Beiträge von Josefa

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    Original von JustMeNico
    Ich habe seit Wochen, Monaten wenn nicht sogar Jahren ein agressive Abneigung gegen das Wort "gen".
    Ich weiß nie, ob das ein Dialekt, eine Neuerfindung, eine Abkürzung ist oder was das Wort überhaupt bedeutet.


    Es ist, glaube ich, ein heute veraltetes und ungebräuchliches Wort für "in die Richtung von". Also zum Beispiel "gen Westen", "gen Jerusalem" oder "gen Himmel". Ich kenn's am ehesten aus alten Kirchenliedern. ;-)


    (Neugierdehalber: wo findet sich das Wort denn so häufig? Fantasy oder historische Romane könnte ich mir vorstellen, aber sonst ...)

    Ich kann nichts zu der Motivation sagen, die Verleger, Lektoren und professionelle Autoren antreibt, weil ich davon keine Ahnung habe. Wie wahrscheinlich die meisten Nur-Leser.


    Was ich sagen kann und ausdrücklich sagen möchte: diese Geschichte ist nicht seicht. Ganz bestimmt nicht. Eine Sache, die ich unheimlich bewundere: wie weit du dich auf deine Figuren einläßt, Charlie. Da, wo du anfängst, über sie nachzudenken und mit ihnen mitzuempfinden, hätte ich schon zehnmal aufgehört und wäre zurückgeschreckt, weil es mir zu weh täte. Und das ist bei "Kains Erben" nicht anders als bei den Glocken von Vineta oder bei Glencoe.


    Was tatsächlich anders ist, ist die Sprache. Es gab ein paar Stellen (nicht unbedingt in diesem Abschnitt, sondern im nächsten - da bin ich aber noch nicht ganz durch), an denen ich mir gedacht habe: da wird mir jetzt wirklich etwas vorgekaut. Also, etwas wird in sehr klaren und deutlichen Worten gesagt, ohne daß ich es mir erarbeiten muß. Nun bin ich jemand, der gerade diese Sogwirkung deiner Sprache (ich weiß nicht, wie ich das sonst ausdrücken soll) und die Bildmalerei darin sehr mag. Ich trau's mich gar nicht laut sagen, aber ab und zu mag ich es sogar, wenn ich mein Hirn bemühen muß :grin. Insofern: ja, da habe ich wirklich etwas vermißt. Aber natürlich, wenn du für einen Leser, der etwas vermißt, fünf andere gewinnst, die das Buch sonst womöglich weggelegt hätten, dann ist klar, wie die Entscheidung lauten muß.


    In jedem Fall hoffe ich sehr, daß die Geschichte dadurch sehr viele neue Leser gewinnt. Verdient hat sie es auf alle Fälle.


    Mit dem Namen "Vyves" habe ich übrigens auch ein Problem, allerdings ein ganz anderes: ich will es immer "wief" aussprechen. Und "wief" bedeutet hier im Dialekt soviel wie "abgefeimt", "ausgefuchst", "durchtrieben". Das paßt so gar nicht zu dem demütigen Vyves ...

    Wenn Abel wirklich noch mal auftaucht, dann aber hoffentlich in einer Rolle, in der man ihn nicht erwarten würde. - Eigentlich mag ich es gar nicht, wenn eine Story solche Volten schlägt. Abels Tod (auch wenn sie sich nicht daran erinnern will) hat Amicia entscheidend geprägt. Das einfach wieder zurückzunehmen, indem man den Totgeglaubten wieder aus der Mottenkiste hüpfen läßt - hoppsassa, da hast du ihn wieder, na siehst du, alles nicht so schlimm - nee, sowas mag ich nicht. Sowas würde Charlie auch nicht mit ihren Lesern machen, glaube ich ^_^.


