Beiträge von Josefa

    Bißchen Off-Topic: Da ja so viele Interesse hätten an der zweiten Lebenshälfte Ottos, insbesondere Ungarnkrieg und Lechfeldschlacht, mal eine dumme Frage: kennt jemand eventuell einen Roman von einem anderen Schriftsteller zu dieser Zeit? Wäre ja vielleicht eine Idee für eine andere Leserunde in der Zukunft.
    Ich habe zu Hause nur ein schmales Krimi-Bändchen, dessen Geschichte nach der Lechfeldschlacht spielt, aber mit der Person Ottos gar nichts mehr zu tun hat. Bei Amazon habe ich mir ergebnislos die Finger wund gesucht, aber vielleicht bin ich auch nur zu doof? *hoff*


    Dafür bin ich auf einen anderen Roman gestoßen, der anscheinend dieselbe Zeit abdeckt wie "Das Haupt der Welt", also auch die Frühphase von Ottos Regentschaft. Kennt das eventuell jemand? Robert Gordians KdG-Krimireihe kenne ich und mag sie sehr.

    Ich frage mich gerade, wie sehr es mir zu denken geben muß, wenn mir auf diese Frage überhaupt kein Buch einfällt ... :gruebel


    Natürlich gibt es Bücher, die ich gerne - und oft - gelesen, über die ich nachgedacht und aus denen ich einen neuen Blickwinkel auf manche Dinge gewonnen habe. Aber ein Buch, das mich tatsächlich verändert hat? Ein Buch, das ich lese und das mich so erschüttert, daß ich danach ein anderer Mensch bin und ein anderes Leben lebe? Das kenne ich tatsächlich nicht.


    Vermutlich bin ich dafür zu dickfellig.

    Wie oben schon gesagt, ich habe jedes Mal ein schlechtes Gewissen, wenn ich im Autorenbereich poste. Wäre deine Bemerkung dann als Antwort auf meine diesbezügliche Frage zu verstehen? - Ernsthaft; falls dieser Bereich den "richtigen" (verlagsveröffentlichten und mehr oder minder bekannten) Autoren vorbehalten sein soll, habe ich damit kein Problem. Ich möchte niemanden ärgern, und ich vermute, die meisten meiner "Kollegen" aus der sechsten Liga eigentlich auch nicht. :-)


    Allerdings wurde die Autorenecke, soweit ich's mitgekriegt habe, in der Vergangenheit auch als Abstellkammer benutzt, in die man unerwünschte Eigenwerbung verschiebt, bevor man sie löscht oder auch stehen läßt. Und es gab einige Threads zum Thema Selbstveröffentlichung, BoD, KDP und so weiter. Das reizt dann natürlich wieder, sich einzumischen - gibt nicht so viele Themen, bei denen ich das Gefühl habe, mitreden zu können ;-).


    Für diesen konkreten Thread stimme ich zu: mehr "echte" Autorenantworten wären interessanter gewesen.

    Ich bin zwar est seit relativ kurzer Zeit hier und habe noch dazu nur über Umwege her gefunden. Aber gratulieren und vor allem "Danke" sagen möchte ich trotzdem!


    Vielen Dank an Betreiber und Moderatoren! :welle Auf die nächsten zehn Jahre!


    Und die Eule hat am selben Tag Geburtstag wie mein Dad. Das kann man sich wenigstens merken. :grin

    Inhalt


    Im Jahr 929 gerät Tugomir, der zweite Sohn eines slawischen Fürsten, gemeinsam mit seiner Schwester in sächsische Kriegsgefangenschaft. Zehn Jahre wird er unter seinen Feinden verleben, im steten Wechsel mal als rechtloser Gefangener, wertvolle Geisel oder geschätzter Heiler und Ratgeber. Dabei wird er tiefer in die Angelegenheiten am Hof des Sachsenkönigs hineingezogen und lernt seine Feinde besser kennen, als ihm selbst lieb ist.


    Persönliche Meinung


    Ich habe dieses Buch im Rahmen einer Leserunde gelesen. Eine Bewertung fällt mir ziemlich schwer. Ich kannte vorher nur einen Roman Rebecca Gablés, "Das Lächeln der Fortuna", den ich ziemlich furchtbar fand. Insofern bin ich begeistert, daß dieses Buch mich weit besser unterhalten hat und, meiner Ansicht nach, in vielen Punkten auch deutlich besser geschrieben ist. Vor allem mochte ich die sehr positive, versöhnliche Grundaussage des Buchs.


    Andererseits gibt es doch etliche Kritikpunkte. Politische Überlegungen als Motiv für die Handlung kamen mir neben den emotionalen Beweggründen oft zu kurz. Die vielen, meiner Meinung nach für den Handlungsverlauf völlig überflüssigen Sex- und Gewaltszenen wurden ja schon genannt. Außerdem waren mir auch in diesem Roman die Bösewichter, Gero und Henning, zu platt. Ähnlich ging es mir schon mit "Mortimer" aus "Das Lächeln der Fortuna". Diese Figuren tragen alle ein "Ich bin ja SO böse"-Schild auf dem Rücken. Eine Erklärung für Ihr Verhalten wird zwar gegeben, aber so beiläufig, daß es auf mich aufgesetzt wirkt.


    Das wäre ein Punkt, in dem ich einen deutlichen Unterschied sehe zu, zum Beispiel, einer Charlotte Lyne. Die fängt an dieser Stelle, da, wo es weh tut, sich in die Figuren einzufühlen, und wo Rebecca Gablé deshalb aufhört, überhaupt erst richtig an.


    Den Versuch, einen Konflikt zwischen zwei eigentlich positiven Figuren zu schildern, unternimmt aber auch Frau Gablé mit der sehr ausführlich beschriebenen Brüderbeziehung zwischen Otto und Thankmar. Nur ist sie aus meiner Sicht damit gescheitert; jedenfalls konnte ich die psychologische Motivation hinter dem tragischen Geschehen nicht wirklich begreifen. Ich bin leider jemand, dem die Vorgänge im Inneren der Figuren wichtiger sind als die äußerliche Handlung, sehe aber ein, daß es bei vielen Lesern historischer Romane wohl anders aussieht.


    Sehr positiv hervorzuheben ist die, soweit ich es beurteilen kann, gute und im Nachwort auch gut dokumentierte Recherche. Daraus resultiert dann auch gleich ein erfreulich niedriger Anteil an typischen Mittelalter-Klischees (also nix mit grundsätzlich böse christliche Kirche, gelben Gewändern, unschuldigem Heidentum, Hexenverbrennungen und auf geheimnisvolle Weise allein im Wald überlebenden Greisinnen ;-)). Wird leider durch die vielen Gewaltdarstellungen und Bettgeschichten ein bißchen überschattet; allerdings kenne ich die Zeit zu wenig, um beurteilen zu können, wie rechtlos und freizügig die Zeit der Ottonen tatsächlich war. Das Bild der Zeit, das vermittelt wird, ist jedenfalls in sich weitgehend stimmig und überzeugend.


