Beiträge von Christoph

    Zitat

    Original von Ikarus
    ...weil es für mich so aussieht, als seien sowohl "Poesie" als auch "Leben" dadurch idealisiert und dadurch irgendwo in kosmische Weiten katapultiert, die es nicht gibt.


    Sorry für den laienhaften Philosophieversuch von mir, aber ich würde den Tipp geben, lieber die angesprochenen "Ähnlichkeiten" zu beschreiben...und vielleicht auch zu leben (?), dadurch wird der Text u.ä. nicht weniger leidenschaftlicher m.E.


    Nicht sowohl als auch. Die Poesie ist unzureichend das Leben abzubilden, der prosaische Text sowieso. Das gilt für die Fülle des Lebens wie für dessen Tristesse. Während Prosa oder Poesie stets dazu verdammt sind, sich auf wenige Aspekte eines Geschehens festzulegen, gleichen die Details und Grausamkeiten des Lebens Fraktalen, deren Komplexität mit jedem Zoomlevel nahezu gleich ist. Mit dem Gleichsetzen von sinnlicher Schärfe und Poesie am Anfang des Textes wird also zwangsweise aufs Naivste idealisiert. Später findet dann die Aufklärung dieser romantischen Lüge statt: Es gibt die Poesie, es gibt das Leben… Wir befinden uns inmitten von Ernüchterung, die jeglicher Wahrheit nun einmal anhaftet. Selbst die Flucht in eine vereinfachte Welt, eine Welt der Klar- und damit Schönheit, in die Welt der Poesie ist den Charakteren verbaut. Sie haben die Fähigkeit verloren, sich selbst zu belügen: sie müssen damit existieren, dass ihr Leben sinnentleert ist. Und ihr Tod ebenfalls. Sie empfinden den Schmerz (z.Bsp. einer Entzweiung; «Die verlorenen Gegenstände im Dunkel der Küche…»), parallel dazu jedoch auch dessen Bedeutungslosigkeit («Dann hörst du die Wohnungstür und draußen fällt immer noch der Schnee, die alte, weiße Scheiße.»), was es auch nicht gerade leichter macht.


    C.

    Du beobachtest sie, wie sie so wunderschön aussieht. Sie ist eine Sammlung an Gemälden; mal höchst geheimnisvoll wie Tizians Venus von Urbino oder Giorgiones Tempestà, geprägt von etwas, das ruhig und mächtig in ihr ruht und nach außen strahlt, in der nächsten Sekunde schon verharrt sie vor deinem inneren Auge in höchster Spannung, wie ein Bild des Barock, eine gefrorene Explosion Caspar David Friedrichs. Du lächelst das Lächeln eines tauenden Herzens, das sich warm und weich in den gesamten Körper ergießt.
    «Schönheit,» denkst du. In der Küche verrührst du in zwei Gläsern etwas Campari mit Prosecco und reichst ihr eines, als du in das Zimmer zurückkehrst.


    Während deiner Abwesenheit ist sie an den Computer gegangen und hat Sisters of mercy von Leonard Cohen in iTunes ausgewählt.
    Sie steht in der Mitte des Raumes, schließt die Augen. Das Köpfchen leicht in den Nacken gelehnt, ihren Drink in der Hand wiegt sie ihren Körper ruhig zur Musik, die geile Sau. Es ist ihr Becken, in dem die Bewegungen geboren werden, nicht ihre Gedanken.
    Wo sind ihre Gedanken?
    Du weißt es nicht.
    Du stellst dich an das Fenster. Eine tanzende Prinzessin in deinem Rücken, eine Königin, eine Göttin des Augenblickes, schaust du hinaus. Schneeflocken fallen. In den Wolken, die auch nachts den Himmel bedecken, lagern sich feinste Tropfen untergekühlten Wassers an so genannten Kristallisationskeimen wie zum Beispiel Staubteilchen an und gefrieren. Die so entstehenden Eiskristalle, weniger als 0,1mm groß, fallen durch ihr steigendes Gewicht langsam nach unten, bedecken den Boden, tanzen sinnentleert für dich im Licht der Straßenbeleuchtung, überziehen die kahlen Bäume und Sträucher mit einem weißen, romantischen Gewand. Im Laufe des nächsten Tages werden sie unter der Sonne schmelzen, sich wieder in ihre Bestandteile auflösen: Wasser und Dreck.


