Hallo!
Hier erstmal meine Antwort auf Docs Beitrag in dem anderen Thread:
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Nun, ich habe Kinder und kann deswegen nicht nur von den Erfahrungen aus meiner (zugegebenermassen schon etwas zurückliegenden) Schulzeit berichten, sondern habe im Laufe der letzten Jahre so ziemlich Alles erlebt, was die Kinder heutzutage bildungstechnisch erwarten kann. Das fängt beim Kindergarten an und ist im Moment bei meiner Grossen im Gymnasium angelangt. Natürlich sind das subjektive Erfahrungswerte, aber so schlimm sehe ich die Sache nicht.
Ja und nein. Es gibt ausgezeichnete Kindergärten und Schulen in Deutschland, keine Frage. Ich habe eine gute Freundin, die zwei Kinder hat (4 und 20 Monate) und diese wunderbar erzieht. Sie hat sich bereits über Kindergärten informiert und wird mit Sicherheit auch gute Schulen aussuchen. Sollte die Schule, die der Wohnung am nächsten ist ihr und ihrem Mann nicht gefallen, werden sie Mittel und Wege finden, damit eine bessere gefunden wird. Wenn/falls sie wieder berufstätig wird, wird sie sich um eine gute Versorgung für ihre Kinder kümmern.
Da mache ich mir keine Sorgen. Aber es gibt in Deutschland genügend Schulen, da ist der Ausländeranteil bei 80 Prozent und einige von diesen Schülern sprechen überhaupt kein Deutsch. Es gibt Lehrer, die erzählen, dass morgens die Kinder hungrig, unausgeschlafen und in zu dünner Kleidung frierend zum Unterricht erscheinen. Es gibt Klassen, da sind so viele Kinder verhaltensauffällig, dass die Lehrer hauptsächlich damit beschäftigt sind, die Kinder zu beruhigen, mit ihnen Gymnastik- und Entspannungs-Übungen zu machen, damit sie sich danach ein wenig konzentrieren können.
Ich weiß nicht, wieviel Prozent aller Schulen es so schwer haben, aber ich weiß, dass es viel zu viele Schulen sind.
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Man sollte vielleicht auch davon abrücken, dass die Bildungsverantwortung alleine in den Händen von Schule und Lehrern liegt.
Das sehe ich auch so. Die meiste Zeit verbringen Kinder zu Hause und dort sollte alles stimmen (soweit das möglich ist). Aber was machst Du, wenn es eben nicht in Ordnung ist?
Wenn ich Straßenbahn fahre oder in den Supermarkt gehe, kriege ich das kalte Grauen. Wenn ich Eltern mit ihren Kindern sehe, erlebe ich so häufig, dass Kinder auf Fragen keine Antwort bekommen, dass Kleinkinder, die auf dem Bürgersteig stehenbleiben, um eine Blume anzugucken angeschnauzt werden, dass Kinder im Supermarkt für ganz normale Verhaltensweisen zurechtgewiesen werden. Wenn ich dann mal Eltern sehe, die mit ihren Kindern liebevoll, respektvoll umgehen, bin ich völlig begeistert. Aber das ist eher die Ausnahme. Gut, die hysterischen Eltern mit ihren zwangsläufig ebenfalls hysterischen Kindern fallen natürlich mehr auf, trotzdem sind es viel zu viele.
Ich glaube auch nicht, dass das Hauptproblem in den Schulen zu suchen ist. Da könnte, nein, da müsste vieles verbessert werden, aber die Ursache ist schon, dass die Kinder auch von ihren Eltern allein gelassen werden, nicht gefördert werden. Aber wenn das so ist, muss dieses Problem gelöst werden.
Und wenn viele Kinder schon zu Hause nichts geboten bekommen, ist es dann sinnvoll, dass in Deutschland die Erzieherinnen in den Kindergärten zu den schlechtausgebildetsten europaweit gehören? Fast überall sonst haben Kindergärtnerinnen studiert. Bei uns findet man an diesen Stellen viele junge Frauen, die selbst ungern zur Schule gegangen sind und eine schlechte Allgemeinbildung haben.
