Ich habe "Das Erbe des Puppenspielers" gestern beendet und fand es mit Abstand bisher das beste Buch, das ich im Laufe meines "Karl der Große"-Projekts gelesen habe.
Trotzdem habe ich ziemlich lange gebraucht, um es zu beenden, und es sogar zwischendrin unterbrochen. Gerade zu Beginn des Romans ist die Stimmung ziemlich düster, und ich bin eingestandenermaßen mehr der Typ für die Friede-Freude-Eierkuchen-Bücher. Im Mittelteil, während Meginhards Zeit im Kloster und danach in Baiern, folgen einige Szenen, die heiteren Charakter haben und schon fast Richtung Schelmenstück gehen. Aber das dauert nicht lange. Meginhard zahlt für jedes Lächeln hundertfache Zinsen.
Wer Meginhards Vater war, dürfte den meisten Lesern, die sich mit der Zeit beschäftigt haben, von Anfang an klar sein. Umso bedrückender ist es, mitanzusehen, wie er durchs Leben stolpert, wenn er nicht sogar von seiner Umgebung eher gezerrt wird. Sein Lehrherr, der Meginharts Herkunft erfaßt hat, mag ihn zu Beginn aufsammeln, weil er sich höheren Orts Belohnung dafür verspricht, hat den Jungen aber, in dem Rahmen, den er sich selbst zugesteht, wirklich gern. Meginhard fällt ihm gegenüber aus einem Extrem ins andere, von unterwürfiger Dankbarkeit zu glühendem Haß und zurück. Am Ende begeht er einen Mord, den er selbst gleich darauf beweint.
Vielleicht lag da auch die Schwierigkeit, die ich mit dem Buch hatte. Die Hauptfigur ist schwer zu fassen. Meginhard spielt immer eine Rolle, steckt permanent im Zwiespalt zwischen seinem freundlich-übermütigen Wesen und dem, was seine Umgebung von ihm fordert. Oder was er glaubt, daß seine Umgebung von ihm fordert. Ich würde auch nicht unterschreiben, daß dahinter eine atheistische Haltung steht. Meginhard ist "Künstler". Für ihn ist das, was sein könnte, immer bedeutender als das, was ist. Seine Aufgabe ist es, "die Puppen tanzen" und in den Augen und Hirnen seiner Zuschauer Dramen geschehen zu lassen und eine eigene Schöpfung zu kreieren - das macht ihn dem Schöpfergott in gewisser Weise ebenbürtig.
Meine liebsten Szenen waren trotzdem die mit den Kindern, wenn Meginhard ganz er selbst sein darf, selbst ein zu früh erwachsen gemachtes Kind auf der Suche nach einem Platz, an den es gehört - der kleine Ludwig im Zelt, Theodebert auf dem Marsch nach Ingelsheim. Nebenbei bemert, das war das erste Buch aus der Reihe meiner bisherigen KdG-Romane, in dem Ludwig der Fromme auftrat und nicht als hinterhältiger Intrigant dargestellt wurde.
Ich schwanke zwischen acht und neun Punkten, was aber mehr mit meiner Einstellung zu tun hat als mit dem Buch. "Das Erbe des Puppenspielers" geht klar über die typischen Romane des Genres hinaus. In jedem Fall eine Leseempfehlung.