    Du spürst, wie sich zwei Arme um dich legen. Der Song hat inzwischen zu Who by fire gewechselt und du spürst ihr Haar an deinem Hals, warmen Atem am Ohr. Du senkst deinen Kopf und betrachtest ihre Hände. Warme, weiche Hände, die halten. Warme, weiche Hände die beten. Trösten. Die sich auf deine Brust legen, genau dort wo darunter dein Herz liegt, und sagen «Ich bin da.»
    «Du bist nicht allein.»
    «Bleibe noch einen Augenblick. Ich werde dich vermissen, wenn du weiterziehst.»


    «Kennst du dieses Gefühl,» flüstert sie. «Kennst du das Gefühl extrem geschärfter Sinne? Das Gefühl einer Vorahnung? Ein Gefühl, als ob diese extreme Schärfe deiner sinnlichen Wahrnehmungen kurz davor steht, eine Umwälzung der philosophischen Wahrnehmung der Welt auszulösen?»
    «Anders gesagt,» antwortest du ihr lächelnd. «Anders gesagt befindest du dich inmitten der Poesie.»
    «Es gibt das Leben,» antwortet sie dir ebenfalls lächelnd. Sie hat sich jetzt an dir vorbei geschoben, versperrt dir die Sicht auf all die winterliche Scheiße vor deinem Fenster. Sie schaut dir in die Augen. «Es gibt die Poesie, Chris.» Du spürst ihren Blick über deine Synopsen gleiten, suchend. Wonach? «Dazwischen gibt es Ähnlichkeiten, sonst nichts.»
    «Bist du verliebt in mich?» fragt sie und von einer Sekunde zur anderen ist der Schlafzimmerblick, den sie sonst stets zur Schau trägt wie ein Neglige, wie weggewischt. Ihr Blick ist hart, nüchtern und doch zugleich kristallin.
    «Nein,» antwortest du ohne lange nachzudenken, direkt aus dem Bauch heraus. «Ich glaube nicht.»
    «Willst du mich ficken?»
    «Ich denke schon.»


    Sie lächelt.
    «Und du?» fragst du. «Bist du in mich verliebt.»
    «Nein,» antwortet sie. «Ich war es.»
    «Wann?» möchtest du wissen. Ja, du möchtest es wirklich wissen.
    Es interessiert dich.
    «Noch vor wenigen Sekunden,» antwortet sie.



    Deine Hand auf ihrem Bauch gräbt sie ihren Hintern in deinen Schritt und beginnt einzuschlafen. Er ist straff und warm und unter seiner Hitze beginnt dein Schwanz schon wieder leicht zu erigieren. Deine Hand geht nach oben, umfasst eine ihrer kleinen Brüste. Du versuchst ebenfalls zu schlafen. Ihr Schweiß riecht noch nach Sex und klebt überall auf ihrem Körper. Deine Nase streift ihr Haar, taucht hinein. Es riecht nach L’Oréal Regenium. «Ihre Haare werden gekräftigt,» wirbt man dafür auf der Verpackung. «…glänzen und erhalten sichtbar Dichte und Fülle zurück.»


