Beiträge von Christoph

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    Original von Oryx
    Ich werde oder fühle mich nicht diskriminiert, auch wenn ich nicht in meinem Land lebe. Die Leute merken zwar sofort, da ist jemand aus einem anderen Land, aber der spricht auch die Sprache und passt sich an und hält sich an die Gepflogenheiten. Ich werde respektiert, aber auch weil ich eine gewisse Qualifikation mitbringe und den Leuten etwas zeigen kann - wäre ich ein Küchenjunge mit mangelnden Sprachkenntnissen und wohlmöglich noch illegal im Land, dann würde ich bestimmt nicht beachtet und auch nicht höflich behandelt werden.


    Damit belegst du diese These. Auf Grund deiner Bildung wirst du nicht ignoriert und man beneidet dich nicht um deine Fähigkeiten und versucht dich daher zu diskriminieren, sondern verspricht sich aus ihnen einen Vorteil zu ziehen. Anstatt dich als Feindkörper anzusehen, den es aus ihrer Kultur auszuscheiden gilt, wird eine Symbiose angestrebt.


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    Original von Oryx
    Gerade in der Arbeit merke ich, wie sehr die Leute in Schubladen gesteckt werden und wie wenige Möglichkeiten zum sozialen und ökonomischen Aufstieg bestehen, wenn man nicht aus dem "richtigen" Umfeld kommt.
    Süd- und vor allen Dingen Zentralamerikaner werden als faul und unqualifiziert und als Schmarotzer angesehen, gerade weil das Gros arm ist und sie hier auf ein besseres Leben hoffen.
    Auch bei den Arbeitsvisa müssen sie viel mehr Unterlagen beibringen als ich.


    Hier wiederum handelt es sich bei den Süd- und Zentralamerikanern um eine Gruppe Menschen, mit der eine Symbiose nicht möglich ist, da man aus ihnen keinen Vorteil zu ziehen in der Lage ist. Sie stellen stattdessen eine Bedrohung dar: sie sind arm und ihre Armut motiviert sie zu viel Fleiß innerhalb der fremden Kultur, womit sie in direkten Wettstreit mit den Einheimischen tritt und zu einer Bedrohung für deren Jobs wird. Was man fürchtet (ihren Fleiß und gleichwertige Qualifizierung), kehrt man in für ihre Diskriminierung in das Gegenteil um (sie werden als faul und unqualifiziert deklariert).


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    Original von Oryx
    Hm...nur daraus? Ehrlich und ernstgemeinte Frage.


    Nehmen wir - aus der Pespektive des rassistischen weißen Mannes heraus - den Neger: körperlich meist leistungsfähiger als der Weiße und genetisch weniger degeneriert, hätte er eine ernsthafte Konkurenz für die Bewohner der "alten Welt" dargestellt, weshalb man ihn prompt versuchte in Richtung des Tieres zu rücken. Nicht nur, dass es ihm ein leichtes gewesen wäre, die gleichen Aufgaben innerhalb der Gesellschaft zu übernehmen, strahlte er eine Fremdartigkeit aus, was ihn auch für Frauen anziehend machte (von der Potenz einmal ganz zu schweigen). Man erkannte ihm also im Rahmen der Diskriminierung die nötige Intelligenz und Kultiviertheit ab, um sich über ihn platzieren und ihn aus dem Paarungskarusell heraushalten zu können. Noch zu Beginn des frühen zwanzigsten Jahrhunderts schrieb die Encyclopædia Britannica er verfüge über ein deutlich kleineres Gehirn als andere Rassen. Im Gegensatz dazu der Asiate, der meist als gleichwertig angesehen und nie als Bedrohung eingestuft, daher nicht diskriminiert wurde. Er blieb meist unter sich und war zuvorkommend, nicht bestrebt, Plätze und Funktionen des weißen Mannes einzunehmen. Seine Diskriminierung (wenn man die moderne Zeiten betrachtet, auf die ich mich hier beziehe) trat erst später auf; meines Erachtens, als man in den Kriegen des zwanzigsten Jahrhunderts einige schwere Niederlagen gegen die asiatsichen Länder einstecken musste und, wenig später, der asiatische Kontinent im Rahmen der Globalisierung zu einer ernsthaften Konkurenz heran wuchs. Andere Beispiele sind die Diskriminierung der Frau über Jahrhunderte hinweg (Kontrolle der sexuellen Ressourcen), der Antisemitismus (zeitweise große Kontrolle über das Finanzwesen) etc. Diskriminierung scheint immer aus Angst heraus zu erwachse;, man kann geneigt sein zu behaupten, je feindlicher eine Kultur dir begegnet, um so überlegener bist du ihr.


    C.

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    Original von Oryx
    Ein ungebildeter Mensch aus Schwarzafrika wird in Europa wohl weniger wegen seiner Hautfarbe diskriminiert, sondern weil man nicht auf der selben Stufe kommuniziert.


    Mangelnde Bildung führt nicht zu Diskriminierung, sondern Ignoranz dem Gegenüber gegenüber. Diskriminierung entsteht stets aus Neid und Unterlegenheitsgefühlen.


    C.

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    Original von magali
    Heißt Deine Äußerung nun, daß Du Paranoid Android gut fandest und den Rest schrecklich?


    Der Rest war Durchschnitt, aber Paranoid Android stach positiv hervor aus dem stilistischen Einheitsbrei. (Wie gesagt, Literatur soll ruhig sexy sein und Sex ist immer ein Kompliment wert.)


    LG,
    C.


    Wir sind einer Meinung. :)


    LG,
    C.


    PS: "Meine Meinung"-Meinung sind Pfui! und Wäh! und überhaupt, aber das sollte in diesem Falle einmal protokolliert werden.

    Lieber Luc,


    nicht als Richter, als Beobachter, anteilslos. Die Figuren sind Pappkameraden, die vom Leben vor sich her geschoben werden; sie durchleben keinen Spannungsbogen, in dem es dramatischen Situationen gelingt, tief in das emotionale Sediment einzudringen, sie sind nicht literarisch.


