Beiträge von Josefa

    Kein Vorwort? Oh, wie schade. Jetzt dachte ich, wir könnten rund um das Vorwort eine neue Diskussionsrunde rund um die Kritik an der Literaturkritik starten :grin.


    Es geschieht relativ wenig in dieser "Vorgeschichte". Vier Leute sitzen abwechselnd zusammen, reden und essen Erdbeeren (mit Sahne): Anna, Molly, Richard und Tommy. Dann geht Anna nach Hause. Das Ganze dauert sechzig Seiten.


    Worüber geredet wird: über mehr, als ich auf die Schnelle erfassen oder wiedergeben könnte. Da ist, wie Rumpelstilzchen schon gesagt hat, einmal Richards Verhältnis zu seiner viel betrogenen und betrunkenen Ehefrau. Da ist die gegenseitige Verständnislosigkeit, die zwischen den zwei "Welten" herrscht, aus der die Gesprächspartner kommen; zumindest Molly hat wirklich keine Ahnung, dass ihr Ex-Mann eine bedeutende Rolle in der Finanzwelt spielt - und Anna, die es zumindest ansatzweise begriffen hat, bedeutet es nichts, weil Richards Leistungen in ihrem Denken einfach keine sind. Da ist Tommy, der nach dem Willen des Vaters aufhören soll zu "grübeln", der nicht weiß, was er mit sich anfangen soll, der aber sicher ist, dass er die Welt und das Wertesystem seines Vaters ablehnt. Da ist der Gedanke der "Verantwortlichkeit", den Tommy ins Spielbringt und den ich nicht wirklich begriffen habe. Verantwortlichkeit des Künstlers gegenüber der Gesellschaft? (Hat die Gesellschaft da eigentlich ein Mitspracherecht?)


    Da ist auch die Verständnislosigkeit zwischen den beiden Frauen, die so unterschiedlich in ihrem Wesen sind, Mollys Enttäuschung darüber, dass Anna keinen zweiten Roman "produziert" - dasWort steht da tatsächlich. Anna könnte doch produzieren, während Molly dazu die Voraussetzungen (Talent? Energie? Tiefe? Festigkeit?) fehlen. Aber Anna tut es nicht, sondern schreibt für die Schublade.


    Es ist in erster Linie das Denken, dessentwegen mir diese Leute fremd sind. Tut mir leid, solche Leute kenne ich nicht. :-( Die Leute, die ich kenne, reden über Fußball, Gartenarbeit, den letzten Nachbarschaftsklatsch.
    Mir kommen sie alle erst einmal vor wie Reißbrettfiguren, deren Geschichte durch eingeschobene Hintergrundabschnitte und deren Äußeres mit zahlreichen Adjektiven erhellt wird. Erfunden, um etwas Bestimmtes zu verkörpern. Ich bin gespannt, ob das anhält.


    Was mir bis jetzt am besten gefallen hat, waren die Erdbeeren ...

    ... oder: Josefa sucht die Literatur, Teil 2. Dieser Thread ist sozusagen eine Folgeerscheinung von diesem Thread, der wiederum aus diesem Thread hervorging. Die Josefa hat immer noch keine Ahnung, was "Literatur" bedeutet, aber immerhin hat sich Rumpelstilzchen bereit erklärt, ihr bei diesem Abschnitt der Reise das Patschehändchen zu halten. Nach dem ersten Eindruck könnte das auch echt notwendig werden.


    Meine Ausgabe des Buchs beginnt mit einem zweiundzwanzig Seiten starken Vorwort, das die Autorin 1971 verfasste - neun Jahre nach dem erstmaligen Erscheinen des Romans und ein Jahr vor meiner Geburt - und über das ich mich, Literatur hin oder her, bis zur Mitte wirklich geärgert habe. Die Autorin beklagt sich darin zunächst einmal, wie völlig falsch ihr Roman doch verstanden worden sei. Tja. Kann ich objektiv wenig zu sagen. Hab ja noch gar nüscht gelesen. Subjektiv stehe ich auf dem Standpunkt, dass ein Autor in dem Moment, in dem er einen Text zum Lesen freigibt, die Deutungshoheit über sein Werk verloren hat - in dem Moment, in dem ich eine Geschichte lese, wird es meine. Punkt, und ich lasse mir das auch nicht streitig machen! - Witzigerweise schwenken die letzten Sätze des Vorworts dann genau auf diese Linie ein. Dazwischen liegen einige sehr bissige Bemerkungen zum Literaturbetrieb und besonders zur professionellen Literaturkritik, die vielleicht im eingangs verlinkten Thread zum Interview mit Sigrid Löffler ganz interessant gewesen wären.


