Beiträge von Christiane P.

    Allmählich wird es ruhig, doch bevor sich alle neuer Lektüre zuwenden, möchte ich mich unbedingt noch von euch verabschieden.
    Die Leserunde hat mir viel Spaß gemacht; es war toll, mit welcher Offenheit auch Themen diskutiert wurden, die nicht direkt mit dem Roman zu tun hatten.
    Dann ergeht natürlich noch mal ein ganz herzliches Dankeschön an alle. Wenn eine Übersetzung von mir erscheint, habe ich gewissermaßen Lampenfieber. Euer "Applaus" tat mir sehr wohl, und im Geist verneige ich mich jetzt, lass den Vorhang aber nicht runtergehen, denn wer immer noch bei der Leserunde dabei ist, soll nach wie vor die Möglichkeit zum Fragen haben.
    Allen anderen viel Zeit zum Lesen und kurzweilige, erschütternde, verwirrende, anregende ... Bücher.

    Langweilige Kombinationen gibt's doch gar nicht. Außerdem ist es ja auch nicht schlecht, eine Sprache zu haben, aus der viel übersetzt wird.


    Beim Einstieg hatte ich immer auch Glück: Ich musste sowieso parallel zum Studium arbeiten, da habe ich natürlich auch gezielt nach Übersetzungen gesucht. Dann haben mich Freundinnen empfohlen, die wussten, wie ich an eine Übersetzung rangehe, mir wurde eine Chance gegeben - das ist das wirklich große Glück! -, und das Ergebnis hat wiederum die Leute überzeugt, die mir die Übersetzung anvertraut haben. Mit der Zeit hat sich rumgesprochen, wie ich arbeite, so dass ein Auftrag den nächsten nach sich gezogen hat (auch wenn's Durststrecken gab).


    Beim Einstieg in die Literatur habe ich zusätzlich von mir aus mit Verlagen Kontakt aufgenommen.


    Insgesamt war es also eine Mischung aus Glück, Empfehlungen, persönlicher Sturheit, viel - wirklich viel - Arbeit und auch Zufall.

    Klar!


    Ich habe zunächst Slawistik in Berlin studiert, später Russisch und Italienisch im Studiengang Übersetzen, in Berlin und in Moskau. Und nein, ich hatte Russisch noch nicht an der Schule. Es war harte Arbeit, die Sprache zu lernen, aber ich habe es nie bereut. Im Gegenteil.


    Mit dem Übersetzen habe ich dann schon parallel zum Studium angefangen, zunächst ein Roman, dann viel Fachtexte (das mache ich auch heute noch).


    Der große Durchbruch kam für mich mit Sergej Lukianenko, seitdem mache ich beruflich hauptsächlich das, was ich mir immer gewünscht habe: Belletristik übersetzen.


    Liebe noani,


    ich möchte Dich persönlich noch einmal in dieser Leserunde willkommen heißen. Es ist schön, dass Du wieder dabei bist.

    Es folgt eine längere Antwort, weil ich ein bisschen im "Rückstand" bin.


    Noch einmal grundsätzlich zum Übersetzen:
    In der Translationswissenschaft gibt es den Ausdruck der "translatorischen Kompetenz" (die hier einmal auch als "Kunst" bezeichnet wurde). Darunter ist zu verstehen, dass beim Übersetzen Fertigkeiten (im Sinne des Handwerks), aber, vermutlich, auch Talent (im Sinne einer künstlerischen Begabung) zum Tragen kommen. Anders ausgedrückt: Es reicht eben nicht, eine Fremdsprache und die Muttersprache gut zu können, es ist, ganz unbedingt, auch die Fähigkeiten nötig, sich zwischen beiden bewegen zu können. Hört sich ziemlich leicht und selbstverständlich an, ist es aber leider nicht immer. Ein einfaches Beispiel sind zweisprachige Menschen, die zwar in keiner Sprache einen Fehler machen – aber trotzdem nicht immer eine überzeugende Übersetzungslösung finden. Ein Problem sind nämlich sogenannte Interferenzen; ich glaube, dieses Phänomen schmälert am häufigsten den Genuss einer Übersetzung. Es bedeutet, dass bei einer Übersetzung Strukturen der Ausgangssprache (Fremdsprache) in die Zielsprache (Muttersprache) übernommen werden und es dann zu "Fehlern" kommt, die man nicht machen würde, wenn man eigenständig einen Text in der Zielsprache formulierte. Das reicht von einfachen Kommafehlern bis hin zur Syntax oder "komischen Ausdrücken": Ich sage, Übersetzen ist harte Arbeit, ist es nicht? ;)


