Beiträge von Christoph

    Zitat

    Original von magali


    Iris, es ist keine akademische Sprache. Es ist eine ans Akademische angelehnte und bewußt verklausulierte Sprache, ein ausgefallener Duktus, der die Lesenden zwingen soll, aufmerksam zu lesen. Provokation natürlich inklusive.
    Jede/r hilft sich, wie sie/er kann, wenn eine/r verstanden werden will.


    Bingo! ;-)


    LG,
    C.

    Magali.


    Immanuel ist acht Jahre alt. Sein Vater ist zu Besuch. Immanuel lebt nicht nur in einem Land, er lebt in einem Staatssystem, das es seiner Mutter und ihm aus einer diktatorischen Perspektive heraus verbietet, ihn zu besuchen. Immanuels Vater kommt ungefähr aller zwei Monate für ein paar Tage, um seine kleine Familie zu sehen, Immanuel freut sich jedes Mal. Er lieb seinen Vater.


    Immanuel wacht auf. Es riecht nach gebratenem Speck, symbolhaft, hmm, ja, stimmt ja, sein Vater war gestern Abend angekommen. Immanuel liebt diesen Geruch; seine Mutter brät Speck zu Frühstück, das sagt ihm, das sein Vater zu Besuch ist. Immanuel freut sich auf das gemeinsame Frühstück mit Daddy. Er springt fröhlich aus dem Bett und eilt in die Küche, wo er unterwegs Daddy stehen sieht mit seinem Koffer.
    «Ich muss weg», sagt der.
    «Schon?» fragt Immanuel.
    «Leider», antwortet sein Vater.
    Immanuel fragt: «Wann kommst du wieder?» und sein Vater antwortet:
    «Niemals.»


    Die Tür fällt ins Schloss; das ist ein ultrabrutales Geräusch, einerseits, literarisch gesehen. Eine Tür fällt ins Schloss, Plonk!, Theatervorhang des Lebens, fundamentaler Einschnitt, cut. Aber Immanuel liest das Buch nicht, das sein Leben da schreibt. Für ihn ist es in diesem Augenblick eine Tür, die ins Schloss fällt. Etwas ist passiert, aber das sagt noch gar nichts.
    Immanuel fragt sich momentan, wann Niemals wohl ist. In einer Woche, in einem Monat? Zu Weihnachten oder nächstes Jahr erst gar? Er besitzt nur seine eigene, gefilterte Perspektive, nicht die fiese Totale eines Lesers darauf. Bisher war Daddy immer zurückgekommen und Immanuel mochte die Zeit mit ihm. Er freute sich jedes Mal.


    Immanuel beginnt zu warten. Wohlmöglich schaut er aus dem Fenster: Bäume, Häuser. Sicherlich könnte dort mehr sein, aber da sind primär nun einmal Bäume und Häuser und nicht einmal denen gilt sein Interesse. Immanuels Denken ist introvertierter Natur, selbstreferenziell, keineswegs geprägt von den Referenzen eines möglichen Lesers. Er gräbt nach Hoffnung, verdaut Zweifel, kurzum Immanuel leidet. Er erfährt wohlmöglich gerade den geglückten Start einer schriftstellerischen Laufbahn.