    Die Figuren sind für mich bisher auch noch überraschend leicht "einzuordnen", jedenfalls leichter als bei "Glencoe" und bei "Vineta": Amicia als positive Hauptheldin, Matthew (von dem ich jetzt mal annehme, daß er mit am Überfall beteiligt war) als Semi-Bösewicht, der vermutlich im Laufe der Geschichte geläutert wird und eigentlich selbst mehr Opfer als Täter ist, und im Hintergrund die eigentlichen Kontrahenten Adam, Isabell und Cyprian. Wahrscheinlich werden sich da bei mir, wie immer bei Charlottes Romanen, noch etliche Male die Vorlieben verschieben.

    Eigentlich fand ich das Ende sehr gut - die Unfaßbarkeit Gottes. Sogar ein Mensch, der Gott geschaut hat, kann das, was er erlebt hat, mit seinem menschlichen Verstand nicht mehr nachvollziehen.


    Was die Dinge angeht, die sich anscheinend in Jahrhunderten nicht ändern: ich habe an ein paar Stellen wirklich lachen müssen. Da gab's doch irgendwo im Fegfeuer die Stelle, an der Dante über den "dolce stil nuovo" referiert und einen Dichter erwähnt, den die Leute seiner Meinung nach nur deshalb über den grünen Klee loben, weil sie ohne nachzudenken die Meinung anderer Leute nachplappern. - Anscheinend gab es sogar im Mittelalter schon "gehypte" Bestseller. Würde mich wirklich interessieren, was Dante zum modernen Buchmarkt zu sagen hätte. :lache


    Wenn wirklich die gesamte Menschheit aus gleichermaßen "lauen" Charakteren bestünde, wäre es vielleicht in Ordnung. Im Ergebnis, für die einzelnen Menschen und ihr Leben wohl nicht. Es wäre wohl sehr inhaltsleer.
    Aber ein Ausreißer genügt vermutlich in so einer Umgebung. Einer, der sich hinstellt und fragt "Wollt ihr den totalen Krieg?" und die Leute mitreißt. Und so einer findet sich immer.

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    Original von made
    Ich glaube, für mich ist das jetzt erledigt. Da steh ich nun ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor.


    Hattest du mit etwas Anderem gerechnet? - Soweit es die Glaubensfragen angeht, ist mir beim Lesen am meisten aufgefallen, wie weit diese mittelalterliche Glaubenswelt in einigen Punkten doch von dem bayrisch-barocken Post-2.Vaticanum-Katholizismus entfernt ist, mit dem ich aufgewachsen bin.
    Jeder, der glaubt, steckt doch mit beiden Beinen fest im Matsch seiner Welt. Da kann er den Hals noch so lang machen und Richtung Himmel strecken.


    Also, ich bin seit Donnerstag auch durch und gebe dann hier mal meinen Abschlußbericht. Dante kommt, gezogen von Beatrices unvergleichlicher, in Worten nicht auszudrückender und dennoch permanent gerühmter Schönheit, im Himmel an und wird erst mal von Petrus, Jakobus und Johannes examiniert, ob er seinen Katechismus auch beherrscht. Tut er natürlich, und wie. Ein Bibelzitat jagt das nächste. Ich mußte da ständig an Tom Sawyer denken, wie er seine Bibelspruchzettel eintauscht ...


    Witzig fand ich auch die Strafrede gegen die Prediger, die sich auf der Kanzel über solche Nichtigkeiten wie eine naturwissenschaftliche Erklärung für die Lichterscheinungen zu Christi Geburt auslassen. Während Dante selbst eifrig darauf eingeht, in welcher Reihenfolge denn nun die Engelschöre rund um Gottes Thron angeordnet sind. :rolleyes


    Mehrmals angesprochen und immer wieder betont - ich schließe daraus jetzt mal: auch für Dante und seine Zeit nicht unproblematisch - wird die Frage der "Gnadenwahl": wer schafft's noch auf die wenigen freien Sitze im Himmelreich, und wer nicht? Hier wird auch klar gesagt, daß die Menschen sich hüten sollten, Gott vorzugreifen - Gott ist die Gerechtigkeit selbst, und er allein weiß, wie es um die Reue eines Menschen bestellt ist und wer trotz aller Sünden ins Paradies aufgenommen werden kann.
    Demzufolge hätte Dante allerdings sein Inferno gleich wieder streichen können ...


