Beiträge von Heidi Rehn

    Danke für den Hinweis auf Elisabeth Büchles Bücher. Da werde ich doch gern mal reinschauen.... Aber bei mir spielt das Scheunenviertel nur am Rande hinein. Ich war allerdings im April zur Recherche in Berlin und habe mich dort für das neue Buch viel herumgetrieben.... :-]


    Danke für den Hinweis auf den Druckfehler. Tja, wenn man die mal endgültig in den Griff bekäme....


    Selma muss die Entdeckung mit Gero erst verkraften, noch dazu, wo sie gar nicht so recht weiß, wie sie das verarbeiten soll, ist sie sich doch selbst unschlüssig, wie sie genau zu ihm steht. Die Begegnung mit Constanze und Robert hat da einiges aufgewirbelt. Und so lang sie nicht weiß, wie es anders werden soll, belässt sie es beim Alten.... Nach außen hin soll die Fassade immer schön weiß sein und glänzen. :-]

    streifi und Lesebiene: ihr seid die ersten, die auf Constanzes Flug eingehen. Danke! Die Szene war mir sehr wichtig. Ich hatte eine alte BBC-Doku aus den 70er Jahren gefunden, in denen ein alter Flieger aus dem 1. Weltkrieg (damals gab es ja noch Zeitzeugen) von seinen Flügen berichtete und da war mir klar, das muss irgendwie rein. Die Flieger haben den Krieg ganz anders empfunden als die Menschen am Boden....


    streifi : In der Tat kamen die Kriegsgräuel in diesen Kreisen später an. Das finde ich auch bemerkenswert. Am letzten Wochenende habe ich einen Bericht über den Kriegsausbruch in Wien gelesen und da wurde genau auf diesen Punkt verwiesen: dass die "einfachen" Menschen von Anfang an ahnten, was da auf sie zukam, zumal sie diejenigen waren, die zuerst den Kopf hinhalten mussten, ohne Rücksicht darauf, was das für ihre Familien bedeutete.
    Für Gero vor allem wird es recht schnell schwer, den "Fronturlaub" zu genießen....

    saphiria : danke für den Hinweis auf Hedda. Die hat wirklich ein Problem, die Ereignisse zu kapieren. Aber das ist nicht ihre Schuld. Frauen wie sie gab es damals wirklich. So progessiv Meta ist, so ist es ihr leider nicht gelungen, die Tochter entsprechend zu erziehen. Es gibt von Vicki Baum in ihren Erinnerungen eine schöne Passage, in der sie die Generation ihrer Mutter (die genau die Heddas ist) so treffend beschreibt: dass sie am Vorabend ihrer Hochzeit noch mit Puppen gespielt haben und in der Hochzeitsnacht entsetzt zu ihren Eltern geflohen sind, weil der Wüstling von Bräutigam unsägliche Dinge von ihnen verlangt hat.... :lache


    streifi : Sehr gern hätte ich mehr von Constanzes Studium erzählt, denn das finde ich auch sehr, sehr aufregend, aber leider führte das im Roman zu weit. Vielleicht gibt das mal einen eigenen Roman. :-] Es gibt einen tollen Roman von Vicki Baum über eine junge Frau im Umfeld der Uni, allerdings Mitte der 20er. Trotzdem erhält man einen Einblick, wie es auch schon vorher gewesen sein könnte: "Stud. chem. Helene Willführ". Sehr lesenswert! Das war ihr Druchbruch als Autorin.

    Danke Dir für den kleinen Exkurs, SiCollier. Das Beispiel is sehr treffend. Diese Umwälzungen im Scheunenviertel beschäftigen mich übrigens immer noch....


