Ich habe mal ein Gedankenspiel gemacht und versucht, ein gutes Schulmodell zu entwerfen, das trotzdem finanziell realisierbar ist.
Meine Schule wäre eine Ganztagsschule (ein Gymnasium, eine Realschule oder Gesamtschule) mit Unterrichtseinheiten bis 16 Uhr und weiterer Betreuung für Kinder berufstätiger Eltern bis 18 Uhr.
Idealerweise würde diese Schule erst um 9 Uhr beginnen. Da das aber für viele Berufstätige wieder zu Schwierigkeiten führen könnte, lassen wir es ruhig bei 8 Uhr. Von 8 Uhr bis 11:30 Uhr gibt es nach dem gewohnten Prinzip Unterricht. Danach ist eine Stunde Pause für das Essen, Quatschen, Toben und Spielen. Anschließend folgt noch eine weitere Unterrichtsstunde und danach zwei Einheiten von je einer Stunde mit Pausen dazwischen. Diese Einheiten können von Lehrern, ehrenamtlich arbeitenden Eltern und/oder älteren Schülern geleitet oder betreut werden.
Manche sind vielleicht Pflicht, so dass jedes Kind etwas Musikalisches machen muss, sich aber aussuchen kann, ob es Flötenunterricht, Klavierunterricht, Chor etc. nimmt.
Dadurch, dass nicht nur Lehrer unterrichten, sind die Gruppen deutlich kleiner als Schulklassen. Das Alter ist gemischt. Wenn ein 12jähriger ein hervorragender Pianist ist, kann er Klavierunterricht mit 16jährigen zusammen nehmen.
In dem Unterricht am Morgen werden die Hauptfächer unterrichtet. Kunst, Musik, Sport und gegebenenfalls weitere Fächer werden auf die Nachmittagseinheiten verlegt. Diese Nachmittagskurse gehen nicht unbedingt über ein komplettes Schulhalbjahr sondern so lange, wie der Tutor es unterrichten kann/möchte. Wenn z. B. ein älterer Schüler sich für Dinosaurier interessiert, kann er eine Reihe darüber anbieten, die vielleicht aus drei Stunden besteht. Oder jeder Tutor muss, der besseren Planbarkeit wegen, einen Kurs anbieten, der mindestens einen Monat dauert. Tutoren können Lehrer sein oder z. B. eine Mutter oder eine ältere Schülerin, vielleicht aber auch ein Student (idealerweise ein Lehramtsstudent, der laut Studienplan einmal wöchentlich in einer Schule arbeiten muss, noch eine nette Utopie) oder ein ehemaliger Schüler. Tutoren müssen ihren Lehrplan mit einem Lehrer absprechen. Der Saurier-Kurs könnte darin bestehen, dass der Tutor den Schülern erst etwas erzählt, dann mit ihnen einen Film guckt, Referatsthemen über unterschiedliche Saurier verteilt (Material aus Was-ist-was-Büchern), mit ihnen aus Pappmachee Dinos bastelt usw.
Ältere Schüler miteinzubinden halte ich für eine großartige Idee. Mein Freund sagt immer, dass man am besten lernt, wenn man anderen etwas beibringt. Zudem hat fast jeder Jugendliche Interessen, von denen er anderen gerne erzählt sowie ein oder mehrere Schulfächer, die er gut beherrscht. Außerdem ist es sicher gut für das Selbstwertgefühl, andere unterrichten zu können und die jungen Tutoren lernen Verantwortungsbewusstsein.
Selbst Interessen, die von den Eltern und Pädagogen nicht so gern gesehen werden, können so genutzt werden. Nehmen wir den 14jährigen, der den ganzen Tag vor dem PC hängt und meistens irgendwelche Ego-Shooter-Spiele spielt. Dieser Jugendliche könnte wunderbar Computerkurse geben, in denen er sogar auch Spiele vorstellen kann. (Ich denke, dass es durchaus zur Allgemeinbildung gehört, verschiedene Computerspieltypen wenigstens zu kennen.)
Diese Unterrichtseinheiten am Nachmittag beinhalten auch Hausaufgabenhilfe bzw. Nachhilfe-/Vertiefungsunterricht für unterschiedliche Fächer.
Da außer den älteren Schülern auch noch interessierte Eltern mithelfen, gibt es Kurse für Türkisch, Italienisch und Griechisch, Kochkurse, Handarbeiten, Seidenmalerei, Makramee, römische Geschichte, das Leben Elisabeth von Österreichs, Internet, Internetrecherche, creative writing und unzählige weitere Angebote wie Theatergruppen, Bauchtanzgruppen und Artistengruppen - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt. Da diese Kurse oft nur einen Monat dauern, lernen Schüler die unterschiedlichsten Themen kennen.
Einmal in der Woche (vielleicht auch nur einmal im Monat) ist Exkursionstag, da geht es nach dem Essen gleich los. Auf dem Programm stehen Besuche in der Bibliothek, Museen, Ämtern, Imkereien, botanischen Gärten, Universitäten, Arbeitsstätten von Eltern, Planetarien, Zoos usw.
