Beiträge von Josefa

    Vielleicht könntest du eine aufgeblasene Papiertüte zum Fenster raushalten und zum Platzen bringen? :gruebel


    Ich glaube, mir ist heute noch was eingefallen für Giny und ihre Motivations-Suche ;-): Missionseifer spielt bei mir bestimmt auch eine Rolle. Zur Zeit lese ich wieder einen Roman, der im frühen Mittelalter spielt und dessen Vorstellung von der Epoche sich (was ganz normal ist) in etlichen Punkten nicht mit meiner deckt. Ich möchte ständig diskutieren: Aber das war doch gar nicht ... warum verhält der sich so ... warum tut die nicht einfach ... das glaube ich nicht ... das wäre damals nicht üblich gewesen. - Das ist bei mir auf jeden Fall Antrieb zum Schreiben: wenn niemand sonst die Geschichten verfasst, die ich gerne lesen möchte, muss ich es eben selbst tun.

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    Original von Giny


    Also Josefa schreibt ganz klar, sie möchte gern "schreiben können", wobei ich mir noch nicht ganz sicher bin, ob sie zufrieden mit sich selbst sein könnte, oder eine Anerkennung von außen notwendig wäre, um das zu bewerten.


    Ich fürchte, weder noch, Giny. Ich bin mit mir selbst chronisch unzufrieden, aber das ist ein größerer persönlicher Charaktermangel, der mit dem Schreiben nichts zu tun hat. Es führt bei mir meistens zu der Haltung: Naja, gut werde ich sowieso nie sein, also wäre es sinnlos, sich sonderlich anzustrengen.


    Ausgesprochen praktische Lebenseinstellung für überzeugte Faulenzer, nebenbei bemerkt ;-).


    "Schreiben können" hat für mich zwei Komponenten. Das eine wäre die technische Fertigkeit, aus einem Handlungsgerüst mit bestimmten Elementen einen lesbaren Roman zusammenzustellen. Das ist schwer genug, und wenn ich ehrlich zu mir selbst wäre, würde ich meine eigenen Geschichten auf meiner persönlichen Skala (in der Signatur) irgendwo zwischen vier und fünf Punkten einreihen. Sprich: ich bin nicht sicher, ob sie für jemanden, der nicht ich ist, überhaupt verständlich sind.


    Zum "Schreibenkönnen" gehört für mich aber noch etwas anderes. Man müßte auch etwas zu sagen haben. Und spätestens da scheitere ich, weil mir dafür sowohl der scharfe Blick als auch die Lebenserfahrung abgehen. Ich habe eigentlich nichts zu erzählen. Ich plappere nur. Harmloses, Belangloses. Um ernsthaft zu schreiben, müßte ich vielleicht auch mal da hinfassen, wo's mir selbst weh tut. Aber das wäre ja unangenehm. Pfui Spinne.

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    Original von magali
    Nun ist der Mensch aber doch mitteilungsbedürftig. Wo teilen sich Schreibende mit, ehe sie platzen?
    Zuerst spricht man vorsichtig im engeren Kreis darüber, dann wird er weiter. Nicht, weil man ünbedingt an eine große Öffentlichkeit will, sondern weil man sich übers Schreiben austauschen will.
    Das Internet ist da ganz hilfreich, es gibt ja viele, viele Schreibgruppen online.
    Ein wenig Privatheit ist auch da, weil man nicht unter dem Eealnamen angemeldet ist. Vielleicht hat man es da heute ein bißchen leichter als früher.


    :write Das ist auf jeden Fall ein ganz wichtiger Bestandteil der Motivation. Ich habe mich jahrzehntelang nicht getraut, davon zu erzählen, daß ich schreibe. Ich tue es heute noch nicht, abgesehen von ganz wenigen guten Bekannten. Und eben im Internet. Tatsache ist, ich fühle mich wegen dieses Hobbys durchaus ein bißchen als Freak. Oder eher als Nerd. Oder wie diese komischen Stereotypen des Internet-Zeitalters halt so heißen ;-).


    Daß es noch mehr solche Freaks gibt, daß man sich im Netz mit ihnen austauschen kann, ist einfach beruhigend. Und fachsimpeln macht doch gerade bei den Themen am meisten Spaß, von denen man die wenigste Ahnung hat.


    Was den eigenen Namen auf dem Buchcover angeht, das ist ein Wunsch, den man sich heutzutage ja sehr schnell und für kleines Geld (oder auch ganz gratis) selbst erfüllen kann. Allerdings fehlt dabei natürlich die Bestätigung, die man "von außen" erhält. Versteht mich nicht falsch, es ist ein tolles Gefühl, die eigene Geschichte als gedrucktes Buch vor sich zu sehen, so richtig mit Seiten zum Blättern und Impressum und Lesebändchen. Aber es bleibt eine billige Ersatzbefriedigung für den wirklichen Wunsch. Schreiben zu können.