    Was man vielleicht als Warnung vorab sagen sollte: Es ist kein Roman über Otto den Großen. Otto ist eine wichtige Nebenfigur, aber er spielt nur insofern eine Rolle, als er Bedeutung für Tugomirs Lebensweg hat.


    Mein ganz persönlicher Zahnschmerz sind Fantasy-Elemente wie der Wassergeist, der Tugomir im Buch gelegentlich die Zukunft vorhersagt. Vermutlich ist diese romantische Komponente nach Ansicht des Verlags der überwiegend weiblichen Leserschaft von historischen Romanen geschuldet.


    Ich würde sieben Punkte geben, mit Tendenz zu acht.

    Ich bin inzwischen auch durch, habe auch das sehr informative Nachwort noch gelesen, in dem zumindest ein paar meiner Fragen beantwortet wurden, und kämpfe ein bißchen mit meiner abschließenden Einschätzung.


    Was den letzten Part angeht: auf den slawischen Teil der Verschwörung unter Beteiligung bis dato völlig unverdächtiger Figuren hätte ich auch verzichten können; das war mir zu sehr an den Haaren herbeigezogen. Vor allem von Asik war ich ziemlich enttäuscht. Von Slavomir rede ich gar nicht; das kam mir zu sehr aus heiterem Himmel. Der sächsische Teil der Angelegenheit ist ja wohl historisch. Mir wäre nur lieber gewesen, Tugomir hätte auf weniger dramatische Weise darin verstrickt sein können.


    Daß der Roman hier endet, finde ich dagegen gut und richtig. Es war meinem Gefühl nach nie wirklich ein "Otto"-Roman geplant. Es ging immer um Tugomirs Lebensgeschichte, und Tugomir ist jetzt "angekommen". Deshalb ist es auch normal, wenn die Vorgänge in Sachsen nur noch knapp gehalten sind, sobald Tugomir sich dort nicht mehr aufhält.
    Das Problem mMn ist, daß die Thankmar-Geschichte im Buch zuviel Raum einnimmt und den Blick auf Tugomir zeitweilig verstellt. Leider waren gerade die Thankmar-Passagen auch die, die mich am meisten gefesselt haben. Mir wäre viel Lesefreude entgangen, hätte man da gekürzt.


    Ansonsten fehlen mir die Vergleichsmöglichkeiten zu anderen Gablé-Romanen; ich hatte zuvor, wie gesagt, nur "Das Lächeln der Fortuna" gelesen, das mir überhaupt nicht gefallen hat. Was mir am "Haupt der Welt" mehr zusagte: deutlich weniger Klischees, eine sympathischere Hauptfigur mit wenigstens etwas deutlicher ausgeprägten Schwächen und eine glaubwürdigere Haupthandlung. Dafür gab es auch Dinge, die mir überhaupt nicht gefallen haben: die vielen detailliert beschriebenen Grausamkeiten und Vergewaltigungen, die Figuren von Gero und zum Teil Egvina (war mir viel zu "modern" in ihrem Denken) und die Sexszenen, die überhaupt nichts zum Fortgang der Handlung beitrugen und die man getrost hätte weglassen können. Im Gegensatz zum "Lächeln der Fortuna", wo ich das Gefühl hatte, die Figuren entwickeln sich charakterlich überhaupt nicht weiter, ganz egal, was ihnen passiert, gibt es hier ganz klare Änderungen im Denken, Empfinden und Handeln. Nur konnte ich die psychologische Motivation hinter vielen überhaupt nicht verstehen (Otto und Thankmar, Gero, auch Tugomir).


    In Erinnerung bleiben wird mir, wie wohl den meisten, vor allem Thankmar.


    Zitat

    Original von Saiya
    Allerdings bin ich etwas zwiegespalten, was den Roman angeht. Gefallen hat er mir, aber es gibt doch ein paar Dinge, die mich stören. Das war auch bei "Das Haupt der Welt" schon ähnlich.


    Ist das nicht das Buch, über das wir gerade sprechen? ;-)


    Edit: Link zur Rezi: -klick-

    Ich weihe diesen Bereich nun zum guten Schluß doch noch ein, wenn's okay ist. Damit er nicht völlig umsonst eröffnet worden ist.


    Was passiert in diesem Abschnitt?


    - Tugomir versucht, sich mit dem Fürsten der Obodriten auszusöhnen, in erster Linie, um die Obodriten davon abzuhalten, in sächsische Gebiete einzufallen. Dabei werden die alten Geschichten rund um Tugomirs Mutter und ihren obodritischen Liebhaber wieder aufgekocht. Zu Tugomirs Verblüffung erweist sich Ratibor als ganz netter Kerl; die Tatsache, daß er wie Tugomir ein christlicher Herrscher über ein Volk von Heiden ist, verbindet beide außerdem. Trotzdem sind sie aufgrund der Umstände Todfeinde. Zum Glück hat Ratibor den grauen Star (vermute ich mal, daß das gemeint ist), und Tugomir schiebt jede Eskalation der Lage dadurch auf, daß er verspricht, ihn zu heilen. Nächstes Frühjahr.
    - Otto belagert mal wieder eine Burg, die sich zu Henning bekennt. Erzbischof Friedrich bringt ihn in eine verzweifelte Lage; seine Vasallen werden schwankend.
    - Völlig überraschend wird das Heer der Verschwörer angegriffen und vernichtend geschlagen. Eberhard von Franken fällt, Giselbert von Lothringen ertrinkt bei der Überquerung des Rheins. Henning entwischt, mal wieder. Die Nachricht vom völligen Sieg befreit Otto aus seiner vertrackten Lage. Henning ist derweil auf der Flucht, sein einziger Begleiter stirbt an den Verletzungen, die er sich in der Schlacht zugezogen hat. Henning will bei seiner neuerdings verwitweten Schwester unterschlüpfen und muß feststellen, daß der König von Westfranken sich ihrer (und Lothringens ) bereits angenommen hat und keinen Wert darauf legt, sich mit Henning einzulassen.
    - Bei den Hevellern (ich habe jetzt erst kapiert, daß man das Wort auf der ersten Silbe betonen muß, weil's ja von "Havel" kommt) übt Alveradis, bereits schwanger, ihre Fürstinnenrolle, und Dragomira bemalt Kirchenwände (wo auch immer sie das wieder gelernt hat, das ist doch eigentlich was ganz anderes als Buchmalerei?). Egvina ist inzwischen auch auf der Brandenburg und erhält in einem Brief ihrer Schwester Nachricht von den jüngsten Kriegsereignissen.
    - Henning, allein, inzwischen ausgezehrt und nach eigener Meinung sterbenskrank, fällt Otto vor die Füße und bettelt um Vergebung. Sinn für Dramatik hat er ja. Otto nimmt ihn auf, läßt ihn heilen und will ihm Lothringen geben aus politischen Gründen, die ich wirklich nicht verstanden habe.
    - Alveradis bringt einen slawischen Thronerben zur Welt, und Tugomir führt seinen ophthalmologischen Eingriff an Ratibor durch. Anschließend überläßt er den Patienten Egvina; daß bei der was gehen könnte, hatte Ratibor auch mit einem Auge vor der OP schon gesehen.