    Und jetzt fängt die Geschichte endlich an. Wir treffen zwei Damen um die vierzig, beide ledige Mütter erwachsener Kinder im Jahr 1957 - zu einer Zeit also, als es noch ein kleiner Skandal und ein gesellschaftliches Statement war, als Frau alleine ein Kind großzuziehen, und nicht wie heute in erster Linie ein Fall für Hartz IV. Anna und Molly sind alte Freundinnen, von der Realität eingeholte Ex-Kommunistinnen und Lebenskünstlerinnen, die sich in Mollys Fall von zweitklassigen Schauspieljobs und in Annas Fall von den immer spärlicher tröpfelnden Tantiemen eines Romans ernähren. Dem einzigen Roman, den Anna je geschrieben hat. Sie führen ein längeres Gespräch mit Richard, Mollys Ex-Mann, der Tommy, seinem und Mollys zwanzigjährigem Sohn, einen Job in der Finanzwelt verschaffen möchte, in der Richard offenbar ein großes Tier ist. Tommy lehnt ab und möchte lieber "noch ein paar Monate nichts tun" und Muttern auf der Tasche liegen, wenn's recht ist.
    Es ist recht, und ich sage jetzt nicht, was meine Eltern mir in diesem Fall erzählt hätten.


    Was ich bereits sagen kann: die gesamte Personnage in dieser Geschichte ist mir so fremd wie der Mond. Ich glaube, ich warte jetzt mal auf meinen Blindenführer Rumpelstilzchen.

    Zitat

    Original von treogen
    Die 15-Stück-pro-Jahr-Regel: Der Durchschnittsselbstverleger verkauft pro Titel und Jahr 15 Printexemplare.
    [...]
    Nachdem Libri seit 3 Jahren keine Updates auf dieser Seite gefahren hat, ist anzunehmen, dass es keine Veränderung zum Besseren gegeben hat (sprich: Die Zahlen sind wohl nach wie vor aktuell).


    Ich kann gerne konkrete Zahlen für (m)einen Einzelfall bei BoD nennen: Von meinem ersten Buch wurden seit 2011 circa 35 Stück verkauft. Vom zweiten Buch, das ich diesen Februar in Auftrag gegeben habe, bisher exakt fünf Exemplare. Ich dürfte also noch etwas unter dem Schnitt liegen.


    Zitat

    Original von treogen
    All die Punkten zusammengerechnet, würde ich mal schätzen: Wenn du 200 Stück verkauft bekommst, bist du schon recht gut.


    Sehe ich ähnlich; das sind bereits Verkaufszahlen, bei denen in mir Hochachtung erwacht vor den Marketing-Fähigkeiten des Autors.


    Zitat

    Original von Buchdoktor
    Ich frage mich bei den Selbstpublisher-Ideen immer, warum jemand mit seinem Werk unbedingt gemeinsam auf den gedachten Verkaufstisch mit Astrid Lindgren und anderen Größen der Kinderliteratur möchte, deren Bücher zu fairen Preisen seit Jahrzehnten gut verkauft werden.


    Ich kann es dir nicht pauschal beantworten, aber zumindest in meinem Fall hat der Gedanke an einen "Verkaufstisch" kaum eine Rolle gespielt, dafür der Wunsch, die eigene Geschichte in Buchform in der Hand zu halten, eine sehr große. Das ist vermutlich bei mehr selbstveröffentlichenden Autoren so, als es scheint. Nur wenige schreiben wirklich für einen "Markt". Hier bei den Eulen kriegt ihr ja immer nur die werbetechnisch sehr aktiven (oder verzweifelten) Leute mit, die in jedem Forum den Link zu ihrem Buch posten. Die generieren natürlich mehr Aufmerksamkeit.

    Zitat

    Original von Stritty
    Vielleicht habe ich auch einfach zu hohe Ansprüche....


    Das denke ich eigentlich nicht. Zumindest sehe ich den Wunsch "Ich will mich gruseln" nicht als sonderlich "hohen Anspruch". Ich hätte eher angenommen, solch ein Wunsch entsteht aus Langweile heraus oder aus einem Alltag, der zu wenig "Nervenkitzel" bietet. Oder warum denkst du, dass du diesen Wunsch hast?


    Wenn ich persönlich werden darf: ich hatte nie Angst im Dunkeln. Mir hat zeit meines Lebens nie irgendjemand etwas Böses getan, nicht mal ansatzweise, und ich habe deswegen nach wie vor ein geradezu kindliches Grundvertrauen in Gott und die Welt.
    Dann starb vor ein paar Jahren ein Kinderfreund von mir unter sehr hässlichen Umständen. Er wurde umgebracht. Heute kenne ich Angst im Dunkeln.


    Vielleicht ist es einfach nur eine Frage der persönlichen Betroffenheit? Vielleicht wäre es tatsächlich besser, du beschäftigst dich, statt mit rein äußerlichen Fragen nach möglichst angsteinflößenden Inhalten, erst einmal mehr mit den Figuren, die in einer Geschichte auftreten, und lässt sie näher an dich heran? Statt nach immer "härteren" Stoffen zu suchen? Es wird doch wohl noch etwas anderes geben, das dich fasziniert, als Angst?

    Grundsätzlich ein Problem, das ich nicht wirklich nachvollziehen kann, weil ich noch nie gelesen habe mit dem Wunsch, Angst zu empfinden. Wenn ich lese, dann weil ich lachen oder schmunzeln, nachdenken oder mitfühlen will. Ist mir von daher sehr fremd.


    Dass du rational keine Angst hast, ist logisch. Du erlebst die beängstigenden Situationen ja auch nicht, sondern die Figuren im Buch. Sind dir die Figuren vielleicht nicht wichtig, nicht nahe genug, damit du wirklich mit ihnen mit leiden kannst?