Meine Kollegin sagte neulich, ihre Kinder hätten im Kindergarten immer das gleiche Programm. Erst wird Osterdekoration gebastelt, dann Sommerdekoration, dann Weihnachtsdekoration, dann Karnevalsdekoration und dann ist wieder Ostern an der Reihe.
Die Kindern, die zu Hause ihr Wissensbedürfnis stillen können, deren Eltern, wie du Doc, mit ihnen ins Planetarium und ins Museum gehen, die ihnen Fragen beantworten, vorlesen und mit ihnen über ihre schlechten Träume sprechen, die basteln dann halt die Dekorationen und es ist egal. Aber die, die zu Hause vor den Fernseher gesetzt werden, weil die Eltern es auch nicht besser können, oder weil sie nach ihrer Arbeit zu kaputt sind oder warum auch immer, die haben, wenn sie in die Grundschule kommen bereits die Lust am Lernen und die Fähigkeit dazu verloren.
Meine Schüler, die nicht wissen, dass die USA in Nordamerika liegen, würden es Dir auf dem Globus vielleicht richtig zeigen. Aber was in ihrem Gehirn nicht funktioniert, ist die Fähigkeit, Schlüsse zu ziehen. Oder die Fähigkeit, sich genug zu konzentrieren, um eine Aufgabenstellung zu begreifen. Ich muss die einfachsten Aufgabenstellungen immer wieder wiederholen, weil die Information entweder nicht ankommt, oder nicht richtig verarbeitet wird. Und der Grundstein dazu wird bestimmt bereits im Kleinkindalter gelegt.
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Kinder müssen er"leben", das Bildung vorallem Spass machen kann und man die Welt dadurch viel bewusster wahrnimmt, als wenn man eben nur stundenlang vor der Playstation sitzt oder sich mit seinen Kumpels an der Tanke zusammenrottet.
Ich glaube, Kinder müssen gar nicht erleben, dass Lernen Spaß macht - es ist sogar so, dass kleine Kinder gar nichts anderes tun, als zu lernen. Der Mensch ist so konstruiert, dass er lernen will, vor allem als Kind. Spielende Kinder lernen ja ununterbrochen. Du musst nur mal meinem zukünftigen Patenkind beim Spielen zuschauen, er macht dann, was wir sein "Arbeitsgesicht" nennen: Zusammengezogene Augenbrauen, höchste Konzentration! Ganz freiwillig. Und so geht das eigentlich weiter. Leider sind aber viele Umgebungen so, dass sie den Kindern das systematisch aberziehen.
Da sind natürlich Erwachsene, die Schule blöd fanden, die Lesen als Blödsinn abtun und es wichtig finden, möglichst viel Bier in ganz kurzer Zeit zu trinken, ein schlechtes Vorbild, denn ein großer Teil des Lernens geht natürlich auch über die Nachahmung und Kinder sind darauf angewiesen, sich anzupassen. Sie bilden sehr schnell Muster, um in ihrer Umgebung zurechtzukommen. Das kann totale Anpassung sein oder auch das Gegenteil, agressives Verhalten, um irgendeine Art von Aufmerksamkeit zu erregen.
Wenn das nicht alles in einer Teufelsspirale enden soll, die nach unten führt, muss man jetzt irgendwas ändern. Gut wäre es natürlich auch, die Eltern zu ändern. Da gibt es auch Projekte. Ich habe neulich im Fernsehen etwas über ein Projekt gesehen, das nannte sich "Starke Eltern, starke Kinder". Hauptziel der Kurse ist es, das Selbstvertrauen der Eltern als Erzieher zu stärken und die Kommunikation in der Familie zu verbessern. Mehr darüber hier:
WDR
Das funktioniert aber nur bei Eltern, die überhaupt merken, dass ein Problem da ist, die die Kraft haben, etwas zu ändern, die genug Deutsch können usw.
In den Fällen, in denen die Eltern nichts ändern können oder wollen, sollte wenigstens der Kindergarten oder die Schule oder eine andere Stelle einen Ausgleich schaffen können.
Haarsträubend finde ich es dann, wenn ausgerechnet im Erziehungswesen immer wieder Kosten reduziert und Stellen gestrichen werden. Denn, ich sage es hier auch nochmal, meiner Meinung nach sollte die Sorge um Kinder die höchste Priorität in der Politik haben.