Beiträge von Salome

    In “Warum ich meine demente Mutter belüge” verarbeitet der niederländische Essayist Cyrille Offermanns, schonungslos und berührend, seine Erfahrungen mit seiner demenzkranken Mutter.


    Em Offermanns ist Mutter von sechs erwachsenen Kindern, eine liebenswerte Seele, die ihr ganzes Leben lang dem Wohlergehen ihrer Lieben gewidmet hat und ihre Wünsche beiseite schob, Ruhepol und Zentrum ihrer Familie - und Em ist demenzkrank.
    Bis zu dieser Erkenntnis allein ist es jedoch ein langer Weg. Ein Weg der die Kinder der alten Dame durch Verdrängung, Ängste, Verzweiflung, Wut und Trauer führt.


    Zunächst gelingt es Offermanns Mutter noch den schleichenden Prozess des Vergessens geheim zu halten. Als dies nicht mehr klappt und sie immer häufiger durch Gedächtnislücken, zusammenhangloses Reden und Konzentrationsunfähigkeit auffällt, wird dies zunächst von den Kindern als normale altersbedingte Senilität abgetan. Dann die Diagnose: Demenz.
    Cyrille Offermanns schildert eingehend den Alltag mit seiner Mutter, die Höhen und Tiefen des Zusammenlebens mit seiner kranken Mutter, deren Prozess der Entfremdung vom ihrem Leben, den Kampf gegen die Krankheit, die immer schwerer werdende Pflege und schließlich ihre Einweisung in ein Pflegeheim.


    In jeder Zeile liest man die große Liebe Offermanns zu seiner Mutter heraus, seine Emotionen und seine Eindrücke schildert er mit beeindruckender Ehrlichkeit, ohne Schnörkel. Schlicht und einfach das Leben und der natürliche Gang der Dinge ist aus seinem Buch herauszulesen. Es berührt, wie nur die Realität berühren kann. Es ist ein Buch, dass Klarheit schafft und Wege für den würdevollen Umgang mit Demenzkranken aufzeigt.

    Sommer unter Fremden ist das erste Buch des Japaners Taichi Yamada, einem der bedeutendsten Schriftsteller der japanischen Gegenwartsliteratur, das 2007 in Deutschland veröffentlicht wurde.


    Der Drehbuchautor Harada befindet sich an einen Scheideweg seines Lebens, alles in seinem Leben hat sich verändert. Nach der ersehnten Scheidung von seiner Frau, die ihn quasi finanziell ruiniert hat, fühlt er sich zunächst befreit. Er zieht alleine in sein ehemaliges Büro in einem Bürokomplex in Tokio, direkt an einer lärmenden Verkehrsader, und vergräbt sich in seiner Arbeit. Abends erscheint ihm die Stille und die Einsamkeit des Hauses jedoch langsam immer bedrückender. Die einzige Mitbewohnerin, wohnt im dritten Stock des Gebäudes. Doch trotz der beängstigenden Stille und seinen Ängsten möchte er lieber alleine sein. Als die Nachbarin eines Tages mit einer Flasche Sekt angetrunken vor seiner Tür steht, wimmelt er sie ab. Dann besucht ihn auch noch Mamiya, sein Kollege, um ihm mitzuteilen, dass er die Zusammenarbeit ihm ihm kündigt, weil er ein Verhältnis mit seiner Ex-Frau hat. Frustriert streift er durch die Strassen Tokios und landet in dem Viertel in dem er aufgewachsen ist. Bei einem Besuch in einem Theater sieht er in den Reihen gegenüber seinen toten Vater, obwohl der 47 jährige Mann seine Eltern mit 12 Jahren durch einen Unfall verloren hat. Sein Vater lädt ihn nach Hause ein. Zwar traut Harada seinen angegriffenen Sinnen nicht mehr, aber die Freude darüber seine totgeglaubten Eltern wieder zu sehen ist übermächtig. Nach jedem Besuch bei seinem Eltern sagen ihm jedoch stets Freunde und Bekannte, er wäre so blass, dünn und stark gealtert, obwohl er sich selbst normal fühlt und sich auch so im Spiegel sieht. Die Grenze zwischen Traum und Realität verwischt sich immer mehr. Aber was geschieht wirklich bei den geheimnisvollen Besuchen und was geschieht mit ihm selbst?