    Hier werden, soweit es den sächsischen Part angeht, sehr viele sehr komplexe Dinge sehr schnell erzählt. Ich fand es unheimlich verwirrend und konnte die ganzen Namen nicht mehr auseinanderhalten. Andererseits ist es für den Fortgang der Geschichte auch nicht mehr wichtig; der Haupterzählstrang läuft jetzt ganz offensichtlich bei den Slawen weiter.


    Mit Hennings Figur und Ottos ständiger Nachsicht komme ich nicht wirklich klar. Das alles mit der Gründonnerstagslegende zu erklären ist ... hm. Selbst wenn diese Legende zur Zeit Ottos schon existiert haben sollte - wäre das nicht eher ein Grund, besonders unnachgiebig gegen Henning zu sein und ihn möglichst weit von sich fernzuhalten? Immerhin ist er vom Teufel persönlich verflucht?


    Weiß eigentlich jemand, ob diese Legende tatsächlich zeitgenössisch ist? Hätte mich nur interessiert. Im Netz habe ich nur was zu Thietmar von Merseburg gefunden, der hundert Jahre später schreibt und gute Gründe hätte, solch eine Legende in die Welt zu setzen. Aber kann ja trotzdem sein, daß sie schon aus Ottos Zeit stammt.

    Och, wie es wirklich war, ist mir in einem Roman eigentlich auch egal. Und gerade Widukind merkt man ja extreme Abneigung gegen die Slawen an. Ich hatte an dieser Stelle nur etwas anderes erwartet und war schon ganz gespannt, wie die Autorin dieses Dilemma (positive Hauptfigur muß was ganz, ganz Gemeines tun) lösen würde. In was für eine Zwangslage Tugomir gebracht werden würde, um so zu handeln.


    Daß die Hauptfigur das Böse einfach nicht tut, ist natürlich die einfachste und leserfreundlichste Lösung. (Ich bin mir bei Tugomir noch immer nicht hundertprozentig sicher, ob ich ihn mag. Aber er ist mir in jedem Fall lieber als Robin aus dem "Lächeln der Fortuna", dem einzigen Gablé-Roman, den ich vorher gelesen hatte. Den konnte ich nicht ausstehen :rolleyes.)

    Ja, das stimmt natürlich. Um Alveradis wäre es Gero sicher nicht gegangen. Ich dachte eher an seine Zuständigkeit als Familienoberhaupt. Seine Tochter ist doch in seiner Munt. Sie "gehört" ihm also. Otto setzt sich hier über Gero hinweg, und obendrein tut er demonstrativ etwas, von dem er genau weiß, daß es gegen Geros Willen ist. Für mich ist das wie ein Schlag ins Gesicht, weil es Gero als Person trifft. Eine Absetzung als Markgraf hätte eher Geros Leistung und Fähigkeiten abgewertet.


    Aber ich finde es sowieso ausgesprochen schwer, mir vorzustellen, wie ein Typ wie Gero wohl denken mag. Ich glaube, das will ich gar nicht können. :grin

    Es ist schwierig, etwas zu diesem Abschnitt zu schreiben; kein Wunder, daß es so wenig Leute getan haben. Die Erzählstränge driften jetzt doch sehr weit auseinander.


    Es gibt ein paar rührende Abschiede. Otto verpaßt dabei seinem toten Bruder Thankmar posthum noch eine schallende Ohrfeige, indem er dessen Prinzenkette einem slawischen Dorfhäuptling umhängt - zumindest bin ich ziemlich sicher, daß die Zeitgenossen das so erlebt hätten. Von der Symbolik, die darin liegt (die Kette symbolisiert die Rangstellung, darum hatte Thankmar sie ja in der Kirche abgelegt; Otto erklärt Tugomir hier praktisch zum Familienmitglied!) einmal ganz abgesehen. Das habe ich als ganz groben Schnitzer im Roman empfunden.

    Tugomir nimmt Dragomira, seine Alveradis, Widukind und die diversen Daleminzer mit auf die Brandenburg. Wo er sich mit seinem Neffen und dessen Partei anlegen muß. Der junge Dragomir stirbt, als er versucht, Tugomirs Freund Selema zu ermorden. Hier weicht Frau Gablé von der historischen Überlieferung der "Sachsengeschichte" ab. Soweit ich mich erinnere, hieß es dort, der heimgekehrte "Tugumir" habe seinen Neffen hinterrücks ermordet. Ich war gespannt auf diese Szene und ein bißchen enttäuscht, als sie nicht kam. Das hätte die Ähnlichkeit zwischen Tugomir und Otto - der Zweck heiligt die Mittel - vollendet. Aber ja, es wäre schwer zu erklären gewesen.


    Tugomir muß sich danach mit allerhand politischen Problemen auseinandersetzen - von dem Widerstand seines altes Lieblingsfeinds Gero bis hin zu Bündnisangeboten kampflustiger Nachbarstämme, die Ottos momentane Schwäche ausnutzen und Tugomir zum Aufstand gegen die Sachsen verleiten wollen. Unterbrochen werden diese Ereignisse durch gelegentliche Schauplatzwechsel und Abstecher ins fränkische Reich, wo Otto sich - weitgehend erfolglos - immer noch gegen die Aufrührer unter Hennings nomineller Führung wehren muß. Die Nachricht, daß Tugomir die aufständischen Slawen für den Moment beruhigen konnte, verschafft dem gestreßten König etwas Erleichterung im familiären Drama.


    Was mich ein wenig gestört hat: wie beiläufig im Roman von der Buchmalerei gesprochen wird. Das Illuminieren von Büchern war ganz sicher nichts, was einem Zehnjährigen mal so eben aus der Feder fließt, sondern ein Handwerk, das von der Pieke auf gelernt wurde und einer eigenen Bildsprache mit sehr strengen Regeln folgte. Auch wenn die Bilder für moderne Augen oft wie die von Kindern aussehen. Das sind dann die Details, bei denen ich mir denke: naja, so intensiv war die Beschäftigung mit der Zeit eben doch nicht. (Ist vermutlich für einen Roman aber auch nicht nötig. Ein anderes Beispiel weiter vorne im Buch war die Beschreibung irgendeines Hochzeitskleids aus "sattgrünem Leinen". Das war auch so ein "Huh!"-Moment. Meines Wissens gab es gar keine Möglichkeit, Leinen mit damaligen Methoden "sattgrün" zu färben - mattgrün vielleicht. Und Leinen wurde, unter anderem weil es sich so schwer färben läßt, meines Wissens vor allem für Unterwäsche verwendet.)