    Sonst kann es wirklich das Beste sein, du liest für eine Weile ein anderes Genre, um das Abstumpfen zu vermeiden.


    Und eventuell noch ein Lektüretipp: [URL=http://de.wikisource.org/wiki/M%C3%A4rchen_von_einem,_der_auszog,_das_F%C3%BCrchten_zu_lernen_%281819%29]Klick mich[/URL] ;-)

    (Off Topic) Ist dieses Lied irgendwie zur Zeit besonders populär? Ich musste nämlich kürzlich auch einen Text ausdrücklich auf diese Melodie machen.

    Zitat

    Original von Luckynils
    [...] mir fehlt da auch nix..


    Ich wüsste jetzt auch nicht, was einem da fehlen sollte. Ein paar Millionen Menschen erzählen einander, dass sie a) gerade Kaffee trinken, b) im Zug/auf dem Balkon/auf dem Klo sitzen oder c) ein Buch geschrieben haben. Und du kannst per Mausklick drunter schreiben: Gefällt mir. Ich glaube, das wäre Facebook in Kurzfassung. :grin


    (Und ich verplempere momentan viel zu viel Zeit mit dem Schrott.)

    Hallo!


    Zum Problem der Zuschussverlage ist genug gesagt, denke ich. Ich selbst kann nur zu einem Dienstleister, nämlich BoD - Books on Demand, Norderstedt, etwas beisteuern, weil ich dort tatsächlich Geschichten von mir habe drucken und binden lassen. Das kommt, denke ich, dem sehr nahe, was du mit "Eigenverlag" meinst. Man macht alles selbst, Text, Layout, Buchcover, lädt das Ganze über die BoD-Webseite hoch, und das Buch wird 1:1 so gedruckt, wie du es hochgeladen hast (inklusive aller unkorrigierten Fehler). Geht schnell, ist inzwischen in der "Classic"-Variante kostengünstig (19.- € und 1 Jahr Vertragslaufzeit, bei den Datenhaltungskosten müsste ich jetzt lügen, aber mehr als 1-2 Euro im Monat war das nicht), beinhaltet eine E-Book-Version (ePub und Mobi), entbindet dich von viel Verwaltungskram (ISBN, Belegexemplare an die Staatsbibliotheken, Umsatzsteuer) und deckt - theoretisch - den gesamten Buchhandel sowie bei den E-Books alle wichtigen Shops ab. In jedem Fall bekämst du dort (oder bei einem ähnlichen Dienstleister) ein funktionstüchtiges, buchähnliches Dingens für weit weniger als 3.500 Euro.


    In deinem konkreten Fall würde ich trotzdem abraten. Du möchtest ja, wenn ich richtig verstehe, ein Papp-Bilderbuch machen. Dafür ist BoD in der Grundvariante nicht ausgerichtet; würde sicher gehen, aber dafür müsstest du vermutlich schon ein teureres Paket buchen. Außerdem sind Farbbilder in BoD recht teuer, soweit ich das im Hinterkopf habe, und wirken sich direkt auf den Ladenpreis aus. Der ist ohnehin ein Problem, weil es, wenn ein Buch immer nur einzeln angefertigt wird, kaum möglich ist, die Preise von Büchern zu halten, die in einer Auflage von dreitausend Stück aufwärts erscheinen.


    Ich finde BoD (oder ähnliche Dienstleister) eine tolle Sache für Leute, die gern schreiben und möglichst einfach und schnell mal einen eigenen Text in Buchform in der Hand halten möchten. Sollte es dann irgendwo in Deutschland einen Menschen geben, der sich zufällig auch dafür interessiert (hey, man hat schon Pferde kotzen sehen!), ist das Buch sogar in jeder Buchhandlung bestellbar.


    Dann gäbe es noch eine Möglichkeit, die wahrscheinlich die kostengünstigste ist: du suchst dir eine Druckerei in der Nähe, lässt dort eine kleine Auflage drucken und vertreibst sie ganz eigenständig. Ist allerdings der größte Aufwand für dich persönlich, du musst selbst die Ladenpreiskalkulation durchführen, die Werbetrommel rühren, Bestellungen selbst abarbeiten, die Pakete selbst zur Post tragen, selbst die Mehrwertsteuer abführen und so weiter. In Amazon kämst du wohl nur über den "Market Place" rein. Und wenn ich das richtig sehe, beraubst du dich dabei einer ganz wichtigen Sache, nämlich der "Blick ins Buch"-Funktion. Zumindest ich würde nur in absoluten Ausnahmefällen ein Buch bestellen, in das ich nicht vorher habe hinein schauen können.


    Ein "richtiger" Publikumsverlag ist und bleibt aus meiner Sicht die beste Option.


    Meine 2 Cents ;).

    Ich glaube, Delphins Problem ähnelt meinem. Mein Eindruck ist: Die Literaturkritik steckt, innerhalb des sehr großen Felds "Geschriebenes", aufgrund von uneinheitlichen und für Außenstehende nicht auf Anhieb nachvollziehbaren Vorgaben, ein Terrain namens "Literatur" ab und bestimmt gleichzeitig die Spielregeln, die auf diesem Feld gelten sollen. Diese Spielregeln stehen teilweise im glatten Gegensatz zu dem, was außerhalb des Terrains gilt.


