kasernenflügels aus. Mechanisch hockte Kim sich neben ihn - hockte, wie nur die Eingeborenen hocken können -, trotz der widerlich engen Hosen.
    Der Schreiber schaute ihn von der Seite an.
    „Das ist der Preis, den man von Sahibs verlangt“, sagte Kim. „Jetzt mach mir einen richtigen.“
    „Anderthalb Annas. Wie soll ich sicher sein, dass du nicht wegrennst, wenn ich den Brief geschrieben habe?“
    „Ich darf nur bis zu diesem Baum, und dann ist da noch die Marke zu bedenken.“
    „Vom Preis der Marke bekomme ich keine Provision. Noch einmal, was für eine Art von weißem Jungen bist du?“
    „Das wird in dem Brief gesagt werden, der an Mahbub Ali gerichtet ist, den Pferdehändler im Kaschmir-Serai, in Lahore. Er ist mein Freund.“
    „Wunder über Wunder!“ murmelte der Briefschreiber; er tunkte eine Rohrfeder ins Tintenfass. „Soll es auf Hindi geschrieben werden?“
    „Natürlich. An Mahbub Ali also. Fang an! Ich bin mit dem alten Mann bis Ambala im Zug gefahren. In Ambala habe ich die Nachricht vom Stammbaum der braunen Stute überbracht.“ Nach allem, was er im Garten gesehen hatte, dachte er nicht daran, von weißen Hengsten zu schreiben.
    „Ein bisschen langsamer. Was hat eine braune Stute zu tun mit ... Ist das Mahbub Ali, der große Handelsherr?“
    „Wer sonst? Ich war in seinem Dienst. Nimm mehr Tinte. Weiter. Wie der Befehl war, so habe ich getan. Wir sind dann zu Fuß in Richtung Benares gegangen, aber am dritten Tag begegneten wir einem bestimmten Regiment. Hast du das?“
    „Ja; pulton“, murmelte der Schreiber, ganz Ohr.
    Ich ging in ihr Lager und wurde gefangen, und durch den Zauber an meinem Hals, wovon du weißt, wurde erwiesen, dass ich der Sohn eines Mannes aus diesem Regiment bin: gemäß der Prophezeiung vom Roten Stier, die, wie du weißt, in unserem Basar wohlbekannt war.
    Kim wartete, bis der Schaft dieses Pfeils ins Herz des Briefschreibers gedrungen war, räusperte sich und fuhr fort: „Ein Priester hat mich gekleidet und mir einen neuen Namen gegeben. Einer der Priester war aber ein Narr. Die Kleider sind sehr schwer, aber ich bin ein Sahib und auch mein Herz ist schwer. Sie schicken mich in eine Schule und schlagen mich. Ich mag Luft und Wasser hier nicht. Komm denn also und hilf mir, Mahbub Ali, oder schick mir ein wenig Geld, denn ich habe nicht genug, um den Schreiber zu bezahlen, der dies schreibt.“
    ‚Der dies schreibt.’ Es ist mein eigener Fehler, dass ich mich habe betrügen lassen. Du bist gerissen wie Husain Bux, der die Stempel des Schatzamts von Nucklao gefälscht hat. Aber was für eine Geschichte! Was für eine Geschichte! Ist sie am Ende auch noch wahr?“


    Ja, dies ist wirklich die Geschichte Kims, des Straßenjungen aus Lahore, des kleinen Freunds der ganzen Welt. Wie er als Chela des Lamas reist, wie er drei lange Jahre Schüler einer Sahib-Schule wird, ehe er aufbricht, um dem Empire auf seine ganz eigene Art zu dienen, im "Großen Spiel", dem geheimen Ringen der Kolonialmächte Russland und Großbrittanien über die Vorherrschaft in Asien.


    Über den Autor:
    Rudyard Kipling, englischer Dichter, wurde am 30. Dezember 1865 in Bombay geboren und starb am 18. Januar 1936 in London. Er verbrachte seine ersten Lebensjahre in Indien, kam dann nach England und unternahm später Reisen in alle Weltteile.
    Im Jahre 1907 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. Er veröffentlichte zahlreiche Kurzgeschichten und Gedichte; am bekanntesten wurden die Tiergeschichten der beiden "Dschungelbücher" und der Roman "Kim" (1901).


