Beiträge von Heidi Rehn

    Wie gesagt, SiCollier, ich finde es eigentlich ganz anregend, wenn wir uns hier auch auf weitere Autoren und deren Bücher hinweisen. Das erweitert nur unseren Horizont und das ist doch auch nicht zu verachten :grin.


    Mir macht es einfach Spaß, dass wir hier so offen und konstruktiv miteinaner umgehen. Aber das hatte ich ja schon öfter angemerkt. Es ist einfach eine sehr faire Atmopshäre und bereichert mein ansonsten doch gelegebtlich sehr einsames Schreiben, gerade weil ihr da versucht, in dieselbe "Welt" abzutauchen. Ist doch schön, wenn man gemeinsam darüber nachdenkt, warum es funktioniert oder nicht funktioniert :grin

    Emmy : Ja, das Kleeblatt hat es in sich...


    Constanze ist in gewisser Hinsicht von Selmas Welt, die ihr so fremd ist, fasziniert. Gerade weil sie eine vergleichsweise traurige Jugend durch den Tod des Bruders hat. Selma besitzt die Leichtigkeit, die ihr fehlt. Zugleich ist ihr klar, dass Selma das auch nicht glücklich macht. Beide ergänzen sich ein wenig, weil die eine das hat, was die andere sucht. Aber Constanze ist schneller klar als Selma, dass es nicht reicht, der anderen einfach nachzueifern. Jeder hat da seine ganz eigene Mischung, um glücklich zu werden....

    Es war in der Tat sehr fahrlässig von ihm, Selma den Schlüssel zu überlassen. Aber wahrscheinlich hat es ihn einfach "überkommen" und da war der Verstand dann ausgeschaltet. Natürlich stand Homosexualität damals unter Strafe, aber es gab in gewissen Schichten ein mehr oder weniger akzeptiertes Doppelleben. Gelegentlich kochte es doch hoch und es kam zu Skandalen - z.B. dem berühmten "Grunewaldskandal", bei dem ein enger Vertrauter des Kaisers bei einer Orgie mit anderen Herren und bezahlten Strichern bloßgestellt wurde -, aber meist wurde es einfach vertuscht. Selma würde z.B. den Teufel tun und daraus einen Skandal machen. Sie hat mit Gero eine Art Zweckbeziehung. Sie sind sich in gewisser Weise sehr ähnlich, haben die gleichen Ziele. Wenn er fremdgeht, kann sie das dann auch.... So prüde das Kaiserreich aus heutiger Sicht dargestellt wird, war da doch manches möglich. Ich habe schon öfter einige Autoren aus der Zeit genannt, die das geschildert haben, Wedekind, Schnitzler, Arnold Zweig.... (um nur die heute noch bekanntessten zu nennen, viele sind leider auch von der Bildfläche verschwunden, mir liegt gerade ein Wiener Autor auf der Zunge, aber ich komme nicht drauf. ich schreibe später noch, wer es ist).

    pinky75 , wie toll, dass der Roman also quasi vor Deiner Haustür spielt. Baden-Baden ist einfach klasse und da man damals weitaus langsamer gefahren ist, hat man ein bisschen mehr davon gehabt beim Durchbrausen als heute. :grin Ladenburg kenne ich auch. Die Hälfte meiner Schwiegerfamilie stammte aus der Pfalz. Wir waren früher oft dort. Und überhaupt ist diese ganze Ecke eine herrliche Gegend!


    Stimmt, Selma lebt - noch - auf einer Insel der Glückseligen. Sie ist eben mit dem goldenen Löffel im Mund geboren. Gelegentlich hat sie schon eine Ahnung (und das unterscheidet sie doch von so manchen ihresgleichen), dass da noch was anderes sein könnte. Aber noch ist das nur eine Ahnung. Trotzdem langweilt sie dieses ewige schöne Leben auch irgendwie. Constanze bringt da noch eine ganz neue Welt herein. Es tut beiden sehr gut, dass sie sich begegnet sind. Auch wenn es so manche neue Schwierigkeit aufwerfen wird....