    Sie ist eingeschlafen. Dein Penis ist inzwischen wieder erschlafft. Sie schnarcht leise, ganz leise und du findest das niedlich. In der Art wie man kleine Katzen niedlich findet vielleicht. Du selbst lächelst. Du spürst lächelnd die Wärme ihres Körpers, seine Vertrautheit, obwohl es eure erste gemeinsame Nacht ist. Vielleicht hast du auch Angst einzuschlafen. Angst davor am nächsten Morgen aufzuwachen und nichts zu finden als ihren Abdruck in den Kissen, Schemen einer verblassenden Erinnerung.
    Kurz spielst du mit dem Gedanken, zwei Benzos zu nehmen und sie mit dem restlichen Campari in der Küche hinunterzuspülen.
    Du stehst auf, versuchst, sie nicht zu wecken. Sie bewegt sich leicht, als wolle sie einen schlechten Traum abschütteln, ihr leises Schnarchen erlischt, aber sie wacht nicht auf.
    «Eine Prinzessin,» denkst du. «Eine Königin.» Wie schön sie ist, die Züge ihres Gesichtes, ihr Haar, ihr Körper. Die unschuldige, leere, oberflächliche Schönheit der Jugend. Einer erst Zwanzigjährigen.
    Und dennoch. Dennoch ist da etwas…


    In der Küche zündest du dir eine Zigarette an, schaust auf den Hof hinaus, frierst. Es schneit immer noch.
    Als du sie vor sechs Jahren kennen gelernt hattest, ließ sie sich rücklings in den Schnee fallen, bewegte lachend ihre Arme auf und ab, zeichnete einen Schneeengel. «Schmetterling» hatte sie ihn genannt. «Schneeschmetterling.»
    Mitte letzten Jahres hattet ihr euch dann getrennt. «Die verlorenen Gegenstände im Dunkel der Küche sind Relikte des gescheiterten Traumes einer gemeinsamen Zukunft,» denkst du, während sich die Arme deiner Bettgefährtin von hinten um dich legen. «Hallo Bettgefährtin,» denkst du und nimmst einen Zug von deiner Zigarette. «Bessere Hälfte meiner selbst .»


    «Mach dir keine Sorgen,» sagst du. «Ich konnte nicht einschlafen und bin in die Küche gegangen, um zu rauchen. Jetzt denke ich an meine Ex und meine gescheiterte Beziehung.» Im Glas der Balkontür sieht sie dein gezwungenes Lächeln.
    «Damals, bei *, bin ich oft in die Küche gegangen, wenn ich nicht schlafen konnte,» sagt sie. Du spürst ihre Hände auf deinem Bauch, ihre Brüste an deinem Rücken.
    «Es sind schöne Brüste,» denkst du.
    Sie sagt, er sei dann meist ebenfalls aufgewacht. «Einfach weil er gespürt hat, dass ich nicht da bin. Er ist in die Küche gekommen, genau wie ich jetzt, hat seine Arme von hinten um mich gelegt und mich einfach festgehalten, während ich meist geweint habe, ohne dass er es merkte.»
    Du wagst es nicht, ihr deinen Kopf zuzudrehen. Du fürchtest dich vor dem, was du sehen könntest.
    «Weißt du, dass sich bereits nach einem halben Jahr der Herzschlag dem des Partners anpasst,» sagt sie und du hörst, dass ihr Lächeln ebenso gepresst ist, wie deines eben. «Die Herzen beginnen nachts synchron zu schlagen. Es ist nahezu unmöglich Gesicht an Gesicht zu schlafen, da auch der Atem sich aufeinander eingestellt hat und man sich so ständig gegenseitig die Luft zum atmen stiehlt.»