    Selma : So ganz um Sex kreist Selma nicht. Du hast ja das Gespräch mit Meta angesprochen. In ihr steckt mehr. An dieser Stelle verweise ich mal dezent auf das Humboldt-Zitat am Anfang des Romans "Man kann viel, wenn man sich nur viel zutraut". An diesen Punkt muss Selma kommen, denn hinter aller Arroganz verbirgt sich doch ein sehr unsicherer Mensch....


    streifi : Constanze und Selma könnten unterschiedlicher nicht sein, da hast Du Recht. Und genau das ist es ja, was Selma am Küken fasziniert. Sie spürt sehr wohl, dass nicht sie die Überlegene ist. Das klang schon beim ersten Beisammensein in Karlsruhe an, als Constanze von ihren Plänen erzählte und Selma ganz ruhig wurde.... :grin

    Oh ja, SiCollier, Berlin ist da bestimmt nicht repräsentativ für das gesamte Kaiserreich. ich beschäftige mich gerade sehr mit München (der Gegensatz München-Berlin 1919-1929 wird in meinem nächsten Roman eine Rolle spielen), da gab es Ähnlichkeiten, aber auch sehr große Unterschiede. Auf dem flachen Land ging es sowieso ganz anders zu, im Norden wieder anders als im Westen oder im Süden. Eigentlich hätte ich Lust, mich da mal viel tiefer einzugraben, aber das ist natürlich sehr aufwendig, denn die leicht greifbaren Bücher konzentrieren sich vor allem auf Berlin und ansonsten auf Großstädte wie München oder Hamburg.


    "Der taumelnde Kontinent" ist sehr, sehr empfehlenswert! Wenn auch schon einige Jahre alt, aber weitaus differenzierter als z.B. "!913" von Florian Illies. :grin

    Zum Vaterschaftstest: in der heutigen Form gibt es den noch nicht sonderlich lang. Mir ist auch nur die Möglichkeit mit der Blutgruppe für das frühe 20. Jahrhundert bekannt, aber das war zum einen doch immer ein Unsicherheitsfaktor und zum anderen sehr aufwendig. Das hat man nicht eben so mal gemacht. Das wäre ein großer Skandal gewesen in Selmas und Geros Kreisen, sobald das ruchbar geworden wäre. Es ist in der Tat, wie logan-lady schrieb: man geht davon aus, dass ein ehelich gebornes Kind das des Vaters ist. Da muss er schon reichlich aktiv werden, um das zu widerlegen. Heute, wohl gemerkt. Damals ging das schon gar nicht, noch dazu, wenn die Verlobten vor der Ehe Sex hatten. Das hätte Gero ja dann zugeben müssen....


    Pfefferminzöl ist eines meiner Mittel bei leichten Kopfschmerzen... sehr zu empfehlen! :grin


    Meta hat den Druchblick, das stimmt. Und ob Selma langsam erwachsen wird, wird sich zeigen. Jetzt brechen jedenfalls ganz andere Zeiten an....

    Eliza08 : Wäre Selma ehrlich zu sich und den anderen, wäre das Buch nicht so dick geworden :grin. Nein, mal Scherz beiseite: Selma kann nicht ehrlich zu sich sein. Sie ist zwar tief in ihrem Innern unglücklich mit sich selbst, aber sie findet da (noch) keinen Weg hinaus. Weil sie einfach nicht so recht weiß, was sie will. Und das bestimmt ja auch ihr Verhalten zu Constanze: Die weiß genau, was sie will, und das neidet Selma ihr. Deshalb spielt sie die Überlegene, in Wahrheit aber ist sie das ganz und gar nicht. Gero gegenüber ist es ähnlich, aber da hängt sie auch einem Wunschbild nach....

    imandra777 : ich werde mir das merken, dass es euch einfach zu viel Erotik ist. Hilft mir auch weiter, weil das immer sehr schwer einzuschätzen ist, weil ich da ganz anders drin verstrickt bin beim Schreiben.


    SiCollier : Aus unserer heutigen Sicht klingt vieles makaber, was an Andeutungen kommt, weil wir einfach nicht ausblenden können, was danach passierte und wie sich das einfach weltweit ausgewirkt hat. Andererseits ist es ja völlig normal, dass man, wenn man in der Zeit drin steckt, das oft so dahin sagt und völlig anders empfindet. Dazu kann ich nur die zahlreichen Internetseiten mit privaten Aufzeichnungen und Erinnerungsstücken empfehlen, die anlässlich des 100jährigen Gedenkens jetzt online sind. Da wird einem gelegentlich sehr, sehr anders. Zum Beispiel diese hier: http://www.europeana1914-1918.eu/de


    Joseph ist nicht anti-monarchisch, sondern einfach anti-Wilhelminisch, was bei einem katholischen Zentrumsabgeordneten aus dem Rheinland durchaus vorkam, da das Kaiserhaus in Berlin ja protestantisch war.