    Ich würde diesen Thread auch gerne wiederbeleben in der Hoffnung, dass noch jemand mitliest. Auf das Buch gekommen bin ich in erster Linie über mein persönliches "Karl der Große"-Projekt, und mir stellen sich jetzt schon jede Menge Fragen.


    Bis jetzt habe ich das Gefühl, dass das Setting zu Beginn ein bisschen "knirscht", in erster Linie soweit es Premysl angeht. Wie falsch liege ich denn mit der Vermutung, dass die Premysl-Sage in der hier benutzten Fassung mindestens aus dem Hochmittelalter stammt? Ich vermute das nur deswegen, weil "Bauer" hier klar gleichgesetzt wird mit "minderwertig, von niederer Herkunft". Diese Bedeutung hatte es im FrüMi doch eigentlich noch nicht (einen dritten Stand der Bauern gab es ja noch gar nicht).


    Demgegenüber dann das Mehr-oder-minder-Matriarchat der slawischen Stämme. Das finde ich sehr interessant. Gibt es für ein solches Matriarchat (weibliche Erbfolge z.B.) denn tatsächlich Hinweise? - Mit Utopien habe ich es ja nicht so, und teilweise kamen mir die Verhältnisse ein wenig zu perfekt vor (keine Unfreien, selbst die Dienstmägde mit vollem Recht etc.). An "Die Nebel von Avalon" musste ich auch ein paar Mal denken :-). Gewaltige Probleme hatte mein innerer Historiker mit "Kelten" und "Germanen" im achten Jahrhundert, wobei ich ein Überleben dieser Kulturen (ginge es denn konkret um Boier und Markomannen?) sehr spannend fände. Auch da würde ich zu gerne wissen, ob es dafür tatsächlich archäologische Hinweise gibt.


    Ich hatte noch ein paar Anmerkungen zur "Heiligen Hochzeit", aber das könnte länger dauern, und ich gehe mal davon aus, dass ich in diesem uralten Thread eher nur mit mir selbst reden werde, also belasse ich's mal dabei. ;-)

    Ich fürchte, mein Problem ist, daß ich mir selbst keine Fehler zugestehen will. Ich habe keine sonderlich hohe Meinung von mir selbst, jeder Fehler, bei dem ich mich ertappe, bestätigt mich darin. - Aber das führt jetzt zu weit vom Thema weg ;).

    Ich bin zu feig für Workshops und Schreibkurse. Und bewundere deshalb Sonne79 und alle anderen maßlos, die so etwas auf sich nehmen. Einmal, weil sie ernsthaft an ihren Fähigkeiten arbeiten, und zum anderen, weil sie den Mut haben, sich schmerzender Kritik und dem Eingeständnis des eigenen Unvermögens auszusetzen. Dem gehe ich aus dem Weg. Weil man mir da bestätigen würde, was ich natürlich im Prinzip weiß, aber nicht hören will.


    Gleichzeitig zeige ich meine Texte ja durchaus her (zumindest manche). Ich habe auch bei der jetzigen Geschichte wieder vor, sie drucken zu lassen (und ohne diesen Ansporn hätte ich sie vermutlich nie fertig gebracht). Das ist verlogen, wie mir bis zu einem gewissen Grad durchaus bewußt ist. Während ich auf der einen Seite nicht den Mumm und den Ehrgeiz habe, das Schreiben ernst zu nehmen, spiele ich auf der anderen gleichzeitig Schriftsteller und bastle mir meinen DIY-Roman zusammen.


    Falls jemand von Herbert Rosendorfer "Die Donnerstage des Oberstaatsanwalts" gelesen hat: ich komme mir oft vor wie die Katze, die in den Buch immer wieder mal darüber philosophiert, was für ein umwerfendes Buch sie schreiben würde. Sie weiß nicht was drin vorkommen soll, sie weiß nicht, was sie damit bezwecken will. Aber es wird ein absoluter Geniestreich sein, das ist sicher. ;-)

    Liebe Magali, es braucht viel weniger, um mich zu entmutigen – jedes halbwegs ordentliche Buch, das mir in die Finger kommt, zeigt mir mein eigenes Unvermögen überdeutlich auf :cry . Und sogar in den schlechten sind noch genügend Dinge, bei denen ich ehrlich sagen muß: so hätte ich das nie hingekriegt. Schreiben kann ich zwar nicht. Aber lesen durchaus.