    «Als wir hier einzogen, bin ich eines Nachts in die Küche gekommen, weil * nicht mehr neben mir lag,» sagst du. «Es herrschte absolute Finsternis. Sie saß auf dem Boden, hier an die Spüle gelehnt, ein Steakmesser in der Hand. Zwei blutige Striemen verliefen parallel auf ihrem linken Unterarm.» Du drehst dich um und sie zeigt dir ihre Unterarme.
    «Wir alle schneiden uns einmal,» zeigt sie dir eine kleine Narbe. «Versehentlich, aus Absicht, mit einem Messer, mit unseren Gedanken.»
    «Sie hat halbherzig versucht das Messer hinter ihrem Rücken zu verstecken, als sie mich sah. ‹Alles in Ordnung,› versuchte sie zu lächeln. Sie versuchte hastig das Blut von ihrem Arm zu wischen, verschmierte es dabei zu einem rothkoischen Farbverlauf auf der Leinwand ihrer Haut. Sie griff nach meinen Zigarette, fischte eine Luckie aus der Schachtel, befeuchtete sie mit ihren Lippen und reichte sie mir. ‹Hier, Schatz.›»


    «Wir hatten uns gestritten,» erzählt sie dir. «Eines Nachts kurz vor unserer Trennung hatten wir uns gestritten und ich hatte mich im Bad eingeschlossen. Ich hatte seinen Rasierspiegel zerbrochen, um mir mit einer der Scherben diese Narbe zu schneiden. Er stand vor der Tür, klopfte, klopfte, und klopfte, hörte scheiße-noch-einmal nicht auf damit zu klopfen, bis ich die Tür öffnete. Er sah auf meinen Arm und fragte mich ‹Weshalb schneidest du dich?› Ohne Regung in seiner Mimik, ganz nüchtern als würde er nach der Uhrzeit fragen. ‹Ich bin unglücklich,› habe ich geantwortet. ‹Ich verspüre eine tiefe Unzufriedenheit und ich kann scheiße-noch-einmal nicht sagen, woher sie rührt.› ‹Aber wir sind glücklich,› hat er daraufhin gesagt. ‹Wir lieben uns.›»



    «Ich habe das getan, weil ich unzufrieden bin,» schlug * die Tür zu. «Ich hab mich erst von hinten ficken lassen, bis ich gekommen bin und dann habe ich ihn zum Abschied einen geblasen, weil sein Schwanz so gut schmeckt,» schrie sie dich an. «Ich sage dir das, weil ich dir wehtun möchte! Ich habe das getan, weil ich mich verletzen wollte. Weil ich mich klein fühlen wollte! Eine kleine Schlampe, die sich von großen, fremden Jungs durchvögeln lässt, weil sie die Fähigkeit verloren hat, noch ein Gefühl mit ihren Worten zu verknüpfen, wenn sie nach sechs Jahren Beziehung ‹Ich liebe dich› sagt!›»


    «Ich verspüre eine tiefe Unzufriedenheit und ich kann scheiße-noch-einmal nicht sagen, woher sie rührt,» sagte sie.
    «Aber wir sind glücklich,» antwortete *. «Wir lieben uns.»
    «Tun wir das?» schrie sie. «Was ist das, diese ‹Liebe›?! Ein ‹Schlaf schön, Schatz. Süße Träume.› Abend für Abend? Ein ‹Guten Morgen› am Tag darauf, Sonntagmorgens ein Frühstück ans Bett gebracht mit einem treudoofen Gesicht, als hättest du gerade eine Heldentat vollbracht? Ein Lächeln, unsicheres Händchenhalten auch noch nach Monaten, ein Kuss, tief, mit einer Zunge auf der Suche nach einer Erinnerung in der Mundhöhle des anderen?»


