Homosexualität ist seit dem Kaiserreich (1871-1918) in Deutschland strafbar gewesen und, der berühmte Paragraph 175 ist, wie schon geschrieben wurde, erst vor 20 Jahren aufgehoben worden. Dennoch war gerade in den 20er Jahren ein recht freizügiger Umgang in Berlin feststellbar. Schon vor 1914 gab es - darauf habe ich bei der LR zum "Sommer der Freiheit" schon verwiesen - in Berlin recht viele Klubs, die zwar z.B. als "Häkelklubs" für Frauen getarnt, aber als lesbische Treffpunkte bekannt waren. Im Bereich der Schwulenlokale war das nicht anders (da gibt es ja die Theroie, Kaiser Wilhelm II. wäre selbst schwul gewesen. Einer seiner engsten Berater wurde im Verlauf der "Grunewaldaffäre" um 19005 (?) als homosexuell enttarnt und angeklagt). Interessant ist, dass nur Männer unter den § 175 fielen. Bei Frauen ging man davon aus, dass sie nicht homosexuell sind, sondern einfach bislang noch nicht den richtigen Mann gefunden hatten. Weibliche Homosexualität wurde also negiert.
Interessant ist der Hinweis, dass in Wien eine Frau deswegen in die Psychiatrie eingewiesen wurde. Solche Fälle wird es sicherlich auch in Deutschland gegeben haben. Es ist hier wichtig, zwischen Berlin - der "Lasterhöhle" - und dem Land zu unterscheiden. In München war man erstaunlicherweise auch tolerant - obwohl der § 175 galt und es natürlich Skandale um prominente Homosexuelle gab. Es ist eben das eine, daraus aus bestimmten Gründen ein Politikum zu machen, und das andere, es im Alltag mehr oder weniger hinzunehmen, wenn "nichts" passiert....
Übrigens ist es ein offenes Geheimnis, dass der bayerische "Märchenkönig" Ludig II. schwul war und seine Affären hatte. Das wurde erst ab den 1930er Jahren ein Problem, das zunehmend vertuscht wurde. Die Wittelsbacher schweigen sich bis heute dazu aus und lassen auch keine Recherchen dazu in ihrem Geheimen Hausarchiv zu.
Die Geschichte mit der Adoption Lous durch Ernst basiert übrigens auf einem realen Vorbild: Gina Kaus (1893-1985), eine österreichische Autorin aus dem engeren Freundeskreis um Vicki Baum, hat ihren ersten Ehemann im Ersten Weltkrieg fürh verloren und sich dann von einem reichen Liebhaber adoptieren lassen. Er konnte sich aus finanziellen Gründen nicht scheiden lassen, wollte aber mit Gina zusammenleben. Letztlich hat er sie aber aus dem haus geworfen, als er feststellte, dass sie ihn ausnutzte und jüngere Liebhaber auf seine Kosten aushielt. Gina Kaus schildert das in ihrer biographie "Von Wien nach Hollywood". Mich hat das sehr berührt, weil Gina wohl auch eine Art Vaterfigur und natürlich materielle Sicherheit gesucht hat und irgendwie schien es öfter vorzukommen, denn niemand nahm Anstoß an der Adoption und der Tatsache, dass sie mit dem reichen "Vater" und seiner Frau in einem Haus lebte, obwohl sich jeder denken konnte, wo der Hase lang lief.
Das nur, um einmal mehr zu zeigen: das Leben ist oft einfallsreicher als die Fiktion
Letztlich hat Ernst noch weitere Beweggründe, weil er in Lou wohl tatsächlich mehr die Tochter als die Frau sieht, denn, wie schon angesprochen, das Sexuelle kam nach dem Umzug Lous in den Herzogpark, kaum mehr vor. Aber auch Lou braucht Sicherheit und Halt, ein Verhalten, das in jener Zeit typisch ist.