    Auch wenn ich auf etliche Stellen spöttisch reagiert habe: es war an vielen Stellen tatsächlich eine "besinnliche" Lektüre, und ich bin echt froh, durchgehalten zu haben. Und sei es nur, weil man sich in eine völlig fremde Denkweise einarbeiten und dadurch ein Stückchen weit das Hirn bemühen mußte.


    Am Schluß natürlich die Frage aller Fragen: Wo würde ich mich selbst einordnen auf Dantes Skala von Himmelsrose bis Luzifers Fänge? - Das war mir eigentlich schon ziemlich am Anfang klar: Vor dem Höllentor, an der Wetterfahne bei den "Lauen", die sich weder zu richtiger Bosheit noch zu richtiger Güte haben aufraffen können und von jedem neuen Windstoß in eine andere Richtung geblasen werden. Ich vemute, der größte Teil der heutigen Menschheit würde dort landen.


    Nettes Detail am Rande: Anfang der Woche haben wir uns die derzeit laufende Ausstellung in der Hypo-Kunsthalle München angesehen: Pracht auf Pergament, mittelalterliche Buchmalerei. In einem der Codices war eine Darstellung der Weltkugel, wie sie auch Dante vorschwebt: Die obere Hälfte bewohnt mit Jerusalem im Mittelpunkt, die untere leer. Nur Höllenkrater und Läuterungsberg haben gefehlt ;-).

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    Original von Mulle
    Das ist aber anders. [...] Kains Erben ist viel "weniger belastend". Alles ist viel klarer formuliert, wodurch es durchschaubarer wird, "leicht wegzulesen", es geht weniger tief rein.
    Mir tut das (im direkten Vergleich) ein bisschen leid. Aber ich weiß auch, dass ich ein Leser mit sehr abweichendem Geschmack sein kann.


    Danke, daß du das geschrieben hast, ich hätte es mich wahrscheinlich nicht getraut. Das waren genau meine ersten Eindrücke, zumindest beim Prolog. Das war irgendwie so ... history-romanmäßig durchgestylt. (Gut, ich dachte erst, es kann auch am direkten Kontrast zu meiner vorherigen Lektüre liegen, Dantes "Göttlicher Komödie" :grin.)


    Inzwischen hat sich dieser Eindruck aber gegeben. Eigentlich, sobald Magdalene auf den Plan trat. Diese Figur gefällt mir sehr.

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    Original von Rosha
    Sind nicht manche Genres besonders gut dafür geeignet, der Wirklichkeit zu entfliehen? Zum Beispiel Liebesromane oder Fantasy?
    Oder hat es vielmehr mit dem Lesenden selbst zu tun, wie tief er bereit ist, abzutauchen?


    Vermutlich ist es bei "seichter" Lektüre (aus allen Genres) leichter, sich komplett darin zu versenken, als bei einem wissenschaftlichen Kommentar. Aber möglich ist es, denke ich, bei jeder Art Lektüre. Soll ja auch Leute geben, die sich bis über beide Ohren in Arbeit stürzen, um nicht über familiäre Probleme nachdenken zu müssen.


    Ich würde es jetzt mal so sagen: Zum "Eskapismus" wird das Abtauchen in die Phantasie doch erst, wenn der Leser dadurch tatsächlich vor etwas in seinem wirklich Leben davonläuft und sich dauerhaft diesen Problemen nicht stellt. Erst dann kann man von einer Flucht sprechen.


    Für mich hängt es weniger vom Genre ab als von der Motivation des Lesenden.

    Ja. Kann schon sein. Kenne ich zumindest bei mir.


    Die Frage, die hier ja schon deutlich anklang, ist doch eher: Ist das etwas Negatives? Und die läßt sich wohl nur für den Einzelfall beantworten. Wenn die Flucht in eine andere Realtät mir hilft, meiner angekacksten Psyche eine Atempause und meinem ausgepowerten Selbst die Kraft gibt, mich nach dem "Auftauchen" die realen Probleme wieder anzugehen, dann ist sie doch im Gegenteil hilfreich?