    «All die kleinen Dinge!» schrie *, während sie das kleine Alpenveilchen in Richtung Mülleimer warf, das du ihr am Nachmittag zuvor vom Discounter mitgebracht hattest. «All diese kleinen verfickten Dinge,» zerschellte es an der Wand darüber und Blütenblätter, Stängel, Erde und Scherben ergossen sich Richtung Boden. «Kleine Aufmerksamkeiten, gekauft sicherlich mit guter Absicht, mit romantischer Absicht, während man all die gewohnten Dinge besorgt hat, auf die man sich so im Laufe der Jahre einstellte. Die Stammzahncreme, die bevorzugte Konfitürensorte! Und während der eine all die Dinge pflichtbewusst organisiert, damit alles seinen geordneten Lauf geht, lässt sich der andere durchficken! Wir haben es ohne Kondom getrieben, weißt du. Es war meine Idee und als Mann war er natürlich nicht gerade abgeneigt, aber ich wollte ihn einfach in mir haben. Ich wollte keinen sauberen, klinischen Fick, ich wollte ihn in mir spüren. Fernab all der Ordnung, der political correctness, von Sicherheit und Verantwortung! Und ich will, dass du dir das vorstellst, wie das so ist. Dass du uns siehst vor deinem inneren Augen, wie wir es treiben, während du ein dämliches Alpenveilchen kaufst und denkst, da ist noch Liebe. Liebe, an die doch keiner mehr glaubt im Laufe der Zeit, wenn er endlich den Mumm findet, aufzuhören sich selbst zu belügen!»


    Ihr Kopf flog hart zurück, als * zuschlug. «Ich liebe dich, du verdammte Schlampe!» schrie er. Tränen standen ihm ins Gesicht. «Du bist alles, was ich habe! Du bist meine Muse, verdammt noch einmal. Du bist erst der verdammte Grund weshalb ich Morgen für Morgen aufstehe, kapierst du das nicht? Du bist meine Liebe! Ich kann doch verdammt noch einmal nichts dafür, dass du noch zu jung bist zu verstehen, was das ist: Liebe. Dass ein Kuss dir nichts bedeutet, einfach, einfach … Dass du zweifelst, dass du solche grausamen Dinge denkst, weil du die Größe noch nicht…»



    Ihr Gesicht ist voll Tränen, als du ihr sanft eine Strähne ihres Haares daraus streichst und hinter ihr Ohr schiebst. Sie packt dich grob im Nacken und zieht deinen Kopf zu sich. Sie drückt ihren Mund auf deinen und schiebt dir brutal die Zunge in den Mund, beißt dir auf die Unterlippe, so dass du den Eisengeschmack von Blut wahrnimmst. Ihre Zunge schlingt sich suchend durch deine Mundhöhle.
    «Manchmal glaube ich, ich würde den Geschmack der Liebe gar nicht mehr erkennen,» versucht sie dann zu lächeln. «Manchmal glaube ich, die Erinnerungen sind alle verdrängt oder waren nie da und es ist gut so.»
    Auf dem Regal hinter ihr stehen sauber aufgereiht Gläser von Leonardo, der «inspiration of modern living». Dich überkommt das Gefühl einer Vorahnung.
    «Es gibt die Poesie, es gibt das Leben,» wiederholst du sie. «Dazwischen gibt es Ähnlichkeiten, sonst nichts.»


    Sie verlässt die Küche, um sich anzuziehen. Dann hörst du die Wohnungstür und draußen fällt immer noch der Schnee, die alte, weiße Scheiße.



    2006 Christoph Baumer
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    Original von the_machinist
    mich würde mal interessieren welche Charaktere aus welchen Büchern ihr für so richtig krank oder abartig haltet


    Hiob aus "Die Bibel". Nicht zuletzt, weil er nicht selbst ein Buch schreibt, wie es zumindest seine Aufgabe gewesen wäre.


    C.

    Ja. Schreiben ist Eitelkeit.


    C. (Im Grunde eigentlich zutiefst schüchtern (wie alle Schriftsteller, die laut und unflätig sind). Als ich vor sechs Jahren meine damalige Beziehung zum ersten Mal geküsst habe, brauchte ich eine halbe Ecstasy bis ich mich das getraut habe.)

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    Original von Seestern
    Außerdem ist erstes Buch ja wohl gelogen, rein zufällih weiß ich, dass Sie schon mehrere geschrieben haben, Herr Baumer...