    Generell ist mir bei der Rechereche klar geworden, dass vieles, was ich von dieser Zeit erwartet hätte - mal abgesehen von der bereits erwähnten Einstellung zur Erotik und Sexualtität auch auf Gebieten - tatsächlich anders war. Ich glaube wirklich, dass man im Nachhinein die Kaiserzeit sehr verklärt hat. Sie war weitaus moderner und progressiver, in vielem auch weitaus aufgeschlossener, als man denkt. Eines meiner Lieblingsbücher über die Zeit vor 1914 ist Philip Blom "Der taumelnde Kontinent. Europa 1900-1914". Das erfährt man zu sehr, sehr vielen Gebieten sehr viel Neues. :-)

    Lucy 1987: Nach einen Krimi ist der Sprung ins Historische ganz bestimmt nicht leicht. Lass Dir ein bisschen Zeit, damit es sich "setzt". Tja, Selma ist wirklich jemand, der auf sehr geteiltes Echo stößt und das beruhigt mich schon. Denn sie ist, wie sie ist, und wäre anders in dieser Geschichte nicht möglich.


    Sonne79 : Umso mehr freue ich mich, dass Du Selma nimmst, wie sie ist. Es gibt in ihrem Umfeld ja "Ausweichsympathieträger", auf die man sich stürzen kann. Ich wünsche Dir viel Spaß beim Weiterlesen!

    Dabke dir, @ Maikäfer, fürs aufmerksame und kritische Lesen und fürs offene, aber stets faire Kommentieren. Das schätze ich sehr an eurer Runde hier: man tauscht sich "auf Augenhöhe" aus und sagt klar, wie es ist. Das ist für mich als Autorin ein sehr wichtiges Kriterium.


    Natürlich wurde Grischa aus einem "Heuhaufen" herausgezogen! Das streiche ich gleich an. Und egal, ob man "statt dem" im Duden findet, ich würde jederzeit den Genetiv bevorzugen. Auch da schaue ich gleich mal und markiere mir die Stelle.


    Zu der Geschichte mit Gero, der seine eigenen Kameraden erschoss, um die französischen Frauen zu retten, habe ich kein konkretes Vorbild gefunden. Aber in zahlreichen Dokumenten aus der Zeit, die von Soldaten überliefert sind, gibt es immer wieder Hinweise, wie erschüttert sie - auf beiden Seiten der Front - darüber sind, wie tierisch sich die "Kameraden" verhalten haben. Mein Opa hat mir noch als über-80jähriger Ähnliches aus dem Zweiten Weltkrieg erzählt. Noch Jahrzehnte später hatte er dabei Tränen in den Augen. Ich mag mir gar nicht ausmalen, zu was Menschen fähig sind. Mit anzusehen, wie sie alles Menschliche verlieren, muss furchtbar sein.
    Auch für Selmas Geschichte, die hinter der Front nach ihrem Mann suchte, habe ich kein Vorbild. Ich habe allerdings ein sehr interessantes Buch aus den 20erJahren über Spionage im Ersten Weltkrieg gelesen, das mich dazu inspiriert hat. Wenn man mal die ideologischen Beweggründe abstreicht, dann erfährt man dort Unglaubliches darüber, wie man mitten im Krieg die Seiten wechseln konnte. Wie dreist da vorgegangen wurde und wie wenig man in der Lage war, gefälschten Papieren etc. auf die Spur zu kommen.
    Und zum Thema Homoerotik/ schwüle Szenen: Das ist etwas, was in der Zeit sehr stark vorhanden war, wenn ich an die Romane und Aufzeichnungen denke, das aber nie ausgesprochen wurde. Gerade die Damen der besseren Gesellschaft waren ja auch nicht aufgeklärt und damit ihren eigenen Gefühlsverwirrungen oft hilflos ausgesetzt. Das wollte ich damit auch einmal thematisieren. Außerdem kommt es gerade in Kriegszeiten, in denen die Männer an der Front und die Frauen überwiegend zu Hause allein sind, oft zu homoerotischen Beziehungen.
    Übrigens gab es in Berlin vor dem Weltkrieg schon als "Kegel-" oder "Häkelklubs" getarnte Lesbenbars und sehr skandalöse Parties, zu denen Herren der höheren Klassen sich "Puppenjungs" organisiert haben. Man munkelte ganz offen, dass Wilhelm II. eigentlich schwul sei und einer seiner engsten persönlichen Berater wurde wegen der "Grunewaldaffäre", das war eine aus dem Ruder gelaufene Herrenparty, geschasst.