    Zum Roman:
    1957, Indien ist zehn Jahre unabhängig, nennt der indische Literaturwissenschaftler Chaudhuri Kim „den besten englischsprachigen Roman über Indien“, und weiter: „Kipling hat die größte Realität Indiens begriffen, die aus dem Leben der Menschen und der Religionen in der Doppelszenerie der Berge und Ebenen besteht. Diese vier sind die wichtigsten und wirklichsten Charaktere in Kim.“
    Mark Twain schreibt 1922: „Ich glaube, es war die Reise nach Indien wert, um mich dafür zu qualifizieren, Kim verstehend zu lesen und zu begreifen, welch ein großartiges Buch es ist. Der tiefe und subtile und faszinierende Zauber Indiens durchtränkt kein anderes Buch so, wie er Kim durchtränkt ... Ich lese das Buch jedes Jahr von neuem.“


    Eigene Meinung: :write
    Ich habe „Kim“ vielleicht zwei Jahre nach Hesses „Siddharta“ gelesen, und ich habe das letztere Buch seitdem nie wieder angefasst, den „Kim“ aber mindestens noch zweimal gelesen. Hesses Indien ist die Tapete für seine Hauptfiguren, in Kiplings Indien pulsiert das Leben bis in die kleinste Nebenfigur, wie jenem Schreiber in der Leseprobe. Der Gesamtplot ist eigentlich einfach: Kim erlebt dieses und jenes nacheinander, aber die Art und Weise, wie es erzählt wird, nimmt dich komplett gefangen, und dieses plastische, lebendige Indien ... irgendwann werde ich es Twain nachtun, und wenn ich Indien besuche, werde ich den Kim im Original lesen ... das wird ein Traum.


    :-) Solltet Ihr "Kim" auf Deutsch lesen wollen, besorgt euch bitte keine der Ausgaben von DTV bzw. List, sondern seht zu, dass ihr eine Haffmans-Ausgabe, übersetzt von Gisbert Haefs, bekommt. Die sind sehr gut redigiert und mit Liebe zum Detail (und zu Kipling) übersetzt, während die bei List/DTV verwendete Übersetzung von 1925 doch schon einigen Staub angesetzt hat.


    :wave
    GleichSamm

    Der blaue Kammerherr, inspiriert durch das Fragment eines Opernlibrettos von Hugo von Hofmannsthal, spielt zur Zeit des Barock in einer fiktiven griechischen Inselwelt. Geschickt mischt Niebelschütz mythologische und literarische Elemente: In opulenter barocker Sprache lässt er neben den Göttern der Antike auch Gestalten wie Othello und Don Giovanni auftreten.


    Das sagt Wikipedia zu diesem Werk. Ich habe es bald nach den Kindern der Finsternis gelesen (weil die so großartig waren), und das konnte nur schiefgehen, denn


    :-(Die Sprache ist ganz anders - ich fands nicht opulent, sondern weitschweifig und geziert.
    :-(Die Handlung schien mir trivial: hier wird kein Reich errichtet, sondern hier werden Liebeshändel und -tändeleien geschildert, und das in schwülstiger Sprache über 4 Bücher hinweg ...


    :pille Gesamteindruck: verschwendete Lebenszeit!


    Wohlgemerkt: Damals war ich 18, noch viel leseunerfahrener ... aus heutiger Sicht möchte ich ergänzen: "Die Kinder der Finsternis" sind der Lebensansatz "carpe diem" - erreiche etwas in der Welt und im Leben, bau etwas auf, schaffe, schaffe, spare, spare, Häusle baue (etc)
    "Der blaue Kammerherr" ist der Entwurf des "Lebe jetzt und sei glücklich", genieße den Augenblick, lebe im Hier und Jetzt, (etc.)
    Und das hat Niebelschütz vor allem sprachlich umgesetzt.
    Während die Sprache der "Kinder der Finsternis" drängt, uns mit Fakten, Namen und Handlungen eindeckt und uns mitreißen will,
    hat die Sprache des "Blauen Kammerherren" alle Zeit der Welt, und beschreibt uns die Schönheit von Welt und Augenblick in weitschweifiger Selbstverliebtheit.