    Argh! Wehe du verwechselst mich noch einmal mit diesem grässlichen Schweizer (?) und seinen Schund über diverse Tibetreisen! Das bin ich a) nämlich nicht und b) bist du nicht die erste, die das tut und c) riskierst du deinen tollen Strichcode auf der Stirn.


    C.

    Zitat

    Original von Seestern
    Ist geritzt (Tolles Wortspiel hhm), allerdings müsstest Du schon ein anderes Plätzchen für Dein Autogramm finden, da mein Oberschenkel komplett tätowiert ist.


    Ok, geritzt. Da gibt's dann halt im April den Strichcode der ISBN auf die Stirn ("Durch die Stirn direkt ins Hirn!") und zur Strafe ein Gratisexemplar mit Bitte um Rezension dazu.


    C.


    PS: Bist du der Meinung, dass Schriftsteller zwangsläufig laut und unflätig sein müssen?

    Zitat

    Original von Seestern
    Du wirst mir immer sympathischer....


    Feliz navidad!


    Das freut mich: Wenn du im April ein Exemplar meines ersten Buches kaufst, signiere ich dir aus Dankbarkeit einen Oberschenkel. (Aber täusch dich jetzt nicht: eigentlich bin ich nur ein romantischer Egoist.)


    Buon Natale!
    C.

    Jede Textpassage hat bei mir ihren ganz individuellen Soundtrack von Elektronik bis Klassik, von Rock bis Pop, vom ersten Buchstaben bis zum letzten; mal Nine Inch Nails, mal Sigur Ros, mal ein A, mal ein Ausrufezeichen. (Stringenz herrscht da nur beim Sex, nach dem grundsätzlich Gustav Mahler gehört wird als Pendant zur Zigarette danach, die ich bei meinem Nikotinkonsum als zu banal empfinden würde. Ja, ja, Musik ist wichtig!)


    LG,
    C.

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    Original von Seestern
    Sorry für die vernichtende Kritik: Da kannst Du von mir aus noch soviel gereist sein, in der Cheops- Pyramide wohnen oder Dich von Deinen Fußnägeln ernähren, Deine "Auszüge" gehören zum Schlechtesten, was ich in letzter Zeit gelesen habe....Und ich lese verdammt viel.
    Wir zwei stehen glaube ich am Beginn einer wundervollen Hassliebe!


    Hassliebe finde ich toll, da steckt wenigstens noch Emotion dahinter! Und was deine Kritik angeht: klar bin ich schlecht. Sonst würde ich nicht hier posten, sondern mir beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb eine Rasierklinge über die Stirn oder eine Line in die Nase ziehen. (Aber was nicht ist, kann ja noch werden.)


    Fröhliches Chanukka!
    C.

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    Original von sternenkind
    ei Dir fällt mir aus, dass Du gut im "Austeilen" bist und das dann auch noch mit einem sorry kommentierst. Warum eigentlich? Entweder stehe ich zu einer Kritik oder nicht - und wenn ich dazu stehe, dann brauche ich mich nicht dafür zu entschuldigen...


    Ich freue mich schon darauf, mal einen Beitrag von Dir zu lesen :write


    Das Sorry ist doch nur rhetorische Höflichkeitsfloskel, um hier nicht gleich mit einem "Ich find's scheiße" reinzuplatzen (was es im Vergleich zu den zum Beispiel weitaus kristallineren Protokollsplittern einer Birgitt Brenner auch ist).


    Zu zweitens: Kannst du doch hier. Und da.


    LG,
    C.

    III.


