Ich habe jetzt aufmerksam Eure Diskussion gelesen und verstehe sie nicht. Warum gilt denn nur Unglauben als (für Euch gültiges) Kriterium, aus der Kirche austreten zu wollen?
Warum ist es nicht statthaft zu sagen: ich finde, dass viele Machthaber und viele ausführende Organe in dieser Gruppe zu viel Taten begehen, die ich nicht in Ordnung finde. Dafür will ich nicht auch noch zahlen und als Mitglied selbst dafür stehen!
Das Beispiel mit den Ärzten finde ich ich übrigens überhaupt nicht passend. Ich als Patientin gehe zu einem Arzt, um eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Ich bin nicht selbst Mitglied in der Ärztevereinigung. Das ist ein riesiger Unterschied, denn ich stehe nicht selbst für die Gemeinschaft der Mediziner. Als Mitglied der Kirche ist es eher wie im Verein, in dem ich mich mit der Vereinssatzung einverstanden erkläre.
Ein besseres Beispiel finde ich dann schon die Staatszugehörigkeit. Das ist sehr ähnlich, ich werde hineingeboren, ohne es mir aussuchen zu können und kann später auch auswandern und Staatsbürger eines anderen Landes werden, wenn die mich reinlassen (man wird ja auch nicht in allen Religionen mit offenen Armen aufgenommen, ich habe mir sagen lassen, dass es gar nicht so einfach ist, Jude zu werden). Anders ist lediglich, dass man nicht so leicht staatenlos sein kann wie ohne Konfession.
Sowohl bei der Kirche als auch bei der Staatszugehörigkeit finde ich es völlig angemessen, wenn man sagt, z. B.: in meinem Land werden Menschen gefoltert, was ich nicht richtig heiße, das Gesetz sagt, dass es verboten ist, zu töten, aber gleichzeitig gilt die Todesstrafe und zur Wahl stehen nur Politiker, mit denen ich nichts anfangen kann.
Dann habe ich nur drei Möglichkeiten. (1) Entweder ich zahle weiterhin meine Steuern (bei der Kirche Kirchensteuern) und füge mich den Gegebenheiten. (2) Oder ich wandere aus. (3) Oder ich verbringe einen großen Teil meines Lebens damit, mich politisch zu engagieren, in der Hoffnung, einmal etwas ändern zu können.
Version 1 ist bequem, aber man fügt sich vielleicht selbst den meisten Schaden zu. Version 2 kann ich hervorragend nachvollziehen. Version 3 ist vielleicht die edelste - das ist das, was die Kirchenbefürworter hier vorschlagen, oder? Aber wenn ich nicht die Kraft habe, oder keinen Grund mein Land/die Kirche zu lieben, warum soll ich mich dann so dafür einsetzen? Meinen Standpunkt mache ich doch durch das Verlassen des Landes ebenso klar. Bei der Kirche sehen wir, dass sich seit hunderten von Jahren nicht viel getan hat, obwohl sicher auch viel für eine Modernisierung gekämpft wurde. Fehler werden selten und wenn, dann erst hunderte von Jahren später zugegeben. Und Historikus hat doch triftige Kritikpunkte vorgetragen.
Einige von Euch haben schon erklärt, warum sie ihrerseits in der Kirche bleiben. Es gibt eine Gemeinschaft, die sie schätzen oder andere Gründe. Das ist doch okay. Wenn man sich damit identifizieren kann, ist es gut. Aber warum soll jemand, der sich nicht damit identifizieren kann und findet, dass diese Vereinigung zu viele Fehler macht, warum soll der nicht aus genau den Gründen austreten können/dürfen/sollen? Warum lasst Ihr nur den fehlenden Glauben gelten?
Was wäre, wenn er ausgetreten wäre, obwohl er gläubig ist? Was wäre, wenn er in eine andere Religionsgemeinschaft eingetreten wäre? Doc und Demosthenes, wäre das für Euch akzeptabel gewesen?
Viele Grüße
Jaleh (die übrigens nicht austreten musste, weil sie nie in der Kirche war und die immer Romane schreibt und deswegen gar nicht verstehen kann, dass Demosthenes dabei einen Tennisarm kriegt )