    Das kann ich inzwischen verstandesmäßig erfassen, trotzdem werde ich den "Blauen Kammerherren" nicht mehr anfassen (was einfach ist, er war damals nur geliehen ;-) )
    :wave
    GleichSamm

    „Ein Märchen aus dem 12. Jahrhundert, erzählt von einem Erzähler des 20. Jahrhunderts“, so beschrieb der Autor seinen wuchtigen Roman, der in der fiktiven südfranzösischen Landmark Kelgurien spielt. Kelguriens Orte und Landschaften lassen sich leicht in der Provence wiederfinden, indes ist die Landkarte ganz anders zusammengesetzt, so ist Kelgurien Teil des Deutschen Kaiserreichs und erlebt den politischen Machtkampf zwischen Papst und Kaiser, mit Interdikt und Gegenpäpsten mit.
    Es ist ein wortgewaltiger Roman, weswegen jetzt eine längere Leseprobe folgt. Wer den Stil nicht mag, sollte sich am Buch nicht versuchen, es wird sonst sehr anstrengend, der Fülle der Namen und Ereignisse in diesen Satzstrudeln zu folgen ...


    Textprobe (der Hirte ist übrigens die Hauptperson des Romans):
    Drüben im Mittagsglast, der Mautner bemerkte es zwischen zwei Säcken, belebte sich der Auslauf des Zederngebirges; eine Herde stieg zu Tal. Das wunderte ihn, es war nicht die Zeit für Herden, überdies wusste er, dass der Schäferkönig sich nie die Furt teilte, schon gar nicht mit Wagen, deren schwieriger Durchgang die Tiere verstörte. Es schien ein einzelner Hirt zu sein; wie wollte der durch so reißendes Wasser? Nun, vielleicht ging er nach Lorda; der dortige Bischof liebte es, seine Auwiesen zu düngen.
    Auch am Nordufer wunderte man sich. Zu Haufen standen die Fuhrleute beisammen, teils vor dem Wirtshaus, um zu schwatzen, teils vor der Kapelle, um die Absolution zu erhalten; nie wagte man sich in die Furt ohne Beichte; schwimmen konnten sie zwar alle, aber schon mancher war trotzdem ertrunken. Die Herden lagerten in einem Kiefernwäldchen; der Hirt verließ sie. „Gut gezogen, die Hunde. Äh, der Pfaffe macht Mittag. Hochwürden, könnten wir nicht noch beichten?“ - „Liebe Söhne, der Tag ist lang, ihr dürftet bis morgen mindestens hier sein.“ Der Hirt, ein Töpfchen Öl in der Hand, kam aus dem Wirtshaus. „Hochwürden, kann ich noch beichten?“ - „Heute kaum, morgen vielleicht, es sind fünfzehn vor dir.“ Er segnete mit flüchtiger Ungeduld, bestieg den Esel und trabte ins ferne Ongor.
    „Das ist ja“, sagte ein Fuhrmann, „der Seelenstier mit seiner Seelenkuh. Stellt euch vor, die Bauern haben ihm ein Mädchen gewählt, damit ihre Weiber verschont werden.“ - „Wie die Herrlichkeit, so die Geistlichkeit. Dafür beschlief der Baron eine Braut.“ - „Auf Bitten des hochzeitenden Paars immerhin, es ist sein Recht, das edle Blut breitet sich aus, und dem Ort werden die Zehnten erlassen. Was erlässt der Pfaff? Unsere Sünden. Und die seinen.“ - „Das meinst du. In Ortaffa ist ein Pfaffe gesteinigt worden mitsamt seiner Buhlschaft. Mein Bischof hat es gebilligt. Ei, was eine Sammlung Waffen!“
    Im Schatten des Daches, der Herde gegenüber, saß der Hirt auf dem Wollfilz, breitete seine Dolche, sein Krummschwert, seine Gerätschaften aus und begann sie zu putzen. Die Fuhrleute umringten ihn; man erzählte sich vielerlei Neuigkeit. „Das neueste ist: die Häuser Cormons und Ortaffa haben sich geeinigt - ein Vertrag mit achtundzwanzig Siegeln! Ortaffa! Da geht der Böse um: alle Söhne, alle Töchter gestorben; und in Cormons geht der Gute um: alle fünf Söhne auf einen Tag ins Kloster; ich habe sie gekannt - blühende, edle Menschen! Was bleibt? In Ortaffa ein Kegel von der spanischen Hexe, vorehelich, Dom Otho. Wird adoptiert. In Cormons ein Sohn ersten Bettes der Markgräfin, ehelich, Dom Carl. Wird adoptiert. Und von des Herrn Rodero Blut ein schönes, junges, armes Wesen, Judith heißt sie. Ein Wesen aus dem Märchen. Man kauft es aus dem Verlöbnis aus und prügelt es dem ortaffanischen Kebssohn ins Brautbett, dem Alchimisten - da ist er in der Furt.“ - „Der Graf auch?“ - „Graf auch. Sind ja seine Waren. Der handelt jüdischer als der Jud.“ „Wie darf Er so von Seinem Herrn sprechen?“ - „Ich bin bischöflich.“ - „Dann will ich dir einmal etwas über deinen Bischof sagen. Dein Bischof von Rodi, wenn er ein Kerl wäre, hätte die Hexe Barbosa, wenn sie Hexe wäre, in der Hand zerquetscht, statt von ihr Stiftungen zu nehmen! Austreiben den Teufel! Auspeitschen!“ - „Ich“, rief der Gegner, „peitsche dir ein!“
    „Friedlich“, sagte der Hirt, stand auf und trennte sie, indem seine Arme sie links und rechts an die Hauswand schoben. - „Ein Mensch wie Goliath“, bemerkte der Ortaffaner. - Der Bischöfliche streckte die Hand hin. „Wer ist stärker?“ Er wusste es, als er unten saß. - Der Hirt setzte sich wieder.