    Danke, Maikäfer, dass Du die Frage nach dem Pesudonym nochmal aufgreifst. Sorry, die ist mir gestern durchgerutscht.
    Selma hat sich da wohl vor allem an Meta orientiert, die ihre Romane - wenn auch aus anderen Gründen - unter Pseudonym veröffentlichen musste. Selma hält es, wie Maikäfer schon schrieb, vor allem deshalb für notwendig, weil sie ja einen großen Teil ihrer eigenen Geschichte im Roman verarbeitet, und es einfach fürchtet, dass man sie "enttarnt". Ihr Vater ist Politiker, ihr verstorbener Mann ein bekannter Anwalt, diese Art von Öffentlichkeit kann sie sich zunächst nicht vorstellen. Dazu ist sie (noch) zu sehr in ihrer alten Denkwelt gefangen. Aber das kann sich ändern....


    Stimmt, Hedda ist in gewisser Hinsicht eine Diva. Das ist auch ein Versäumnis von Meta: ihr ist es nicht gelungen, der Tochter ihre eigenen Wertvostellungen zu vermitteln. Hedda ist ganz in "ihre" Welt der upper class entschwunden....

    Du triffst es auf den Punkt. Aber wie heißt es so schön? "Einsicht ist der erste SChritt zur Besserung". Selma wird Gero wahrscheinlich nie lieben können, aber zumindest erkennt sie, wie sie mit ihm umgegangen ist und dass das falsch war. Ihm zu helfen, ihn nicht aufzugeben, ist von daher für sie sehr wichtig, um zumindest einen Teil der Schuld ihm gegenüber "abzutragen". Dass er ihr gegenüber letztlich nicht viel anders gehandelt hat, ist natürlich keine Entschuldigung. Ob er diese Seite noch wahrnimmt, muss offen bleiben. Er hat seit Sommer 1914 an der Front zu viel erlebt, was diese privaten Geschichten einfach in den Hintergrund treten lässt.

    Als ich mich letztes Jahr näher mit der Einschätzung des Attentats von Sarajevo beschäftigt habe und wie man damit umging, war ich ziemlich erschüttert. Eine ganze Reihe der Bücher, die jetzt dazu erschienen sind, waren letztes Jahr noch nicht veröffentlicht. Dafür aber viele Tagebücher, Briefe etc. SChon krass, wie sehr man die Lage verkannte und anderes für wichtiger hielt.

    Mag sein, dass die "gute Gesellschaft" mit Fingern auf Selma gezeigt hätte, wenn man sie "ertappt" hätte, aber das beweist nur die Doppelmoral jener Zeit. Gerade in Berlin ging es damals schon recht heftig zu. Selbst rund um das Kaiserhaus und die Sphären der obersten Würdenträger gab es sehr üble Gerüchte und Geschichten.


    Selma und Gero sehe ich vor allem in einer Zweckbeziehung. Sie brauchen einander, weshalb sie sich nicht verlieren wollen, haben deshalb gewisse Gemeinsamkeiten und letztlich mögen sie sich auch wieder, weil sie die jeweiligen Schwächen und Geheimnisse des anderen kennen und sie das in gewisser Weise auch rührt.