Nix Kaffee, aber schwarzer Tee.
Heute war zwar ein ähnlicher Tag wie gestern, aber ich möchte jetzt zumindest kurz etwas zum blauen Notizbuch sagen, bevor ich anfange, die Abschnitte durcheinander zu bringen. Die Klammer, die diesen Part zusammenhlt, sind die Psychotherapie-Sitzungen bei Mrs. Marks. Wurde eigentlich irgendwo mal erwähnt, weshalb Anna da eigentlich hingegangen ist? Also, was konkret sie verarbeiten wollte, falls es so etwas gab? - Mrs. Marks reitet wieder auf dem Problem des "Künstlertums" herum. Das verstehe ich - mal wieder - absolut nicht. Weshalb ist es für die Therapeutin so bedeutend, dass Anna Künstlerin ist? Anna selbst hält es für unwichtig. Mrs Marks möchte sie unbedingt wieder zum Schreiben bringen und hält anscheinend die seelischen Probleme Annas für ein sekundäres Symptom ihrer Schreibblockade. (Oder anders rum?)
Bin ich überkritisch, wenn ich in diesen seltsamen Dialog auch wieder einen Hauch (Klassen?-)Arroganz hinein lese? Die Frau ist Künstlerin, da kommt das seelische Bauchweh natürlich nicht von den geistigen Darmwinden, wie sie das reguläre Publikum ab und zu so hat Eine ähnliche Passage findet sich auch in "Ungebundene Frauen 2", wenn Anna zugibt, Tommy für "gewöhnlich und zweitklassig" gehalten zu haben. - Was wäre dann bitte "erstklassig"? Jemand wie Anna, der den Tag damit zubringt, in Notizbücher zu schreiben, eher aus Gewohnheit ihre Tochter zu versorgen (die eine erstaunlich kleine Rolle bisher in diesem Buch gespielt hat), Zeitung zu lesen und über oben erwähnte geistige Darmwinde in Hysterie zu verfallen?
Das blaue Notizbuch endet mit einem Traum Annas, in dem sich ihr Seelenleben (verkörpert in ihrem schriftstellerischen Schaffen, ihrem Streben und Scheitern, für das sich niemand interessiert und das niemand wirklich versteht) in ein boshaftes kleines grünes Krokodil verwandelt.
Mein Eindruck bisher: wir haben drei Ebenen in diesem Roman. Die politisch-gesellschaftliche, verkörpert durch die kommunistische Idee mit all ihren Facetten und Auswirkungen. Dann eine sehr persönliche, die einer alleinstehenden Frau, die wie alle wenigstens insgeheim dem großen Phantom der Liebe nachspürt. Und die Sache mit der Kunst. Von der ich vielleicht allmählich verstehe, wie sie mit letzterer zusammenhängt: wer schreibt, sucht Anerkennung. Will geliebt werden.
Dann folgt der Abschnitt "Ungebundene Frauen" 2. Der mit einem ziemlichen Paukenschlag endet, den ich am liebsten ausgesprochen zynisch kommentieren würde, weil mir eigentlich das Einfühlungsvermögen (im Wortsinn - ich kann nicht das fühlen, was die Figuren fühlen) ins Geschehen fehlt. Wenn ich versuche, mich drauf einzulassen, bleibt das rein auf "Kopf"-Ebene.
Da ist erst mal Tommys Gespräch mit Anna. Wieder wirft er ihr Verantwortungslosigkeit vor. Weil sie sich aus jeder Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Weil sie die kommunistische Ideologie (ist es okay, wenn ich es ihre "Ersatzreligion" nenne?) aufgegeben hat. Sie hat den Glauben verloren, oder zumindest den Elan, etwas ändern zu können. Und das wirft Tommy ihr vor.
Aus Tommys Sicht haben ihm seine Eltern beide Möglichkeiten verbaut: er weiß zu viel und hat zu viel von Annas und Mollys Ideen aufgeschnappt, als dass er sich noch von seinem Vater für eines jener "Charity"-Projekte einspannen ließe, das irgendeine Firma dazu benutzt, Steuern abzuschreiben und sich einen guten Namen zu machen. Aber er hat keinen alternativen Lebensplan, weil Anna und Molly keinen haben. Am gesellschaftlichen Umbruch arbeiten kann er nicht mehr, die kommunistische Revolution hat sich längst selbst korrumpiert und zerstört.
(Und 'ne Ecke kleiner denken als "wir retten die Welt", das geht natürlich nicht.)
Dann kommt Marion, Richards leidgeprüfte Gattin, stockbetrunken vorbei, um zu prüfen, ob Anna was mit dem Göttergatten hatte. Ich gestehe, das waren bisher die Abschnitte, mit denen ich am meisten anfangen konnte, weil sie mir so bekannt vorkamen. "Du hast's gut", sagen die verheirateten und/oder geschiedenen Damen dann zu der unverheirateten, der übriggebliebenen. Der, die keiner wollte und über die man sich hinter ihrem Rücken das Maul zerreißt. "Du hast's gut, du bist allein." - Kenne ich alles. Annas Reaktion darauf stört mich etwas, dieses beschwörende "Ich wäre gern verheiratet. Ich lebe nicht gern so." Aber vielleicht gesteht sie sich da auch mehr ein als ich, immerhin ist Selbstbetrachtung offenbar ihre Hauptbeschäftigung.
Mehr fällt mir im Moment nicht ein. Außer, dass ich mich schwer an den "Fänger im Roggen" erinnert fühle: ich nicke eigentlich beständig und denke, oh, ja, hübsch beobachtet. Aber es lässt mich mit einem Achselzucken zurück.