    Anderes Detail: Tugomir soll doch angeblich der rechtmäßige Erbe des Fürstenthrons sein. Darum muß Dragomir seinen Platz ja räumen. Gleichzeitig wird aber auch gesagt, bei den Hevellern gelte grundsätzlich das Erstgeburtsrecht. Das paßt doch nicht zusammen? Nach dem Erstgeburtsrecht wäre doch ganz klar Dragomir der rechtmäßige Erbe (erster Sohn des ersten Sohnes - Bolilut - von Tugomirs Vater)?

    Nach Thankmar plant nun Henning den Aufstand, stellt sich dabei (sorry, Thankmar!) aber zunächst mal weit geschickter an. Otto beschwört die Heilige Lanze, und hundert Panzerreiter jagen das gesamte lothringische Heer davon. Tugomir will Christ werden und ermordet als vielversprechenden Anfang Thankmars Mörder. Henning schickt seine hochschwangere Frau zu Verhandlungen mit Otto. Mitten in Tugomirs Kommunionunterricht platzt die Nachricht, daß Gero sämtliche Slawenfürsten zu einem Gastmahl geladen und dort hinterrücks hat umbringen lassen. Jetzt geht alles sehr schnell: Tugomir wird heimgeschickt und soll Fürst der Heveller werden. Dragomira darf mit, samt ihrem zum Bischof ernannten Widukind. Und weil wir schon dabei sind, kriegt Tugomir seine Alveradis. Ein bißchen Strafe für Gero muß sein.


    Ist ja typisch, oder? Seit x Kapiteln wird Tugomir der "Buchgott" nahe gebracht. Erfolglos. Denn leider, die Inhalte dieses Glaubens, "Liebe deine Feinde", Friede, Versöhnung und so weiter, sind ja kompletter Schwachsinn. Aber so ein ordentliches Gemetzel gegen eine zahlenmäßige Übermacht - also, das ist cool! Den nehmen wir! Arrgh. Männer! :schlaeger :lache
    So schwer es mir aus heutiger Sicht fällt, diese Sichtweise nachzuvollziehen - ich glaube, das ist großartig im Empfinden der damaligen Zeit geschrieben! Es geht nicht mal ansatzweise darum, was "richtig" ist. Ausschlaggebend ist, welcher Gott mehr Macht beweist.


    Interessehalber: stimmt das, was Otto behauptet? Konnte der König wirklich verheiraten, wen er wollte? Ohne Zustimmung der Familie? Und selbst, wenn es stimmt: Otto hat ja offenbar durchaus Angst vor Gero und will ihm darum die Ostmark trotz des Massakers an den Fürsten nicht wegnehmen. Stattdessen verheiratet er, ohne ihn zu konsultieren, Geros Tochter mit dem Mann, den Gero am meisten haßt, versetzt ihm also eine noch viel demütigendere Ohrfeige. Ist das nicht unlogisch? Da hätte sich doch die Sache mit der Ostmark viel diplomatischer lösen lassen?

    Das ist genau mein Problem mit diesem Abschnitt. Was historisch passiert ist, ist natürlich klar (zumindest wird es in sehr klarer Weise überliefert). Bei Widukind von Corvey prallen einfach die Egoismen aufeinander: ich will das haben, gib das her. Oder: ich bin in meiner Ehre gekränkt, ich knall dir eine vor den Latz.


    Aber im Roman sind die Figuren völlig anders angelegt und von solchen persönlichen Eitelkeiten weitgehend frei; beide sollen ja sympathisch sein. Und ich war sehr gespannt, welche Erklärung mir die Geschichte dafür bieten würde, daß diese eigentlich enge und entspannte Brüderbeziehung so völlig aus den Fugen gerät und in offenen Konflikt mündet.


    Irgendwie habe ich nicht wirklich eine gekriegt. Sie kloppen sich einfach, einer stirbt, weiter im Text. Da fehlt mir einfach ein ganz wichtiger Teil der Geschichte, der mir die Handlungsweise der Figuren im Roman erklärt. - Aber vielleicht ist das auch nur ein persönlicher Spleen von mir. Ich liebe nämlich Geschichten über ungleiche Brüderpaare. Wahrscheinlich war ich darum so enttäuscht, daß man von dem, was in den Köpfen der Figuren passiert, so wenig erfährt.


    Daß Otto Henning später (ich bin noch nicht viel weiter im Roman, kenne aber eben die "Sachsengeschichte", wobei ich den historischen Heinrich für einen weniger hinterlistigen Fiesling halte als den "Henning" im Roman) immer wieder verzeiht, ist vielleicht psychologisch eher erklärbar. Otto (also, der "Roman-Otto" :grin) wollte ja nicht, daß Thankmar stirbt. Er wird sein Leben lang darunter leiden, daß er Thankmar in den Aufstand und letztlich in den Tod getrieben hat. Darum will er sicher den Teufel tun und dasselbe beim jüngeren Bruder nochmal riskieren.


    *seufz * Was ist aus der guten alten karolingischen Klosterhaft geworden? Die war so praktisch.

    Ein Abschnitt, der vermutlich einer der wichtigsten dieser Geschichte sein müßte. Angel- und Wendepunkt. Trotzdem läßt er mich ratlos zurück.


