Handlung:
Einige Jahre nach den Ereignissen von "Stolz und Vorurteil" leben Darcy und Elizabeth glücklich und zufrieden auf Pemberley. Sie haben zwei Söhne, führen eine harmonische Ehe und werden von einer Heerschar an Dienerschaft umsorgt, die ihren ganzen Stolz daraus zieht, zu Pemberley zu gehören. Diese Idylle wird jäh gestört durch Lizzys Schwester Lydia, die jetzige Mrs. Wickham, die in einer stürmischen Nacht uneingeladen vorfährt und hysterisch um Hilfe fleht - ihr Mann, George Wickham, sei ermordet worden. Bei der nachfolgenden Suche im Forst von Pemberley findet man Wickham freilich noch sehr lebendig, aber blutüberströmt über die Leiche seines Freundes und ehemaligen Kriegskameraden Denny gebeugt. Ist das, was der betrunkene Wickham von sich gibt, nämlich daß er seinen Freund umgebracht habe, ein Mordgeständnis?
Persönliche Meinung:
Gleich am Anfang legt P.D.James Jane Austen einen Satz in den Mund, den diese vielleicht angesichts dieses Krimis geäußert haben würde: "Wäre es wirklich mein Wunsch gewesen, bei derart verabscheuungswürdigen Themen zu verweilen, so hätte ich die Geschichte selbst geschrieben, und zwar besser."
Dem ist eigentlich nicht mehr viel hinzuzufügen.
Ich war also, unschwer zu erkennen, nach der Lektüre enttäuscht. Wobei das vielleicht eine ganz übliche Reaktion auf Fanfiction ist, die mit einem kaum erreichbaren Original wetteifert. Zum Teil mag es an falschen Erwartungen meinerseits, zum Teil auch an meinen Englischkenntnissen liegen (oder vielmehr dem Mangel daran), daß ich mit diesem Buch nicht recht warm werden konnte.
Aber nicht ausschließlich.
Natürlich verstehe ich, daß der Stil eines Krimis anders sein muß als der eines Liebesromans (falls man "Pride and Prejudice" so nennen will). Aber gerade die Leichtigkeit des Stils, der Witz und die eingestreuten Bissigkeiten sind es, die für mich den Reiz an Jane Austens Romanen ausmachen. Soweit ich mich an eine kurze Begegnung mit P.D.James' "Dagliesh"-Reihe erinnere, ist solche Leichtigkeit nicht wirklich typisch für diese Autorin. Daß grundsätzlich auch ein Krimi humorvoll und spritzig daherkommen kann, sieht man aber an Dorothy Sayers oder Martha Grimes' frühen Inspector-Jury-Krimis. In diesem Buch hätte ich mir viel mehr davon gewünscht. Es gab kleinere Ansätze, aber der Großteil des Buchs verharrt in einer schwermütig-dumpfen Stimmung, die vielleicht dem Sujet des Romans angemessen ist, aber nicht dem Vorbild. Da die Autorin nun einmal das "Jane Austen"-Etikett auf diese Geschichte geklebt hat, muß sie auch mit den Erwartungen rechnen, die dadurch beim Leser geweckt werden.
P.D.James nimmt also die altbekannten Figuren aus P&P und setzt sie in einen ganz typischen Krimi, der auch wie ein ganz typischer Krimi erzählt wird. Mit Ausnahme von zwei Passagen: der Anfang, in dem die Ereignisse aus "Stolz und Vorurteil" und die weiteren Begebenheiten bis zum Einsetzen der eigentlichen Handlung zusammengefaßt werden, und der Epilog, der im wesentlichen aus einem Gespräch zwischen Darcy und Elizabeth über ihre Beziehung und die Fehler der Vergangenheit besteht. - Leider hat der typische Krimi-Aufbau Folgen. Mit der Erzählweise Jane Austens, auch mit zeittypischen sozialen Verhältnissen läßt er sich kaum vereinbaren. Typisch für Austens Romane ist ja z.B. die strikte Trennung von männlicher und weiblicher Lebenswelt. Was die Herren bei Zigarren und Wein besprechen, wenn die Damen sich schon in den Salon zurückgezogen haben, das bleibt für die weiblichen Figuren in Austens Büchern (und für den Leser) immer ein Geheimnis. In diesem Krimi werden, vielleicht notwendigerweise, dagegen Themen in Gegenwart von Damen angesprochen, die man wohl als ausgesprochen unschicklich empfunden hätte in einer Zeit, in der selbst die Zeitungslektüre den Frauen des Haushalts vom Familienvorstand gestattet werden mußte. Auch den häufigen Perspektivwechsel empfand ich als problematisch, zumindest als fremdartig und unpassend. Zum Beispiel wird da ein ganzes Kapitel aus der Sicht eines Dienstboten (!) berichtet.