    Du suchst Geschichten, in denen "Figuren aus sich heraus Schicksale erzählen", "plastische Figuren zum Mitleiden", kurzum, du stehst in einer Fleischerei und möchtest Sahnetorte kaufen. Das ist der einzige Grund, weshalb ich mich hier vor deiner "Kritik" verschließe für einen Text, mit dem ich selbst noch nicht so recht zufrieden bin: du versuchst dennoch stoisch Sahnetortenkriterien anzulegen.


    C.

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    Original von Babyjane
    @ Christoph


    Mein erster Gedanke war, was muß das arme Menschlein schlechte Erfahrungen gemacht haben, daß es eine solch verbitterte Meinung vertritt.


    Es muss nicht zwangsläufig eine persönliche Verbitterung bestehen um eine klare Sicht, frei von Verklärung im Wunsch nach Harmonie, auf die bestehende Gesellschaft zu haben. Ich selbst hatte nie ein Problem auf dem Schulhof, ich trug Nikes. Auch heute sieht man mich eher weniger bei H&M oder Zara und im Prinzip könnte ich mich glücklich schätzen, wie ich lebe, wenn es mir gelingen würde, aufzuhören zu beobachten und eine analytische Denkweise darauf anzulegen. Einerseits. Andererseits gäbe es so keine Literatur mehr, nur noch persönliche Befindlichkeitsschilderungen. Der arme Schriftsteller beklagt sich selbst, der reiche Literat lässt sich über das Feiern aus. Die Gestalt des verbitterten Zynikers wurde zu großen Teilen nur erfunden, um sich selbst vor der Wahrheit zu schützen. Ab in die Schublade zur Entkräftung.


    C.

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    Original von Branka
    Christoph
    Ich bin nicht deiner Meinung und empfinde deine "Ausführungen" zu verallgemeinernd. Du tust gerade so, als ob alle Ausländischen Jugendlichen den Deutschen mit Gewalt begegnen, als ob alle Jugendliche Marken- und Konsumorientiert wären. Das ist absoluter Quatsch.


    Wenn ich hier verallgemeinere, dann um den Fokus auf das Problem zu richten, das Thiese und Co. hier zu bekämpfen gedenken und da wird es nun einmal nicht so sein, dass das deutsche Grüppchen zum türkischen Grüppchen läuft, weil das plötzlich deutsch spricht und alle sind gut Freund. Es spielt keine Rolle, ob das "Verpiss dich" nun in Deutsch oder Türkisch kommt. Die nicht konsum- und markenorientieren Jugendlichen spielen in dieser Diskussion keine Rolle, da sie eine eigene Außenseitergruppe bilden (sofern es ihnen überhaupt gelingt, eine Gruppe zu bilden und sie nicht vereinsamt auf dem Schulhof herumstehen). Ebenso schrieb ich "maximal mit Gewalt".


    Bei einem Schulhof handelt es sich wie bei jedem anderen sozialen Zusammenspiel um ein selbstorganisierendes System. Zu glauben, eine erzwungene, vom System selbst nicht gewollte Universalisierung des Kommunikationsmittels (hier die Sprache) bewirkt gleichsam eine grundlegende Änderung seiner Organisation ist mehr als naiv.


    C.

    Der große Schwachsinn, dem die Politik stets dann verfällt, wenn sie in ihrem engen, begrenzten Rahmen wieder einmal nicht weiter kommt. Die Politiker sind halt keine Philosophen, wie Platon es in "Der Staat" einst forderte, sondern liberale, die auf ihre eigene Profilierung fixiert sind.


    Die ausländische Jugend verspürt eine tiefe Zuneigung zur Lebensweise der deutschen Jugend, es besteht ein großes Interesse. Die deutsche Jugend, in ihrer Lebensweise frei von Idealen und rein konsum- und markenorientiert, ist in Besitz eines, wenn auch teilweise stark begrenzten, Zugangs zu den Ressourcen dieser Warenwelt, die der ausländischen Jugend oft auf Grund des finanziellen Status verwehrt bleibt. Der Konsumkult der deutschen Jugend, aus dem heraus sie sich definiert, entspricht auf zweierlei Weise den Begehren der ausländischen Jugend: er reflektiert den Wunsch nach einem „besseren Leben“, der oft der Grund ihrer Eltern für die Ansiedlung in Deutschland ist, und ermöglich zugleich den der Jugend innewohnenden Trieb des Aufbegehrens gegen die Ideal der Eltern (hier die Kultur des Heimatlandes, die auf Grund höherer Armut meist humanistischer orientiert ist). Aus dieser Kluft zwischen theoretischem Wunsch und praktischer Realisierbarkeit entsteht Neid, man spaltet sich ab. Der ausländische Jugendliche klammert sich neid- und hierdurch hasserfüllt an seine Heimatkultur, distanziert sich von dem, was ihm in seiner Unerreichbarkeit Schmerzen bereitet. Er meidet den Deutschen, begegnet ihm maximal mit Gewalt, besinnt sich auf seine eigene Sprache etc. Der Staat versucht dem nun wiederum mit Zwang zu begegnen, in dem er versucht durch Regelungen - hiermit also ebenfalls Gewalt, wenn auch anderer Natur – ein Kommunikationsprotokoll (die Sprache Deutsch) zwischen zwei Gruppen einzuführen, die unwillig sind, miteinander zu kommunizieren, in dem Glauben, dadurch Kommunikation zu erzeugen. An dieser Stelle kann ich meine Ausführungen getrost abbrechen; wer die Idiotie dieses Handelns aus meinem letzten Satz nicht selbst zu extrahieren in der Lage ist, bräuchte sowieso nicht weiterzulesen.


    C.