    Müßte ich jetzt verstanden haben, warum die Figuren so handeln, wie sie handeln? Warum brüskiert Otto seinen Bruder derart und gibt ihm die neue "Ostmark" nicht? Mir fallen natürlich jede Menge Gründe ein; aber mir ist aus dem Erzählten überhaupt nicht klar geworden, welcher der richtige ist.
    1.) Thankmar säuft zuviel. Wenn das der ausschlaggebende Punkt ist, müßte Otto allerdings, nach dem bisherigen Roman zu schließen, vier Fünftel seines Heeres entlassen. Und Gero würde sich als Alternative zu Thankmar von selbst verbieten.
    2.) Editha traut Thankmar nicht und hat Otto entsprechend beeinflußt. So etwas wird zwar angedeutet, aber nicht wirklich nachdrücklich. Und Anlaß zu solchen Verdächtigungen hat Thankmar bisher doch noch nie gegeben? Er hängt nach wie vor am Hof seines Bruders rum und scheint ihn im Rat weitgehend zu stützen. Mal abgesehen davon: wenn man schon Angst hat, jemand könnte zum Aufstand geneigt sein, wie politisch klug ist es dann, ihm eine derartige öffentliche Ohrfeige zu verpassen?
    3.) Otto traut Thankmar nicht zu, daß er gegenüber den Slawen hart genug ist (wegen dessen Freundschaft zu Tugomir?). Das wäre ja ganz witzig, weil Thankmar ursprünglich derjenige war, der Otto für zu weich und "heilig" hielt. - Deshalb zieht Otto Gero als Befehlshaber vor. Aber in Anbetracht der Tatsache, daß er ja plant, seine Herrschaft in den neu eroberten Gebieten auf ganz neue Grundlagen zu stellen, die auch auf eine Akzeptanz der Unterworfenen abzielt - wie schlau ist es da, einen alkoholsüchtigen, blutrünstigen Psychopathen auf die neuen Untergebenen loszulassen? Und würde Thankmar sich wirklich durch eine mürrische Freundschaft zu einer Geisel davon abhalten lassen, zu tun, was notwendig ist? Würde Tugomir, der immerhin ein Fürstensohn ist, darauf wirklich mit einem völligen Abbruch der Freundschaft reagieren? Ottos Maßnahmen begreift er doch auch. Und selbst wenn - würde das Thankmar derart beeinflussen? Er und Tugomir sind doch nicht verheiratet, sie treffen sich bloß ab und zu zum Saufen ...
    4.) Otto fürchtet, daß ein "Monster" wie Gero nötig sein wird, um die Slawen zu besiegen, und will nicht, daß Thankmar, den er von klein auf schätzt, sich zu einem solchen Monster entwickeln muß.


    Wahrscheinlich gäbe es noch mehr Gründe. Aber ich finde keinen, der sich mit den Ereignissen, den persönlichen Beziehungen und dem Charakter der Figuren wirklich in Einklang bringen ließe. Den - meiner Ansicht nach - wichtigsten Grund finde ich im Buch überhaupt nicht wieder: Otto will das Reich in einer Hand. Jetzt in seiner Hand, dann in der seines Erben. Das war das zentrale Motiv seines Vaters, und Otto setzt diese Politik fort. Er darf mit Blick auf Luidolf nicht erlauben, daß jemand, der dem Thron so nahe steht und mit solchem Recht Anspruch auf die Krone erheben könnte wie Thankmar, sich eine Hausmacht bildet. Und wenn Thankmar noch so wenig geneigt scheint, solch eine Macht zu nutzen - seine eventuellen Erben könnten anders denken.


    Thankmars Reaktion auf seine Zurücksetzung ist mir im Grunde ebenso schleierhaft. Bisher war er, um's mal einfach zu sagen, in äußerst sympathischer Weise faul. Null Ehrgeiz. Vollauf zufrieden damit, an Ottos Hof rumzuhängen und zynische Kommentare abzugeben. Und jetzt plötzlich explodiert er?
    Natürlich war es eine große Zurücksetzung. Aber doch kaum größer als die, die er durch seinen Vater erfahren hat, als der ihm die Krone verweigert hat. Und verglichen mit seiner Reaktion jetzt hat er das ja locker weggesteckt. Es hat auch sein Verhältnis zu Otto nicht wirklich getrübt; er hat sich ihm demonstrativ unterstellt und das auch betont (indem er beim respektvollen "Ihr" bleibt, das Otto so in den Ohren schmerzt). Oder lese ich da wieder nicht zwischen den Zeilen?
    Thankmar mag Otto - er bewundert ihn beinahe. Und er ist nicht blöd. Kann er sich die Gründe, die Otto veranlaßt haben, so zu handeln, wie er handelt, nicht zusammenreimen? Er ist immerhin sein Bruder. Oder will er nicht? Warum nicht? Warum trifft ihn gerade diese Zurücksetzung so sehr?
    Liegt es daran, daß er jetzt eine Tochter hat, für die er sorgen will? Dann herzlichen Glückwunsch, Herr Thankmar, dich zum Verräter zu machen und massakrieren zu lassen, war wohl die blödeste Idee, die du diesbezüglich hättest haben können.
    Oder geht die Sache tiefer? Ist, was er will, im Grunde Ottos Anerkennung? Da er die Anerkennung seines Vaters nie bekommen hat? Hat er selbst Angst, ein Taugenichts zu sein, den man zu nichts gebrauchen kann, und will sich und Otto das Gegenteil beweisen? Schlägt er Otto, um ihn auf sich aufmerksam zu machen: da schau, Bruderherz, ich könnte sehr wohl?


    So viele Fragen. Tut mir ehrlich leid, aber ich fand diese Passage ausgesprochen lieblos und oberflächlich erzählt. Daß Thankmar eine der beliebtesten Figuren im Buch sein würde, war ja offensichtlich so geplant. Da hätte ich mir einfach sehr viel mehr Aufmerksamkeit gewünscht.


    Sonstige Gedanken:


    - Thankmar und Egvina (ein Sachse und eine Angelsächsin) gebrauchen beide den urbairischen Ausdruck "grantig". :lache Muß wohl schon Judiths Einfluß an Ottos Hof sein.
    - Tugomir und Alveradis. Gingen mir weitgehend am Allerwertesten vorbei, wenn ich ehrlich sein darf. Die ganze Liebes- und Kerkergeschichte war wohl hauptsächlich nötig, damit Tugomir nicht zuviel Gelegenheit hat, auf Thankmar zu achten. Was er eigentlich auch nicht tut. Wenn Otto tatsächlich der Ansicht gewesen war, die Freundschaft zwischen Thankmar und Tugomir sei so eng, daß die Thankmars Verhalten gegenüber den Slawen generell beeinflussen würde, dann muß das eine recht einseitige Freundschaft gewesen sein.
    - Es mag ja sein, daß es im Mittelalter üblich gewesen sein mag, aus dem Burgfenster zu pinkeln. Aber wie ich feststelle, es ist nicht unbedingt nötig, mir en detail davon zu erzählen. Zumindest wäre es mir lieb gewesen, wenn ich von einer eigentlich tragischen Figur wie Thankmar nicht gerade dieses Bild hätte im Kopf behalten müssen.
    - Ottos Doppelmoral kennt keine Grenzen. Er schickt Gero zu den Slawen, weil er Thankmar die notwendige Härte nicht zutraut (?), ist aber hellauf entsetzt, daß sein Bruder Thankmar womöglich ein Dorf niedergebrannt haben könnte. Also was willst du jetzt eigentlich, Mann?

    Ja, daß die Slawen sich eben nicht als zusammengehörig empfinden, sondern nur von ihren sächsischen Feinden als etwas Zusammengehöriges gesehen werden (eben "die Slawen", so ähnlich wie es auch "die Germanen" nur in den Köpfen ihrer römischen Gegner gegeben hat), das war auch mein Eindruck. Darum hatte mich Selemas Ausspruch auch so gewundert. Aber wahrscheinlich ist Heikes Erklärung die beste und naheliegendste. Ich fürchte, ich bin einfach nicht sehr gut darin, solche Dinge zwischen den Zeilen herauszulesen. Mir muß ein Roman alles vorbuchstabieren :-(. Also danke, liebe Heike, fürs Erklären!