    Genau auf das Beispiel hatte ich eigentlich auch im Text gewartet. Würde mich wirklich interessieren, wie schwer oder leicht die damalige Zeit eine Vergewaltigung einschätzte und wie die Rolle des Opfers.
    Bei den Nonnen lag der Fall aber wohl anders. Da scheint es sich um Angehörige vornehmer Familien gehandelt zu haben, die ihrer Verheiratung unter dem Druck der Verwandtschaft zustimmten, aber womöglich - hätten sie den unweigerlichen Skandal und womöglich harte Bestrafung riskiert - sich dagegen hätten zur Wehr setzen können. Und eben daß sie das nicht getan haben, wird ihnen ziemlich unbarmherzig zum Vorwurf gemacht.
    (Detail am Rande: laut Kommentar gab es von der Nonne Piccarda eine Legende, nach der sie so inständig um Bewahrung ihrer Jungfräulichkeit gebetet habe, daß sie kurz nach ihrer Heirat bereits erkrankt und - noch immer jungfräulich - verstorben sei. Diese Entführung scheint damals etlichen Aufruhr verursacht zu haben.)

    Ich dachte zum Beispiel an die Szene mit den Nonnen, die man gezwungen hatte, entgegen ihrem Gelübde zu heiraten. Da scheint sich ja auch für Dante zunächst mal die Frage zu stellen, wie "sündhaft" ist das denn gewesen, also: wieviel persönliche Schuld muß man den Frauen beimessen, und inwieweit ist ihr Verhalten durch die Umstände entschuldbar? Dieselbe Frage muß sich in jedem Gerichtsprozeß der vorsitzende Richter stellen. Beatrice beantwortet die Frage sehr radikal, mit dem Verweis auf den freien Willen des Menschen.


    Das wäre auch gleich noch so ein Thema, das immer wieder angeschnitten wird und anscheinend die Leute damals beschäftigt hat: freier Wille gegenüber Determinismus (zum Beispiel durch den Einfluß der Sterne, aber auch durch die Vererbung). Ich kenne mich da viel zu wenig aus, aber meines Wissens ist doch genau diese Frage (gibt es so etwas wie einen "freien Willen", oder ist das eine Illusion? Könnte man die Zukunft, entsprechend genaue Daten vorausgesetzt, exakt voraussagen?) bis heute unter diversen philosophischen Schulen, unter Biologen und Naturwissenschaftlern umstritten.


    Und was implizit behandelt wurde, eigentlich nur ganz "leise": die Frage nach der göttlichen Vergebung. Gleich in zwei Himmeln finden sich Personen, die nach "irdischer Einschätzung" wohl in die Hölle gehört hätten: In der Venus Cunizza da Romano, eine berühmte Lebedame ihrer Zeit, und in der Sonne Siger von Brabant, dessen Lehre von der Kirche als ketzerisch verurteilt worden war.


    Womit ich furchtbare Probleme habe, jedesmal wieder, wenn's aufs Tapet kommt, ist Dantes politisches Programm. Wenn nur endlich der richtige "Macher" auf den Kaiserthron käme, der alles wieder gerade rückt.
    Ja, ja.

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    Original von made
    14. Gesang
    Hab ich das jetzt richtig verstanden, dass die Seelen ihren Körper wieder bekommen?


    Ja. Ich hätte beinahe gesagt: natürlich :-). Die "Auferstehung des Fleisches" ist bis heute zentraler Glaubenssatz der katholischen Kirche. Allerdings geht Dante (wie wohl schon die Kirchenväter vor ihm) von einem rundumerneuerten und optimierten Body aus ^_^. Ich hoffe mal, das betrifft dann auch die typisch weiblichen Problemzonen ...