    Gero ist einfach ein "Gentleman" :grin. Es gibt da so ein wunderbares Buch von F.W. Koebner "Der Gentleman. Ein Brevier für den Herrn von Welt", erstmals erschienen 1913. Das hatte ich zufällig antiquarisch gefunden und das wurde mein Brevier, um Gero angemessen auszustatten und sein Gebaren zu schildern. Auch er ist einfach ein Kind seiner Zeit. Letztlich sind wir das doch alle..... :lache

    Deine Beobachtung ist sicherlich richtig. Letztlich passt meine These dazu, dass wir immer mit der Brille unserer Zeit in die Vergangenheit zurückblicken. Wir leben in einer Zeit, in der Religion in unseren Breitengeraden gemeinhin nicht mehr die Rolle spielt, die sie früher innehatte. Wenn wir uns mit der Vergangenheit beschäftigen, rücken deshalb automatisch auch völlig andere Aspekte stärker in den Vordergrund. Insofern verraten die historischen Romane oft mehr über die Zeit, in der sie entstehen, als über die, in der sie speieln. :grin

    Du hast Recht, streifi, Selma ist sich über die gesamten Konsequenzen, was Geros Tod für sie bedeutet, zunächst noch nicht so ganz im Klaren. Andererseits stammt sowohl sie wie auch Gero selbst aus vermögenden Verhältnissen. Die Familien hätten sie gewiss aufgefangen. Mögliche "Witwenrenten" wird es in der heutigen Form wohl noch nicht gegeben haben, nach allem, was ich bislang von der großen Not der Hinterbliebenen gelesen habe. Aber da habe ich leider auch noch nicht explizit nach recherchiert.


    Nach 1918 ist die ganze Gesellschaft im Umbruch. Zunächst war es für eine Frau wie Selma noch undenkbar, unter ihrem Namen zu schreiben. Aber das ändert sich dann ganz schnell. Mit dem Untergang des Kaiserreichs sind viele alte Wertvorstellungen mit verschwunden. Insofern ist es typisch, dass sie sich 1920 dann entschließt, künftig ihren eigenen Namen zu verwenden.

    Offiziell hat Grischa Constanze nicht mitnehmen dürfen. Nur ging es damals noch weitaus lockerer auf den Stützpunkten zu als heute. Die Flieger mussten ja bekanntermaßen üben und taten das mit ausgemusterten Maschinen. Manche sind da auch mal nach Hause geflogen u.ä. Insofern konnte Grischa Constanze da reinschmuggeln.


    Ein "Lawntennissuite" ist ein weißer Sportdress, also leichte, weite, weiße (lange!) Hose und Hemd, das zum "Lawntennis", der ursprünglichen Bezeichnung von Tennis, weil es auf dem Lawn, dem berühmten, kurz geschorenen englischen Rasen, gespielt wurde, angezogen wurde. Auf Fotos aus der Zeit sieht man das sehr gut, auch wenn ich mich frage, ob das wirklich der geeignete Aufzug zum Sporttreiben war. :grin

    Es stimmt, Gero und Selma versöhnen sich eher, weil sie sich vor sich selbst zu fürchten beginnen. Beide sind zu Dingen fähig, die sie niemals tun wollten. Das entsetzt sie. Und wieder haben sie da eine Gemeinsamkeit, die sie zusammenschweißt.


    Das Attentat von Sarajevo wurde ja erst aus der Distanz zum Auslöser des Ersten Weltkriegs. Als es geschah, wurde es zunächt kaum beachtet. Niemand hat dem erst die Bedeutung beigemessen, die es später bekam. Nicht, dass Franz Ferdinand ermordet wurde, war letztlich der Auslöser, sondern dass Österreich eigentlich nur ein Exempel statuieren wollte, um den Balkanländern mal "eins auszuwischen" (salopp gesagt). Einen Weltkrieg wollte ja auch damals niemand. Sonst wäre man da sicher besser vorbereitet herangegangen. Juli war der Erntemonat, viele Soldaten z.B. der kuk-Armee hatten Ernteurlaub etwa in der Ukrainie, der damaligen Kornkammer des Vielvölkerstaats. Das man sie ausgerechnet zu dieser Zeit an die Waffen rief, war eine Katastrophe, weil dann die Ernte nicht ordentlich eingebracht werden konnte. Es zeigt aber nur noch stärker, dass man wirklich von einem kurzen Einsatz ausging, was eine große Fehleinschätzung war. In Österreich gab es deshalb schon viel früher als anderswo Versorgungsprobleme.


    Als es in 2014 in der Ukraine zu rumoren begann und die ersten Kommentare laut wurden, habe ich auch geschaudert. Und tue es heute umso mehr, nachdem gestern ein ziviles Flugzeug mit 300 Menschen "aus Versehen" abgeschossen wurde....

    Danke Dir für diese sehr berechtigte Frage. Es stimmt, die Rosenbaums sind eine erzkatholische Familie aus dem Rheinland. Natürlich besuchen sie regelmäßig den Gottesdienst etc. Aber das kommt im Roman ganz einfach deshalb nicht vor, weil es mir für die Handlung nicht relevant erschien. Da kann man natürlich gleich einhaken und Selmas sehr fragwürdigen Lebenswandel anführen, der den Hinweis auf die Notwendigkeit der Beichte etc. mehr als gerechtfertigt erscheinen lässt. Aber auch das habe ich ausgeklammert, weil es für mich als Autorin im Rahmen meiner Romanhandlung nicht wichtig ist.


