wieso liegt dir denn so viel an der reue? glaubst du im ernst, dass jeder verbrecher aufrichtige schuldgefühle empfindet? ich denke dass die wenigsten das tun, auch menschen nicht, die die justiz nicht als kriminelle brandmarken würde, aber zu sehr viel fragwürdigeren handlungen fähig sind. schon gar nicht so ein intellektueller wie Raskolnikow, der sich sein handeln genau nach seiner denkweise ausgerichtet hat. der mensch ist nicht von grundauf gut...ich habe lange zeit geglaubt, dass Schuld und Sühne ein roman über einen menschen ist, der sich aufgrund der tatsache, dass er keine moral mehr anerkennen kann, in seine ideen verlaufen hat und deswegen auch zu den schlimmsten taten fähig ist....zum teil stimmt das wahrscheinlich auch, aber nur zum teil.
vor gericht hat er widerwillig das gesagt, was eben notwendig war, seine weigerung sich zu verteidigen ist wohl auch nicht zu seinen gunsten gewesen, allerdings ist er einfach nicht so verkommen, dass er alle seine ideen im übermaß von grundauf verleugnen würde, um dem straflager zu entgehen. kein ehrlicher mensch, der ernsthaft etwas auf sich und seine gedanken hält, kann so etwas tun.
dass einzige das ihm leid tut, ist eben, dass er seine mutter und schwester so unglücklich gemacht hat - das wird doch mit dem "immerhin" ausgedrückt. das steht aber in keinem moralischen kontext; wäre er nicht erwischt worden bzw. hätte er sich nie ausgeliefert, wäre es nie zu dieser situation gekommen.
mir ist es etwas komisch vorgekommen, dass der mord an lisaweta kaum mehr im roman erwähnt worden ist, allerdings spielt es für seine idee auch keine große rolle. um ein zitat zu bringen, das es relativ auf den punkt bringt und sogar auf wikipedia zu finden ist:
„Ich wollte damals erfahren, so schnell wie möglich erfahren, ob ich eine Laus bin, wie alle, oder ein Mensch.“
egal wer sich ihm in den weg gestellt hätte, er hätte sie oder ihn beseitigen müssen, wenn es für die ausführung relevant gewesen wäre. er verschwendet wohl deswegen auch keinen gedanken an lisaweta, weil es irrelevant war, ob er zwei oder zehn menschen hätte umbringen müssen, um seinen plan zu verfolgen (eine person, wie es ursprünglich vorgesehen war, war nur sehr viel realistischer und in der ausführung leichter). was spielt die quantität auch für eine rolle, wenn man schon sagt, man hat als erhabene person das recht dazu, sich über ein einziges anderes leben hinwegzusetzen?