    Ich hatte mich übrigens, ähnlich wie Nightflower, über das "Wechselfieber" bzw. die Malaria gewundert, bin aber im Wikipedia-Artikel "Marschenfieber" belehrt worden, daß es vor der Trockenlegung der Sümpfe in Norddeutschland offenbar häufige Malariaepidemien gab. Der Erreger ist nur ein anderer als bei der tropischen Malaria.

    Was passiert in diesem Teil?


    - Tugomir darf seinen Neffen nicht mehr sehen. Udo, ein bloßer Wachsoldat, verpaßt der königlichen Geisel wegen der Entführung eines fremden Kinds einen Magenschwinger, nachdem Otto Tugomirs Strafe schon ausgesprochen hat. Ich bleibe dabei: Laden nicht im Griff.
    - Die beiden Soldaten, die vor etlichen Kapiteln Dragomiras Magd vergewaltigt hatten, werden grausam verstümmelt am Tor gefunden. Udo verdächtigt Tugomir, der ein Alibi hat, und Thankmar hat das unbestimmte Gefühl, an dem Verdacht könnte trotzdem was dran sein.
    - Tugomir sieht mal wieder in die Zukunft. Praktisch, erspart dem Leser etwas überflüssigen Nervenkitzel. Egvinas und Thankmars unerwünschtes Kind wegmachen will er nicht. Prinzipien.
    - Dragomiras geplante Flucht mit Widukund wird vereitelt, noch bevor sie einen Schritt vor die Tür gesetzt hat.
    - Heinrich stirbt, Otto wird in Aachen zum neuen König gekrönt, und Tugomir sieht zu diesem Anlaß Wilhelm wieder.
    - Dragomira zieht um in ein neugegründetes Kanonissenstift nach Quedlinburg.
    - Otto hat Probleme mit den wieder einmal aufständischen Slawen und brüskiert bei der Vergabe des Oberbefehls die Adligen.
    - Gero erschlägt im Suff einen slawischen Sklavenjungen. Tugomir befreit die übrigen Slawen aus Geros Haushalt, und Alveradis hilft ihm dabei.
    - Otto hat die Redarier besiegt, trifft Dragomira wieder und wird von Letzterer darüber aufgekllärt, daß seine Mutter plant, ihn zu stürzen und Henning auf den Thron zu setzen. Die liebste Mama wrd entmachtet, und Thankmar und Henning streiten sich um die Rolle des wichtigsten Sidekicks im Familienverband.
    - Dragomira setzt als Gegenleistung für die Aufdeckung der Verschwrung durch, daß ihr Priester an Ottos Hof abkommandiert wird.


    Gedanken:


    - Interessant, daß sächsische Söldner, die offenbar nichts lieber tun, als Slawen auf möglichst brutale Weise kleinzuhacken und daher an den Anblick verstümmelter Leichen gewöhnt sein sollten, auf die kastrierten Wachen mit derart schwachen Mägen reagieren.
    - Die Sterbeszene des alten Königs fand ich sehr gut geschrieben! Ottos verzweifeltes Warten darauf, daß sein Vater noch einmal aufwacht, um ihm zu sagen, was er tun soll, hat mir diese Figur zum ersten Mal wirklich nahe gebracht.
    - Dragomiras und Widukinds Problem begreife ich noch immer nicht wirklich. Was ist die Motivation derer, die sie an der Heirat hindern?
    - Tugomirs Prinzipien entspringen einer erstaunlichen Doppelmoral: Ungeborenes Leben wird beschützt. Sächsische Bedienstete, die nur ihre Pflicht erfüllen, darf man jederzeit umbringen. Der Zweck heiligt die Mittel, da ist er sich offenbar mit Otto einig. Und den Grundsätzen der christlichen Kirche verblüffend nah.
    - Warum ist es gut, daß Alveradis das Tor hinter Tugomir schließt? Dann weiß man doch, daß irgendjemand in Geros Haushalt den Sklaven geholfen hat, zu flüchten?
    - Dieses geheime Netzwerk der Daleminzer Hausangestellten ist mir zu "mächtig" und klingt mir zu sehr nach Mantel-und-Degen-Filmen oder nach Karl May. Kann mir keiner erzählen, daß in einer solchen Truppe nicht der eine oder andere dabei ist, der kalte Füße kriegt oder sich bei der Herrschaft einschmeicheln will und die Sache auffliegen läßt. Abgesehen davon: sie könnten sich doch einfach mal zu einem bestimmten Termin an Tugomirs Giftschränkchen bedienen, die Sachsen ausschalten und in der allgemeinen Verwirrung flüchten?
    - Thankmar. Hm. Da ist wirklich einer, der nie seinen Platz findet. In keiner Hinsicht. Vielleicht ist er mir deshalb so sympathisch.
    - Allgemein: Ich habe Widukinds "Sachsengeschichte" ja vorher gelesen und weiß, daß da große Lücken zwischen den wichtigen Ereignissen sind. Aber muß man die Lücken unbedingt mit Gewalt- und/oder Bettszenen füllen? Ich hätte gern sehr viel mehr erfahren über die schleichende Entfremdung, die nun offenbar zwischen Otto und Thankmar einsetzt. Die eigentlichen Ereignisse (die Kämpfe) erleben wir auch nur aus zweiter Hand, vom Hörensagen.

    Inzwischen bin ich mit diesem Abschnitt auch durch. Was passiert in diesem Teil?


    - Dragomira führt ein erfülltes Leben in ihrem Stift und ist, von kleineren Gefühlsverwirrungen abgesehen, geradezu glücklich.
    - Ihr sechsjähriger Sohn Wilhelm ist vollgültiges Mitglied von Ottos Familie und auch beinahe glücklich.
    - Tugomir ist als Heiler ein angesehenes Mitglied von Ottos Gefolge, pflegt eine mürrische Freundschaft zweier Zielloser mit Thankmar und arbeitet hart daran, nicht womöglich aus Versehen auch noch glücklich zu werden. Im Nebenjob baut er sich ein Netzwerk aus Spitzeln auf, was leicht ist, da die gesamte Dienerschaft in Magdeburg nur noch aus slawischen Kriegsgefangenen zu bestehen scheint.
    - Otto übt sich in der Rolle des "guten Königs", obwohl er vom wahren Leben nach Ansichts seines Bruders zu wenig versteht. (Anmerkung meinerseits: Würde er mehr davon verstehen, hätte er die Sache mit dem "guten König" vermutlich schon längst aufgegeben.)
    - Zwischendrin war mal Krieg mit den Ungarn. Die Slawen fühlen sich anscheinend von ihren sächsischen Feinden vernachlässigt und meucheln sich gegenseitig, um wieder Aufmerksamkeit zu erregen. Die Damen der königlichen Familie tauschen politische Botschaften verpackt in Briefen über die letzten Modetrends. Und der Familien-Benjamin ist ein unzuverlässiger Wichtigtuer.
    - Tugomir heilt Alveradis, die Tochter seines Intimfeinds Gero. Flüchtet, unterstützt von seinem geheimen Dienstboten-Netzwerk, aus der Pfalz und schleift seinen Neffen heimlich im tiefsten Winter durch den Wald, um ihn seiner Mutter vorzustellen, damit Wilhelm und Dragomira vollkommen glücklich sein können.