    Giny, das mit den Dingen, die unbedingt geschrieben werden wollen, kenne ich. Das werden bei mir aber meistens »Leichen«. Ich schreibe die Szenen, die mir im Kopf herumschwirren, und dabei bleibt es. Wie viele Fragmente auf meinem PC herumliegen, und wie viele mehr mit diversen alten PCs den Weg ins Nirvana gefunden haben, das zähle ich lieber nicht. Entsprechend stolz bin ich, wenn ich mal tatsächlich eine größere Geschichte fertigstelle. Es hat vielleicht keinen künstlerischen Wert, aber hey: ich habe durchgehalten. Bildet bestimmt den Charakter und stärkt die Selbstdisziplin oder sowas. :chen

    Mir fällt es auch schwer, ganz ehrlich. Ich überarbeite gerade meine "große" Story (darum habe ich auch so wenig Zeit fürs Forum im Moment), und da fällt mir das extrem auf. Rein formal habe ich einen Kniff: Die ganze Geschichte wird aus der Sicht eines jungen fränkischen Soldaten geschildert, der das, was er erlebt, natürlich durchaus werten und kommentieren darf (also "tell").


    Ob es dadurch für potentielle Leser angenehmer wird, weiß ich nicht. Aber ich beruhige mein schlechtes Gewissen.


    Mein Problem ist, daß ich mit dem "show" oft Schwierigkeiten habe, auch dann, wenn ich selbst ein Buch lese. Ich hab's ja schon mal gesagt: wenn z.B. einer auf den Fingernägeln kaut - heißt das dann, er ist im Moment angespannt und die Situation macht ihn nervös? Oder ist das einfach eine schlechte Angewohnt und er kaut auch, wenn er total relaxt in der Badewanne liegt? Hat er sich bloß den Nagel eingerissen und gerade keine Feile zur Hand? - Mir fällt es sehr schwer, aus dem, was mir gezeigt wird, eine eindeutige Aussage heraus zu filtern (siehe meine Probleme bei R. Gablés "Haupt der Welt"). Entsprechend schlecht bin ich darin, so etwas selbst zu schreiben.

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    Original von xexos
    Ich habe von ihm auch seit knapp 20 Jahren noch ein weiteres Buch im SUB und traue mich da kaum ran.


    *neugierig* Welches denn? Ich habe außer "Der Name der Rose" noch "Baudolino" und "Das Foucault'sche Pendel" gelesen. "Baudolino" empfand ich als leichter (eine mittelalterliche Münchhausen-Geschichte), aber gemocht und bewundert habe ich alle.


    Wobei ich diurchaus begreife, wovon ihr redet. Aber ich meine, der Autor kann ja nichts dafür, daß ich nicht intelligent und gebildet genug bin, ihm bei allen geistigen Höhenflügen zu folgen :nichtskapiert. Ich sehe das eigentlich eher als einen Mangel bei mir, nicht beim Autor ...

    Ich lese es auch gerade! Bin allerdings erst kurz über die Mitte. Ich hatte von früheren Büchern, die ich vor Jahren gelesen hatte, nur Irvings feinen Humor und seinen Sinn für Bissigkeiten im Gedächtnis behalten und bin immer noch begeistert, wie zartfühlend er obendrein schreibt, wieviel Verständnis er für seine Figuren hat und wie sorgfältig er jeden Anflug von Kitsch vermeidet.

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    Original von Findus
    Und wenn du dich den anderen nicht mitteilst, wissen sie ja acuh nciht weshalb Du da bist, kannst ihnen also ncihts kaputt machen.


    Nachdem ich jetzt gerade aus dem Kinder-Weihnachtskrippenspiel komme, muß ich das ein wenig relativieren. Jemand, der nicht gläubig ist, braucht nicht unbedingt Reden zu schwingen, um die "Sache" kaputt zu machen. Es genügt, wenn er (bzw. sie - das meiste waren junge Mütter) durch die Kirche rennt, dreimal den Platz wechselt, der Nachbarin um den Hals fällt, sich lautstark mit den Banknachbarn und dem Nachwuchs drei Reihen weiter vorne unterhält, mit Fotoapparaten und Filmkameras hantiert, sich aber sonst nicht bemüßigt fühlt, die eigenen Kinder zu beaufsichtigen.


    Daß die Kinder völlig überdreht und aufgeregt sind, ist normal an Heilig Abend. Daß sie nicht wissen, was in einer Kirche passiert, wenn sie nie in eine gehen, auch. Daß die Eltern nicht in der Lage oder nicht willens sind, es ihnen zu erklären, ja, daß sie gar nicht auf die Idee kommen, es ihnen erklären zu müssen, macht mich betroffen. Und ich betrachte mich selbst nicht als "gläubig".