    Tja. Also, ich bin jetzt auch so weit, daß ich diesen Teil durch habe. Ich find's nach wie vor durchaus interessant, an etlichen Stellen wurde ich ärgerlich und an anderen schüttelte ich nur noch den Kopf. In Summe wurde der Text aber seit der Hölle immer schwieriger zu lesen. Jetzt im Paradies gibt Dante ja sogar die Warnung aus, daß, was er schreibt, eh' nur noch ein Bruchteil seiner Leser verstehen wird. Danke vielmals, die Vorhersage hat sich erfüllt.


    Die Spache gewinnt noch einmal deutlich an Pathos. Daß beim Aufstieg ins christliche Paradies der heidnische Sängergott Apollon um Unterstützung angerufen wird, fand ich schon etwas pikant :lache. Und ich war ziemlich erleichtert, daß Dante zunächst auch nicht begreift, daß er im Begriff ist, zu fliegen - ich hab's jedenfalls beim ersten Lesen überhaupt nicht verstanden.


    Faszinierend, wie vollkommen man die Lehren der Antike in das eigene, christliche Weltbild einbaut - und zwar Astrologie und Philosophie gleichermaßen. Die ganzen Abhandlungen über Detailprobleme der "thomistischen" Welt- und Heilslehre (so nennt das mein Kommentar) sind für mich nur sehr schwer nachzuvollziehen. Immerhin finde ich es schon interessant, daß etliche Grundfragen, die sich uns heute stellen, auch für Dante schon problematisch waren.


    Wirklich genervt war und bin ich allerdings von der permanenten, strahlenden Liebe und Freundlichkeit der verklärten Seelen. Ich fühle mich momentan ein bißchen wie der "Münchner im Himmel" beim Anblick des "Hosianna" lispelnden Engels ... ;-)

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    Original von Beatrix
    Sharon Kay Penman


    Von der habe ich einen Roman gelesen, der zur Zeit spielt, als Stephen und Maude sich um die englische Königskrone streiten. Nicht perfekt und in etlichen Details wiederholt sich zu viel. Aber verglichen mit dem Meisten, was damals zum selben Thema auf deutsch zu kriegen war, um Längen besser!


    @ Fragoletta: Zu Iny Lorentz kann ich nichts sagen, ich hab sie nie gelesen. Ich vermute mal, daß der Anspruch an Sprache und an die historische Stimmigkeit, wie bei vielen MA-Romanen, da eher niedrig anzusetzen ist. Aber solange man's nicht mit einem Buch verwechselt, aus dem man die Geschichtskenntnisse aufbessern kann - hey, laß dir nichts madig machen!


    Wenn du sonst auch Krimis gelesen hast und du gar keinen Wert auf die Liebesgeschichte legst, wie wäre es mit historischen "Krimis"? Die kommen meistens auch ohne die große Besetzung aus (es müssen also nicht immer gleich weltgeschichtlich bedeutsame Konflikte und die VIPs des Mittelalters aufgeboten werden) und erlauben einen Blick ins gedachte Alltagsleben der Figuren. Mir persönlich gefällt das viel besser als dauerndes Schwertgefuchtel.


    Was ich sehr gern gelesen habe, war die Krimi-Reihe um das Ermittler-Duo Almut und Ivo, eine Begine und einen Pater, im Köln des vierzehnten Jahrhunderts, geschrieben von Andrea Schacht. Witzig, leicht zu lesen, mit etlichen Anspielungen auf das heutige Köln, und als Liebesgeschichte taugt die Reihe auch ;-). Ich glaube, "Der dunkle Spiegel" war der erste Band der Reihe.

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    Original von made
    Leider habe ich die anstrengende Eigenschaft, auch die Kommentare anzuzweifeln und zu fragen, woher die ihre Erkenntnisse haben.


    Sehr lobenswerte Eigenschaft ;-). Die Philosophie, die hinter Dantes Werk steckt, ist wohl die des Thomas von Aquin, also letztlich die Scholastik. (Sagt zumindest Falkenhausen ^_^). Die Scholastik unternahm den Versuch, mit den philosophisch-logischen Methoden der Antike, das christliche Glaubensdogma zu begründen.
    Ich erinnere mich dunkel, davon mal im Religionsunterricht gehört zu haben, aber das ist über zwanzig Jahre her ...