    Dann konkret zur Zusammenarbeit mit Sergej Lukianenko:
    Ich kann ihn immer und jederzeit etwas fragen, angefangen von banalen Dingen bis hin zu schwierigeren Sachen. Insgesamt hält sich das aber von meiner Seite in Grenzen. Wir haben verschiedene grundsätzliche Dinge im Laufe der Jahre abgestimmt, ansonsten hat er – und das empfinde ich als besonders schönes Kompliment, für das ich ihm sehr dankbar bin – mir sein Vertrauen ausgesprochen und lässt mir freie Hand; ihn haben da auch Lesungen hier in Deutschland überzeugt, bei denen die Reaktion des Publikums ähnlich war wie die der russischen Leser und Leserinnen bei entsprechenden Veranstaltungen in Russland.
    Bei Trix 2 gab es natürlich auch Stellen, die ich nicht aus dem Ärmel geschüttelt habe. Als Tiana und Trix die Zeitreise hinter sich haben, geben sie beide Sachen von sich, bei denen es sich einfach um Zitate handeln musste. Tiana stößt den Großen Fermatschen Satz aus, Trix Zeilen aus einem Puschkin-Gedicht. Den Passus von Fermat habe ich ganz leicht herausgekriegt (dem Internet sei Dank), die Puschkinzeilen auch, aber die habe ich dann zusätzlich einer russischen Freundin vorgelegt, einfach um abzuklären, wie weit sie zum russischen "Kanon" dazugehören: Es waren wirklich Zeilen, die sozusagen jedes Kind kennt, vielleicht aber nicht immer zuordnen kann, ähnlich wie es z. B. im Deutschen bei dem Zauberspruch zum Kamelantreiben war, wo ja auch Vieles bekannt klang, selbst wenn man nicht auf Anhieb wusste, von wem genau das Zitat stammte.
    Insgesamt hatte ich bei der Übersetzung dieses Romans dann am Ende nicht den Eindruck, in einer Stelle müsse noch eine Anspielung drinstecken, die ich nicht verstanden habe, sonst hätte ich Sergej danach gefragt. (Aber ausschließen kann ich es natürlich nicht ...)
    Die schwierigsten Stellen bei der Übersetzung waren aber gar nicht die Anspielungen, sondern eher solche, die ganz klar waren. Ein Beispiel sind die Herrschaftsformen bei den Gnomen, die voll von (verständlichen) Wortspielen waren und mich beim "Handzwergtum" fast in die Verzweiflung getrieben hätten (weil die Bezeichnung der Finger im Russischen anders ist als bei uns, so dass sich jeweils andere Bilder ergeben). Und das sind die Momente, bei denen mir Sergej leider gar nicht helfen kann.

    Die Abführung der direkten Rede ist so eine Sache. Im Englischen ist es wohl viel weniger "problematisch" öfter "say" zu wählen. Im Deutschen gehen die Meinungen auseinander, es hängt auch ein wenig mit der Zeit der Übersetzung zusammen; früher war eine häufige Wiederholung von "sagen" eher möglich, auch in der Literatur, die originalsprachlich auf Deutsch entstanden ist, heute ist das breiter gefächert, manche lassen (fast) nur "sagen" gelten, andere achten auf Abwechslungen, weigern sich aber, Verben im "Grenzbereich" durchgehen zu lassen (so was wie "japsen", "schniefen" oder vielleicht sogar "lachen").


    Im Russischen gibt es schon viele Varianten, aber eine häufige – oder zumindest häufiger als im Deutschen – Wiederholung von "sagen" (ru.: skasal – sagte er; skasala – sagte sie) gilt nicht als schlechter Stil. Andererseits ist im Russischen auch eine Abführung bzw. Einleitung möglich, die nichts mit "sagen" zu tun hat (z. B. "abwinken"). (Wenn's mir zu viel "sagen" ist, variiere ich einfach mal.)