    "Was wirst du tun?" fragte Peter und Marie schüttelte den Kopf:
    "Ich liebe dich."
    Auf der Leinwand mussten Germany's Next Topmodels die abschließende Aufgabe absolvieren und mit einem unter die Fußballen geklebten Ei den Catwalk entlang stöckeln. Zwei Kilometer entfernt hatte das Rettungsteam die Erstversorgung des Überfallopfers abgeschlossen und begann in Richtung der Klinik abzutransportieren, in der Immanuel kurze, schnell wechselnde Wach- und Schlafphasen durchlebte, in denen sich Traum und Tristesse vermischten. Die vordere, linke Seite des Schädelknochens der Frau mittleren Alters war komplett heraus gebrochen und hatte ein Auge brutal aus der Höhle gedrückt, dass der Arzt sich dazu entschloss, es noch am Unfallort zu entfernen. Oft liegt es im Interesse von Krankenhäusern, Patienten auf der Intensivstation zu belassen, für die eine intensivmedizinische Betreuung nicht weiter erforderlich ist, um so den Eindruck einer Überbelegung der Intensivstation zu erwecken und die Annahme neuer, besonders kritischer Patienten verweigern zu können. Stirbt ein neu eingelieferter Patient innerhalb der Klinik, so bleiben die Kosten an dieser haften; verstirbt er während des Transportes, so fallen sie in den Zuständigkeitsbereich des Unternehmens für den Krankentransport. Die manchmal zu beobachtenden Bewegungen von Krankenwagen, die mit Blaulicht erst eine Straße entlang fahren, um dann urplötzlich zu wenden und die entgegen gesetzte Richtung einzuschlagen, beruhen darauf, dass das angezielte Krankenhaus oft erst während der Fahrt über Funk um die Annahme des Patienten gebeten wird; sollten sie sich jemals in einer derartigen Situation befinden, so können sie sehr wohl davon ausgehen, dass ihr Zustand von Anfang an umso hoffnungsloser war, je länger die Fahrt dauert. Die Frau verstarb zwischen Anfrage zwei und drei, gnädigerweise war sie nicht bei Bewusstsein.
    "Ich liebe dich wirklich", sagte Marie. "Aber ich kann ihn nicht jetzt verlassen, das weißt du."
    Sie wusste sehr wohl, dass sie Immanuel noch vor seiner Entlassung von Peter erzählen würde. Sie würde nicht sagen, dass sie ihn verließ; sie würde sagen, wie sehr sie Peter liebte. Liebte sie Peter? Liebe war ein Ideal und wie jedes Ideal damit außerhalb von Raum und Zeit. Liebe ist und das war's. Selbstverständlich könne Immanuel die gemeinsame Wohnung behalten, aber es empföhle sich natürlich, sich eine andere, seiner Konstitution angemessene Unterkunft zu suchen. Natürlich würde sie für ihn da sein, aber sie hatte sich nun einmal verliebt, das müsse er verstehen. Es ist schon ein paar Wochen vor dem Unfall geschehen.
    "Kann ich heute bei dir schlafen?" fragte sie Peter und erneut sammelten sich Tränen unter ihren Augen. "Ich glaube, ich kann heute nur schwerlich alleine einschlafen. Das hat mich alles sehr, sehr mitgenommen."



    (C) 2006 Christoph Baumer

    III.


    Das Café war nicht sonderlich gut besucht an diesem Mittwochabend. Das Personal hockte dicht beieinander gedrängt hinter dem Tresen und hatte sich gelangweilt in inzestuöse Gespräche vertieft. Es gab nicht viel zu tun für sie. Hauptsächlich Studentinnen, schätzte Marie, vielleicht auch ein oder zwei Studiumsabbrecher. Sie mochten sechs Euro die Stunde verdienen, maximal Sechsfünfzig. Wahrscheinlich lästerten sie gerade über Gäste, die sich besonders grenzdebil verhielten, seltsame Sonderwünsche in ihren Bestellungen äußerten, schüchtern umherdrucksten, als sei es ihnen peinlich, jemanden damit zu belästigen, ihnen etwas zu trinken oder essen zu bringen, oder deren Bekleidung einfach ein einziges fashion mistake war, so etwas halt; da gab es viel zu tun, schließlich findet man an jedem Menschen etwas grenzdebiles, wenn man nur genau genug hinschaut. Vielleicht versuchten sie auch, sich im Smalltalk gegenseitig abzuschätzen, in dem sie oberflächlich Dinge von sich preisgaben, ohne möglichst viel von sich zu erzählen. Das Team jedenfalls wirkte nicht, als sei es durch irgend etwas näher miteinander verbunden als dem Job.
    Marie verlor die Geduld zu warten und gab schroff ein Handzeichen. Geht doch! Einer der lobotomierten Bedienäffchen hatte sie registriert und kam katzbuckelnd angekrochen.
    "Ja, ich habe Titten", dachte Marie. "Ja, ich bin blond."
    Sie war am Ende.
    "Ein Wasser", sagte sie und bewies Geschmack, in dem sie hinzufügte, dass sie auf San Pellegrino bestünde. Im Gegensatz zu anderen Mineralwässern, deren Kohlensäuregehalt meist unausgeglichen ist, die zu weich oder hart schmeckten oder gar einen unangenehmen Eigengeschmack mit sich tragen, was besonders stark bei stillen Wassern, allen voran Evian, das zum Übergeben nach Swimmingpool schmeckt, negativ zu Buche schlägt, im Gegensatz zu anderen Mineralwässern war San Pellegrino jederzeit vorzuziehen.
    "Ja, ich habe Titten", dachte Marie. "Ich bin blond und du darfst mich gern sabbernd anschauen, aber wenn du ernsthaft in Erwägung ziehst, mich in dein Bett befördern zu wollen, solltest du dir erst einmal einen ordentlichen Job suchen." Im Laufe der Jahre hatte sie aufgehört, Männer daran zu definieren, dass sie einen Penis trugen. Sie sah sich unfähig einen Mann zu lieben, der in ihrem Alter war. Was der geläufige (und läufige)Zweiundzwanzigjährige stolz als seinen Machismo ansah, stellte in so gut wie allen Fällen lediglich eine kindliche Unsicherheit heraus. Sie haben Angst. Im Bett kamen sie häufig zu früh und erwarteten auch noch Applaus für ihren Orgasmus. Zwar wollten sie kurz danach im Gegensatz zu älteren Männern häufig gleich noch einmal, aber die weibliche Erregung war zu diesem Zeitpunkt meistens schon wieder abgeflacht und musste sich erst neu aufbauen; mit dem Resultat, dass dann alles schon wieder vorbei war, bevor die Partnerin kam. Sie halten sich dafür für besonders Potent und erwarten erneuten Beifall. Marie gähnte. An Attribute wie Anstand und Benehmen wollte sie gar nicht erst denken. Kinder! Konnten sie sie nicht einmal heute in Ruhe lassen?