    «In der schwarzen Nacht der Seele ist
    es immer drei Uhr morgens.»
    - Francis Scott Fitzgerald, Briefwechsel



    Zuviele Zigaretten. Deutlich. Und ehrlich gesagt mache ich mir auch ein wenig Sorgen. Bei dem Rückruf aus den Staaten habe ich mir dann eine Flasche Wein aus der Küche geholt. Zwar nicht das Ende der Sorgen, aber ein nettes Blur das sich darüber legt. Dass meine Großmutter am 26. beigesetzt wird, hat man mir mitgeteilt, und ich habe einen Schokoriegel gegessen. Die Kokossplitter füllten meinen Mund aus wie Holzsplitter und klebten sich an Zunge und Gaumen. Ich öffnete ein Fenster und atmete den unreinen Winter der Großstadt, der immer auch ein wenig nach nassem Grab riecht. Der Assoziationen weckt mit spärlich verteilten Grashalmen, die in der Kälte unter den Schuhen brechen. Mit dem unangenehmen Gefühl der eigenen Haut in überheizten Warteräumen, in denen Menschen trocken transpirieren. Ich habe aus dem Fenster geschaut, mir eine Zigarette angezündet und mich nach vorn geneigt. Das Köpfchen gereckt, den Blick die tote Straße hinauf, die tote Straße hinab. Ab und zu: ein Auto, dessen Scheinwerfer stur mit den Laternen konkurrieren. Ich musste unweigerlich an einen Song von Trent Reznor denken.


    Staring at the sea
    Will she come?
    Is there hope for me
    After all is said and done
    Anything at any price
    All of this for you
    All the spoils of a wasted life
    All of this for you
    All the world has closed her eyes
    Tried faith all worn and thin
    For all we could have done
    And all that could have been


    Zu Beginn des Sommers habe ich eines Tages bis zum Morgengrauen aus diesem Fenster geschaut und auf Fräulein C. gewartet. Gegen ein Uhr hatte ich mich zum ersten Mal auf das Fensterbrett gesetzt und eine halbe Schachtel Zigaretten später war es dann um zwei und ich begann mein Bild in der Scheibe des aufgeklappten linken Flügels zu betrachten. Wo blieb sie? Ich empfand tiefes Mitleid mit dem, was ich sah, und es fühlte sich wie ein Eineswerden mit dem Universum an. Ich inhalierte Teer, Nikotin und Benzaldehyd; ich atmete Feinstaub und Kohlenmonoxyd. Gegen drei verlor ich fast die Hoffnung, dass sie noch Nachhause kommen würde, und als sie um vier kam, ließ ich alle Hoffnung fahren. Sie hatte wirklich mit dem Wichser gefickt! Zum neunzehnten Mal in unserer Beziehung hatte sie mich betrogen. Sie ging ohne ein Wort zu sagen unter die Dusche; ich ging ins Bett. Als sie zu mir kam und ich mich wie ein beleidigtes Kind zur Seite drehte, nahm sie mich von hinten in den Arm. Ich sagte immer noch nichts, versuchte aber zu lächeln, weil ich wußte, dass sie es nicht sehen konnte. Es gelang mir nicht. Einen Monat später hat sie mich dann verlassen, sechs Jahre zuspät.


    Sie hatte mir immer vorgeworfen, dass ich nicht wüßte, was ich will, dabei hatte sie es nur nicht begriffen: Ich will alles! Ihr Vorstellungsvermögen über den Begriff «alles» war recht begrenzt. Mit der Zeit unserer Beziehung hatte sich zwar ihr Horizont erweitert, ihre Sehstärke jedoch abgenommen. Von der gesellschaftlichen Sicht her war sie zu einer besseren Version meinerselbst geworden. Wir verbrachten schlechte Nächte miteinander. Irgendwann begannen wir nicht mehr mit «Ich liebe dich» zu antworten, wenn der Andere «Ich liebe dich» sagte; wir sagten «Ich auch». Ich hatte sie die ganze Zeit über nur zwei Mal betrogen und das auch nur, weil sie in der Zwischenzeit schon sooft fremdgegangen war, dass ich darauf scheißen wollte. Ich hatte mich damit beide Male selbst angekackt. Sie war gut im Bett. Sie wollte stets alle möglichen Dinge in allen möglichen Öffnungen ihres Körpers spüren, nur keine Blicke in ihren schönen Augen. Trotzdem werde ich nie ihr Lächeln vergessen in den seltenen Momenten, in denen sie ihre Scham vergaß. Seien wir doch ehrlich: Wir alle entlieben uns, aber das Echo eines Menschen lieben wir immer weiter.