    Was im Russischen viel auffälliger ist, ist, dass die direkte Rede häufig eingeleitet wird. Es heißt also: Sowieso sagte: "..." Das war im Deutschen früher auch mal üblich, gibt es auch heute noch, aber das meide ich ein wenig, da mache ich dann meistens draus: "...", sagte sowieso.


    Die Frage, ob bei einer Übersetzung viel verloren gehe, habe ich vor allem deshalb gestellt, weil ich finde, jede Übersetzung ist vor allem Gewinn. Komischerweise höre ich aber oft: Bei der Übersetzung ist ja so viel verloren gegangen. Klar, das kommt auch vor, dass eine Übersetzung mal nicht so toll ist, vielleicht einzelne Stellen verpatzt sind oder auch mal, schon ein wenig ärgerlicher, der Ton nicht getroffen ist. Aber die meisten Übersetzungen sind, wie ich finde, schon gut, viele auch sehr gut. Und die Alternative wäre ja, überspitzt formuliert, dass ich einen Roman oder Text nie kennenlerne, eben weil ich die Sprache nicht kann.

    Verrat mir, ob du einen Spruch findest - ich fürchte ja, auch da sind die meisten Worte schon abgenutzt.


    Mir gefällt das deutsche Cover auch besser, viel besser sogar. (Auf der Website von Sergej Lukianenko gibt's auch einige begeisterte Stimmen ...) Es ging mir nur um den kleinen Gag mit Sergej im Cover. Der ist bei der schwarzen Ausgabe wirklich sehr nett gelungen.

    Vielleicht findet ihr ja mal Originalcover interessant. Bei der schwarzen Ausgabe mit dem Farbstreifen ist der rotgewandete Herr nur auf dem Buchrücken zu sehen.


    http://images.yandex.ru/yandsearch?text=%D0%BD%D0%B5%D0%BF%D0%BE%D1%81%D0%B5%D0%B4%D0%B0%20%D0%BB%D1%83%D0%BA%D1%8C%D1%8F%D0%BD%D0%B5%D0%BD%D0%BA%D0%BE&stype=image&lr=177&noreask=1


    (Die leicht altmodische Ausgabe ist eine illustrierte Ausgabe von Trix I, ansonsten sind noch ein paar andere Cover dabei, Trix 2 sind die beiden mit dem Besen - oder eben noch der dritten Person im Bunde.)

    Wie gehst du bei Wörtern vor, die es im Deutschen nicht gibt, z.B. Namen für Länder oder auch Protagonisten? Ich vermute, dass die manchmal Buchstabe für Buchstabe übersetzt keinen Sinn ergeben, oder?


    Ehrlich gesagt, hatte ich einige Gewöhnungsschwierigkeiten bei den russischen Namen für Sultan, Wesir und MP. Der Sultan heißt "Abnuwas", das fand ich überhaupt kein Problem. Dann tauchten jedoch "Abluchaj" und "Alchasab" auf. Da Trix die Namen verwirrend findet und durcheinanderbringt, als er sich mit Ilin unterhält, hatte ich da wenig Spielraum. Ich konnte also nicht einfach was mit "B" und "C" wählen oder die drei "Tick, Trick und Track" nennen. Als ich dann auf die Idee gekommen bin, dem einen den Namen "Abrakadasab", dem anderen den "Akhsogud" zu geben, fühlte sich die Sache für mich ziemlich rund an. Ich habe dann mal in meinem Umfeld rumgefragt, wer Isnogud kennt, das ging eher so fifty-fifty aus; trotzdem bin ich dann bei der Lösung geblieben.


    Im Allgemeinen versuche ich aber, die Namen beizubehalten, schon damit diejenigen, die das Buch auf Russisch gelesen haben, sich mit denen, die es auf Deutsch kennen, verständigen können. Bei den Hauptfiguren und Ortsnamen ging das auch gut. Es gab aber einige Nebenfiguren, da stand eindeutig der Witz oder die Anspielung im Vordergrund. So was handhabe ich individuell: Wenn es eine Parallele gibt – und ich sie finde ;) –, wähle ich die, wenn nicht, versuche ich, es zumindest als aussprechbare Variante wiederzugeben.