    Das Personal ließ auf dem Flachbildschirm an der hinteren Wand des Cafés "Germany's Next Topmodel" laufen, wobei sie der Sendung aber keine nähere Beachtung schenkten.
    Ein recht feminin wirkender Neger gestikulierte wild vor sich hin, während ein minderjähriges Flittchen mehr oder minder erfolgreich versuchte, möglichst aufreizend einen Fuß vor den anderen zu setzen und dabei geil mit dem Hintern wackelte. Auch wenn Marie nicht abstreiten konnte, dass die selbstbewussten, kraftvollen Bewegungen ihres Beckens einen gewissen Sexappeal ausstrahlten, wirkte das Gesamtbild eher lächerlich. Das junge Mädchen, das da mit einer schon leicht bewundernswerten Zielstrebigkeit einem naiven Traum nachjagte, wirkte einfach wie ein junges Mädchen, das mit einer leicht bewundernswerten Zielstrebigkeit einem naiven Traum nachjagt und irgendwann in nicht allzu geraumer Zeit scheitern wird, wie es nun einmal bei der Jagd nach einem naiven Traum im Leben gang und gäbe ist. Die Kamera schwenkte auf Heidi Klum, die ihr ständig wie eine Puffmutter vorkam, deren mütterliche Güte man, die man klischeebehaftet an diese Rolle haftet, durch ein dämliches Grinsen ersetzt hatte. In einem fast schon brutal zu nennenden Close-up auf ihr Gesicht zuckte ihre Zunge gespielt verschlagen durch die leicht geöffneten Lippen wie die eines Reptils.
    Während Marie das Elend auf dem Bildschirm verfolgte, der glücklicherweise stumm geschaltet war, wurde zwei Kilometer weiter gerade einer Frau mittleren Alters der Schädel eingeschlagen. Der Täter erbeutete zwanzig Euro und dem Vorfall sollten zwei Tage später acht Zeilen in der Tageszeitung gewidmet werden.
    "Hi", begrüßte Peter Marie. "Tut mir leid, ich habe mich verspätet."


    "Macht nichts."
    Marie lächelte zum ersten Mal an diesem Tag. Sie hatte den Nachmittag in der Klinik verbracht, nach dem sie den Anruf aus dem Krankenhaus erhielt, dass Immanuel aus dem Koma aufgewacht ist. Die Gänge des Krankenhauses hatten nach Desinfektionsmittel gestunken. Krankenhäuser sind Orte aggressiver Bakterienstämme, die mit den immer gleichen nach Chlor und Alkohol übel riechenden Desinfektionsmitteln bekämpft werden; mit dem Resultat, dass sie in kürzester Zeit zu immer aggressiveren Bakterienstämmen mutieren, denen Desinfektionsmittel so ziemlich am nichtvorhandenen Arsch vorbeigehen. Ein stetiger Kampf Pharmaindustrie gegen Natur, dessen Resultat derzeitig daraus besteht, dass es ein relativ gute Chance besteht ernsthaft krank zu werden, wenn man ein Krankenhaus besuchte.
    Marie war betrübt gewesen und ging extra langsam. Erstens wollte sie den Moment hinauszögern, andererseits fiel ihr das Gehen auf dem glatten Boden mit den Folienüberzügen über den Schuhen, die für Besucher der Intensivstation vorgeschrieben waren, schwer. Mit dem Infusionsschlauch im Arm und den unzähligen Messsensoren am Körper, die seine Vitalfunktionen überwachten, sah Immanuel aus wie der fleischgewordene Traum Andy Warhols eine Maschine zu sein.


    "Hi", flüsterte Marie. Sie setzte sich vorsichtig auf den äußersten Rand des Bettes und spürte etwas raues, warmes an ihrem linken Unterschenkel. In dem Auffangbehälter des Katheders befand sich wenig, ungewohnt dunkelfarbiges Urin. Immanuel roch nach den Desinfektionsmitteln, wie Kleidungsstücke nach Mottenkugeln riechen, wenn sie eine gewisse Zeit in einem Schrank neben ihnen lagen. Gleichsam war da noch ein leichter, merkwürdiger Eigengeruch. Es war nicht der beißende Gestank von Buttersäure, wie Menschen ihn aussondern wenn sie stark schwitzen (einige auf dem Körper von Säugetieren lebenden Bakterienarten beginnen prompt den abgesonderten Schweiß in Buttersäure und andere Substanzen zu zerlegen); es war eher der Geruch, der einen Menschen mit sehr trockener Haut umgibt, wenn er mehr als drei Tage nicht mehr geduscht hat, der Eigengeruch von Menschen. Der Geruch von Tod.
    Marie griff nach Immanuels Hand. Eine pathetische Geste, aber ihr war danach. Sie verspürte etwas, das dem Gefühl von Liebe recht nahe kam und das sie mit Geborgenheit und der Sehnsucht danach assoziierte, vielleicht aber auch nur Mitleid war. Die Hand fühlte sich wider Erwartens gar nicht einmal so kalt an. Sie konnte spüren, wie er sie leicht drückte. Seine Lippen zogen sich leicht nach oben und Marie spürte, wie sich Tränenflüssigkeit unter ihren Augen zu sammeln begann, deren Masse glücklicherweise noch zu gering war, die Kohäsionskraft zu überwinden. Marie wollte nicht weinen. Stark sein, was immer das auch bedeuten mag.
    Marie sah, wie Immanuel anhob, etwas zu sagen. Sein Mund zuckte unkoordiniert, als koste es ungeheuere Anstrengung ihn zu öffnen, als hätte sein Gehirn vergessen, wie man spricht und müsse sich erst dazu durchringen, die Informationen darüber abzurufen.
    "Psst", flüsterte Marie. Sie legte ihre Lippen auf die seinigen, sie fühlten sich noch trockener an als ihre und beide hielten sie sie geschlossen. Der Kuss war als geschwisterlich zu umschreiben.