    "Besser" oder "schlechter" ... das sind eigentlich Wertungen, die ich mir nicht anmaßen will. Ich vermute, es gab auch damals Leute, die ein (subjektiv) glückliches, und andere, die ein unglückliches Leben geführt haben. Und damals wie heute dürfte die Chance auf ein Glücklichsein (oder "Seligsein"), also auf den irdischen "Garten Eden", nur bis zu einem gewissen Grad abhängig gewesen sein von den äußeren Umständen.


    Daß die äußeren Umstände zur Zeit Dantes in Oberitalien aus unserer Sicht wenig zum Glücklichsein beitrugen, das unterschreibe ich allerdings.


    Was ich oben vergessen habe: warum Vergil verschwindet. Auch das erklärt mein Kommentar: Vergil symbolisiert für Dante die menschliche Vernunft (wie sie sich in den Vorbildern der Antike darstellt), die eigentlich ganz allein zu einem tugendhaften Leben führen müßte. Von ihr geführt, durch ihr Beispiel geleitet, gelangt Dante bis zum "irdischen Paradies", dem Garten Eden.
    Das göttliche Paradies, die ewige Seligkeit, der "Himmel" ist der menschlichen Vernuft allein verschlossen. Dazu baucht es die Offenbarung, die Gottesliebe und den Glauben. Und das symbolisiert eben Beatrice für Dante.

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    Original von oemchenli
    Säulen der Erde


    Und gelesen haben muß, muß man üüüberhaupt nicht.


    Sorry, ich hab's verbessert. Das kommt davon. Segen der Erde ist von Knut Hamsun. Ganz andere Hausnummer :rolleyes.


    Heute würde ich auch sagen, man muß es nicht gelesen haben. Aber damals war ich hin und weg.

    Würde ich jetzt so nicht unbedingt unterschreiben. Zweifel an der christlichen Religion - ja, natürlich. Das kann es nicht geben. Damit ist er Kind seiner Zeit. Der Weg zur Erlösung führt einzig und allein über den Glauben an Jesus Christus. "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben." (Allerdings reitet er schon ziemlich auf dem Thema "gerechte Heiden" herum. Das kommt wohl später im Paradies nochmal. Laut meinem Kommentar hat Dante dieses Problem ziemlich zu schaffen gemacht. Daß jemand, der gar keine Chance hatte, von Christus zu erfahren, trotzdem aufgrund seines Unglaubens in der Hölle bleiben muß, erscheint auch Dante ungerecht. Allerdings konnte er auf dem Boden der christlichen Lehre seiner Zeit keine andere Lösung anbieten als die der göttlichen Gerechtigkeit: Gott hat so entschieden, und da Gott die Gerechtigkeit selbst ist, muß diese Entscheidung auch gerecht sein, selbst wenn sie sich menschlicher Vernunft entzieht.)


    Was allerdings die organisierte, die Amtskirche angeht, da ist Dante ein glühender Gegner. Das Papsttum seiner Zeit, vor allem das zunehmende politische Weltmachtstreben der Päpste, die sich von den Kaisern unabhängig machen wollen, hält er für die Ursache aller schlimmen Zustände in seiner Heimat. Dabei übersieht er großzügig, daß Welfen und Gibellinen sich von jeher bekriegt und sich eher nebenbei mal auf kaiserliche und mal auf päpstliche Seite geschlagen haben.


    Dante hat noch das ursprüngliche Bild der "mittelalterlichen Gewaltenteilung" im Kopf: der Papst führt die Christenheit zum seelischen Heil, der Kaiser zum ewigen Frieden. - Das hat in der Praxis wohl eigentlich auch nie wirklich funktioniert, aber in der Theorie klingt es hübsch.

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    Original von made
    22. Gesang
    Schon seltsam, dass man zum Büßen der Schwelgerei sich dort aufhalten muss, wo andere ihren Geiz beweinen.


