Beiträge von Lörrach

    zur Kritik von Jerzy:


    Hmm, ich bin ja noch nicht durch das ganze Buch durch, - ich überlege mir jeden Tag, ob ich weiterlesen soll oder nicht.
    Das Thema des Buches ist wirklich faszinierend und wichtig. Die Form als "Roman" finde ich unpassend, v.a.a da ich lese, dass Frau N. in irgendeiner Form ja persönlich selbst betroffen ist; (warum schreibt sie nicht, was sie erlebt und gefühlt hat?) Ihr Schicksal fordert natürlich großen Respekt ein. Dennoch, zur Ergänzung der positiven Kritiken meine gegenteilige Meinung:
    - Ein Roman ist eine Kunstform, die Regeln hat.
    - Die Charaktere sind Klischee, psychologisch (bis jetzt) nicht durchgestaltet.
    - Das Ineinander von Historie und fiktivem Personenschicksal wünschte ich mir deutlicher dargestellt, es soll doch ein historischer Roman werden.
    Meiner Meinung nach ist ein großes Thema in der Ausführung eher enttäuschend.

    Zu Herrn Palomars Kommentar:


    Ihr Kommentar ist klar und erfaßt sicher eine Ebene, die Erzählebene. Dennoch halte ich diese Interpretation nicht für ausreichend: A.A. ist gezeichnet vom Nationalsozialismus, vom Erleben des Nationalsozialismus. Er gehörte einmal einer KPD-nahen Organisation an ... Das darf nicht ausgeklammert werden. Es ist nicht eine "Altherren-geschichte".
    Meiner Meinung nach handelt es sich bei dieser Darstellung um die Transposition von NS-verhörmethoden auf eine Schulebene in Gestalt des Rex. Er schreibt selbst, dass die Geschichte nur interessant ist für ihn als eine Geschichte von Himmlers Vater.
    Ich bin nun kein Fachmann, aber mir scheint die Kurzgeschichte stark konstruiert zu sein, auch insofern einige Mängel zu haben: Doch diese Idee, aus einem Vater eines Verbrechers einen potentiellen, durch die Lebensumstände aber daran gehinderten zweiten Himmler zu machen, fasziniert mich. Die Verhörmethoden im III. Reich bedienten sich all der Techniken, die auch unser Rex hier gegenüber einer Klasse bediente, mutatis mutandis!
    Es wäre interessant, was Sie dazu denken.

    Verfasser: Romain Rolland


    Titel:: Mutter und Sohn – Roman (ca 1921)
    vorliegende Ausgabe: Büchergilde Gutenberg Zürich Prag o.D.


    Zum Autor:
    Geb. 1866 gest. 1944
    Französischer Schriftsteller und Pazifist – Zögling in französischen Eliteschulen –
    Zunächst Veröffentlichungen zu Musik und Kunstgeschichte.
    Ab 1903 beginnt er mit seinem bedeutenden schriftstellerischen Werk und ab 1912 ist er freier Schriftsteller.
    Den ersten Weltkrieg erlebt er in der Schweiz : Der bestimmt weitgehend sein folgendes Denken und Handeln. Im Rahmen seines Pazifismus setzt er sich konsequenterweise in Folge auch mit dem Sozialismus und dem Kommunismus auseinander. Schließlich schreibt er auch eine Artikelserie über Mahatma Gandhi.
    1915 bekommt er den Nobelpreis.
    Sein eigentlicher Lebenslauf ist bei Wikipedia ausführlich dargestellt –


    Inhalt:
    Im vorliegenden Werk passiert inhaltlich wenig. Ein Haus in Paris mit seinen verschiedenen Parteien wird von ihm analysiert während des Ersten Weltkriegs. Dort leben auch die Protagonisten: Annette R., ihr Sohn Mark und ihre Schwester Sylvia. Mark trennt sich pubertär von seiner Mutter; Annette pflegt liebevoll einen zu Tode verwundeten Franzosen und hilft ihm zum Kontakt mit seinem deutschen Freund. Mark lebt bei Sylvia und findet wieder zu seiner Mutter zurück.


    Formal kann ich nur die deutsche Übersetzung von Paul Amann beurteilen: Dort finden sich die wunderbaren literarischen Bilder, die typisch sind für R.R. („ .. fand sich gegenwärtig einer behaglichen Kanzlei zugeteilt, wo man sich , hübsch im Hinterlande und in aller Seelenruhe, mit der Rettung der Kunstwerke befasste.“) Der Aufbau entspricht einem a-b-a Schema; der ductus des Geschehens lässt keine eigentliche Spannungskurve aufkommen: Insofern ist die Lektüre nicht ganz leicht.


    Inhaltlich dreht sich alles um R.R.s ständige Themen:
    - Der Krieg und die Veränderung der Menschen im Heimatland während an der Front gestorben wird. Es wird nicht die Geschichte der Soldaten erzählt. Er beobachtet die Menschen in einer ganz eigenen Halbdistanz, sucht die Menschlichkeit in der extremen Zeit. Er ist Menschenfreund, kritisiert aber alles Menschliche. Er ist Agnostiker, doch er wirbt für Religiosität. Er ist Pazifist, aber er zerstört das Bild vom Pazifismus. Er wirbt für die mütterliche Liebe, die Liebe des Sohnes für seine Mutter, die Liebe der Frau zum Manne – und doch seziert er all diese Begriffe. Im Vordergrund seines ganzen Romans steht die Forderung nach Wahrhaftigkeit.


    Insgesamt handelt es sich bei diesem Schriftsteller um ein Werk, das nicht vergessen werden sollte. Es gehört zum Besten, was das 20. Jahrhundert zum leidvoll erfahrenen Krieg zu schreiben wusste.
    Das Schlusswort ist dementsprechend:
    „ Warte nur...“
    „ Gar bald werden wir erwachen.“