    Nach Yamadas Sommer mit Fremden hätte sich Alfred Hitchcock alle Finger geleckt. Man merkt das Yamada selbst preisgekrönter Drehbuchautor ist, denn er versteht es meisterhaft bildhaft seine brillant düstere Atmosphäre zu zeichnen, so dass man die Geschichte quasi schon wie in einem hitchcockesken Gruselschocker vor sich sieht. Die Spannung hält den Leser bis zur letzten Minute gefangen in dieser Zwischenwelt, zwischen Traum, Wahn und Realität, bis zum fulminanten Ende, dass die Geschichte perfekt abrundet. An diesem perfekt inszenierten Roman wird sowohl der Freund von klassischen Schauerromanen, wie auch der Liebhaber moderner Gegenwartsliteratur seine Freude haben. Noch zwei weitere Romane von Yamada sollen in nächster Zeit veröffentlicht werden. Ich freu mich schon sehr darauf! Mein absoluter Geheim-Lesetipp!

    Ein tolles kleines Büchlein hat Francoise Dorner da geschrieben. Sehr unterhaltsam, zwar in einer leichten Sprache verfasst, aber doch mit schwerem Inhalt. Denn die Thematik ist sicher eine ergreifende : Ein alter Mann der sich am Ende seines Lebens endlich seiner lebenslangen Fesseln entledigen will, den Fesseln die ihm seine Erziehung, seine eigene Kindheit angelegt hat. Die Fesseln, die ihn von seinen Kindern, seiner Frau und letztlich auch von sich selbst entfremdet haben. Es geht um Menschen auf der schwierigen Suche nach Liebe und Verständnis. Großartig, wie Dorner sich in Psyche der Protagonisten eingefühlt hat und uns deren Innerstes eindrucksvoll mitteilen kann, voller Menschlichkeit und Wärme. Einfach schön!


    Ich bin ja eine Liebhaberin von diesen dünnen, bezaubernden Büchlein, die man in der französischen Belletristik oft findet. In diesem Buch hätte ich mit allerdings definitiv mindestens 200 Seiten mehr gewünscht. So wie die Geschichte aufgezogen ist hätte man doch gerne mehr Tiefe und Hintergründe in der Geschichte gehabt.


    Insgesamt aber ein tolles Buch! Sehr zu empfehlen!

    Dann starb Flore… Ich entdeckte wie schmal der Grat zwischen Gnade und Leere ist.


    Der Erzähler in Philippe Claudels neuen Roman Flore hat seine Frau verloren. Die Frau, die ihm, nach seiner traumatischen Kindheit, als Sohn einer Hure, erstmals wahre Liebe gezeigt hat. Fassungslos steht er vor den Trümmern seiner Liebe und seines Lebens, am Leben gehalten von Fluchten in Erinnerungen und der betäubenden Wirkung des Alkohols, gefangen zwischen Unglauben und dem eigenen Todeswunsch.
    Eines Tages jedoch bricht er einfach auf, fährt ziellos los, flüchtet vor all den erdrückenden Erinnerungen, die in seinem Haus lauern. Er landet in dem kleinen vergessenen Städtchen Feil, an der Maas. Dort beginnt die Bewältigung seiner Trauer in einem Jahr voller Schmerz, aber auch voller Lehren und dem Gewinn von positiver Kraft auch aus den dunkelsten Zeiten.