    Ich werfe die Zigarette aus dem Fenster. Es ist kalt; ich habe bereits zu oft geschrieben, dass ich friere. Ich denke an all die Menschen, deren Nähe ich viel intesiver spüren kann seit ich nicht mehr der Anziehung einer versteinerten Liebe erliege. Das letzte halbe Jahr war ein aufregendes halbes Jahr! Ich denke an Carlotta, C2, die C4 ist. Ich denke an ihre Brüste, die Metapher sind. Der egoistische Romantiker, der Wärme braucht, weil er sich sonst allein fühlt, gebraucht sie mit einem verschmitzten Lächeln, wenn er eigentlich von ihrer Lebensfreude sprechen will, die funkensprühend ihrem Lachen entweicht, während sie hüpft wie die Anzeige einer Hifi-Anlage. Oder wenn er sich nach ihren blauen Augen sehnt, nach deren Tränen. Carlotta, allegro, Muse nahe einem luziden Traum. Ich könnte nie eine Beziehung mit ihr führen; nicht nach der kurzen Zeit, nicht in der kurzen Zeit. Ich möchte mit ihr Tanzen, gemeinsam Case de regrets mixen und über Abende verteilt trinken. Manchmal möchte ich sie einfach nur stundenlang anschauen und manchmal rollt sie sich zusammen, schläft einfach nur ein, und ich schaue ihr stundenlang zu. Es gelingt mir zu lächeln - das ist dann keine große Anstrenung - und ab und zu rauche ich eine Zigarette und atme tief durch. Ab und zu schließe ich die Augen für einen Moment, öffne sie für den Bruchteil einer Sekunde, um sie wieder für einen Moment zu schließen: umgekehrtes Blinzeln, wie es Maler und Bildhauer verwenden, um sich ein Bild besser einprägen zu können. Die Netzhaut wird belichtet wie ein Film, die Bilder gelangen in das Gehirn, ohne vorher von ihm kaputtanalysiert zu werden. Dort docken sie an den Synapsen an, vernetzen sich neu. Ab und zu streiche ich ihr vorsichtig die Haarsträhne aus dem Gesicht, bedacht die Muse nicht aufzuwecken; diese eine Haarsträhne, die immer wieder zurückfällt, ab und zu, während sich Stunden durch sechzig teilen. Ich bin glücklich. Ich fühle mich großartig, während ich so klein bin. Ich spüre meine Größe.


    Ocean pulls me close
    And whispers in my ear
    The destiny I’ve chose
    All becoming clear
    The currents have their say
    The time is drawing near
    Washes me away
    Makes me disappear


    I descend from grace
    In arms of undertow
    I will take my place
    In the great below


    I can still feel you
    Even so far away


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    aus Christoph Baumer, "Ode an die Brüste der Muse"
    Der Beitrag unterliegt einer Creative Commons-Lizenz.

    Zitat

    Original von andermann
    Was mir fehlt, ist der Bezug zum Titel


    Eros und Tanathos


    Überflüssige pseudointellektuelle Spielerei. "Liebe und Tod" waren da wohl jemanden zu banal.


    LG,
    C.

    Sorry für die vernichtende Kritik: Dein Text liest sich wie Fahrstuhlmusik gehört wird. Und die Reanimationversuche: Nicht nachgedacht. Wenn Josy ihre Tochter erstickt und dann verblutet, wenn sie es irgendwie mit viel Glück schafft, überhaupt auf diese Art und Weise zu sterben, dann ist die Kleine schon viel zu lange tot, als dass da noch reanimiert werden würde.


    LG,
    C.