    Ich Doofi sehe schon die Abgrenzungsmarkierungen nicht. Wie soll ich dann wissen, welche Regeln gerade gelten? Darf ich mich ärgern, weil die Syntax aus per Komma aneinander gereihten Fünf-Wort-Parataxen besteht - oder ist das hier gerade "Kunst"?


    Oder, um's anders zu sagen: Ich bin bis heute nicht sicher, ob "Rico Beutlich" mit seinen Betrachtungen zu kleinen, großen und mittleren Regentropfen nicht in manchen Jahren in Klagenfurt einen Preis gewonnen hätte.


    Was sicher mehr (und wenig Erfreuliches) über mich aussagt als über "Literatur".

    Zitat

    Original von Voltaire
    Ist doch eh irgendwie scheissegal was Literatur ist.


    Da hast du eigentlich sicher recht. Aber jetzt habe ich diese Frage nun mal gestellt. Und nun steht sie da: fett, glubschäugig, unbeweglich. (Hach! Ganz die Mama! :grin) Ich glaube, mich fasziniert einfach, wieviel Aufhebens gemacht wird um etwas, das sich nicht mal ansatzweise definieren lässt.


    Was ich in jedem Fall unterschreibe, ist, dass man sich bei der Auswahl seiner Lektüre nicht dreinreden lassen sollte.


    Delphin, lach nicht, aber genau an diese leeren Seiten in einem der Bis(s)-Romane mußte ich an der Stelle denken! Dabei habe ich die Twilight-Bücher gar nicht gelesen, ich hatte nur davon gehört. Der erste Bis(s)-Band kann stolz darauf sein, zu den wenigen Büchern zu zählen, die ich abgebrochen habe.


    Ich möchte ein Buch, das ich begonnen habe, eigentlich immer auch zu Ende lesen.

    Irgendwie drehe ich jetzt zwischen Karl May und Felix Dahn die Hand nicht wirklich um ... mit dem gewaltigen Vorteil für ersteren, dass er sich zu liebenswürdigen Figuren und Humor (auch wenn's kalauernder ist) aufschwingen kann, was letzterem, soweit ich mich an "Ein Kampf um Rom" erinnere, nicht ein einziges Mal geglückt ist.

    Zitat

    Ich lese auch ab und zu in Leseproben von Selbstveröffentlichern rein, da müsste ich mich richtig zwingen, davon ein ganzes Buch zu lesen


    Ich denke, da sinkt die Schmerzempfindlichkeit, wenn man sowas selbst produziert :lache.
    Nein, im Ernst, es gibt ja durchaus Leute, die es "können". Also, zumindest Texte verfassen, die man unfallfrei lesen kann. Vor einer Weile habe ich (Magali wird wahrscheinlich gleich die Augen verdrehen, weil sie den ersten Band schon verrissen hat ;-)), von Anke Höhl-Kayser die "Ronar-Bände" Nr. 2 und 3 gelesen, wenn ich hier mal Werbung machen darf. Und fand sie, jeden auf seine Art, gut. Ich wäre froh, wenn ich so schreiben könnte.


    Und bei denen, die es nicht können (zu denen ich, um das klarzustellen, auch mich selbst zähle), ist es dann eben der Grund, der bei den meisten selbstveröffentlichten Büchern zum Tragen kommt: man liest's nicht wegen des Buchs, sondern wegen des Autors. Weil man ihn "kennt", weil man mit ihm verwandt ist oder sonst aus irgendeinem Grund auf ihn gestoßen ist. Deswegen herrschen in diesen "Autoren"-Gruppen bei FB ja oft so "inzestuöse" Verhältnisse. - Und ja, die Bücher sind oft grottig. Hatte ich jetzt eben erst (und das war sogar ein "Verlags"-Buch). Wortwiederholungen, Grammatikfehler, streckenweise hanebüchener Inhalt. Aber Tatsache ist, über den Autor erfährst du aus solchen Büchern mehr, als wenn im Entstehungsprozess des Buchs noch zwei Lektoren mit eigenen Ambitionen und die Anforderungen eines Verlagsprofils dazwischen geschaltet sind.


    Okay, Exkurs Ende :lache. Irgendwo weiter ober fiel mal das Wort "arrogant". Ich glaube, das hat bei mir viel damit zu tun, warum mir der Begriff "Literatur" solche Schwierigkeiten bereitet. Auf der einen Seite sehe ich natürlich, dass es Bücher gibt, die gehalt- oder bedeutungsvoller sind als andere. Auf der anderen Seite widerstrebt es mir, ihnen einen höheren Wert zuzusprechen.


    Und, was mir sicher Pobleme bereitet: ich kann, zum Beispiel wenn zwei Seiten lang von eins bis hundertzweiundneunzig gezählt wird, oft den Zweck mancher Dinge nicht erkennen, die den Lesefluss hemmen. Vielleicht einfach, weil mir die Kenntnisse dazu fehlen und ich da eine Reminiszenz nicht kapiere, vielleicht auch einfach, weil ich zu doof bin. Und in diesem Fall unterstelle ich dem Buch sofort und unbewußt so etwas wie Arroganz und Hochstapelei. Wir "machen mal einen auf literarisch": Mal' ein paar verbale Kringelchen in den Text und klatsch' 'nen Eimer Farbe drauf, dann kommt's künstlerischer rüber.


