Zitat
Original von made
22. Gesang
Schon seltsam, dass man zum Büßen der Schwelgerei sich dort aufhalten muss, wo andere ihren Geiz beweinen.
Das hat System. Sünden, die auf dieselbe Ursache zurückgehen (hier: Maßlosigkeit im Umgang mit Geld), werden immer gemeinsam gebüßt. Das war ja auch unten in der Hölle schon so: die Trägen und die Jähzornigen gemeinsam im Sumpf, die Verschwender und die Geizigen in einem gemeinsamen Höllenkreis, wo sie Lasten schleppen und dabei ständig aufeinander prallen.
Was mir am gesamten Fegefeuer am besten gefallen hat, war das Aufeinandertreffen der beiden Dichter: Statius (bei Dante ein heimlicher Christ und deshalb im Fegfeuer) trifft, ohne daß ihm das klar ist, auf sein großes Idol und Vorbild Vergil. Von Vergil fliegt ein äußerst sprechender Blick ("Schnauze!") zu Dante, und der kann sich das Grinsen nicht verkneifen. So daß Statius erst recht aufmerksam wird und ein peinlich berührter Vergil sich nun doch huldigen lassen muß.
Leider verläßt Vergil uns kurz darauf, denn jetzt zieht mit Pauken und Trompeten die lang Ersehnte und Erwartete ein: Beatrice. Bei ihrem Einmarsch in den Garten Eden mußte ich an die Szenen denken, wenn in den Asterix-Comics Kleopatra auftrat ("Laßt euch nicht stören, ich bin ganz inkognito hier".) Vor der Verschleierten tanzen, marschieren und psalmodieren die sieben Tugenden (vier weltliche, drei geistliche), die vierundzwanzig Bücher des Alten Testaments, die vier Evangelisten in Tiergestalt, und der Greif, der ihren Wagen zieht, ist das Sinnbild für Christus selbst. - Feuerwerk und Konfetti-Parade waren noch nicht so weit vebreitet, sonst hätten wir das bestimmt auch gekriegt.
Dante im Garten Eden guckt erst mal genauso verdattert wie ich beim Lesen, schaut hilfesuchend zu Vergil und stellt fest, daß der weg ist. Ohne ein Wort des Abschieds. Das Letzte, was wir von ihm gesehen haben, war das wehmütige Lächeln, als Matelda erklärt, in ihren Beschreibungen von Elysium und Olymp hätten die antiken Dichter eine Ahnung von der Existenz des göttlichen Paradieses erhalten.
Dante heult. Ich heule mit. Ich mochte Vergil. Und die Tussi da oben auf dem Wagen ist kein adäquater Ersatz!
Als Erstes wird Dante erst mal zusammengestaucht, weil er Vergil vermißt, anschließend muß er seine Sünden bekennen, insbesondere seine Untreue ihr gegenüber. Meine Begeisterung für Fräulein Beatrice ist abgekühlt auf ein Temperaturniveau, bei dem Luzifer ganz schön mit den Flügeln flattern muß.
Okay, mal wieder ernsthaft. Sooo doof bin ich gar nicht. Mir ist schon klar, daß "Beatrice" hier (u.a.) symbolisch steht für die Liebe zu Gott, daß hier also, in wohl typisch mittelalterlicher Art und Weise, das Motiv des Minnedienstes übertragen wird auf die Verehrung Gottes. Mit dieser Übertragung habe ich allerdings gewaltige Schwierigkeiten. Wahrscheinlich habe ich dafür einfach das falsche Geschlecht.
Tut mir auch leid, daß ich so lange schweigsam war und dich deinem einsamen Selbstgespräch überlassen habe, made. Aber unter der Woche komme ich oft nicht dazu, längere Texte zu posten. Nächste Woche fange ich mit dem Paradies an.