    Tja.
    Allmählich beginne ich zu begreifen, warum sämtliche Sachsen sich in diesem Buch wie hirnlose Schläger aufführen müssen. Die Geschichte mit den Tugomir treu ergebenen Daleminzern würde sonst nicht funktionieren. Offenbar ist Dragomira tatsächlich die einzige gefangene Slawin, die sich in ihrer Stellung verbessert hat.


    Ein nettes Detail fand ich, daß die weiten Ärmel der damaligen Frauenkleider erwähnt wurden. Es kommt selten genug vor, daß ein Roman auf so etwas eingeht.


    Bin ich die einzige, die es seltsam findet, daß ein sechsjähriges Kind einer wildfremden Frau, die es noch nie zuvor gesehen hat, einfach so um den Hals fällt? Ich konnte mit sechs Jahren schon sehr "befangen" sein.


    Was ich überhaupt nicht einschätzen kann: wie "schlimm" war denn zur damaligen Zeit die Tatsache, daß Otto ein außereheliches Kind hat? Darum wird im Roman ja ein ungeheurer Terz gemacht, Bastard hier und Bastard da. Aber von solchen anerkannten Kindern liest man doch ständig, in praktisch allen Adelsfamilien? In erster Linie bedeutet "Bastard" doch nur, daß Wilhelm (oder eventuell eben auch Thankmar, je nach Betrachtungsweise) von der Erbfolge ausgeschlossen ist? Welchen Grund hätte dann Mathildis, sich nach so langer Zeit noch um die abgelegte Ex ihres Sohnes zu kümmern und ihr zu grollen, wie Tugomir befürchtet? Und selbst wenn sie sie noch nicht vergessen hat: Müßte sie nicht sogar begeistert sein, diese Dame verheiraten und damit endgültig von der Bildfläche verschwinden lassen zu können?


    Gero und Udo finde ich nach wie vor rätselhafte Figuren, mit denen ich nicht klarkomme. Entweder bin ich zu doof, oder die sind wirklich platt wie Flundern.


    Was mich auch noch interessieren würde: war es im Mittelalter wirklich so, daß sich die "Slawen" als ein gemeinsames Volk verstanden haben, so wie es im Roman dargestellt wird, wenn Selema von der "letzten Hoffnung der slawischen Völker" redet? Kommt mir auch sehr unwahrscheinlich vor. Im ersten Abschnitt wird ja auch erwähnt, daß die einzelnen Stämme sich untereinander teilweise mehr hassen als die Sachsen.

    Ich bin mit diesem Abschnitt noch nicht ganz durch, wollte aber schon ein paar Dinge festhalten, bevor ich sie vergesse.


    Meine Lesefreude wurde leider schon ziemlich gedämpft, völlig unerwartet, weil ich den Einstieg wirklich gut zu lesen fand. Aber ich merke, wie ich jetzt schon anfange, mich beim Lesen zu quälen.


    Da sind erst mal diese dauernden Vergewaltigungen. Auf einen Typen mit moralischen Skrupeln kommen in dieser Geschichte gefühlte neunundneunzig, die alles bespringen, was im entferntesten weiblich aussieht. Was ist denn das für ein Männerbild, das dahinter steht? (Mal abgesehen davon, daß der Arbeitsalltag eines Mannes im Mittelalter doch körperlich durchaus fordernd gewesen sein müßte und ich den armen Kerlen gelegentlich mal eine Mütze Schlaf gönnen würde). Und mal eine dumme Frage: ich bin bisher ganz naiv davon ausgegangen, eine Vergewaltigung sei zumindest laut Gesetz auch im Mittelalter eine Straftat gewesen? Natürlich nicht in erster Linie an der Frau, sondern an dem, in dessen Munt sie war. Aber eben doch grundsätzlich ein Verbrechen? Was ja zunächst mal für einen Mann, der sich selbst als anständigen Kerl sieht (und wer will das nicht tun), eine gewisse Hemmschwelle bedeuten müßte?


    Der zweite Punkt, der mich stört, fiel mir zum Beispiel bei der Ankunft der beiden englischen Prinzessinnen auf. Das ist alles so ... unzeremoniell. "Na, denn kommt mal rein in die gute Stube, Mädels. Aber behaltet die Schuhe an, bei uns ist's nicht so sauber." - Vielleicht habe ich ein völlig falsches Bild vom Mittelalter, aber meinem Gefühl nach wurde damals (gerade im weitgehend analphabetischen FrüMi) unheimlich viel mit Ritualen gearbeitet. Und diese Rituale waren wichtig, da konnte wegen einer falschen Handbewegung ein Vertrag platzen. Stattdessen latschen diese beiden piekfeinen heiratswilligen Damen einfach so ins Wohnzimmer, man plaziert mal kurz das Heiratsgut auf dem Fußboden, im Hintergrund steht schon das Abendessen auf dem Tisch. Überhaupt, wo sind die Typen im grauen Anzug mit den Aktenkoffern die Heerscharen an Rechtskundigen und Sonderbeauftragten, die diese Hochzeit zweier Königshäuser ausarbeiten? Das ist keine private Hochzeit, das ist ein Staatsvertrag, der hier zustande kommt. Da müssen Einflußsphären abgesteckt, Handelsverträge abgeschlossen und Neutralitäts- und Bündnisvereinbarungen ausgehandelt werden. - Zumindest hätte ich erwartet, daß irgendein ausgewähltes Mitglied des Königshauses den Damen entgegen reist und sie ans Ziel geleitet.


    Auch die Figuren benehmen sich ... hm. Mit der einen Ausnahme von Thankmar, der sich und seine Emotionen im Griff hat (womit er seinem Vater weit ähnlicher zu sein scheint als Otto), kommen sie mir alle ziemlich unbeherrscht vor. Plump aggressiv. Dümmliche Rüpel. Gero ist so extrem, den kann man ja kaum ernst nehmen.