    Das ist dem Buch gegenüber unfair, weil sicher ich und mein mangelndes Verständnis der ausschlaggebende Punkt sind. Aber ich merke, wie ich ganz instinktiv so reagiere. Klarer Fall von Selbstschutz: ich bin nicht zu doof. Das Buch ist es. :grin

    * meldet sich zur Stelle *


    Tatort und -zeit dürft ihr festsetzen :-]. Ab 1.07.14 läuft die Leserunde zu "Die Rache des Normannen", die ich auf gar keinen Fall verpassen möchte. Aber "Ein Kampf um Rom" ist ja ein Wälzer, an dem man längere Zeit liest, notfalls würde ich eben um ein bis zwei Wochen hinterher hinken.


    Teja ... Oh ja.


    Edit: Anführungszeichen eingefügt. Weil die wichtig sind.

    Also, bevor das womöglich jemand in den falschen Hals kriegt: die Anspielung auf BoD sollte ein Witz sein. Und zwar auf meine Kosten, bezogen auf meine Scheiberei. Nicht, dass sich jemand auf den Schlips getreten fühlt!


    @ Rumpelstilzchen: Mir geht's immer so ähnlich, wenn meine Kollegin sich einen Kaffee aufbrüht. Ich rieche das auch unheimlich gerne!


    Dann merken wir uns "Das goldene Notizbuch" einfach mal für April vor, oder? Vielleicht hat ja noch jemand Lust, uns Gesellschaft zu leisten?


    Mir ist gerade auch siedend heiß eingefallen, dass ich Maikäfer so halb mal eine Runde Felix Dahn versprochen hatte. Was mich zu einer Frage bringt ... *zu Magali schiel* Öhm... Literatur? Felix Dahn? Nicht, oder? Nee. Kann ich mir nicht vorstellen. Nach keiner Definition. Oder? Hm? :gruebel


    Zitat

    Original von Charlie
    Der literarische Roman weist ueber die Geschichte hinaus, das ist zwar ein bisschen plakativ, aber recht griffig, finde ich.


    Das Witzige (oder Traurige?) ist, dass ich diese Unterscheidung "U" oder "E" eigentlich bei meiner Bewertung von Büchern tatsächlich mache. Allerdings weitgehend ohne Kriterien dafür (die ich als Laie und Nur-Leser wohl auch nicht haben kann). Ich habe dabei tatsächlich nicht mehr als nur diesen Satz: etwas an dem Buch muss größer sein als nur die Geschichte. - Fakt ist, ein Buch wie "Das Schwert des Normannen" (ich hoffe, Ulf Schiewe verzeiht mir, dass sein Buch hier immer als Beispiel herhalten muss!) kann auf meiner Bewertungsskala eigentlich nicht mehr als acht Punkte kriegen. Das ist das Maximum. Damit es mehr werden, muss an dem Buch etwas Besonderes sein. Entweder ein Thema, das ich - aus irgendeinem Grund - für wichtig halte, oder Sprache, die ich - aus irgendeinem Grund - als "schön" empfinde.


    Aber eigentlich hilft mir das nicht weiter bei meinem Versuch, für mich zu definieren, was zum Geier das große L-Wort eigentlich bedeutet :grin. Zumal es mir ohnehin am liebsten wäre, etwas mehr von dem, was anscheinend "literarisch" ist, in der "bloßen" Unterhaltungsliteratur wiederzufinden. Insofern vielen herzlichen Dank für die Lesetipps! Sind notiert! :-)


    Zitat

    Original von Charlie
    Die Lieferung sogenannter Identifikationsfiguren ist zum Beispiel eines, das recht eindeutig auf sog. Unterhaltung verweist. Verfremdungen, die Illusionen (wie sie die sog. Unterhaltung gern erzeugt) im Leser massiv angreifen, unterbrechen oder ganz zerstoeren, verweisen in aller Regel auf sogenannte Hochliteratur.


    An Verfremdungen war das Buch wirklich reich. Bei der Identifikationsfigur würde ich zögern. Es ist ein Ich-Erzähler, ein sehr witziger, altkluger, sympathischer Junge, der Dinge tun und sagen darf, die man vielleicht selbst gern täte oder sagte. Ganz sicher jemand, der zur Identifikation einlädt. Andererseits bin ich nicht ganz sicher, was "Identifikationsfigur" in diesem Zusammenhang bedeutet; ich brauche beim Lesen nicht notwendigerweise eine Figur, mit der ich mich identifizieren kann, aber definitiv eine, die mich fasziniert. Wenn die fehlt, wird es für mich sehr schwierig (wie gesagt, ich bin zunächst mal glasklarer U-Leser :grin).


    @ DraperDoyle: Was den Lesefluss angeht, da bin ich ohnehin eher Langsamleser. Auch bei "bloßer" Unterhaltungsliteratur. Mir sind zum Beispiel (offenbar als einziger Teilnehmerin) auch einige sprachliche Unsauberkeiten in der letzten Leseunde aufgefallen, obwohl ich den Roman sehr spannend fand und ihn begeistert gelesen habe (oder alle anderen waren nur höflicher als ich und haben nichts dazu gesagt ... ist mir immer noch etwas peinlich ...)