    Die Verletzungen seien schwerwiegend, hatte der Arzt Marie erklärt, aber nichts, womit man nicht tagtäglich im Krankenhausalltag konfrontiert wäre. Es hätte ernst um Immanuel gestanden, aber er sei über den Berg. Was Sorgen machte, war die Verletzung der Wirbelsäule. Es bestand die Wahrscheinlichkeit, das Immanuel von der Hüfte abwärts gelähmt bliebe; sie sei sogar eine relativ hohe Wahrscheinlichkeit, aber schließen geschehen immer wieder Wunder, nicht?
    Er sprach diese letzten Worte in einer Art und Weise aus, die keinen Zweifel daran ließ, dass er Atheist war. Ein guter Wissenschaftler, dessen Rationalität es ihm versagte, Hoffnung der Verleugnung wegen zu empfinden, der aber die Wissenschaft der Psychologie genügend schätzte, die Bedeutung dieser Hoffnung für den einfachen Menschen zu akzeptieren. Ärzte sehen sich oft als eine andere Spezies als ihre Patienten, um sich so vor deren Leid zu verschließen und es nach Feierabend ablegen zu können. Selbst viele Krankenpfleger begannen inzwischen diese Taktik der Verklärung zu übernehmen, was sich unter anderem auch darin äußert, dass sie die zu betreuenden Personen immer häufiger in der dritten Person ansprechen. ("Geht es ihm heute gut?", "Wünscht er noch etwas?" etc.)
    Immanuel hatte Angst. In Augenblicken überdimensionalen körperlichen Schmerzes neigt der menschliche Körper dazu, diese Momente später einfach nicht in das Langzeitgedächtnis zu übernehmen. Traumabewältigung. Immanuel konnte sich zwar nicht an den Unfallhergang erinnern, er wusste aber sehr genau, was geschehen war.
    Und er spürte seine Beine nicht mehr.
    Immanuel wusste, was dies bedeute und ahnte, dass sich dieser Zustand nicht ändern würde. Er wusste von dem tiefen Mitleid, das Marie für ihn empfand und dass sie ihn nicht an Ort und Stelle verlassen würde, aber er ahnte ebenfalls, dass er noch Wochen in dieser Klinik verbringen und nach seiner Entlassung nie wieder mit Marie in einem Bett schlafen würde. Wie er in ihrer Situation würde sie sich nicht eingestehen, ihn in einer derartig schweren Phase der Umwandlung zu verlassen; im Gegenteil, die Liebe erwacht zu neuer Intensität. Man versucht sich Hoffnung zu machen, die Liebe schweißt zusammen und erkennt die Welt, das Leben, das Schicksal als ihren Feind. Diese Waffenbrüderschaft schweißt zusammen, aber am Ende siegt die Klarheit und diese sogar von der Gesellschaft, vom Leben erwarteten Verhaltensmuster lüften sich langsam, unmerklich wie Nebel und zurück bleibt die Wahrheit. Es ist nur in den seltensten Fällen möglich, dass eine Partnerschaft die plötzliche Behinderung eines Partners übersteht, die körperliche Entstellung, den Verlust der Sexualität. Der gesund gebliebene Partner wird mit einer Unmenge an neuen Pflichten überhäuft, während der Gegenpart sich abrupt in ein seiner Schönheit und Jugend beraubtes, bettlägeriges Wesen verwandelt hat, dem damit alles abhanden gekommen ist, woran die liberale Gesellschaft Funktionalität und damit Würde knüpft. Das Paarungskarusell sollte Immanuel ein für allemal abgeworfen haben und anstatt zu sagen, was er zu sagen vorgehabt und man von ihm im Rahmen des Pathos erwartet hat, versuchte er leicht seinen Arm zu bewegen, dessen Hand Maries Hand traurig drückte.
    Ein letztes Experiment.


    Marie spürte, wie Immanuels Hand sich erst fast unmerklich zu bewegen versuchte und sie dann kraftlos führte. Sie folgte ihrer Bewegung und spürte die Baumwolle der Decke auf ihrem Handrücken; sie war von mittelgrober Struktur, temperaturlos, weder warm, noch kalt - lau. Sie vermied seinen Blick. Sie spürte die Haut von Immanuels Oberschenkel, er fühlte sich tot an. Die Intensität seines Körpergeruches rückte in den Fokus ihrer Nase: Tod.
    Immanuel wusste, dass er keine Erektion bekommen, noch nicht einmal ihre Hand wahrnehmen würde. Gleichzeitig verspürte Marie tiefen Ekel und bereits fast als körperlichen Schmerz wahrnehmbares Mitleid. Die Tränen lösten sich und rannen ihre Wangen hinunter, sammelten sich in Höhe des Kinnes, fielen zu Boden, ohne dass sich ihr Gesicht verzog. Sie biss heimlich die Zähne zusammen, ihr Kiefer knirschte. Das tote Schamhaar, wie Rosshaar; Immanuels Penis, der sich anfühlte wie ein verendetes Tier.
    Marie riss sich los und zog ihre Hand zurück, stand auf und drückte ihm einen flüchtigen Kuss auf die Stirn, bevor sie das Zimmer verließ:
    "Ich liebe dich."
    Sie sah keine Tränen in seinem Gesicht, aber sie wußte, dass er ebenfalls weinte. Man sah nie Tränen in seinem Gesicht, wenn er dies tat.
    Marie wäre fast ausgerutscht.