    Bei Literatur handelt es sich grundsätzlich um Therapie, magali. Mögliche literarische Figuren spielen mögliche Szenarien ihres Autors durch, gemeinhin: der Autor denkt laut, in dem er dies öffentlich tut jedoch, versucht er sich gleichsam Gehör zu verschaffen und sein Denken in Interaktion mit dem Außen zu stellen. Dadurch hat er sich dem Verständlichkeitsterror zu stellen, es ist ihm nicht möglich, die Grenzen von Text zu überschreiten, er kann sie umschiffen, hat sich aber Stilfragen zu stellen, Referenzen zu erklären etc. Die Hauptaufgabe ist es nicht, auszuformulieren, sondern wegzukürzen; er ist allen voran Kameramann und Cutter in seinem Gedankenszenario, während er schreibt. Das kann einerseits wie bei Proust enden, andererseits sexy radikal sein, in dem es in etwas abgedroschenem, klischeebehafteten endet, in einer Tristesse, in der der Leser bis zum Ekel seine eigene Welt wieder erkennt und sich sagt, prima, hätte ich nicht lesen müssen dafür. Aber gleichsam, bedingt durch die Perspektive des Autors, die sich naturbedingt minimal differenzieren muss, besteht dennoch eine Verschiebung, die es dem Leser vielleicht ermöglicht, Dinge wahrzunehmen, Emotionen, Metaebenen, Wahrheiten, die auf dieser tristen Schilderung einer ausgelebten Welt liegen. Leser und Autor betrachten die gleichen durchgekauten Alltäglichkeiten und wie dem Leser die Perspektive von außen drauf auf seine Welt, die er nur von innen betrachten kann, nicht möglich ist, ist dem Autor die Perspektive völlig losgelöst von seiner eigenen Welt auf die Welt nicht möglich. Gemeinsam jedoch klappt das dann, jeder stößt den anderen auf die ureigene, individuelle Existenz des anderen zurück. Das Wort selbst ist nur ein Medium, es ist tot. Der Autor kann ihm kurzzeitig eine Form und Farbe verleihen, bevor es auf die Reise schickt, aber der Leser wird es zwangsläufig deformieren und seine Farben eintönen. Wie der Autor sehnt er sich danach zu erfahren, was er denkt. Darin liegt die Magie.


    LG,
    Christoph

    Das ist doch der Punkt, magali. In dem Moment großer Trostlosigkeit erlangst du einen Punkt, an dem du aufhörst, deine Genitalien mit der Außenwelt zu vergleichen. Du transferierst nicht deine Gefühle auf die Objekte da draußen oder suchst Objekte, die deine Gefühle reflektieren, du entnimmst ihnen noch nicht einmal Sinnentleertheit - sie sind, und zwar offensichtlich, also das dominierende (Häuser, Bäume, *würg*), nicht jedoch von subjektiver Bedeutung in erster Ebene. Selbstverständlich vesuchst du dennoch wie alles Leidende, das sein Leid gerade reflektiert, das Leid zu steigern. Das geschieht dann gerade eben aus der Banalität der Dinge heraus: die Bäume, die man schön finden "könnte" (aber da sind nur Bäume), die "vielfarbigen Häuser" mit den Menschen darin ("die dort Wärme suchen, Glück, Träume, Zufriedenheit" wie du), mit denen du, zumindest imaginär, dein Leid teilen könntest, was dir aber nicht gelingt, da du dich gerade als völlig losgelöst davon betrachtest, als außerhalb dieses Systems. Kurzum gesagt, du befindest dich nicht inmitten von etwas[, irgend etwas, du befindest dich in einer Kulisse. Inmitten inhaltsloser Begriffe, deren Kontext zu dir du maximal diffus, wie durch eine Nebelwand erahnen kannst, der aber gerade nicht existiert. Existieren tust gerade nur du und damit Leid. Es gibt die Poesie, es gibt das Leben, dazwischen gibt es Ähnlichkeiten, mehr nicht.


    LG,
    C.

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    Original von magali
    Es kann aber auch ein Gefühl des Unbefriedigtseins entstehen, ein unbestimmtes Abwehrgefühl, weil man nicht genug verstanden hat.


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    Von daher bin ich für eine gewisse Entschiedenheit in der LeserInennführung.


    Das setzt eine Überlegenheit dem Leser gegenüber voraus. Ich sehe Schreiben eher auch als gleichzeitigen Prozess des Forschens.


    Zitat

    Rückschlüsse vom Text auf den Seelenzustand von Autorin/Autor halte ich für falsch.


    Ich für notwendig. Eine Trennung Autor / Text ist ab einem gewissen Punkt (Gebrauchsanweisungen, Kochrezepte, Montageanleitungen etc.) unmöglich.