    Da sitze ich ehrlich lieber mit zehn oder zwölf andern armen Idioten an einem normalen Sonntag um halb neun Uhr morgens in der Messe. Der Chor der Stimmen beim Vaterunser ist da auch nicht viel dünner.


    Sorry for the rant. Mir geht's gesundheitlich schon nicht gut und das gerade hat mich echt deprimiert.

    Ich hatte die Übersetzung des Friedrich Freiherrn von Falkenhausen. In Versform :rolleyes. (Aber mit Botticelli-Zeichnungen!)


    Das sah dann in der Praxis so aus, daß ich im vorderen Teil ein Kapitel gelesen habe, genickt, ratlos gelächelt und dann im - sehr sehr ausführlichen! - Kommentar die Zusammenfassung des Inhalts in Prosa studiert habe, um anschließend die Verse nochmals zu lesen :lache.


    Zur Vorstellung: Von den gut 670 Seiten der Insel-Taschenbuch-Ausgabe sind ca. 230 sehr eng beschriebene und winzig gedruckte seiten den Erläuterungen reserviert.

    Ich habe das Buch im Rahmen einer Leserunde angepackt, wobei wir da am Ende auch nur noch zu zweit oder zu dritt waren, wenn ich mich richtig erinnere. Von meinen beiden Arbeitskolleginnen, die das Buch ebenfalls lesen wollten, kam die eine bis zum Anfang Fegfeuer und die andere bis Anfang Paradies. Also, die Abbruchquote dürfte ziemlich hoch sein. ;-)


    Ich kenne die angesprochene Übersetzung nicht. Wichtig wäre in erster Linie ein guter Kommentar im Anhang. Denn sich auf die Schnelle all die mittelalterliche Symbolik und die theologischen Lehren des Thomas von Aquin und die Geschichte Oberitaliens zur Zeit Dantes anzulesen, das halte ich doch für ein bißchen viel auf einmal.

    Vielen Dank nochmal für eure freundlichen Kommentare! :danke


    Ich bin in meiner eigenen Meinung übrigens sehr schwankend. Ich gönne ja jedem Pfarrer, wenigstens einmal im Jahr eine gut gefüllte Kirche zu sehen. Aber im Wissen, daß drei Viertel der Besucher der Veranstaltung wie einem Theaterstück beiwohnt? Hm... Und was ist mit den vier oder fünf armen Seelen, die tatsächlich zum Beten gekommen sind? Mache ich denen, als unbeteiligter, stummer Beobachter, der die Zeit bis zur Bescherung absitzt, nicht alles kaputt? Habe ich überhaupt das moralische Recht, mich in den Gottesdienst zu setzen, wenn ich alles für Humbug halte? Verstecken sich in meinen seelischen "Katakomben" tatsächlich Erinnerungen? Oder sind es doch eher Wünsche, wie es für mich gewesen sein sollte und wie es für meine Kinder gefälligst zu werden hat?


    Bei den ganzen Fragen bin ich dann doch wieder froh, daß es Glühwein gibt. Der ist eine ziemlich allgemeingültige Antwort auf alles ;-) :fruehstueck

    Danke, magali! Ich kann meine Texte selbst überhaupt nicht einschätzen und wollte lieber keinen Anlaß zum Ärger geben ... und das mit dem Selbstbewußtsein höre ich seit meinen Kindertagentagen. :grin Das wird nichts mehr.

    Verzeihen Sie bitte, könnten Sie wohl … ich beklage mich wirklich ungern, aber wären Sie so freundlich, ein bißchen Abstand zu halten? Ja, Sie meine ich, Sie mit der roten Nase …


    Weg ist er. Vermutlich nicht daran gewöhnt, aus einer Krippe heraus angesprochen zu werden. Was man eigentlich auch nicht tun sollte, als geduldiges Jesuskind. Aber ich bitte Sie: einem echten Säugling würden Sie doch auch nicht mit Ihrem Glühwein-Atem direkt ins Gesicht schnaufen! Muß ich mir alles gefallen lassen, nur weil ich aus Holz geschnitzt bin?