    [-->]

    II.


    Immanuel bestellte sich ein Taxi und tat zwei Dinge, die so gar nicht typisch für ihn waren: er gab ihr seine Handynummer, als sie danach fragte, und zum Abschied küsste er sie auf die Stirn.
    "Danke", sagte er, obwohl er wusste, sie würde es nicht verstehen und es würde kindlich wirken. "Danke für den Abend."
    Sie lächelte; er würde sie anrufen. Nur für einen gemeinsamen Kaffee und ein Lächeln, das ihn wieder an seine Liebe zu Marie erinnern würde.
    Die Lichter des Taxis fraßen sich durch die Nacht und fast hätte er sich noch einmal nach ihr umgedreht. Er war nicht glücklich, aber er war zufrieden und er wusste nicht, ob es an dem MDMA oder dem Sex oder etwas völlig anderem lag. Marie würde schlafen, wenn er nach Hause kam und er würde lächeln, wie jedes Mal wenn er nach Hause kam und sie schlafend vorfand. Diesmal jedoch… Sein Lächeln würde tiefer sein. Sie würde etwas zu seiner Begrüßung murmeln ohne dabei aufzuwachen und er würde sie küssen, ohne dass sie dabei aufwachen würde. Aber sie würde es in ihren Traum integrieren. Immanuel stand es nach einer Zigarette, ihm stand es danach, sich noch einen kurzen Augenblick niederzulassen in diesem warmen Platz, der gerade in seinem Bauch ruhte. Er durchschlug die Frontscheibe. Das Taxi fuhr fast frontal in den kleinen Corsa, dessen Fahrer unerklärlicherweise von der Gegenspur rüberzog. Sein linker Arm brach an zwei Stellen, der Knochen durchschnitt Fleisch und Haut; beim Aufprall brachen sechs Zähne heraus und mit den verbliebenen biss er sich dabei einen kleinen Teil seiner Zungenspitze ab. Blut flutete seinen Mund und begann auf Grund einer Schädelfraktur aus seinen Ohren zu rinnen. Irgend etwas brach auch im unteren Bereich seiner Wirbelsäule. Er hätte tot sein müssen, aber das Leben zeigte kein Mitleid mit ihm. Das Leben zeigt nie Mitleid.

    Die ersten beiden Akte hätten wohlmöglich zu Affären gepasst, wären sie nicht zu lang und ginge es, alle drei Akte betrachtet wird das klar, nicht um etwas anderes: das Leben selbst.



    I.


    Immanuel ging häufig allein aus. Er lebte seit acht Jahren mit einer Frau zusammen, flirtete aber dennoch gern. Im Herzen ist Immanuel unsicher, die Bestätigung seiner sexuellen Attraktivität ist ihm wichtig, das Feedback von außen. Noch wissen, dass man's kann. Immanuel hätte auch mit mehr Frauen geschlafen, hatte aber ein Problem: er fand keine, die ihn an Marie erinnern.


    Singles dieser Stadt, ein erfolgreicher Flirt kostet 24,90 (19,95 für ein Notizbuch, 4,95 für einen Druckbleistift). Immanuel machte sich ständig Notizen. Ein chronologisches Protokoll seines Lebens, eine schier endlose Serie von Gedanken und Sätzen, so versuchte er seinem Leben Struktur zu verleihen, zu retten, was noch zu retten war, zwanghaft auf der Suche nach Kohärenz hinter der menschlichen Existenz. Seine Worte zeichneten kurzweiliges Glück und langwierige Nichtigkeit, beteten, hofften, verzweifelten und, als Urform des Wortes, schrieen. Zwischen all den Zeilen, über ihnen und darunter: Melancholie.
    Singles dieser Stadt, vergesst die Plage des Anlächelns von Menschen, die nichts zu lachen haben, die Anstrengung sich über unzählige Verrenkungen mühselig auf einem Dancefloor zu profilieren! Setzt euch in einem Club einfach in eine Ecke, wo der Bass angenehm euer Hirn fickt, wo ihr gesehen werdet, ohne unnötig gestört zu werden und nehmt euer tolles Notizbuch.
    "Singles dieser Stadt, ein erfolgreicher Flirt kostet 24,90…", schrieb Immanuel und ein Mädchen näherte sich ihm. Sie schlich sich an seine Seite, um neugierig einen Blick über seine Schulter zu werfen. Er drehte charmant sein Notizbuch ein wenig von ihr weg und ihr Haar berührte flüchtig sein Ohr, als sie ihrem Blick hinterher rückte. So konnte er flüchtig ihren Duft wahrnehmen und verhinderte gleichzeitig, dass sie las, dass da nur "Singles dieser Stadt, ein erfolgreicher Flirt kostet 24,90…" stand. Er legte das Notizbuch beiseite und zündete sich eine Zigarette an.
    "Hi", flüsterte er.


    Immanuel war spät losgegangen. Hochpunkt der Stimmung! Die Zeit hatte das Ihrige getan und auf dem Dancefloor sorgfältig diejenigen, die die Musik lieben, von denjenigen, die die Körper lieben, getrennt. Wer auf einen schnellen ONS oder die Liebe seines Lebens aus war, liegt inzwischen mit ihr oder ihm in einem Bett und harrte der Enttäuschung des Morgens (oder hatte sich umgebracht); die Nacht gehörte den wahren Nachtschwärmen, den burlesken Burratinos des Beats, den saturierten Satyrn der Strobos, den parakleten Putten des pumpenden Bass. Reclaim the floor! Revolution, Renaissance, ein goldener Zeitmoment inmitten explodierender Nebelmaschinen. Fun ist ein Stahlbad! Ein tonnenschweres Blitzlichtgewitter zu dem tausende Watt wiegenden Wort Gottes. Die Musik - frei nach Mark Twain - wo immer sie war, da war Eden. Immanuel fürchtete das Glück nicht; es existiert nicht.
    "Wie heißt du?" fragte er und bot ihr auch eine Zigarette an.
    "Wie immer ich heißen soll", lächelte sie.
    "Du siehst porno aus, wenn du lächelst."
    "Ich weiß", nickte sie.
    "Geht's dir gut?"
    "Ich weiß nicht", schüttelte sie den Kopf. Sie war wirklich reizend.