    "Mist" literarischer Natur lese ich relativ oft. Teilweise sogar gern. Ich habe eine Schwäche für die "Forgotten Realms"-Romane von R.A.Salvatore, die ich auf englisch lese. Ich lese immer wieder mal Bücher von Autoren-"Kollegen", die ihre Bücher selbst veröffentlicht haben, mit allen gelegentlichen Macken und Schwächen, die das mit sich bringt. Ich komme sozusagen vom entgegengesetzten Ende des literarischen Spektrums. :grin Wenn ich mir mal ein Buch schnappe, das (nach welcher Definition auch immer) unter "Literatur" fällt, muss ich mich aber gewaltig nach der Decke strecken!


    Aber anstrengen ... nee. Also, echt nicht. Da fange ich ja lieber wieder mit der Kaffeetrinkerei an ...

    Zitat

    Original von magali
    keine BoDlerInnen


    Mist! Und dabei war ich so sicher, die Voraussetzung, in hundertfünfzig Jahren tot zu sein, erfüllen zu können ...


    Zum Kaffee: Ich habe jahrelang Kaffee getrunken. Viel, gern, schwarz mit Zucker. Dann habe ich bei meiner jetzigen Arbeitsstätte angefangen. Binnen eines Jahres hatte ich derartige Magenschmerzen, dass mir klar wurde, irgendwas musst du aufgeben. Den Job brauche ich noch, das Betriebsklima wird sich nicht nennenswert verbessern - also weg mit dem Kaffee. Ich trinke ihn allerdings gerne noch, wenn ich irgendwo auf Besuch bin, oder im Café. Als echtes Kolonialwaren-Luxusgut, sozusagen :-).


    Ich stehe dann mal parat für ein weiteres Experiment. Ihr müsst mir nur sagen, was für ein Buch - von alleine werde ich's ja nicht als Literatur erkennen. :wave

    @ Beatrix: Falls das irgendwie falsch rübergekommen sein sollte: ich wollte nicht anzweifeln, dass dieses Buch zur "Literatur" gehört. Im Gegenteil. Ich hab's gelesen, weil ich herausfinden wollte, was "Literatur" ist. Und damit bin ich grandios gescheitert.


    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen
    Doris Lessing vielleicht? Ihre Bücher sind anerkanntermaßen Literatur - und ich habe nie was von ihr gelesen.....


    Ich auch nicht. Hm. "Das goldene Notizbuch" vielleicht? Laut Kurzbeschreibung "ein großes Buch über weibliche Intellektualität" - na, das klingt doch voll nach mir :rofl.


    Übrigens hatte ich deine Frage nach den Anführungszeichen nicht vergessen, @ magali. Ich habe auch gerade im Buch danach gesucht, finde aber die Stelle nicht mehr. Es ging, meine ich, darum, dass es mithilfe der Anführungszeichen nicht möglich ist, etwas gedachtes Nichtgesagtes (oder vielleicht auch Gesagtes und Nichtgedachtes) wiederzugeben. Was im Zusammenhang damit, dass letztlich alles Geschilderte im Zwielicht vager Erinnerungen und Wunschvorstellungen bleibt und nichts "wirklich" ist, Sinn ergibt.


    Es macht es nur nicht besser. :rolleyes


    Und soll ich jetzt eingestehen, dass es bei mir keinen Kaffee gibt? Keine Kaffeemaschine in der Wohnung, keine Kaffeebohne, nicht mal 'ne Filtertüte? Ich glaube, ich halt' einfach die Klappe und verdrücke mich zurück zur "U"-Literatur, wo ich hingehöre ... Was mich eigentlich wirklich interessieren würde, ist die Sache mit Dumas. Kann man sich die Zugehörigkeit zur Literatur "ersitzen"? Wenn ja, wäre ich fast versucht, bei BoD anzufragen, ob ich die Datenhaltungskosten für meine Schreibereien für die nächsten hundertfünfzig Jahre im voraus bezahlen kann ... :engel

    Zitat

    Original von magali


    Warum man sich auf Literatur einlassen soll, muß jede selber wissen. Es war Dein Experiment. Wenn Du es als mißlungen ansiehst, okay.
    [...]
    Deinen Satz, daß Du jetzt ein Buch gelesen hast, das unter Literatur fällt, habe ich nicht kapiert.
    Das machst Du doch öfter. Du hast Austen gelesen und die Brontes, Dostojevsky, Rosendorfer und Kehlmann, Irving und Huxley, Dumas, Hesse, Max Frisch ...
    Literatur.


    Naja. Hauptziel dieses "Projekts" war ja, rauszukriegen, was dieser Begriff "Literatur", in dem Sinn, in dem du und offenbar der Rest der Welt ihn verwenden, eigentlich bedeutet (wenn ich ihn verwende, tue ich das im Wortsinn - alles, was aus Buchstaben besteht). Und woran man sie erkent.