    Die Zeit, die Leid bringt, sorgt auch dafür, es zu lindern, und es ist ein merkwürdiger Effekt, zu sehen, wie sie daran arbeitet, uns zu vernichten, bevor sie uns Erleichterung bringt.
    In der von Claudel mit feinsten Worten gewobenen Geschichte, lässt er den Leser hautnah an diesem Prozess der Heilung teilhaben. Claudel schafft eine Atmosphäre von starker Intimität. Es ist eine ruhige Geschichte voller Poesie und Menschlichkeit, wie ich sie noch nie gelesen habe. Die Beschreibungen von Natur und Menschen sind unglaublich intensiv, sehr lyrisch, so dass man die Maas in ihrem grauen Wintergewand förmlich vor sich fließen und die Kornfelder im Sonnenlicht leuchten sieht. Die Beschreibungen der Gefühle sind großartig, lassen tief in die Seele eines trauernden Menschen blicken.


    Ein Roman den man, wie ein feines Stück Schokolade, auf der Zunge langsam zerfließen lassen muss. Ein Gewinn für Herz und Verstand gleichermaßen.


    Eines der besten Bücher 2007 für mich!


    Übrigens auch eine tolle Arbeit der Übersetzerin Michaela Heinz, die mit Flore ihren ersten Roman französischer Belletristik übersetzt hat.

    Also ich habe historische Romane als Lieblingsgenre angegeben.
    Wobei eigentlich ist ja nur der Fox ein echter historischer Roman, Herbstmond ist denke ich ne Liebesschnulze und dazu noch eine amerikanische :yikes , Sarah Larks Roman spielt 1852, also historisch, klingt aber nach historischem Liebesroman.

    Zitat

    Original von Charlotte




    Tolle plausible Theorie, in dieser Zeit ja durchaus denkbar. Hat die Mutter nicht diesen Verdacht im Buch auch geäußert? :gruebel

    Wie das Leben seines Protagonisten Doug Parker ist auch Jonathan Troppers Buch fast perfekt. Sein trockener Humor und seine plastischen Beschreibungen der aberwitzigsten Situationen hat mich Tränen lachen und die Tragik seiner liebenswerten Charaktere Tränen weinen lassen. Er schafft es einfach anzurühren. Sein Schreibstil ist einzigartig und mitreißend. Ich konnte mich kaum von dem Buch lösen und habe es in Rekordzeit und in Nachtschicht verschlungen. Ein wunderbares Buch, dass mich bestens unterhalten hat!


    Einziger Schönheitsfehler: Gegen Ende schießt die Story ein wenig über das Ziel hinaus, wie es eben oft bei amerikanischen Autoren passiert. Das Ende muss immer fulminant und dramatisch sein. Ein ruhigeres und unspektakuläreres Ende hätte den Roman zu einem der Besten überhaupt gemacht.


    Danke an dieser Stelle auch an den Verlag Droemer Knaur, der mir dieses Buch zur Verfügung gestellt hat. Ich hätte dieses Buch von selbst nie gekauft und hätte einen tollen Roman verpasst

    Wie schön, dass Du dieses Buch vorstellst!
    Bei meinen beiden Jungs ist der Grüffelo und das Grüffelokind ein absoluter Renner. Der Große kann beide auswendig... :-]
    Ein absolut zu empfehlendes Kinderbuch! Übrigens ist auch " Für Hund und Katz ist auch noch Platz" von Axel Scheffler und Julia Donaldson wunderschön.

    Zitat

    Original von Cookiemonster


    Dazu muss ich sagen: als langjährige Paris-Einwohnerin und französische Zeitung-Leserin ist mir wohl auch einfach der Mensch Beigbeider schrecklich unangenehm.


    Bin schrecklich neugierig, besonders was französische Literatur betrifft. Darf ich fragen warum?

    Zitat

    Original von Lesebiene
    Wie ist das eigentlich - ist man dann immer Testleser oder nur einmalig?


    Ich schätze, dass man, sollte man als Testleser für ein bestimmtes Genre ausgewählt worden sein, öfter für dieses Genre auch Bücher zum Testlesen erhält.
    Ich kann es allerdings auch nicht mit absoluter Gewissheit sagen... :gruebel