    Vielleicht wird das im Laufe des Buchs noch besser, aber im Moment trübt das meine Laune sehr. Vielleicht wollte Frau Gablé ja einfach nur einen krassen kulturellen Gegensatz aufzeigen zur Zeit der Rosenkriege, mit der sie sich vorher beschäftigt hat?


    Zu diesem "Allergietest" habt ihr ja schon genug gesagt. Wenn ich den Artikel aus der SZ richtig überflogen habe, ist es ja sogar nachgewiesenermaßen medizinischer Blödsinn, der nur über die unbewußte Suggestion des Therapeuten "funktioniert". Ich finde es halt immer schade, wenn moderner semi-esoterischer "Firlefanz" (um es mal mit Heinrich zu sagen) aufs Mittelalter rück-projeziert wird. Auf der nächsten Webseite für "nachhaltiges Leben" steht dann wahrscheinlich "Ein altes Verfahren, das man im Mittelalter schon praktizierte (siehe R.Gablé) ..."


    Edit: Tippfehler ausgebessert.
    Und noch ein Edit: Inzwischen bin ich mit dem Abschnitt durch. Thankmar versöhnt mich mit der Geschichte. Seine Reaktion auf Ottos Erhöhung und seine zynischen Gedanken und Kommentare gefallen mir gut.


    Sonstige Eindrücke: Ich rätsle etwas über Tugomirs rechtliche Stellung. Für mich ist ein Kriegsgefangener (der auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist) etwas anderes als eine Geisel (die zumindest in der Theorie gestellt wird und bei der ich auf der anderen Seite einen Verhandlungspartner habe).
    Egvinas Benehmen ist für eine Prinzessin schon ... außergewöhnlich. :grin
    Und ich denke auch, daß Dragomira ihr Kind selbst unter anderen Umständen, als adlige Ehefrau, nicht lange hätte behalten dürfen.
    Heinrich hat seinen Laden (diese sächsische Räuberbande, die seinen Hofstaat bildet) irgendwie nicht so wirklich im Griff, oder? Wenn jeder sich da rausnehmen kann, sich ohne Befehl an einer Geisel zu vergreifen?
    Geärgert habe ich mich etwas darüber, daß Tugomirs Bemerkung über die Bettler, die es bei den Slawen nicht gebe, unwidersprochen stehen bleibt. Ich hoffe, da kommt noch was. Daß Tugomir in seiner Verbitterung die Verhältnisse in seinem Volk verklärt, ist begreiflich. Realistisch ist es nicht. Eigennutz und mangelndes Mitgefühl sind keine Eigenschaften, die sich an Nationalitäten festmachen ließen.

    Zitat

    Original von Maharet
    (zumindest nicht mehr als die Waringham`sche Pferdegabe)....


    Ja, die hat mir den Spaß am "Lächeln der Fortuna" schon mit verleidet :fetch. Dagegen, daß Tugomir an Schamanismus glaubt und ihn praktiziert, hätte ich ja nichts einzuwenden, im Gegenteil. Nur daß dieser Schamanismus - zumindest gehe ich mal davon aus - ja zu funktionieren scheint. Tugomir sieht ja wohl wirklich in die Zukunft, und zwar, ohne daß das im Buch psychologisch irgendwie vorbereitet oder erklärt worden wäre (indem er sich zum Beispiel Gedanken über das macht, was die Sachsen wohl für ihn planen). Damit habe ich ein gewaltiges Problem. In die Zukunft sehen kann heute keiner, das konnte damals auch keiner.


    Wahrscheinlich bin ich einfach zu erdverhaftet und unromantisch. ;-)


    Wegen des Boethius - vielleicht wollte Frau Gablé die Sache absichtlich geheimnisvoll lassen? Unverständliches ist ja immer interessanter. (Gibt ja auch genug Katholiken, die dringend die lateinische Messe wieder einführen wollen ;-).)

    Ich habe jetzt erst (oder doch schon, eigentlich wollte ich ja noch warten) mit dem Buch angefangen. Gefällt mir bis jetzt überraschend gut, auch wenn ich grundsätzlich kein Freund von Schlachtszenen und sonstigen Grausamkeiten bin. Insofern empfand ich Otto auch nicht als übertrieben "heilig", sodern war eher erleichtert, daß immerhin einer in der Runde innerlich versucht, nicht komplett zum Barbaren zu mutieren.


    Dragomira ist eine interessante Figur. Ausgesprochen kühl kalkulierend. Sie muß wirklich ein sehr leeres Leben geführt haben in ihrem Zuhause, so schnell, wie sie bereit ist, sich mit den neuen Verhältnissen zu arrangieren. Tugomirs Verhalten, sein Versuch, jegliche Fraternisierung mit dem Feind (oder vielleicht das "Stockholm-Syndrom" :grin) zu vermeiden, erscheint mir menschlich begreiflicher. Sachsen = böse. Punkt, und daran wird nicht gerüttelt.


    Was mich wundert, ist, daß Tugomirs Heiler-Fähigkeiten solches Aufsehen erregen und seine Kenntnisse denen der Sachsen so weit überlegen sind. Allerdings kenne ich mich mit der Zeit leider so gar nicht aus. Wie ist das zur Zeit der Ottonen, haben sich da die kulturellen Verhältnisse gegenüber der Karolingerzeit, also auch die medizinischen Kentnisse, wirklich dermaßen verschlechtert? (Ich habe im Netz nach "Totenkraut" gegoogelt, weil ich den Namen nicht kannte, und gleich der erste Treffer verweist mich auf Walafrid Strabos "De cultura hortorum". Hundert Jahre vorher war das Kraut offenbar wohlbekannt.) Oder ist es eine Frage der Region? War das Netz von Klöstern, die als Zentrum der Heilkunst hätten dienen können, weniger dicht in Sachsen?


    Oh, und ich habe nach dem Boethius-Zitat gesucht. Meine Kenntnisse des Anglo-Sächsischen sind gleich Null, also sorry, falls ich komplett daneben liege. Aber ich denke, es handelt sich um einen Teil aus Boethius' "Trost der Philosophie", Drittes Buch, der Abschnitt über Orpheus und Eurydike, eben in der Übersetzung/Nacherzählung durch Alfred den Großen von Wessex. Es müßte die "Lossprechung" durch Hades sein, der dem Sänger sein Weib zurückgibt, das er durch sein Harfenspiel ("hearpunga") verdient hat. Also eine ganz "klassische" Einleitung für einen Roman ;-).


    Edit ist noch was eingefallen: Der (prophetische?) Traum mit der Vila am Wasser hat mich etwas gestört. Mag keine Fantasy-Elemente in einem Historienroman. Die sind bäh. :grin
    Und etliche der slawischen Götternamen habe ich wiedererkannt von Charlotte Lynes "Die Glocken von Vineta" her. Damals hatte ich schon mal ein bißchen im Netz nach dem slawischen Götter-Pantheon gesucht.