    Von diesem Ziel scheine ich weiter weg zu sein denn je, wenn du mir jetzt sagst, dass ich seit Jahren "Literatur" lese, ohne dass mir das auch nur aufgefallen wäre. Okay, bei Kehlmann hatte ich den leisen Verdacht :grin. Aber Rosendorfer? Rosendorfer mit seinem (von mir heiß und innig geliebten!) bayrisch-barocken Sprachschwulst? Auf die Idee wäre ich nie gekommen. Und - Dumas? Der "Die drei Musketiere"-Dumas? Belanglose Historien-Abenteuer-Schmonzette, nur durch ihr Alter geheiligt? Wird Ulf Schiewes "Schwert des Normannen" in hundertfünfzig Jahren auch zur Literatur zählen, wenn sein Verlag es hartnäckig genug auf die Backlist setzt? ?(


    Okay. Weißt du was, ich nehme dich jetzt mal bei der Hand und wir gehen gemeinsam an meinem Bücherregal entlang. Wenn Irving schon Literatur ist, was ist mit Paul Auster? Eco? Flaubert? (Okay, außer Salammbo habe ich von dem nichts gelesen; der Rest steht da nur zur Zierde.) Die Manns lassen wir mal aus, das kann ich mir selber denken. Thackeray? Arthur Conan Doyle (und ich warne dich,wenn du bei dem "ja" sagst, frage ich als nächstes nach Karl May! :grin)


    Und dann: Moers, Minette Walters, Jonas Jonasson, Dorothy Sayers, Peter Ustinov. Daneben meine geliebten Historienschmöker: Ellis Peters, Robert Gordian, Andrea Schacht. Charlotte Lyne.


    Sorry, falls das jetzt irgendwie unverschämt rüberkommt, aber ich kapier's echt nicht. Was macht ein Buch zur "Literatur"? Wer setzt das fest, und anhand welcher Kriterien? Und ja, ich habe mir den Wikipedia-Beitrag und die stark voneinander abweichenden bis einander widersprechenden Definitionen durchgelesen. (Mein alter Geschichtslehrer hat mal gesagt: wenn man etwas nicht genau definieren kann, hat man keine Ahnung, wovon man redet ...)


    @ Rumpelstilzchen: Falls du das Buch tatsächlich liest, können wir gerne hier weiter diskutieren. Vielleicht bist du ja diejenige, die mir die unverständlichen Dinge erklären kann. Aber noch ein Buch von dem Herrn... nee, ich glaube nicht :grin. Soviel Kultur hält mein armer alter Kopf nicht aus, fürchte ich.


    Zitat

    Original von made
    Bei der Frage, was Literatur ist, komme ich mir manchmal auch recht dumm vor.


    Ich glaube, da können wir einen Club aufmachen ...

    Zitat

    Original von magali
    Schriftstellerinnen diskutieren stets und ständig über Literatur. Über Sprache, über Mittel, darüber, wie man die Grenzen verschieben kann, was möglich ist mit ihrem Werkstoff.


    Das ist vermutlich eine extrem dumme Frage, und ich bitte um Nachsicht, aber: wozu? Was ist der Zweck?


    Wieso ist die Form offenbar wichtiger als die Funktion? (Für zwei Seiten aneinandergereihte Zahlen gibt es echt keine Funktion. Das ist pure Affektiertheit.) Warum Grenzen verschieben um des Grenzverschiebens willen? Um als "intellektuell" zu gelten?


    Und welchen Grund hätte ein ganz normaler Leser, sich "darauf einzulassen"? Mal ehrlich, warum sollte ich? Ich lerne nichts dabei. Ich muss beim Lesen nicht den Verstand anstrengen, höchstens muss ich mich ärgern. Es bringt mir nichts - außer dass ich jetzt bei den Eulen damit angeben kann, ein Buch gelesen zu haben, das unter "Literatur" fällt :grin. Und Angeberei halte ich eher für Ausdruck charakterlicher Schwäche.

    Ich wusste, du würdest so etwas sagen, magali ...


    Aber.


    Der Mann hat ja nun was zu sagen. Wirklich und ehrlich. (Ich meine, dass ist das, was ich mir immer vorwerfe: zu schreiben, obwohl ich nichts zu sagen habe.) Und ich wage zu behaupten, nur durch die Form verliert er Leser. Wie Lumos oder Rumpelstilzchen. Oder auch mich, denn ohne die Löffler-Debatte wäre ich nie und nimmer auf dieses Buch aufmerksam geworden und hätte mich daran gewagt.


    Das ist schade. Das Buch ist ja überhaupt nicht schwer zu lesen. Es ist nur schwer, sich darauf einzulassen.


    Was ich außerdem nach wie vor nicht begreife: die strenge Zweiteilung, die offenbar bei der Einordnung von erzählenden Texten herrscht. Zumindest war das der Eindruck, den ich aus der Diskussion rund um das Interview mit Frau Löffler mitgenommen habe. Entweder Unterhaltungsmassenware, oder Literatur - dann gelten völlig eigene Regeln. Vieles von dem, was Saša Stanišic in seinem Buch macht, hätte mir bei - nur als Beispiel - Ulf Schiewes Normannen-Abenteuerroman auch gefallen. Die kleinen, scheinbar belanglosen Beobachtungen zum Beispiel, die er mit solcher Wucht einsetzt. Ich habe auch ganz und gar nichts dagegen, wenn mir mal etwas anderes vorgesetzt wird als die durchgestylte 0815-Erzählprosa, die ja inzwischen in neun von zehn Romanen fast austauschbar geworden ist.