    Wenigstens Sie sind noch da. Kommt selten genug vor in diesem Job, daß man sich mal vernünftig unterhalten kann. Die Gespräche mit den Holzwürmern unterm Jahr sind intellektuell eher mäßig anregend, wenn Sie verstehen. Der Beruf bietet auch nicht die größten Herausforderungen: auf Stroh gebettet liegen, Hirten, Schafe, Kinder und besoffene Kirchgänger anlächeln, Heiligenschein nicht verlieren. Insofern sehe ich dem Beginn der Saison jedes Jahr mit gemischten Gefühlen entgegen. Einerseits ist es eine Wohltat, die Sakristei und vor allem die Kiste mit dem Weihnachtskrempel verlassen zu dürfen. Selbst ohne Lungen atme ich auf, wenn ich endlich aus dem muffigen blauen Wolltuch ausgewickelt werde, in dem ich den Großteil des Jahres verbringe, bis wir beide unseren Einsatz haben: ich zwischen Ochs und Esel und der Stoff als Mantel der Maria im Krippenspiel der Ministranten.


    Andererseits mache ich diesen Job seit nunmehr knapp dreihundert Jahren, und die Bilder gleichen sich zu sehr. Nicht auf lange Sicht, natürlich. Kein Gedanke mehr an das Brimborium, das man in früheren Jahrhunderten mit mir veranstaltet hat, an goldbestickte Samtkleider, die man mir angezogen, und Königskronen, die man mir aufgesetzt hat. Ist mir ganz recht so. Es sah doch immer etwas lächerlich aus, und ohne sonderlich viel von Theologie zu verstehen, möchte ich meinen, es lief der ursprünglichen Intention des Ereignisses zuwider.


    Aber sonst?


    Ach, man hat irgendwann einfach alles gesehen. Wer so lange in klerikalen Kreisen verkehrt wie ich, macht sich über die Heiligkeit von Mutter Amtskirche keine Illusionen mehr. Und die Gläubigen? Ich bitte Sie. Ich habe genügend Zeit während der Gottesdienste, mir die Gesichter einzuprägen, von denen mir während der Weihnachtszeit kaum eines ein zweites Mal begegnet. Während der Pausen unterhalte ich mich auch gerne mit den Kollegen vom Hochaltar, die mir von ihren Erlebnissen außerhalb der Adventszeit berichten. Ich wage daher zu behaupten, die wenigsten Besucher eines Weihnachtsgottesdienstes werden vor Ablauf eines Jahres noch einmal einen Fuß in eine Kirche setzen. Vorausgesetzt, niemand stirbt oder heiratet.


    Wenn ich mal ganz unverschämt fragen darf: warum sind Sie denn hier? Dringender Gebetswunsch? Glaube an den Allmächtigen? Hoffnung auf Erlösung? - Nein. Humbug. Natürlich wegen der Kinder. Wie alle.


    Verblüfft mich, muß ich zugeben. Warum mutet man den Kindern den ganzen verlogenen Quatsch eigentlich zu? Versperrte Türen, Wunschzettel, aus Holz geschnitzte Christkindlein? Weihnachten, da sind wir uns wohl einig, ist eine durch und durch kommerzialisierte Veranstaltung, deren Sinn, so er denn je bestand, längst verloren ging und sich heute – schauen Sie mich an! - aufs Aufstellen kitschiger Wohnungsdekoration beschränkt. Was ist der Kirchgang, außer Beschäftigungstherapie vor dem Öffnen der Geschenke, nachdem »Das letzte Einhorn« im Fernsehen geendet hat? - Wunder der Weihnacht? Wer wundert sich schon.


    Aber die Kinder, nicht wahr? Den Kindern wollen wir dieses warme, wohlige Gefühl doch gönnen, von dem eine verklärte Erinnerung durch die untersten Katakomben unseres Seelenlebens geistert. Die Kinder sollen mit großen Augen vor dem Glänzen und Glitzern stehen, das goldene Kerzenlicht bestaunen und dem Chor von »Stille Nacht, heilige Nacht« lauschen. Und wie sehr enttäuscht es uns, wenn sie unterm Weihnachtsbaum das erste Geschenkpapier zerfetzt haben und sich beschweren, weil das Christkind zu dämlich war, die gewünschte Playstation zu liefern.


    Ich habe nur einen Holzkopf, mit dem denkt es sich wirklich nicht leicht. Aber nun erlebe ich seit dreihundert Jahren mit, wie jede Generation das Weihnachtswunder immer der nächsten vorzugaukeln versucht. Da könnte man schon ins Grübeln kommen. Sonst sind alle immer so egoistisch ...


    Nanu, habe ich Ihnen jetzt etwa eine Weihnachtspredigt gehalten? Entschuldigen Sie bitte, das muß der viele Weihrauch ein, den man im Laufe der Zeit so einatmet. Soll nicht wieder vorkommen. Wir sehen uns vermutlich nächstes Jahr, nehme ich an? Dachte ich mir schon.