    Vorgaben seitens des Verlages gab es da nie. Ich kann das frei gestalten und entscheiden und tue das ganz nach meinem Gefühl, wie meine Geschichte für mich verlaufen muss und was sie dazu braucht. Religiöse Gefühle will ich niemals verletzen. Vielleicht ist ein gewisser Respekt vor der Religion für mich unbewusst ein Beweggrund, warum ich das in meinen Romanen nicht explizit schildere. Darüber habe ich so noch nie nachgedacht.

    Elisabeth kenne ich übrigens seit einigen Jahren über verschiedene Autorennetzwerke und schätze sie sehr.


    Natürlich ist es nicht immer leicht, wenn man von anderen Kollegen und ihren Büchern reden hört. Aber letztlich kommt es auf den Zusammenhang und die Art, wie das geschieht, an. Ich verstehe das hier als Runde, in der wir auch Anregungen austauschen. Und da ist es doch sehr bereichernd, wenn man Hinweise auf Kollegen erhält. Solltest Du, lieber SiCollier , aber fortan nur noch von anderen Kollegen und ihre Meisterwerke schwärmen, würde es wohl sehr hart für mich.... :lache

    Oh ja, leider gibt es viel zu viel, was den Büchern den Platz wegnimmt.... ich finde es interessant, wenn man erfährt, wie andere mit ihren Büchermassen umgehen. Zwischenlagern klingt sehr pragmatisch. Die vielen Seelen in den Büchern werden es hoffentlich gut überstehen.... :grin

    Vielen Dank, liebe Emmy,
    auch hier hast Du es wieder genau auf den Punkt getroffen. Selma als ein unsteter, schöner Schmetterling, der dennoch ratlos von Blüte zu Blüte fliegt - das ist ein sehr schönes Bild.
    Und ja, das Küken ist eigentlich weniger Constanze. Aber Selma muss sie genau deshalb Küken nennen. Sie hat Angst, dass sie gegen sie nicht erwachsen wirkt, was sie ja wirklich nicht ist.
    Die Dreierkonstellation Selma - Constanze - Robert ist sicher in gewisser Hinsicht unreif, in anderer Hinsicht aber auch für alle drei eine Möglichkeit, sich in einer Welt, der sie beileibe noch nicht so ganz gewachsen sind (am ehesten vielleicht wirklich Constanze) gegenseitig Halt zu geben. Genau deshalb beschwören sie diesen Bund ja auch so. :-]

    Gero ist wirklich eine "tragische Figur". Ich habe Aufzeichnungen von Männern gelesen, in denen so etwas Ähnliches beschrieben wurde. Es muss wirklich furchtbar gewesen sein zu erkennen, dass man diese Erlebnisse nie mehr los wird, nie mehr wirklich zurück kann in ein "normales" Leben, was immer das heißen mag. Man wird immer ein Fremdkörper bleiben. Das ist sehr, sehr bitter....


    Robert wiederum macht da ganz andere Erfahrungen, nicht nur, weil er auf der anderen Seite der Front steht.

    streifi : Wie gesagt, so ganz ohne Gefühle stehen Selma und Gero einander wirklich nicht gegenüber. Kameradschaft, Freundschaft, auch das Wissen, einander zu brauchen, um das Leben zu führen, was sie sich bislang vorgestellt haben, verbindet sie. Allerdings macht der Sommer 14 dem einen dicken Strich durch die Rechnung....


    Der Krieg birgt für Gero ganz andere Erfahrungen als für Grischa. Ebenso steht auch Ansgar für einen Typ Soldat, die ihre Erlebnisse auf eine bestimmte Art verarbeiten und nur noch dem Instinkt nachgeben, sich selbst zu retten. Der "Heimatschuss" ist ein sehr interessanter psychologischer Aspekt, der meines Wissens im 1. Weltkrieg erstmals zum großen Thema wurde. Ich bin froh, nie eine solche Erfahrung machen zu müssen....

    Das hoffe ich doch auch, liebe imandra777! :-)


    @Supa Weibi & Selma: Geros Narbe ist für Selma das Symbol seiner Verletzlichkeit, sein Geheimnis, das sie gelüftet hat. Damit ist sie ihm sehr, sehr nahe gekommen und das rührt sie. Sein älterer Bruder (der offenbar zu Brutalität neigt) hat ihm die zugefügt. Wahrscheinlich ein Zeichen von Macht und Gewalt über den Jüngeren, Schwächeren....