    Wieso geht nur das eine oder das andere?

    Zitat

    Original von Rumpelstilzchen


    Die Frage, was ist Kunst eigentlich, die kann uns ja auch ganz generell beschäftigen. Josefa, dafür finde ich deine Frage interessant, nämlich, wenn Monet wie Rembrandt gemalt hätte. Dann wäre er sicher ein guter Kopist gewesen. Das halte ich dann eher für ein Handwerk.
    Zur Kunst gehört für mich, etwas Eigenes zu schaffen, nicht mit dem Althergebrachten zufrieden zu sein, sondern neue Einflüsse aufzunehmen.


    Hm. Und wenn jemand heute wie Monet malt - ist er dann nicht auch ein Kopist? Ist es dann nicht gleichgültig, ob er Rembrandt kopiert oder Monet? Und was ist noch "neu" und "eigen" in einem Handwerk wie dem Schreiben, bei dem (heißt es doch immer) alles schon mal dagewesen ist?


    Ah, ignoriert mich :-). Ich drücke mich jetzt schon seit Tagen vor meiner abschließenden Beurteilung des Buchs. Jetzt, wo der Autor auf der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet worden ist, traue ich mich ja gar nicht mehr ran ans Thema.


    Habe ich oben etwas davon geschrieben, daß jeder Erzählfluß konsequent gebrochen wird? Streicht das, bitte. Das im ersten Teil, das war Erzählfluß. Zumindest verglichen mit dem, was im zweiten Teil kommt. Da wechseln wir vom Impressionismus zum Surrealismus. Soweit ich mich an meinen Kunstunterricht noch erinnere.


    Inhaltlich spannt sich der Bogen im ersten Teil vom Tod des Großvaters über die ersten Vorboten des Kriegs und die Eroberung von Visegrad durch serbische Truppen bis zur Flucht des Erzählers Aleksandar mit seiner Familie nach Deutschland. Es sind Erinnerungen eines Jungen an eine verschollene Heimat, die im zweiten Teil, in dem der Erzähler eine Reise nach Sarajevo und Visegrad unternimmt, hinterfragt und angezweifelt werden. Was von dem, an das der Junge sich erinnert, ist Wahrheit, und was nur Wunschtraum, nur eins von jenen vielen unvollendeten Bildern, von denen Aeksandar in seiner Kindheit so viele gemalt hat?


    Das ist toll gemacht. Und an den Stellen, an denen das Buch gut ist, ist es sensationell gut. Die Szenen im besetzten Visegrad schmerzen, so "echt" sind sie. Mir fällt kein besseres Wort dafür ein.


    Und dann ... ja, dann gibt es eben solche Seiten wie die von 179 bis 181. Wo gezählt wird, wieviele Kopfbälle ein lokaler Fußball-Nachwuchsstar während einer Wette mit den Schuljungen machen kann. Einfach nur gezählt, auf fast zwei Seiten. Von "eins" bis "hundertzweiundneunzig". Oder die Seiten, auf denen der Erzähler, mit leicht abweichendem Wortlaut und langsam steigendem Alkoholpegel, fünfmal hintereinander wahllos Nummern in Sarajevo anruft, um sich nach dem Schicksal eines Mädchens zu erkundigen, von dem nie ganz klar wird, ob es überhaupt existiert hat.


    Kunst? Ich vermute es, da ich es nicht kapiere.


    Dass mir viele Dinge unklar blieben (die Rolle "Onkel Mikis" - ist er identisch mit "General Mikado" während des Fußballspiels, oder wird er zumindest durch ihn symbolisiert?) hat sicher auch mit meinen mangelnden Hintergrundkenntnissen zum Bosnienkrieg zu tun. Das kann man dem Autor also nicht vorwerfen.


    Gerade im zweiten Teil bleibt vieles unklar. In manchen Szenen ist nicht zu entscheiden, ob es sich um Erinnerungen Aleksandars handelt, um seine Vorstellung bestimmter Szenen oder um Bilder, die nur symbolisch für das Kriegsgeschehen stehen sollen. Damit habe ich weniger Probleme; gerade die letzte Szene, die Totenfeier an Opa Slavkos Grab mit den Urgroßeltern gefielt mir sehr gut. Das Fußballspiel ging mir unheimlich nahe.


    Um eine Rezension werde ich mich in jedem Fall drücken :grin. Ich fühle mich nicht kompetent, eine abzugeben. Gefallen hat es mir in Summe gut; es stellt den Leser vor keine besonderen geistigen Herausforderungen und ist in weiten Passagen hervorragend geschrieben. Mit dem großen Abstrich der oben genannten Beispiele. Davon kam mir, mit Verlaub, etliches wie völlig überflüssige Effekthascherei vor.


    Was ich noch immer nicht ganz verstehe - warum darf jemand, der so großartig erzählen kann, das in dieser "Literatur" nicht einfach tun? Das Buch könnte m.E. sehr viel leichter zugänglich sein, ohne von seinem Wert zu verlieren. Und Lumos und Rumpelstilzchen bräuchten viel weniger Angst Respekt vor der Lektüre zu haben.