Neunzehn Beiträge zählt der aktuelle Schreibwettbewerb.
Neunzehn Chancen, so etwas Ähnliches wie Niveau zu produzieren.
Neunzehn kläglich vergebene Chancen.
Da trifft selbst der HSV noch besser als die Möchtegernautoren dieses Wettbewerbs.
Wer dachte, im Januar sei der absolute Tiefpunkt erreicht worden, schaut sich diese Marke jetzt von unten an. Ein Pauschalurteil ist wieder einmal leicht zu fällen, jedoch beiße ich in den supersauren Apfel und kommentiere die einzelnen Formulierversuche. Bereits die jeweils ersten Sätze machen das Elend offensichtlich.
Recherche
Sorgfältig bereitete sie ihre kleine Decke aus und setzte sich drauf. Soso, sie bereitete die Decke aus. Dafür breitete sie hinterher ihre Gedanken aus. Ach, wäre sie sitzen geblieben und hätte nicht noch einen Beitrag geschrieben. Wenn Schreiben zum Lebensunterhalt beitragen soll, bleibt wirklich nur das Betteln. Und der Neid auf solche, die schreiben können. Innerhalb des Wettbewerbs besteht in diesem Monat dann aber kein Grund für Neid!
Heiß
Lautlos huschte der Schatten auf das Gebäude zu. Ein lauter Schatten wäre natürlich deutlich spannender gewesen. Wenn die Schreiberin weiterhin nach Brennbarem sucht, empfehle ich ihr Manuskript. Alle noch folgenden Manuskripte bitte gleich mitverbrennen! Und weiterhin schön neidisch sein auf die, die schreiben können. Also nicht auf Wettbewerbsteilnehmer.
Futterneid
Die Sonne geht gemächlich unter, die Luft wird langsam etwas kühler und die Schatten werden länger. Und wenn die Sonne dann weg ist, sind die Schatten auch weg. So logisch wie diese Schlußfolgerung ist der gesamte Text. Dank gebührt dem Schreiberling höchstens dafür, sich selbst als Beutetier zur Verfügung der Kommentatoren gestellt zu haben. Auch in diesem Kampf, ohne Rücksicht auf die späteren Geschicke des Raptorenrudels zu nehmen, werden scharfe Krallen und spitze Zähne eingesetzt. Erbarmungslos. Mit voller Kraft.
Es ist einfach zu schön, die Originalsätze als Bumerang einsetzen zu können!
Ode an Neid
Die Spielerin
Sie trug die Salatschale siebenmall nach Hause
Jedes Jahr – fast ohne Pause.
Warum hat sie die Salatschale denn jedes Mal wieder zurückgegeben? Da wäre die Spielerin wohl besser Hausfrau geblieben und uns wäre der Versuch eines Gedichts erspart geblieben, das Reime wie Salat behandelt: Es frißt sie. Siebenmall. Knall auf Fall. Doller Drall. Rauch und Schall. Alter Trott. Alles Schrott.
Flecken
Er tat, als würde es ihn gar nicht interessieren und er hoffte, dass er die alte geschwätzige Couch bald los war. Er tat nicht nur so, es interessierte ihn wirklich nicht. Wen interessiert schon, was ein Sessel über eine Couch denkt. Mich nicht. Und woher die Flecken auf der Couch kommen, welche Säfte da geflossen sind, interessiert mich auch nicht. Der ganze Beitrag ist genauso uninteressant. Man reiche mir einen Fleckenlöser!
Hartmut im abnehmenden Mond
Der Vollmond strahlt Hartmut auf seinen festen, nur leicht behaarten Kugelbauch. Das beruhigt wirklich. Nur leicht behaart. Da hat der Mond wenigstens die Chance, zu reflektieren. Jana reloaded. Und wie ist in den meisten Fällen der zweite Teil eines Buchs, Films etc. zu werten? Richtig, schlechter. In dem Fall natürlich noch schlechter als das Original. Die Kopie stammt vermutlich nicht von der Ursprungsautorin. Die Fixierung auf den Slip Ouvert lässt auf einen männlichen Verfasser schließen. Hartmut im abnehmenden Niveau.
Zuhause
Lautlos stieg ich die Treppe hinauf. Der Schatten kommt in diesem Fall erst fünf Sätze später. Und dann beginnt die erste Mordsstory des Wettbewerbs. Komisch, egal, wie das Thema auch heißt, immer gibt es Tote. Das hab ich bei den Reizwortgeschichten zu meiner Schulzeit auch immer so gemacht. Schulaufsatzniveau – das wäre in diesem Fall geschmeichelt. Ein zufriedenes Grinsen schleicht sich in mein Gesicht, als ich diese Geschichte in der Bedeutungslosigkeit verschwinden sehe.