    Er zeigte auf ihren Drink. "Kann ich einen Schluck haben, um das hier runterzuspülen?" fragte er und zeigte auf das Papierkügelchen, dass er vom Boden seiner Zigarettenschachtel hervorgeschüttelt hatte. Ecstasy besteht ursprünglich aus ca. 5 mg Amphetamin und 45 mg MDMA, aber in Umlauf weiß meist noch nicht einmal der Dealer, was genau in den Pillen ist. Immanuel bevorzugte reines MDMA in Pulverform.
    "Wenn du auch eine Bombe für mich hast."
    "Möchtest du tanzen?" mochte Immanuel wissen.


    Technoclubs sind die besseren Swingerclubs, nur hier hast du die Möglichkeit für eine Nacht und einen Morgen wirklich eins zu sein in Liebe. Im gleichförmigen Wummern der Boxen verschmelzen: Beginn der Apotheose, von Beat, Bass und Melodie. Die Hälse recken sich und haben nur noch einen Körper, den Mündern entfährt ein einziger, synchroner Schrei. Arme schießen nach oben, Hintern zur Seite, Sneakers verlieren die Bodenhaftung. Im Protoplasma der Menge ist jeder für sich und alle in einem. Das warme Gefühl von der Musik gehalten zu werden, das warme Gefühl von der Musik getragen zu werden. Die Körper duften nach Milch und Schweiß und lösen sich auf in Rausch. Phoenix aus der Asche, aus dem Staub des Dancefloors. "Never stop!" dachte Immanuel. Never stop! und nach vierzig Minuten verließen sie die Tanzfläche wieder, wo sie ihn in eine Ecke drückte und zu küssen versuchte.
    Sie schmeckte nach Wodka, genau wie Marie bei ihren erstem Kuss, genau, wie er es liebt. Der nächste Kuss diente der Erforschung ihres Mundinnenraumes. Die biologische Funktion des Kusses ist tief in unseren Genen veranlagt und dient eine Überprüfung der Kompatibilität des potentiellen Sexualpartners; ein Test nach möglichen Krankheiten und komplexer Abgleich der Erbstruktur, wie gut sie sich mit der eigenen zu ergänzen in der Lage ist.
    Eine Hand legte sich auf ihren Oberschenkel, wanderte die wenigen Zentimeter des Minirocks hinauf und lag auf ihrem nackten Hintern. Die kleine Schlampe trug keinen Slip und ihm war es egal, das jeder, der sie sah, Teiles ihres blanken Arsches sehen konnte.


    Marie hatte ihn im Laufe der acht Jahre ihrer Beziehung weitaus häufiger betrogen als er; Immanuel konnte bisher vier Onenightstands verzeichnen, wo sie es auf über zwanzig brachte, einen Großteil über Wochen und Monate hinweg. Anfangs hatte es ihn angetörnt. Sie war gerade einmal Sechzehn gewesen, als sie sich kennen gelernt hatten, er Zwanzig. Als er noch in sie verliebt war, als er sie noch nicht ernsthaft liebte, versuchte er ihre Eskapaden mit anderen Männern, meist Jungs aus ihrer Schulklasse, als Kompliment zu verklären, als Ehrung, mit einer Frau fest zusammen zu sein, die so begehrt war. Mit der Zeit wurde es Marie leid, ihre Attraktivität derart zu verschwenden und sie begann mit älteren zu schlafen, was Immanuel schon eher als Bedrohung empfand. Dennoch versuchte er weiterhin diesen schmerzhaften Aspekt der Sexualität zu verdrängen. Er war sogar mehrmals anwesend gewesen. Als er zum ersten Mal sah, wie ein fremder Schwanz in Marie eindrang, fand er das derart erregend, dass die Reibung der Hose an seinem eigenen erigierten Glied ausreichte, ihn kommen zu lassen. Sie winkte ihn mitten im Akt zu sich in der Absicht, ihn zu blasen, aber nach seinem Orgasmus fühlte er sich nur noch deplatziert, der momentane Akt hatte jeglichen Reiz für ihn verloren und er konnte nur noch verwundert feststellen, wie viel Haare sein bester Freund auf dem Hintern trug, während Marie unter ihm die Beine spreizte. Er ging in den Nachbarraum, schenkte sich ein Glas Wein ein und verspürte zum ersten Mal einen Stich von Eifersucht, den er damals noch nicht einzuordnen in der Lage war. Er sollte seine Gefühle zu ihr und sein Verlangen nach einem alleinigen Vorrecht auf ihren Körper erst überdenken, als sie achtzehn wurde.
    Es war, als hätte sich der Geruch ihres Körpers fast schlagartig mit ihrem achtzehnten Geburtstag verändert; aus dem Mädchen war eine Frau geworden und obwohl er den Geruch des Mädchen unheimlich reizvoll gefunden hatte, reizte ihn die junge Frau umso mehr. Er begehrte sie, gleichzeitig musste er sich eingestehen, sich nach den vergangenen gemeinsamen zwei Jahren nicht mehr vorstellen zu können, ohne sie zu leben.
    Sie besuchten danach noch mehrmals gemeinsam einen Swingerclub. Es war jedes Mal erregend gewesen, auch für Immanuel, der dabei stets nur mit Marie schlief, fand jedoch sein Ende, als eines Tages sich ein anderer Besucher unbemerkt seines Kondoms entledigte, bevor er es wieder mit Marie trieb. Immanuel hatte kurz davor gestanden, den Mann zu schlagen, aber er war zu feige. Sie verließen überhastet den Club.
    Daheim bestand Immanuel darauf, mit ihr zu schlafen, um sich gegebenenfalls ebenfalls anzustecken, was er Marie nie erzählen sollte. Es war der beste Sex, den er je mit ihr gehabt hatte und vierzehn Tagen später machten sie beide einen HIV-Test, auf dessen Resultat sie eine weitere bange Woche warten mussten. Es kam dann schnell der Punkt, in dem aus dem Verlangen nach Liebe Verlangen nach Wärme und Zuneigung wurde. Die Nächte, die Marie bei anderen Männern verbrachte, waren schmerzhaft und endlos. Immanuel beschimpfte sie, verfluchte sie, versuchte sie zu verstehen, kurzum, er versuchte seine Gefühle und sie nicht zu verlieren. Er begann dafür zu sorgen, immer eine Packung Stilnox für diese Nächte bereit zu haben, von der es meist zwei Tabletten gelang, ihn in einen traumlosen Schlaf zu versetzen.


