Was die persönlichen Befindlichkeiten angeht: Es ist ja auch immer die Frage, ob man sich jeden Schuh anziehen muss, der einem hinterher geworfen wird :grin. Ich habe kein Problem damit, zuzugeben, dass Frau Löffler mir ein Universum an Bildung und Hintergrundwissen voraus hat. Aber ich habe auch nicht studiert und eine ausgesprochen schwache Allgemeinbildung; vielleicht fällt es mir drum so leicht, das zuzugeben. Wer mit Recht stolz auf das ist, was er sich in Eigenregie erarbeitet hat, hat sicher größere Probleme, sich als "Amateur" abgekanzelt zu wissen.
Um vielleicht doch noch eine Diskussion anzuregen, hätte ich noch ein paar Gedanken:
1.) Literaturkritik hat dasselbe "Elfenbeinturm"-Problem, wie jede elitäre (bitte ohne den negativen Beigeschmack verstehen, den man diesem Wort heute gerne beimisst) Beschäftigung: sie schwebt in der Gefahr, am "echten Leben" vorbei zu laufen. Wenn ihre Methoden nur auf einen winzigen Bruchteil der erschienenen Bücher überhaupt anwendbar sind, und wenn diese Bücher wiederum nur von einem Bruchteil der Leute tatsächlich gelesen werden, manövriert sie sich selbst notgedrungen ins Abseits. Echte Literaturkritiker rezensieren echte Literaten für echte Literaturkenner - unter weitgehendem Ausschluss der unkundigen Öffentlichkeit? (Um den Spötter nochmal zu Wort kommen zulassen: erinnert mich an manche Facebook-Gruppen, in denen "Self Publisher"-Autoren einander ihre Werke vorstellen. Sieht es an der Spitze des Buchmarkts echt kaum anders aus als ganz unten?)
2.) Zur Demokratisierung: Ich finde es trotz allem schade, dass die "Massenware" des Buchbetriebs von der Literaturkritik nicht bearbeitet wird. Magali hat mit dem Beispiel "Fifty Shades of Grey" ja schon angedeutet, dass es, mit veränderten Kriterien, sehr wohl möglich wäre. Und es würde sich lohnen. Klassisches Beispiel für Schundliteratur: Karl May. Ehemalige Groschenhefte, nachträglich zu Romanen gebunden. Hatte faktisch enormen Einfluss auf die Leserschaft. Steht natürlich auch in einer Art literarischer Tradition (gibt es Bücher, die das nicht tun?). Hat mir mehr über das Denken und Empfinden im Kaiserreich beigebracht als der Geschichtsunterricht. - Wieviel über unsere Zeit verrät der Erfolg von "Twilight"? Was das aktuell extreme "Schubladendenken" im Buchhandel (hier Chick-Lit, dort Thriller, hier Histo-Romance, dort Histo-Abenteuer)? Das sind Fragen, auf die Amateur-Kritiker(innen) nur ansatzweise Antwort geben können, weil ihnen meist tatsächlich die Voraussetzungen fehlen.
3.) Zur Unabhängigkeit echter Literaturkritik: Die Worte hör' ich wohl. Allerdings sehe ich bei manchen Zeitungskritiken des Feuilletons die "Unabhängigkeit" als ebenso fragwürdig an wie bei den Buchbloggern, denen von den Verlagen reihenweise "Rezi"-Exemplare zugeschickt werden. Ich erinnere mich an einen Artikel im Börsenblatt eine Weile vor Erscheinen von Charlotte Roches "Feuchtgebiete", in dem der Verlag seine Marketing-Strategie (sic!) vorstellte. Man werde sich "mit aller Macht" aufs Feuilleton werfen. Der Verlag konnte also sehr wohl voraussagen, dass und wann die Feuilletons der FAZ, der Süddeutschen etc. das Buch besprechen würden. - Solche (ich schreibe es jetzt hin: gekauften) Besprechungen sind sicher nichts, was Frau Löffler meint, wenn sie von "Literaturkritik" spricht. Aber es bedeutet, dass "echte" Literaturkritik ein noch viel selteneres Pflänzchen ist als gedacht. Siehe Punkt 1.