Wenn …
Wenn ich so klug wie Albert wär,
wär’s Leben wohl nicht ganz so schwer.
Schön wär’s, du könntest auch noch dichten,
denn das gelang dir hier mitnichten.
Dein Geist war sicher ziemlich willig,
doch das Ergebnis ist zu billig.
Die Reime rauben mir die Ruh.
Raus bist du.
Zweieiig
Lars, gut dass wir mal ungestört reden können. Habe ich dir jemals gesagt, dass deine Schreibe Scheiße ist? Dass dein krampfhafter Versuch, originell zu sein, zum Scheitern verurteilt ist? Bruderneid! Wow, tolle Idee. Kommt bestimmt keiner drauf. Das Paketklebeband kommt jetzt an deine Hände. Ganz fest. Nicht mal mehr die Tasten eines wehrlosen Laptops sollen sie quälen dürfen! Schweigen sollst du. Zweihändig. Zweifüßig. Von mir aus auch zweieiig.
Lauf der Gedanken
Da steh ich nun, ich armer Mann,
Vorm Spiegel; unbarmherzig, rigoros
Weiß gar nicht was ich sagen kann
laß einfach die Gedanken los.
Ach, statt der Anleihe bei Goethe hätte der Schreiberling barmherzig sein können. Den armen Lesern gegenüber nämlich. Und uns verschonen sollen mit verschwurbelter, passend gemachter Versuchslyrik. Statt Gedanken los zu lassen, hätte er sie für sich behalten können. Solcherlei Gedanken sind nämlich mehr als flüssig. Überflüssig! Das macht mich karg. Was soll das heißen? Durch diese oft so grausam Welt. Heilige Grammatik, hilf! Verzweifelt ich grad das Haar mir rauf. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.
Machtlos
„Aber ich hab doch gar nicht für die Arbeit gelernt!“, ruft Lena den anderen entgegen. Hättest du mal gelernt, dann hätte was aus der Geschichte werden können! Stattdessen nur Tränen, wohin man auch blickt. Am Ende auch bei der Schreiberin (das muß einfach eine Frau sein, bei so viel Geheule). Mobbing ist ein geradezu geniales Thema. Gab’s bestimmt noch nie. Kommt ganz knapp hinter Mord und noch vor Selbstmord. Mal sehen, ob sich die Eulen für das sentimentale Gutmenschengeheule begeistern können. Ist fast zu befürchten. Aber da bin ich machtlos.
Schlaf schön
Sie war müde.
Hundemüde.
Todmüde.
Gab es noch eine Steigerung?
Klar gab es die. Verkörpert in dieser Geschichte. Schreibwettbewerbsmüde. Man nehme eine unausgegorene Idee, garniere sie mit Buchstabenkombinationen wie Krchhhhzkrrrrr, Glglglgrrrrurg und SCHHLKKKKKKRAKRZZZZ, spiele am Ende mit der morbiden Phantasie des Lesers und schicke das ganze als Wettbewerbsbeitrag ein. Bei so viel Dreistigkeit werde ich fast neidisch.
Geschwisterliebe
Meine kleine Schwester war ihr ganzes Leben besser als ich. Wahrscheinlich auch beim Schreiben. Oder bei der Einsicht, nicht schreiben zu können. Geschwisterbeziehung als Inhalt psychotherapeutischer Erkenntnisse. Uuuuhhhhh, wie spannend. Und nicht mal ein Mord zum Schluss. Sie sitzt ja eh schon im Rollstuhl. Geschieht ihr recht. Im vierten Absatz das Nennen des Themas. Das gehört sich schließlich im Wettbewerb so. Nicht, dass der Leser noch anfängt, selbständig zu denken! Meiner kleinen Schwester kann ich sicher nicht alle Fehlschläge des Lebens anlasten. Nicht mal diesen mißglückten Text.
Apfel und Kamm GmbH und Co KG
Vicky schlenderte durch die Einkaufsstraße. Sie fühlte die bewundernden Blicke der Männer und die neidischen Blicke der Frauen auf sich - aber das war sie ja gewöhnt. Zack, da kommt der Neid schon im zweiten Satz wörtlich vor. Fast ein Rekord! Schneewittchen auf Shoppingtour. Und die böse Stiefmutter als Boutiquebesitzerin. Da wird passend gemacht, was passen muss. Inklusive sprechendem Spiegel. Fragt sich nur, ob noch ein Prinz kommt, um Schneewittchen zu retten. Hoffentlich nicht, sonst gibt es im Mai eine Fortsetzung und Schneewittchen samt Prinz treffen Jana und Hartmut. Ohne Slip.