    Ein erneuter Wodkakuss. Ein Finger legte sich auf ihre Scheide, sie war bereits feucht. Er küsste sie heftiger, fast schon brutal, sein Zeigefinger legte sich auf ihren Anus. Am Ende zog sie sich gegenseitig in Richtung Toilette. Entgegen dem, was man als Mann gemeinläufig glauben könnte, nämlich, dass Damentoiletten sauberer sind als Herrentoiletten, befinden sich Herrenklos meist noch in einem hygienischeren Zustand als ein Damenklo und so trieben sie es schlussendlich auf der Herrentoilette.
    Er wäre fast gekommen, als sie ihm das Kondom, das sie aus ihrer Handtasche zog, überstreifte. Er schloss die Augen und nahm sie mit hektischen Stößen, während er an ihrem Hals roch. Er leckte den Schweiß von ihrer Haut und der Sex war gut, aber er hätte besser sein können, wenn Immanuel dabei mehr an sich gedacht hätte. Ging aber nicht: er musste ständig an Marie denken. Ihm wurde schlagartig bewusst, wie sehr er Marie liebte, wie glücklich er sich eigentlich schätzen sollte. Er wünschte sich nichts sehnlicher, als nach Hause zu ihr zurückzukehren und er wünschte sie nichts sehnlicher, als diesen Fick hier zu Ende bringen und das er nie enden würde. Selten fühlte er sich Marie so nah wie in diesem Augenblick. Wie ein Sonnenstrahl durch eine graue Wolkendecke brach seine Liebe durch die Decke der Gewohnheit, die sich wie Staub über ihr Zusammenleben gelegt hatte. Ein Sonnenstrahl, eiskalt, kristallin und erbarmungslos.

    Zitat

    Original von Wolke
    Mit deinem Vorstellungsthread hast du bewiesen, dass du hier richtig aufgehoben bist, da du dich ja anscheinend richtig auskennst, klick :grin


    Danke und nein, danke. Ich habe für mein Personenprofil lediglich meinen Arzt als Ghostwriter engagiert, da ich einer Welt der Äußerlichkeiten innere Werte entgegensetzen wollte. Einerseits. Andererseits musste ich dann doch der Öffentlichkeit mein Funktionieren unter die Nase reiben.


    C.

    "If you love her you'll let her go so she can be happy."
    "She doesn't want to be happy."
    "Everybody wants to be happy."
    "Depressives don't. They want to be unhappy to confirm they're depressed. If they were happy they couldn't be depressed anymore. They'd have to go out into the world and live. Which can be depressing."


    - Closer


    Wir sehen einen 27 Jahre alten Mann mit einer Körpergröße von 182 Zentimetern und einem Körpergewicht von 63 Kilogramm in gutem Allgemeinzustand, leicht untergewichtig. C. ist uneingeschränkt zu Ort, Zeit und Person voll orientiert. Es bestehen keine Hinweise auf zentrale und periphere Zyanose, keine Anämie, kein Ikterus und keine Ödeme. Lymphknoten nicht vergrößert. Motilität der Augen in allen Ebenen frei, Pupillen isokor, Lichtreaktion beidseits direkt und konsensuell prompt, unauffällige Konvergenzreaktion. Enoral reizlos. Schilddrüse nicht vergrößert, palpabel. Peripherer Pulsstatus regelrecht und ohne pathologische Strömungsgeräusche, Puls 63/Min., rhythmisch, Blutdruck 128/80 mm Hg bds. Keine Jugularvenenstauung. Unauffällige Untersuchung des Thorax. Herzspitzenstoß orthop. cor: Herzfrequenz rhythmisch, rein, kein Perikardreiben. Pulmo: sonorer Klopfschall, gute Atemverschieblichkeit, vesiculäres Atemgeräusch, kein Pleurareiben, Gallenblasenlager und Nierenlager frei. Unauffälliger Untersuchungsbefund der Wirbelsäule und der Extremitäten. Die grob orientierende neurologische Untersuchung zeigte einen unauffälligen Befund. Sinusrhythmus, HF 63/Min., Normallagetyp. PQ 166 ms, QT 374 ms, QTC 379 ms, QRS 78 ms. Keine Erregungsrückbildungsstörungen, keine Q-Zacken. Normalbefund. Wanddicken: IV-Septum: 9 mm (6-11 mm), LV-Hinterwand: 8 mm (6-11 mm), Dimensionen: LV-EDD 49 mm (35-55 mm), LV-ESD 30 mm (25-40 mm), RV normal groß (bis 30 mm), LA max. D 33 mm (19-40 mm), Aortenwurzel 28 mm (20-37 mm), fraktionelle Verkürzungen (FS) 0,39 (0,25 und mehr...), Beurteilung: echokardiographischer Normalbefund, kein Perikarderguss. R.- Thorax: normal großes Herz, keine Zeichen von pulmonalvenöser Stauung, keine Hinweise für konflurierende Infiltrate, kein Erguss. Altersentsprechender Normalbefund.