    Das hat System. Sünden, die auf dieselbe Ursache zurückgehen (hier: Maßlosigkeit im Umgang mit Geld), werden immer gemeinsam gebüßt. Das war ja auch unten in der Hölle schon so: die Trägen und die Jähzornigen gemeinsam im Sumpf, die Verschwender und die Geizigen in einem gemeinsamen Höllenkreis, wo sie Lasten schleppen und dabei ständig aufeinander prallen.


    Was mir am gesamten Fegefeuer am besten gefallen hat, war das Aufeinandertreffen der beiden Dichter: Statius (bei Dante ein heimlicher Christ und deshalb im Fegfeuer) trifft, ohne daß ihm das klar ist, auf sein großes Idol und Vorbild Vergil. Von Vergil fliegt ein äußerst sprechender Blick ("Schnauze!") zu Dante, und der kann sich das Grinsen nicht verkneifen. So daß Statius erst recht aufmerksam wird und ein peinlich berührter Vergil sich nun doch huldigen lassen muß.


    Leider verläßt Vergil uns kurz darauf, denn jetzt zieht mit Pauken und Trompeten die lang Ersehnte und Erwartete ein: Beatrice. Bei ihrem Einmarsch in den Garten Eden mußte ich an die Szenen denken, wenn in den Asterix-Comics Kleopatra auftrat ("Laßt euch nicht stören, ich bin ganz inkognito hier".) Vor der Verschleierten tanzen, marschieren und psalmodieren die sieben Tugenden (vier weltliche, drei geistliche), die vierundzwanzig Bücher des Alten Testaments, die vier Evangelisten in Tiergestalt, und der Greif, der ihren Wagen zieht, ist das Sinnbild für Christus selbst. - Feuerwerk und Konfetti-Parade waren noch nicht so weit vebreitet, sonst hätten wir das bestimmt auch gekriegt.


    Dante im Garten Eden guckt erst mal genauso verdattert wie ich beim Lesen, schaut hilfesuchend zu Vergil und stellt fest, daß der weg ist. Ohne ein Wort des Abschieds. Das Letzte, was wir von ihm gesehen haben, war das wehmütige Lächeln, als Matelda erklärt, in ihren Beschreibungen von Elysium und Olymp hätten die antiken Dichter eine Ahnung von der Existenz des göttlichen Paradieses erhalten.


    Dante heult. Ich heule mit. Ich mochte Vergil. Und die Tussi da oben auf dem Wagen ist kein adäquater Ersatz!


    Als Erstes wird Dante erst mal zusammengestaucht, weil er Vergil vermißt, anschließend muß er seine Sünden bekennen, insbesondere seine Untreue ihr gegenüber. Meine Begeisterung für Fräulein Beatrice ist abgekühlt auf ein Temperaturniveau, bei dem Luzifer ganz schön mit den Flügeln flattern muß.


    Okay, mal wieder ernsthaft. Sooo doof bin ich gar nicht. Mir ist schon klar, daß "Beatrice" hier (u.a.) symbolisch steht für die Liebe zu Gott, daß hier also, in wohl typisch mittelalterlicher Art und Weise, das Motiv des Minnedienstes übertragen wird auf die Verehrung Gottes. Mit dieser Übertragung habe ich allerdings gewaltige Schwierigkeiten. Wahrscheinlich habe ich dafür einfach das falsche Geschlecht.


    Tut mir auch leid, daß ich so lange schweigsam war und dich deinem einsamen Selbstgespräch überlassen habe, made. Aber unter der Woche komme ich oft nicht dazu, längere Texte zu posten. Nächste Woche fange ich mit dem Paradies an.

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    Original von made
    Dass Cato als Nichtchrist und Selbstmörder jetzt im Fegefeuer erscheint, gibt der Verurteilung der Seelen eine liberalere Note als vorher


    Ehrlich gesagt, an der Stelle hätte ich beinahe das Buch weggeworfen. Die Art und Weise, wie Dante sich für große Namen begeistert und darüber alles Andere vergißt, geht mir schwer auf den Keks. Nachdem er uns gerade in der Hölle erklärt hat, daß es die größtmögliche Sünde ist, gegen Cäsar zu sein, bewacht ausgerechnet einer von dessen größten Gegnern den Eingang zur Seligkeit.