    Sergej Lukianenko verfluchen? – Ich glaube, alle Flüche von Übersetzerinnen und Übersetzern gegen Werke oder Schriftsteller und Schriftstellerinnen sind schon so oft ausgestoßen worden, dass sie längst ihre magische Kraft verloren haben. ;) Aber Spaß beiseite: Nein, habe ich nicht. Es gab zwar einige knifflige Stellen, bei denen es echt harte Arbeit war, sie locker rüberzubringen – aber das ist alles vergessen, wenn es klappt und auch bei der Leserschaft gut ankommt. (Ich genieße diese Leserunde daher auch ...)


    Außerdem macht es mir großen Spaß, witzige Bücher aus dem Russischen zu übersetzen. In vielen Köpfen hält sich ja immer noch das Vorteil, alles Russische sei düster und schwermütig. Zu zeigen, dass das nicht so ist, finde ich schon sehr reizvoll. In Russland gibt es eine lange und auch heute noch sehr lebendige Tradition des Witzeerzählens, es gibt wunderbare satirische Literatur, ja, sogar Dostojewski hat einige kurze, echt amüsante Texte geschrieben.

    Im Abschnitt zu den Seiten 1 – 75 wurde die Frage gestellt, wie schwer es war, den Wortwitz rüberzubringen. Ich hol mal ein bisschen aus.


    Der Vorteil ist ja, dass ich das ganze Buch zur Verfügung habe. Wenn also ein Witz mal wirklich nur im Russischen funktioniert, habe ich immer noch die Möglichkeit, diese spezielle Stelle nicht als Witz zu übersetzen, dafür aber vielleicht an anderer Stelle einen Witz "einzuschmuggeln". Wichtig ist mir dabei, dass der Charakter und die Tonlage ingesamt gewahrt werden.


    Bei "Trix 2" gab es etwas mehr Herausforderungen als bei "Trix 1" – aber das hat die Arbeit nur noch interessanter gemacht.


    Es ging gleich im ersten Kapitel los, als Trix den Zauber "Rollende Steine" wirkt. Im Russischen ist es jedoch der Zauber "Rammstein" bzw. die russische Übersetzung des Bandnamens. Das klingt sehr witzig, ginge aber in der Rückübersetzung verloren. Da musste ich dann eine Alternative bzw. Parallele finden, die genauso plausibel klingt.


    Bei manchen Stellen funktioniert ein Witz zwar auch im Deutschen, allerdings etwas anders. Ein Beispiel ist die Stelle mit dem "Alten neuen" und dem "Neuen neuen" Jahr, die im Deutschen ganz gut rüberzukommen scheint. Im Russischen hat sie noch einen etwas anderen Hintergrund, weil es da ja tatsächlich das "Alte neue" und das "Neue neue" Jahr gibt (wegen der Kalenderreform).


    Am problematischsten war vielleicht die Anspielung auf "Anna Karenina". Dieser Romananfang ist im Russischen sehr bekannt, im Deutschen eher nicht so. Ich hätte zwar auch ein anderes Zitat suchen können, habe dann aber entschieden, die Stelle so zu lassen, auch wenn vielleicht nicht alle die Anspielung verstehen. Der Roman strotzt ja insgesamt nur so von Zitaten, Anspielungen und Reminiszenzen – und auch im Russischen kriegen nicht alle alles mit (z. B. das Zitat aus der Erklärung der Menschenrechte, die König Marcel auf dem Sterbebett vom Stapel lässt).


    Vieles funktioniert aber auch in beiden Sprachen gleich gut, z. B. IBM.


    Ich glaube, entscheidend ist bei einer solchen Übersetzung, sich nicht an bestimmten Details festzubeißen. Die Stelle mit dem "Alten neuen" und dem "Neuen neuen" Jahr ist ein gutes Beispiel. Wenn sie gut ankommt, finde ich sie gelungen – auch wenn die Akzente vielleicht etwas verschoben sind.

    Danke fürs Kompliment. Das war im ersten Band vermutlich die Stelle, mit der alles stand und fiel. Darüber habe ich mir schon vor der eigentlichen Übersetzung Gedanken gemacht. Die einzige "Freiheit", die ich mir dann noch erlaubt habe, war, dass Trix" erstes Wort "Ei pottstausend" ist - damit es später, an der "Eipott-Stelle" möglichst genauso natürlich klingt wie im Russischen.