    Wolf von Niebelschütz wurde am 24. Januar 1913 in Berlin geboren. Er studierte Geschichte und Kunstgeschichte, war bis 1940 als Literatur-, Theater- und Kunstkritiker tätig und nach dem Krieg als freier Schriftsteller. Er starb am 22. Juli 1960 in Düsseldorf.


    Mich hat der Roman begeistert, als ich ihn vor gut zwanzig Jahren das erste Mal las. Auch jetzt, da ich nur eine Leseprobe abtippe, überkommt mich große Lust, dieses Feuerwerk der Sätze noch einmal ganz zu lesen.


    :wave
    GleichSamm

    Niemand liest Aufsätze des Mathematikers P.L. Dodgson, auch wenn er ein wahrer Fan von Dodgsons alter ego Lewis Carroll sein mag.
    Im Falle des vorliegenden Buches ist es ebenso. Es ist nur für diejenigen von Interesse, die an der Person J.R.R. Tolkien interessiert sind. Und der Aufsatz "Über Märchen" ist für Fantasy-Theoretiker von Interesse, da Tolkien hier eine Definition für fairy-tale abgibt, die er im zeitgleich geschriebenen Herrn der Ringe penibel einhält.


    :grin Und es gibt noch ein paar echt gute Zitate, z.B. das hier:


    "Der echte Enthusiast ist beim Fußball in gebanntem Zustand: dem des Sekundärglaubens. Ich dagegen, wenn ich mir ein Spiel ansehe, erreiche nur die unterste Schwelle dieses Zustands. Es gelingt mir, den Unglauben willentlich auszusetzen (mehr oder weniger), wenn ich genötigt bin, dazubleiben, und wenn mir kein anderes Motiv zu Hilfe kommt, das die Langeweile fernhält, z.B. eine unbändige heraldische Vorliebe für die dunkelblauen gegenüber den hellblauen Trikots."


    In diesem Sinne,


    :wave
    GleichSamm