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    Original von made
    Schon seit einiger Zeit frage ich mich, wenn Dante den Lauf von Himmelskörpern beschreibt und von den Polen spricht, ob er sich die Erde schon als Kugel vorstellte.


    Ganz klar ja. Nach meinem Kommentar hat man sich die Kugelgestalt so vorzustellen, daß nur die eine Halbkugel von Menschen bewohnt ist. In ihrer Mitte liegt Jerusalem, und direkt darunter das Höllentor, zu dem Dante von Vergil geführt wurde. Genau entgegengesetzt, auf der anderen Seite der Erdkugel, liegt der Läuterungsberg (der Ort des Fegfeuers), an dem in der Version von Dante auch Odysseus sein Ende gefunden hat. Sowohl der Höllenkrater als auch der Läuterungsberg entstanden, als Luzifer vom Himmel auf die Erde geschleudert wurde - er steckt ja auch immer noch im Krater fest. Darum konnten Dante und Vergil am Fell Luzifers entlang auf die andere Seite der Welt klettern - und darum dreht sich Vergil, worüber Dante sich wundert, irgendwann beim Klettern kopfüber um.


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    Original von made
    Anscheinend hat in der damaligen Zeit Astrologie eine große Rolle gespielt. Wie passt das zum Christentum? Hier wird es so weit relativiert, dass zwar die Sterne Einfluss darauf haben, mit welchen Charakterzügen einer geboren wird, aber doch jeder die freie Entscheidung hat, wie er sie fördert oder zügelt.


    Ich habe mir in der Zwischenzeit mal den allgemeinen, gesangunabhängigen Kommentar reingezogen. Eines der Hauptanliegen Dantes war offenbar, gegen die Lehre vom Determinismus anzugehen (nach der die Sterne das Schicksal des Menschen vorherbestimmen). Der Glaube daran, daß die Gestirne Einfluß auf das Schicksal haben, war wohl allgemein verbreitet und galt als Wissenschaft. Die erwachende Rückbesinnung auf die Antike dürfte das noch gesteigert haben.


    Was mir an dem Buch nach wie vor überhaupt nicht gefällt, ist der total verkochte Eintopf aus christlicher Religion, antiker Sage und oberitalienischer Politik. Vor allem Dantes einseitige Parteinahme für die "Lateiner" (jeder Grieche, der auch nur ansatzweise gegen Aeneas war, fndet sich unweigerlich in der Hölle wieder).
    Was ich wirklich liebe: die kleinen Szenen. Die Flucht vor den Teufeln in der Hölle, das ratlose Herumstehen am Strand des Läuterungsberges, bis die neuen Seelen zum Berg gescheucht werden.

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    Original von Fragoletta
    Was würdet ihr sagen, welche historischen Romane muss man unbedingt lesen?


    Wirkliche Bestseller, die den zeitweisen Boom ihres Genres mit ausgelöst haben, waren wohl diese zwei:


    - Ken Follett, Segen der Erde Ähem. Säulen der Erde war gemeint. Danke, oemchenli!
    - Noah Gordon, Der Medicus


    Wobei ich letzteren nicht selbst gelesen habe.
    Was genau hat dir denn an den Iny-Lorentz-Büchern so gut gefallen? Vielleicht wäre es mit diesem Wissen leichter, dir zu raten. Liebesromane, die vor mittelalterlicher (oder sonstwie historischer) Kulisse spielen, gibt es ja sehr viele.

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    Original von rienchen
    Was ist denn bitte eine "Wanderhure"? ?(


    Im Fernsehjournal der "Süddeutschen" haben sie eine "Prostituierte to go" daraus gemacht :lache.


    Zum Thema: Ich habe weder die Bücher gelesen noch die Filme gesehen. Aber ich gebe zu, ich lese gerne die Besprechungen dazu. Und amüsiere mich vermutlich dabei mindestens genau so gut.