Heinrich Dieter Neumann: Das Erbe der Wölfin
Verlag: Südwestbuch, 348 Seiten, 12.50 €
ISBN-10: 3942661616
ISBN-13: 978-3942661614
Über den Autor:
H. Dieter Neumann war Offizier in der Luftwaffe der Bundeswehr. Anschließend wurde er Vertriebsleiter und Geschäftsführer in der Versicherungswirtschaft, bevor er sich ganz aufs Schreiben verlegte. Der passionierte Segler lebt in der Nähe der Ostseeküste in Schleswig-Holstein.
Über das Buch:
In München verübt eine terroristische pantürkische Nationalistenorganisation mehrere Anschläge und ermordet ein zum Ausstieg entschlossenes Mitglied. Auf mysteriöse Weise verschwindet auch das brisante Material, das der junge Mann gesammelt hatte. Clemens Venske, Terrorismus-Spezialist des Verfassungsschutzes, klinkt sich in die Ermittlungen ein. Da wird die Ärztin Karen Terhoven entführt, die ein Opfer der Terroristen behandelt hat. Nur sie kennt offenbar das Versteck des verschwundenen Materials. Ihr Lebensgefährte Johannes Clasen macht sich auf die Suche nach ihr und landet schließlich in Ostanatolien, wohin auch Venske seine Ermittlungen geführt haben. Gemeinsam versuchen sie, Karen zu befreien, und geraten dabei mitten in eine tödliche Verschwörung, in die anscheinend auch der türkische Geheimdienst verstrickt ist...
Meine Meinung:
Nach seinem vielversprechenden Debütroman "Die Narben der Hölle" meldet sich H. Dieter Neumann fulminant zurück. "Das Erbe der Wölfin" ist ein spannendes Buch über eine pantürkische Nationalistenorganisation, welche in München ihr Unwesen treibt und deren Spuren bis in die Türkei verfolgbar sind. Als Leser begleitet man nicht nur den etwas schrulligen Terrorismus-Experten Clemens Venske bei seinen Ermittlungen, man erfährt auch mehr über den Werdegang von Johannes Clasen und Karen Terhoven, die wir ja schon aus "Die Narben der Hölle" kennen.
Als Handlungsort der Geschichte dient wie bereits erwähnt zunächst München, im späteren Verlauf verlagert sich das Geschehen allerdings auch Richtung Ostanatolien. Dabei zeigt sich wieder einmal die große Stärke von H. Dieter Neumann: Er verleiht seinen Charakteren genügend Tiefe, um sie glaubwürdig agieren zu lassen. Die Bösen sind keine Statisten, es sind Individuen mit eigenen Ängsten, Hoffnungen und Bedürfnissen - eben auch nur Menschen (was die Geschehnisse umso erschreckender macht).
Besonders gelungen: Der Autor stellt eine wunderbare Analogie über innere Zerrissenheit und äußere Aggressionen her. Beispielsweise behandelt Karen Terhoven, von Beruf Psychiaterin, im Krankenhaus einen Patienten mit starker Onychophagie (Nägelkauen). Dieser Mann erscheint zunächst ruhig, bekommt allerdings immer wieder heftige Wutausbrüche. Die Ursache für dieses Verhalten bleibt ungeklärt. Parallel dazu erleben wir einen politisch verblendeten Studenten aus gutem Hause, der heftige dissoziale Störungen zeigt und sich einer terroristischen Organisation anschließt. Auch für dieses Verhalten gibt es wohl keine rationale Erklärung.
Was lernen wir daraus? Nichts ist wie es scheint. Es lohnt sich immer wieder, einen Blick hinter die Fassaden des menschlichen Verhaltens zu werfen. Und manchmal bleiben die Abgründe der menschlichen Seele einfach ungeklärt...
Noch eine kurze Anmerkung: Man muss den ersten Roman von H. Dieter Neumann, "Die Narben der Hölle" nicht gelesen haben, um die Geschichte dieses Buches zu verstehen. "Das Erbe der Wölfin" besitzt eine eigenständige Handlung und zwischendurch werden die wichtigsten Ereignisse der Vergangenheit kurz rekapituliert (nichtsdestotrotz lohnt es sich natürlich, auch "Die Narben der Hölle" zu lesen).
Fazit: Wieder einmal ist es H. Dieter Neumann gelungen, aktuelle politische Themen, historische Gegebenheiten und Fiktion nahtlos ineinander fließen zu lassen. Herausgekommen ist ein brisanter Thriller ohne schwarz/weiß Denken, stattdessen setzt der Autor auf intensive Charakterstudien in Kombination mit jeder Menge Spannung. Absolute Leseempfehlung!
10/10