    LG,
    C.

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    Original von magali
    Das hieße, sich den Blick aufzwingen lassen.
    Ehrlich gesagt, sehe ich unablässig etwas Neues, gleich, wohin ich gucke. Sozusagen jede Minute etwas Anderes, manchmal kann ich gar nich so schnell gucken. Oder denken. Wupps, hat sich etwas verändert. Oder ich mich.
    Da haben wir deutlich unterschiedliche Konzepte.


    Einerseits hast du recht. Andererseits wird wohl niemand aus seinem Küchenfenster schauen, in sich ein Gefühl von Trostlosigkeit verspüren und denken, hui, welch nettes Ringeltaubenmännchen dort hinten in dem filigranen Blattwerk, wie toll vielfältig doch die Tristesse sein kann, so in der Großstadt. :-)


    LG,
    Christoph

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    Original von magali
    Du ballerst aber viel in kurze Texte. Volle Ladung.
    Ich weiß nicht, ob das das Ganze nicht überfordert.


    Du musst doch nicht aufessen. Die Ebenen, die der Leser nicht aufnimmt, wird er auch nicht vermissen. Oder sie hinterlassen, ein unbestimmbares Gefühl - noch schöner. Text sollte kein reiner Informationsträger sein, sondern gleichzeitig wie ein Katalysator wirken, der eigene Prozesse im Leser auslöst, bzw. der Text als Medium wird vom Leser gefiltert und daraus entsteht der eigentliche Text. Für den einen ist der Autor dann depressiv, für den anderen manisch, für den einen arrogant, für den nächsten philosophisch, für wieder jemanden alles auf einmal oder gar nichts oder einfach nur doof...


    LG,
    Christoph

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    Original von magali
    Das zweite finde ich besser formuliert.
    Aber ich komme inhaltlich nicht ganz mit:
    zunächst sieht es so aus, als wäre die Liebe ganz langsam davongeglitten.
    Zum Schluß scheint es am Willen des dichterischen Ichs zu liegen.
    Den Sprung verstehe ich nicht.


    Es handelt sich um zwei Personen, die "Geliebte der letzten Nacht" ist nicht die Person, die am Anfang der Gedichtes diese schmerzhafte Lücke hinterlassen hat. Möglicherweise ist das dichterische Ich auch daher nicht bereit, eine erneute emotionale Bindung einzugehen.


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    Und dann, aber möglicherweise Magali-Marotte:
    immer, wenn Leute aus dem Fenster gucken, in Gedichten und Kurztexten, sehen sie Bäume und Häuser.
    Kann das alles sein?


    Die Überraschungen der städtischen Architektur sind mittlerer Güte und leicht überschaubar, Magali. Oft ist da einfach nichts anderes als Bäume. Und Häuser. Ab und zu Müll, eine tote Ratte vielleicht.


    LG,
    Christoph

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    Original von magali
    aber warum fragt sie dann noch danach? Eine letzte, eher unbewußte Verneigung vor der Konvention? Ein Automatismus?


    Diese Frage ist berechtigt, allerdings ist Maria, neben einem jungen, authentischen Mädchen, gleichzeitig eine Figur dieser Geschichte, was gewissen Verpflichtungen der Literatur gegenüber nach sich zieht. Sicherlich könnte sie ohne weiteres die Kondome nicht nur außen vor, sondern auch verbal vollständig weg lassen, dann würde aber der Leser der Geschichte nie von diesem Aspekt erfahren. Sozusagen ist Marias im Kern, aus logischer Perspektive sinnlose Erwähnung ein Tribut an die Literatur.


    Zitat

    Die AIDS-Hilfe verkauft einem etwas als Vernügen, eben weil sie weiß, daß das Vergnügen seit HIV endgültig vorbei ist.


    Ungeschützter Verkehr ist gefährlich, da stimme ich zu. Wenn du Pech hast, verspielst du dein Leben, und wenn du Pech hast, zeugst du ein Leben.