Drei Schaufeln Erde
„Der dumpfe Klang der Erde, die auf den Sarg trifft, erinnert mich an meinen Herzschlag Ich schaue hinunter in das ausgekleidete Loch, mein Blick bleibt auf den mit Eisenbeschlägen verzierten Eichensarg hängen. Ein langer erster Satz inklusive Anführung ohne folgende Abführung. Wobei Abführung bei dieser emotionalen Verstopfung nichts schaden würde. Neidvoll gleitende Blicke, ansonsten anatomische Betrachtungen. Ich wende mich ab, gehe den Weg zur Straße und spüre keinen Pulsschlag mehr. Wie auch, angesichts eines solchen Textes? Mein Tipp: Geschichte rein ins Loch, drei Schaufeln Erde drauf, fertig.
Ein ungleiches Paar
Die Gallenblase hatte sie zusammengebracht. Es hätte auch der Dickdarm sein können. Oder der Schließmuskel. Außenseiterstory. Inhaltlich und auch sonst. Klischees jagen einander und holen sich ein. Und am Ende spielen sie Fußball. Könnte viele Punkte geben, so simpel, wie die Eulen allgemein gestrickt sind.
An einem Sonntag im August
Eine Haarsträhne löst sich aus Deinem Zopf, als Du geschmeidig vom Fahrrad abspringst. Deine Küsse schmecken nach Eis mit Augustgeschmack und im Himmel begrüßt die untergehende Sonne den hereinbrechenden Abend. Wattewolken ziehen leicht und unbeschwert ihrer Wege. Wunderbar Rosa. Ja, da folgt der letzte Satz direkt dem ersten. Und das fällt nicht auf, weil alles dazwischen genauso unwichtig für die Handlung ist. Handlung? Wir erleben eine unendliche Aneinanderreihung von Bildern und Metaphern. Wer dies schrieb, ist verliebt in die eigene Sprache und leidet unsäglich unter der Wörterbegrenzung. Keine großen Punktechancen, für simpel gestrickte Eulen zu wenig Mord und Totschlag.
Laß Sie reden …
Sei gscheit und liab di Leit, so wia di selbst,
damit du vor dir selbst was geltst,
Man nehme acht Zeilen, fülle sie mit bayrisch klingenden Worthülsen, streue eine Prise Vorurteile und jede Menge Moralin darüber und fertig ist ein Text, den wohl nicht mal Grass „Gedicht“ nennen würde. Das Beste daran ist die Kürze. Ich habe schnell drüber weggelesen. Ein Text zum Vergesssen, nicht aber zum Verzeihen.
Ein unbekanntes Gefühl
Donnerstag, 16.02.2012 08:09 UhrEndlich, die Bekanntgabe der Gewinner des Januar-Schreibwettbewerbs! Gespannt klicke ich den Thread an und scrolle nach unten.
Montag, 9.04.2012 15:45 Uhr
Noch eineinhalb Tage zum Punkten, dann endlich wird kommentiert.
Montag, 9.04.2012 15:46 Uhr
Bin bei der letzten Geschichte angekommen, hatte bis zuletzt Hoffnung, dass ein gescheiter Beitrag dabei ist. Vergeblich gehofft.
Montag, 9.04.2012 15:50 Uhr
Suche im letzten Beitrag irgendetwas Positives. Finde nichts. Es wäre auch ein unbekanntes Gefühl gewesen, etwas Lesbares zu finden.
Montag, 9.04.2012 15:52 Uhr
Habe ich schon irgendwo erwähnt, dass es furchtbar originell ist, die eigene Einfallslosigkeit bezüglich des Wettbewerbs zu thematisieren? Hatten wir ja fast noch nie. Diesmal wird der Wettbewerb von zwei derartigen Texten eingerahmt.
Montag, 9.04.2012 15:54 Uhr
Überarbeite gleich meine Kommentare. Punkten darf ich ja noch nicht, weil mir die nötige Beitragszahl fehlt. Dadurch bleibt mir einiges erspart.
Fazit:
Schrott muss Schrott genannt werden dürfen. Obwohl: Mit Schrott kann man ja noch Geld verdienen. Mit diesem textlichen Schrott des aktuellen Wettbewerbs wird kein Cent zu bekommen sein …