Die Idee dahinter ist natürlich, dass es eine Sache ist, im Biologiebuch zu lesen, dass Bienen Blumen bestäuben. Eine ganz andere ist es, eine vollbeladene Biene mit gelben Höschen zum Stock taumeln zu sehen, um dann wohlmöglich auch noch anderen Bienen zu zeigen, wo sie das ganze Zeug gefunden hat. Besuche in öffentlichen Einrichtungen, auch Ämtern, vermitteln einen Überblick über die Arbeit solcher Stellen, aber auch die Fähigkeit, sich später selbst im Bezirksrathaus, der Bibliothek oder dem Arbeitsamt zurechtzufinden. Besuche in Firmen vermitteln einen ersten Eindruck über verschiedene Arbeitswelten.
Wenn die Lehrer damit überfordert wären, Unterricht vorzubereiten und zu erteilen, Tutoren zu beraten und auch noch die verschiedenen Kurse und Exkursionen zu organisieren, könnte jede Schule eine Kraft extra dafür einstellen. Ich glaube allerdings, dass es vielen Lehrern Spaß machen würde, zumal sie ja auch Hilfe von Eltern und älteren Schülern hätten.
Von 16 bis 18 Uhr würden die Schüler, die noch nicht nach Hause gehen können/wollen, dann nur noch von einigen wenigen Lehrern, älteren Schülern und Eltern betreut, könnten aber machen, was sie wollen. Vielleicht gäbe es auch nochmal extra Sportgruppen, Gesellschaftsspiele oder dergleichen.
Außer den Nachmittagskursen sollte natürlich auch der reguläre Unterricht praxisnäher sein. Im Fremdsprachenunterricht sollten möglichst schnell für alle Schüler Brief- oder Email-Freunde organisiert werden. Ich persönlich wäre beim Fremdsprachenunterricht für Blockunterricht, nachdem ich gesehen habe, wieviel Sprache man in wenigen Wochen Sprachurlaub erlernen kann. D. h. ich würde beim Beginn des Unterrichts einer Fremdsprache zwei oder drei Monate lang jeden Tag zwei Stunden Unterricht geben. Danach, wenn die Strukturen sich gefestigt haben, reichen ein bis zwei Stunden Aufbauunterricht in der Woche. Idealerweise würde der Grundkurs schon in der Grundschule gegeben (da allerdings von gut geschulten Sprachlehrern!!), da es jüngeren Schülern sowieso viel leichter fällt, Sprachen zu erlernen.
Selbstredend würden an meinem Unterricht keine Kinder teilnehmen, die der Sprache gar nicht mächtig sind. Hier müsste einfach jede Stadt (notfalls aber auch die Schule) Deutschkurse anbieten und die Schüler erst in den Unterricht lassen, wenn sie diesem wenigstens ansatzweise folgen können. Stellt Euch mal vor, Ihr müsstet jeden Tag 6 Stunden Unterricht in russischer oder türkischer Sprache über Euch ergehen lassen, ohne mehr zu verstehen, als hier und da mal ein Wort. Da würdet Ihr auch ganz schnell den Unterricht stören oder Depressionen bekommen. Ich kann einfach nicht fassen, dass es das in einem so durchorganisierten Land wie Deutschland gibt.
Außerdem gäbe es an meiner Schule auch Psychologen, die sowohl Schüler als auch Eltern und Lehrer betreuen. Und ich möchte die Möglichkeit haben, Lehrer zu entlassen, die nicht mitarbeiten. Es müssten auch einige Lehrer mehr eingestellt werden, da von 8 bis 16 Uhr (18 Uhr) Lehrer anwesend sind. Wenn das immer die selben sind, haben sie keine Zeit, um Unterricht vor- und nachzubereiten, was gute Lehrer einige Zeit kostet.
Insgesamt fallen für mein System relativ wenig Mehrkosten an. Eventuell die Organisationskraft, dann die Busse für die Exkursionen (je nach Lage der Schule frisst die Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel zu viel Zeit), die zusätzlichen Lehrer, der/die Psychologe(n), die Einrichtung einer Kantine und wahrscheinlich noch zwei, drei Posten, die ich jetzt übersehen habe. Insgesamt aber kann ich nicht entdecken, dass da etwas dabei wäre, das Unsummen an Geld verschlingt. Im Gegenzug sind die Kinder ja auch bis 16 oder 18 Uhr versorgt, lernen mehr, haben Gesellschaft statt alleine zu Hause herumzuhocken und bekommen etwas zu essen.
So, das war jetzt eine hübsche Phantasieübung. Da fehlt noch vieles, z. B. die Benotung, Versicherung für die Zeiten, in denen keine Lehrer anwesend sind und und und. Trotzdem glaube ich, dass sich eine Menge machen ließe und vielerorts wird ja auch schon einiges getan.