Überhaupt, die Dienstboten. Bedienstete tauchen bei Jane Austen fast nur als schemenhafte Gestalten im Hintergrund auf, sind kaum mehr als Hände in weißen Handschuhen, die Suppenteller auf Tischen abstellen; in diesem Krimi nehmen sie und ihre Probleme dagegen breiten Raum ein. (Und wenn ich mir anschaue, was die Haushälterin auf Pemberley zu ihrer Herrin sagt: "I suggest you go to the living room" - ich vermute, für so einen Satz wäre sie damals hochkant rausgeflogen. Von sich aus vorzuschlagen hatte eine Bedienstete ihrer Herrschaft gar nichts.)
Bei den Hauptfiguren fehlte mir viel von deren typischen Eigenschaften aus P&P. Jane und Bingley waren ganz ihr liebenswürdiges Selbst, aber Elizabeth, meist in eine Nebenrolle verbannt, habe ich kaum wiedererkannt. Kaum etwas geblieben von ihrer fröhlichen Spottlust. Colonel Fitzwilliam, aufgestiegen in der Familienhierarchie, erschien moralisch weit fragwürdiger als bei Jane Austen. Der Großteil des Buchs wurde aus Darcys Sicht geschildert, auch das reichlich ungewohnt. Daß Darcy zu Grüblerei und Selbstzerfleischung neigt, kann man sich aber immerhin vorstellen. Lydia benahm sich gegenüber Elizabeth in einer Art und Weise, die sich jemand, der von den finanziellen Zuwendungen des Betreffenden abhängig ist, kaum erlauben dürfte.
Dazu kamen dann noch die üblichen Probleme, die ich beim Lesen gerne mal mit historischen Krimis habe, wenn mich das Gefühl beschleicht, hier werden einfach die Arbeitsweisen der heutigen Polizei zurückdatiert und mit den damaligen technischen Möglichkeiten abgeglichen. Soweit ich weiß, spielen Jane Austens Romane in einer Zeit, in der so etwas wie systematische Ermittlungsarbeit überhaupt erst im Entstehen war und es eine Polizei im heutigen Sinn noch nicht gab. Aber gut, ich bin kein Historiker; vielleicht liege ich da falsch. Die Art, wie der Leser z.B. darüber informiert wird, daß es zur damaligen Zeit noch nicht möglich war, Blut genauer zu analysieren, kam mir doch recht - ich glaube, der englische Ausdruck wäre "ham-handed" vor.
Schlimmer fand ich die Ungereimtheiten in der Handlung. Nicht nur, daß man als Leser schon sehr früh auf die richtige Fährte gesetzt wird, einfach nur durch das, was geschildert wird. Da wird auch mehrmals etwas wiederholt, was schon an anderer Stelle gesagt worden ist. Sowas ärgert mich immer, weil es mir vorkommt, als ob mir der Autor nicht zutraut, mir etwas über hundert Seiten weg zu merken. Ob das - ebenfalls mehrfach ausgebreitete - Familienhistörchen um Großvater und Hund im Wald unbedingt nötig gewesen wäre, weiß ich auch nicht. Als Hintergrund für Darcys Charakter, falls es das sein sollte, war es mir zuviel Küchenpsychologie.
Und dann gibt es noch die unlogischen Dinge.
Lydia fällt zu Beginn des Buchs nur deshalb in Panik, weil sie Schüsse hört. Das Mordopfer ist aber erschlagen worden - und niemand wundert sich? Die Schüsse werden im Laufe der Ermittlungen buchstäblich vergessen, bis zur Aufklärung am Ende. Lydia sitzt die ganze Zeit mit dem späteren Mordopfer und dem potentiellen Mörder in der Kutsche - und wird nicht einmal befragt? Sie tritt auch im Prozess nicht als Zeugin auf, warum nicht? Sie hätte ihren Mann doch entlasten können.
Wobei ich, gerade bei den unlogischen Elementen, gerne glauben will, daß ich einfach nur Dinge überlesen oder mißverstanden habe. Wie gesagt, mein Englisch ist nicht so besonders. Nachdem man sich im Zweifel für den Angeklagten entscheiden soll, kriegt das Buch einen Punkt mehr, als ich ihm nach meinem ersten Eindruck zugestanden hätte. Das wären dann sieben. Damit befindet P.D.James sich in guter Gesellschaft: Joan Aikens "Jane Fairfax" fand ich auch schon nicht besonders.