    Zitat

    Aber da ist noch ein zweites Referenzsystem enthalten, ja?
    Die Namen Maria-Immanuel plus Kaninchen (= Hase-Venus), Fruchtbarkeitssymbolik?
    Und dann wieder Deine Verbindung zur Frage nach Sinn von Leben resp. ewiger Untergang und Entstehung


    *lächel*


    LG,
    Christoph

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    Original von Luc
    Schreib doch mal was du so schreibst. Romane, Kurzgeschichten? Seit wann lässt dich die Schreiberei nicht mehr los? Betrachtest du es, als reines Hobby? Welche Schritte unternimmst du, um besser zu werden, falls du mehr anstrebst? Kannst auch gerne per PN antworten.


    Hauptsächlich Kurzgeschichten, dazu Tagebuch, ich bin an zwei Romanen und, eher selten, Lyrik, das alles seit ca. 12 Jahren. (Rest via PN. :-))


    LG,
    C.

    • 1/4 l Milch
    • 100 g geriebene Mandeln
    • 1/4 TL Safran (Fäden vorher zerreiben)
    • 1 EL Creme double
    • 1 EL Zitronensaft
    • Cayennepfeffer
    • 1 EL Mandelblättchen
    • 250 g Farfalle-Nudeln



    Pasta al dente kochen, Milch mit den geriebenen Mandeln 10min leicht köcheln lassen. Dann Creme double, Zitrone und Safran hinzugeben, mit Salz und Cayenne abschmecken. Mandelblättchen ohne Fett rösten, Sauce unter die Pasta mischen, auf dem Teller anrichten, Parmesan und Mandeln darüber geben, eventuelle Entenbrust (nur Pfeffer, Salz, Olivenöl) oder Hähnchenfilet dazu reichen.


    Geht schnell, schmeckt gut, sieht besser aus als Döner.


    LG,
    C.

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    Original von Morgana
    Ich weiß nicht was ein Lorem ipsum ist, aber auch die Amazon-Beschreibung ist hierein kopiert erwünscht. Ggf. kann auch der Klappentext geposted werden... :wave


    Ein Lorem Ipsum ist ein Platzhaltertext, also etwas ohne Gehalt. Ich meine damit, wenn ich unten einen Link zu dem Buch auf Amazon habe, brauche ich nicht oben noch einmal den gleichen Amazon-Text ins Forum zu stellen. Findet man das Buch vom Titel her interessant, folgt man dem Link.


    LG,
    C.

    Zitat

    Original von Luc
    So ab jetzt werde ich dich nie wieder kritisieren, wie immer versprochen.


    Untersteh dich. Weiter machen! :wave


    LG,
    C.

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    Original von magali
    Aber ich glaube, sie hätte 'Kondome' dabeigehabt. Sicher aber hätte sie sie nicht so genannt.


    Einerseits ja. Andererseits nicht, wenn sie wußte, sie würden miteinander schlafen und geschützen Verkehr lediglich als notwendiges Übel bei Unbekannten sieht. Die AIDS-Hilfe versucht uns ja weiß zu machen, es wäre das größte zwischenmenschliche Vergnügen in Latex zu kommen, aber so richtig das gleiche ist es ja nicht, eher so etwas wie der Unterschied zwischen Zucker und Aspartam.


    Danke übrigens für die Rechtschreibkorrektur. :-)


    LG,
    Christoph

    Zitat

    Original von Morgana
    Hallo Christoph, wir hatten uns darauf geeinigt hier im thread immer eine Kurzbeschreibung des jeweiligen Buches zu posten... Bitte sei doch so lieb... :-)


    Nicht so einfach, wenn ich das Buch gerade erst lese. Das Quoten der Amazon-Beschreibung, die eh bereits unten verlinkt ist, ist wohl eher ein Lorem ipsum...


    Ich werde im Laufe des Resttages per Edit zu den beiden Büchern nachreichen, worum zu gehen das Buch vorgibt, ok? :-)


    LG,
    C.